Handlungsempfehlungen – Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg

1 SolnetBW – Solare Wärmenetze Baden-Württemberg Vorhaben BWE 13027 im Baden-Württemberg Programm BWPLUS Politische Handlungsempfehlungen zur Förderung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg Ansprechpartner: Dr. Matthias Sandrock, Christian Maaß HIR Hamburg Institut Research gGmbH Paul-Nevermann-Platz 5 21129 Hamburg sandrock@hamburg-institut.com 2 Mit ihrem Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) verfolgt die Landesregierung Baden-Württembergs ehrgeizige Ziele: Bis 2050 will das Land gegenüber 2010 50% des Energieverbrauchs einsparen, 80% der Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen und die energiebedingten Treibhausgasemissionen um 90% senken. Das IEKK räumt dabei der Solarthermie und speziell den solaren Wärmenetzen einen hohen Stellenwert ein. Der Einsatz der Solarthermie verringert dabei gleichzeitig die Abhängigkeit von Kohle, Öl- und Erdgasimporten und schafft durch verminderten Brennstoffeinsatz eine langfristige Kostenstabilität, die für Verbraucher und Kommunen besonders wichtig ist. Für eine kostengünstige Integration der Solarthermie in den Wärmemarkt sind Wärmenetze besonders geeignet. So können großflächige solarthermische Anlagen in Verbindung mit Wärmenetzen wesentlich kostengünstiger Wärme bereitstellen als dezentrale Einzellösungen auf Ebene der Gebäude. Mit Hilfe großer zentraler Wärmespeicher im Fernwärmesystem kann die Solarwärme auch über längere Zeiträume gespeichert werden und es können hohe solare Deckungsraten am Wärmebedarf erzielt werden. Das Beispiel Dänemark zeigt, welche Potenziale solare Wärmenetze für die künftige Energieversorgung bieten. Dort kommen solarthermische Anlagen im Megawatt-Bereich vielerorts bereits zum Einsatz und liefern zu wettbewerbsfähigen Kosten erneuerbare und emissionsfreie Wärme für die kommunale Versorgung. Die erforderlichen großen Kollektorfelder werden hier auf Freiflächen installiert. Das SolnetBW1-Verbundvorhaben zielt auf eine umfassende Marktbereitung für solare Wärmenetze in Baden-Württemberg ab. Die im Vorhaben erarbeitete Studie Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg - Grundlagen | Potenziale | Strategien beleuchtet die Möglichkeiten und Erfordernisse einer vermehrten Nutzung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg. Neben einer umfassenden Projektstudie wurden u.a. zwei praxisnahe Leitfäden im Rahmen des Projekts zum Thema Solare Wärmenetze in Baden-Württemberg veröffentlicht. Im Ergebnis lassen sich folgende wesentliche Schlussfolgerungen aus dem Projekt ziehen:  Für die Umsetzung der Energiewende, die langfristige Kostenstabilität und die Verbesserung der Versorgungssicherheit ist die Solarthermie ein unverzichtbarer Baustein in der künftigen Energieversorgung.  Die solare Nah- und Fernwärme ist heute technisch ausgereift und am Markt verfügbar.  Es gibt zahlreiche technische Integrationsmöglichkeiten für die großflächige Solarthermie in Wärmenetze. Technische Hemmnisse für eine Realisierung bestehen nur in wenigen Fällen.  Ökonomisch konkurrenzfähige Wärmegestehungskosten gegenüber fossiler Wärmeerzeugung können insbesondere bei großen Anlagen (> 1 MWth), Freilandaufstellung und solaren Deckungsanteilen bis etwa 20% erreicht werden.  Der bestehende Rechtsrahmen ist bisher kein wesentlicher Treiber für die Marktausweitung solarer Wärmenetze. Anreize zur Investition bestehen jedoch durch eine attraktive öffentliche Förderung.  Es sind noch auf verschiedenen Ebenen Anstrengungen erforderlich, um der solaren Nah- und Fernwärme in Baden-Württemberg zum Marktdurchbruch zu verhelfen. 1 SolnetBW ist ein Verbundvorhaben zum Thema solare Wärmenetze, das im Rahmen des Förderprogramms BWPLUS mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft durch den beim Karlsruher Institut für Technologie eingerichteten Projektträger gefördert wird. http://solar-district-heating.eu/bw/Startseite.aspx 3 Im Folgenden werden einige politische Handlungsempfehlungen formuliert, die aus Sicht des Projektkonsortiums geeignet sind, die Marktausweitung solarer Wärmenetze maßgeblich zu befördern. 1. Landesweite Informations- und Beratungsaktivitäten Die Verstärkung der Informations- und Beratungsaktivitäten ist eine wichtige Grundlage, um Investitionen in die solare Nah- und Fernwärme zu ermöglichen. Trotz des derzeit rasanten Marktwachstums dieser Technologie in Dänemark sind die Möglichkeiten der netzgebundenen Solarthermie in Deutschland oft noch unbekannt. Ziel der Informations- und Beratungsaktivitäten sollte es sein, bei den potenziellen Akteuren ein nachhaltiges Interesse zu wecken und die künftigen Marktchancen zu vermitteln. Die Voraussetzungen für eine wachsende Bedeutung der solaren Nah- und Fernwärme sind dabei gegeben. Es setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass ein langfristig klimaneutraler Gebäudebestand durch energetische Sanierung der Gebäude allein nicht erreicht werden kann, sondern zunehmend erneuerbare Energien in die Wärmeversorgung integriert werden müssen. Auch die derzeit sehr große Abhängigkeit von den Energieimporten fossiler Energieträger in der Wärmeversorgung ist ein starker Treiber für neue Versorgungsstrategien auf Basis erneuerbarer Energien. Hier bietet die netzgebundene Solarthermie eine ökologisch und ökonomisch vorteilhafte Option. Derzeit überwiegt jedoch noch bei vielen Akteuren die Unkenntnis oder Skepsis über die technischen und ökonomischen Vorteile der solaren Nah- und Fernwärme. Gerade Akteure mit einer gewissen Offenheit für neue Technologien haben jedoch in der Vergangenheit oft Erfahrungen mit der Solarthermie gesammelt, die heute noch deren Bewertung prägen und für eine Hinwendung zu solarer Nah- und Fernwärme sogar hinderlich sein können. Dies betrifft sowohl Anlagen im privaten Bereich, als auch die Installation von Solarthermieanlagen durch Wärmeversorgungsunternehmen. Diese meist kleinen Anlagen weisen gegenüber großen netzgebundenen Anlagen bis zu 5-fach höhere Wärmegestehungskosten auf. Eine wesentliche Kernbotschaft in den Informations- und Beratungsaktivitäten sollte also darin bestehen, dass mit der solaren Nah- und Fernwärme eine effiziente technische Nutzung der Sonnenenergie möglich ist, die mit den bisherigen Kleinanlagen nicht vergleichbar ist. Auch die für Verbraucher und Unternehmen mit der Nutzung der Solarthermie verbundene langfristige Kostenstabilität sollte eine wichtige Kernbotschaft sein. Im Rahmen der Anbahnung möglicher Projekte hat sich zudem gezeigt, dass zur Planung und Genehmigung solarer Wärmenetze sowie auch in Bezug auf die Förderung und Finanzierung derartiger Anlagen Informationsbedarf bei den Akteuren vor Ort besteht. Auch die Schulung von technischen Planern könnte die Marktausweitung befördern. Die im Land bereits vorhandenen Beratungs- und Förderstrukturen sollten dabei berücksichtigt und verstetigt werden. Die in diesem Jahr neu in Kraft gesetzte Förderung von Wärmenetzen sowie der regionalen Projektanbahnung und das Kompetenzzentrum Wärmenetze bei der KEA sind dafür sehr gute Anknüpfungspunkte. 4 2. Standortscreening für konkrete Projekte Für die Markteinführung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg ist es erforderlich, konkrete Projekte zu realisieren, die die technische Machbarkeit und ökonomische Umsetzbarkeit dieser Technologie belegen. Grundsätzlich kommen zur Realisierung von Anlagen sowohl neu zu errichtende Wärmenetze in Betracht, wie auch die Integration der Solarthermie in ein bestehendes Wärmenetz. Beide Anwendungsfälle sollten parallel verfolgt werden. Neue Wärmenetze kommen derzeit vor allem in eher ländlichen oder kleineren Gemeinden zur Anwendung und werden oft durch die Bürger vor Ort vorangetrieben. Wirtschaftlich vorteilhaft für die Umsetzung dieser Anlagen in eher ländlichen Strukturen sind die grundsätzlich bessere Verfügbarkeit von Freiflächen zur Aufstellung eines Kollektorfeldes, die eher niedrigen Grundstückskosten, sowie die spezifisch deutlich geringeren Rohrnetzverlegekosten gegenüber einem städtischen Umfeld. Zudem kann die Planung der Netzinfrastruktur von Beginn an auf den zu deckenden Bedarf optimal angepasst und für die Integration der Solarthermie optimiert werden. Auch bei der Umsetzung von städtischen Quartierskonzepten kommt grundsätzlich die Neu-errichtung eines Wärmenetzes in Betracht, wenngleich hier die Investitionskosten insbesondere durch den Tiefbau höher sind. Gegenüber der Neu-Errichtung von Wärmenetzen ist die Integration der Solarthermie in bestehende Wärmenetze in Bezug auf die Standortfaktoren und die Ansprache möglicher Akteure recht unterschiedlich. In diesen Fällen sind die Wärmenetzinfrastruktur, die Erzeugungsanlagen und die Wärmeabnehmer bereits vorhanden. Notwendige Investitionen beziehen sich somit nur auf die Erweiterung des Erzeugungsportfolios durch die Solarthermie und die technische Einbindung in das bestehende System. Eine aufwändige Gewinnung der Wärmekunden ist damit nicht notwendig. Vorteilhaft für die Planung der Solaranlage bei bestehenden Netzen ist zudem die Kenntnis des realen sommerlichen Lastverlaufs an Wärme. So kann die Anlage dem tatsächlichen Bedarf optimal angepasst werden. Besonders geeignet erscheint die Integration der Solarthermie in Netze, deren sommerliche Wärmeerzeugung auf biogenen Festbrennstoffen oder Gas- bzw. Ölkesseln ohne Kraft-Wärme-Kopplung basiert. Allerdings werden auch bestehende KWK-Anlagen vor dem Hintergrund der stark gefallenen Erlöse des KWK-Stroms insbesondere im Sommer zunehmend außer Betrieb genommen, sodass die Solarwärme hier als eine mögliche Erzeugungsoption in Frage kommt. Um die möglichen Standorte in Baden-Württemberg zu ermitteln, die für die Errichtung eines Wärmenetzes mit einem größeren Anteil Solarthermie an der Energieerzeugung besonderes gute Voraussetzungen aufweisen, sollen die Standorte nach topografischen, technischen, ökonomischen und politischen Kriterien ausgewertet werden. Nach der Recherche der erforderlichen Informationen sollen mögliche Standorte nach den obigen Kriterien bewertet werden. Ziel ist es, mögliche Standorte mit besonders erfolgversprechenden Rahmenbedingungen aufzufinden und potenzielle Initiatoren vor Ort durch Kommunikationsmaßnahmen zu adressieren. 5 3. Flächenbereitstellung und Flächenplanung Eine große Herausforderung liegt im Flächenbedarf der großen Solarthermieanlagen – gerade weil sie in der Nähe zu den Wärmesenken, also den Verbrauchern installiert werden müssen. Anders als Strom kann Wärme nicht über weite Strecken transportiert werden, da die Energieverluste und die spezifischen Kosten deutlich höher liegen. Insbesondere in den urbanen Siedlungsgebieten ist die Nutzungskonkurrenz bei vorhandenen Freiflächen groß. Flächen werden für den Wohnungsbau, Gewerbeansiedlungen oder die Landwirtschaft benötigt. Auch für den Landschafts- und Naturschutz müssen entsprechende Flächen vorgehalten werden. Die Bereitstellung von Freiflächen für solarthermische Anlagen ist vor dem Hintergrund der dargestellten Flächenkonkurrenzen eine anspruchsvolle planerische Aufgabe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Energiegewinnung grundsätzlich Raumbedarf beansprucht. Dies wird bei der Ablösung der heutigen Energieversorgungsstruktur mit dem Import von Öl, Gas und Kohle durch die Versorgung auf Basis erneuerbarer Energiequellen ein zunehmend wichtigeres Kriterium werden. Gegenüber der heute vorherrschenden Wärmegewinnung durch Biomasse hat die Solarthermie hierbei eine deutlich höhere Flächeneffizienz in der Landnutzung und auch die Biodiversität auf der Fläche kann bei einem entsprechenden Nutzungskonzept vorteilhaft beeinflusst werden. Die Montage der Kollektoren auf Dachflächen stellt ökonomisch nur bedingt eine Alternative dar, da die Kosten für die Installation auf Dächern deutlich höher sind als die für große Freiflächenanlagen. Somit weist auch die produzierte Wärme höhere Kosten auf und die Wettbewerbsfähigkeit zu fossiler Wärmeerzeugung ist oft nicht gegeben. Daher gilt es bei der Umsetzung von Projekten, geeignete Flächen auch für die Solarthermie zu identifizieren, Flächenkonkurrenzen abzuwägen und Synergien z.B. mit dem Naturschutz und der Landwirtschaft herauszuarbeiten. Die Erarbeitung eines integrierten ökologischen Nutzungskonzepts (wie im Projekt Crailsheim) bei der Inanspruchnahme von Flächen kann die Akzeptanz vor Ort deutlich erhöhen. Eine öffentliche Unterstützung solcher Konzepte wäre hilfreich. Um eine geregelte Steuerung und Sicherung geeigneter Flächen für die Wärmeerzeugung zu gewährleisten, sollten die Instrumente des Landesplanungsrechts genutzt und ggfls. weiter entwickelt werden. Geeignete Möglichkeiten der raumplanerischen Behandlung von Gebieten für die Freiflächen-Solarthermie sind unter Beteiligung der relevanten Interessensgruppen zu entwickeln und zu prüfen. Durch eine entsprechende landesgesetzliche Kompetenzzuweisung sollten den zuständigen Planungsträgern die erforderlichen Mittel für eine vorausschauende Flächenplanung an die Hand gegeben werden. Daneben sollte eine Klärung auf Bundesebene herbeigeführt werden, ob solarthermische Freiflächenanlagen im Gegensatz zu Photovoltaikanlagen im Außenbereich auch wegen der erforderlichen Nähe zum Verbraucher nach § 35 BauGB privilegiert sind. 6 4. Kommunale Wärmeplanung Perspektivisch wäre zudem die Einführung verbindlicher Instrumente der kommunalen Wärmeplanung sinnvoll und könnte den Ausbau der Wärmenetzinfrastruktur im Land befördern. Dieser würde mittelbar auch die grundlegenden Entwicklungschancen für die solare Nah- und Fernwärme verbessern. Trotz der bestehenden Investitionsförderung für Wärmenetze findet ein Ausbau der Fernwärme-versorgung in Baden-Württemberg (wie auch in den anderen Bundesländern) nur in sehr eingeschränktem Maß statt. Zwar haben die Verbesserungen zur Wärmenetzförderung im KWKG und in den Förderprogrammen der KfW zu einer gewissen Marktbelebung geführt, jedoch steht hier die Verdichtung der bestehenden Netze im Mittelpunkt, nur selten die Erschließung neuer Gebiete durch Wärmenetze. Um die Fernwärme dort auszubauen, wo es volkswirtschaftlich, sozial und ökologisch sinnvoll ist, ist wäre? eine strategische Planung erforderlich. Ziel eines solchen Planungsprozesses ist die Identifizierung und die Umsetzung der lokal jeweils günstigsten Strategie für die langfristige Wärmeversorgung der Kommune. Der Ausbau von Wärmenetzen ist dabei eine Schlüsselstrategie, mit der eine kostengünstige Integration erneuerbaren Energien ermöglicht werden kann. Diese planerische Aufgabe muss eng verzahnt werden mit der Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäude sowie der Stadtplanung insgesamt und kann nur auf örtlicher Ebene bewältigt werden. Eine langfristig orientierte kommunale Wärmeplanung kann dabei eine wertvolle Grundlage für den Ausbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung liefern und ermöglicht weitreichende Möglichkeiten, Maßnahmen und Interessen zu koordinieren, sowie Wärmeerzeugung und Bedarfe konzeptionell abzustimmen. Auch Konzepte zur Quartierssanierung können dabei hilfreich sein. Ein wesentliches Hemmnis beim Ausbau der Wärme-Infrastruktur sind zudem die hohen Investitionskosten im Vergleich zu dezentralen Erzeugungstechnologien. Diese Investitionen müssen über einen längeren Zeitraum durch die Wärmeerlöse refinanziert werden. Mit der Erstellung von kommunalen oder regionalen Wärmeplänen auch für den Gebäudebestand könnten Instrumente geschaffen werden, die eine hinreichende Investitionssicherheit nach sich ziehen. Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von lokalen Wärmekonzepten ist eine valide Datengrundlage. Um die Kommunen in die Lage zu versetzen, die in ihrem Gebiet anfallenden Wärmebedarfe und –quellen systematisch und qualifiziert zu erfassen, sowie Prognosen für die Bedarfsentwicklung zu erarbeiten, sollten die Versorgungsunternehmen verpflichtet werden, die hierfür erforderlichen Daten bereit zu stellen. Darüber hinaus sollten den Kommunen praxisorientierte Planungswerkzeuge für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt werden. 7 5. Verbesserung des Rechts- und Förderrahmens für solare Wärmenetze Um die Markteinführung der solaren Wärmenetze einzuleiten, wäre es sinnvoll, auch den rechtlichen Rahmen weiter zu entwickeln. Ziel sollte es sein, sowohl den Ausbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung insgesamt zu befördern als auch den Anteil der Solarthermie bei der Wärmebereitstellung zu erhöhen. Derzeit existiert bei den vorhandenen energiewirtschaftlich-ordnungsrechtlichen Regelungsinstrumenten kein wirksamer Treiber, der die Integration der Solarthermie in die leitungsgebundene Wärmeversorgung fördert. Um den Regulierungsrahmen im Hinblick auf eine verstärkte Nutzung solarer Wärme zu optimieren, sollten auch die Veränderung und Ergänzung verschiedener bestehender Regularien in Betracht gezogen werden. Schließlich ist es auch erforderlich, bei einem angestrebten Ausbau der Fernwärmeversorgung die Akzeptanz der Verbraucher zu erreichen und die Wettbewerbsfähigkeit der Fernwärme gegenüber der dezentralen Objektversorgung nicht zu beeinträchtigen. In Bezug auf die Markentwicklung solarer Wärmenetze sind auf der Ebene des bundespolitischen Rahmens insbesondere das KWKG und darüber hinaus die Fortentwicklung des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes relevant. Hierbei ist zu beachten, dass die meisten dieser gesetzlichen Regelungen das Bundesrecht betreffen (z.B. EnEV, EEWärmeG, KWKG) und vom Land Baden-Württemberg nur mittelbar - etwa durch Initiativen im Bundesrat und seinen Ausschüssen - zu beeinflussen sind. Einige Punkte können jedoch auch vom Land selbst im Rahmen der eigenen Gesetzgebungs-kompetenz z.B. bei der Novellierung des EWärmeG Baden-Württemberg oder im Rahmen einer erweiterten Kompetenzzuweisung des Landes für die Kommunen im Planungsrecht umgesetzt werden. Bisher steht der Ausbau der Fernwärme-Infrastruktur in Deutschland, der gute Voraussetzungen für die kostengünstige Integration Erneuerbarer Energien bieten würde, nicht im Fokus der bundesdeutschen Wärmepolitik und erfährt nur wenig Unterstützung. Im Gegensatz dazu wurde im Nachbarland Dänemark auf der Grundlage einer langfristig orientierten nationalen Wärmestrategie die Fernwärme sehr weitreichend ausgebaut und kann dort vorteilhaft eingesetzt werden. Der in den letzten Jahren zu verzeichnende sehr starke Marktzuwachs der solaren Fernwärme in Dänemark ist zu großen Teilen auch auf den dort vorliegenden staatlichen Regulierungsrahmen und die darauf fußenden strukturellen Rahmenbedingungen zurück zu führen. Mit Blick auf die positiven dänischen Erfahrungen sollten auch die energiepolitischen Möglichkeiten der Besteuerung von Brennstoffen zur Lenkung von Investitionen näher geprüft werden. Gerade bei den derzeit niedrigen Brennstoffpreisen bei Erdgas und Heizöl ist die Umsteuerung auf Erneuerbare Energien eine große Herausforderung. Eine Verschiebung des Kostengefüges zulasten fossiler Brennstoffe würde sowohl den Umstieg auf Erneuerbare Energien als auch Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz deutlich befördern. Die möglichen Maßnahmen sollten im Rahmen einer breit angelegten ökologischen Steuerreform mit dem Ziel einer für die Bürger aufkommensneutralen Finanzierung weiter entwickelt werden. Auch die Investitionsförderung für solare Wärmenetze sollte im Hinblick auf eine rasche Markterschließung weiter optimiert werden. Das neue Wärmenetz-Förderprogramm des Landes Baden-Württemberg ist dabei sehr zu begrüßen. Im Hinblick auf hohe solare Deckungsraten sollte die Bundesförderung für Wärmespeicher verbessert werden. Während Wärmespeicher im Zusammenhang mit (auch fossilen) KWK-Anlagen nach dem KWKG mit bis zu 10 Mio. Euro gefördert werden, beträgt die maximale Förderhöhe bei Wärmespeichern, die mit Erneuerbaren Energien gespeist werden nur 1 Mio. Euro (KfW-Programm 271). Gerade bei solaren Wärmenetzen mit hohen Deckungsraten und in Kombination mit Technologien zur Strom-Wärme-Sektorkopplung sind jedoch großvolumige Wärmespeicher mit entsprechend hohen Investitionen notwendig.

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Donnerstag, 1. September, 2016|

Leitfaden – Planung und Genehmigung

Planungs- und Genehmigungsleitfaden für Freiflächen-Solarthermie in Baden-Württemberg Diese Ausarbeitung wurde im Rahmen des Vorhabens SolnetBW erstellt. SolnetBW ist ein Verbundvorhaben zum Thema solare Wärmenetze, das im Rahmen des Förder-programms BWPLUS mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft durch den beim Karlsruher Institut für Technologie eingerichteten Projekt-träger gefördert wird. Förderkennzeichen: BWE13030 Förderzeitraum: 01.11.2013 – 30.04.2016 Gefördert durch: PROJEKTKOORDINATOR: Solites – Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme PROJEKTPARTNER: AGFW | Projektgesellschaft für Rationalisierung, Information und Standardisierung mbH Hamburg Institut Research gemeinnützige GmbH (HIR) Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH (KEA) (im Unterauftrag von Solites) HAFTUNGSAUSSCHLUSS: Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den Autoren. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die Autoren übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Juni 2016 Inhalt A. Warum dieser Leitfaden? ..................................................................................................... 1 B. Für wen ist dieser Leitfaden? ............................................................................................... 3 C. Was sind die Potenziale der großflächigen Solarthermie? ..................................................... 4 D. Was sind die Herausforderungen der großflächigen Solarthermie? ....................................... 5 E. Welche Flächen kommen für große solarthermische Anlagen in Frage? ................................. 6 F. Welche Schritte sind bei der Flächenentwicklung wichtig? .................................................... 8 G. Welche Rolle hat das Planungsrecht? ................................................................................... 9 G.1 Raumordnungs- und Landesplanungsrecht......................................................................... 9 G.2 Flächennutzungsplan ......................................................................................................... 10 G.3 Kommunale Wärmeplanung ............................................................................................. 10 H. Wie kann Baurecht geschaffen werden? ............................................................................. 12 H.1 Sind Vorhaben im unbeplanten Außenbereich möglich? ................................................. 12 H.2 Welche Festsetzungsmöglichkeiten gibt es bei neuen Bebauungsplänen? ...................... 13 H.3 Ist die Zulassung innerhalb von bestehenden Bebauungsplänen möglich? ..................... 14 H.4 Bauordnungsrecht ............................................................................................................. 14 I. Welche umweltrechtlichen Fragen sind zu beachten? ......................................................... 15 I.1 Wann ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nötig? ............................................ 15 I.2 Was ist hinsichtlich des Gewässer- und Bodenschutzes zu beachten? ............................. 15 I.3 Was ist aus Sicht des Naturschutzrechts wichtig? ............................................................ 16 J. Integriertes ökologisches Konzept: Beispiel Crailsheim ....................................................... 18 K. Fazit und Empfehlungen .................................................................................................... 19 L. Wo finden Sie weitere Informationen? ............................................................................... 20 1 A. Warum dieser Leitfaden? Das Land Baden-Württemberg verfolgt bei der Energiewende ehrgeizige Ziele: Bis 2050 will das Land gegenüber 2010 50% des Energieverbrauchs einsparen, 80% der Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen und die energiebedingten Treibhausgasemissionen um 90% senken. Dabei ist auch weiter-hin eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung zu gewährleisten. Das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) in Baden-Württemberg liefert die konkreten Strategien und Maßnahmen. Es verdeutlicht, was in den nächsten Jahren auf diesem Gebiet getan werden kann und soll. Die Energiewende wird dabei nicht ohne eine Wärmewende zu leisten sein, denn in Baden-Württemberg wird annähernd so viel Energie für die Wärmebereitstellung verbraucht wie für Kraft-stoff und Strom zusammen. Am gesamten Endenergieverbrauch hat der Wärmesektor einen Anteil von 47%. Daher steckt in der richtigen Wärmegewinnung und -versorgung ein enormes Potenzial. Insbesondere Wärmenetze bieten eine Verteilstruktur, die flexibel an zukünftige Erzeugungstechnologien anpassbar ist und auch erneuerbare Wärme – wie Solarthermie, Erdwärme oder industrielle Abwärme – in Quartiere, Gemeinden und urbane Zentren bringen kann. In zahl-reichen Kommunen in Baden-Württemberg sind Wärmenetze bereits vorhanden. Gerade im sonnenreichen Baden-Württemberg bietet die Solarenergie zur Wärmegewinnung (Solarthermie) große Potenziale. Jahr für Jahr werden mehr als 1.000 kWh kostenlose Sonnenenergie auf einen Quadratmeter Fläche eingestrahlt, davon über 70% im Sommerhalbjahr. Der mit Solar-anlagen erzielbare Wärmeertrag ist pro Quadratmeter etwa 40-50 Mal höher als beim Anbau von Biomasse. Die Solarthermie ist technisch ausgereift, robust und langlebig. Um den Wärmebedarf zukünftig auf Basis erneuerbarer Energien zu decken, ist die Solarenergie unverzichtbar. Die Vorteile liegen auf der Hand: Solarenergie ist frei von Risiken und Schadstoffen, unterliegt keinen Preiserhöhungen und stärkt über den Anlagenbau und -betrieb das lokale Handwerk und die regionale Wertschöpfung. Die Landesregierung will den Anteil der Solarthermie an der Wärmeerzeugung deutlich steigern: Bis 2020 soll ihr Beitrag von heute 1,2 auf 3,1 TWh jährlich steigen. Bis zum Jahr 2050 sollen mit 14 TWh rund 30% des dann noch benötigten Wärmebedarfs solar gedeckt werden. Dazu sind die Einsatzbereiche der Solarthermie auf Dach- und Freiflächen auszuweiten und diese verstärkt zur Beheizung von Gebäuden sowie in gewerblichen Produktionsprozessen zu nutzen. Eine für Baden-Württemberg aussichtsreiche und kostengünstige Option stellen solarthermische Großanlagen auf Freiflächen in Verbindung mit Wärmenetzen dar. 2 Innerhalb Deutschlands ist Baden-Württemberg und auf internationaler Ebene Dänemark ohne Zweifel ein großer Vorreiter bei dieser Technik. In Dänemark kommen solche Anlagen bereits vieler-orts zum Einsatz und liefern erneuerbare und emissionsfreie Wärme für die kommunale Versorgung zu konkurrenzfähigen Kosten. Ebenso wegweisend ist in Dänemark die Teilhabe der Bürger an der örtlichen Wärmeversorgung. Dieser Planungs- und Genehmigungsleitfaden dient der Marktentwicklung für solare Wärmenetze in Baden-Württemberg. Er liefert Anhaltspunkte zu Planungs-, Baurechts-, Umweltrechtsfragen und soll Projekt-entwickler, Kommunen und Genehmigungsbehörden ermutigen und praktisch dabei unterstützen, Projektideen für große Freiflächen-Solarthermie-Anlagen voranzubringen. 3 B. Für wen ist dieser Leitfaden? Für Projektentwickler, Versorger, Kommunen, Verwaltungen, Planungsbüros und Dienstleister Die Planung, Projektentwicklung und rechtliche Genehmigung von großen Solaranlagen ist ein komplexer Prozess mit einigen planerischen Herausforderungen und mit zahlreichen Beteiligten. Auf Investorenseite können insbesondere Stadtwerke, Energiegenossenschaften und Projektentwickler die Treiber für entsprechende Projekte sein. Unterstützt werden sie durch Planungsbüros, Rechtsanwälte, Umweltgutachter und Finanzierer wie Sparkassen und Banken. Für sie ist Klarheit über die Abläufe im Planungs- und Genehmigungsprozess eine wichtige Voraussetzung für eine zügige und effiziente Projektentwicklung. Auf Seiten der öffentlichen Verwaltung sind die Träger der Landes- und Regionalplanung, die Gemeinden als Träger der Bauleitplanung, die Bauordnungsbehörden sowie die für die Umsetzung des Umweltrechts, insbesondere des Naturschutzrechts, zuständigen Behörden beteiligt. Mit diesem Leitfaden sollen alle Akteure angesprochen werden, die mit der Planung, der Schaffung der notwendigen planungsrechtlichen Voraussetzungen oder mit der Genehmigung entsprechender Projekte befasst sind. In der alltäglichen Praxis entstehen oft Fragen zur rechtlichen und planerischen Umsetzung dieser großen Solarthermie-Vorhaben. Es gibt Widersprüche, Bedenken, Probleme und Heraus-forderungen. Aber diese lassen sich lösen! Foto: Arcon-Sunmark – 2014 Greena, Dänemark 4 C. Was sind die Potenziale der großflächigen Solarthermie? Solarthermie ist in Deutschland bisher fast ausschließlich auf Gebäudedächern im Einsatz – ganz überwiegend auf Ein- und Zweifamilienhäusern. Große Freiflächensolaranlagen, wie sie vor allem in Dänemark sehr verbreitet sind, haben in Deutschland bisher nur einen sehr geringen Marktanteil. Dies kann sich aber ändern, denn durch die geringen Wärmegestehungskosten ist dies Art der Wärmeerzeugung bereits heute wirtschaftlich attraktiv gegenüber fossilen Brennstoffen. Hier liegen große Potenziale für die notwendige Wärmewende zu erneuerbaren Energien und zu einer wirtschaftlichen und sozial verträglichen Energieversorgung. Anders als bei der Strom- und Gasversorgung sind in der Nahwärmeversorgung die Erzeugung, die Verteilung und der Verbrauch lokal bzw. regional verortet. Somit ist die Wärmeversorgung vor allem eine lokale Aufgabe und auch im Verantwortungsbereich der Kommunen angesiedelt. Sie stehen vor der großen Herausforderung – im Einklang mit den nationalen und europäischen Klimaschutzzielen – die lokale Wärmeversorgung langfristig klimaneutral zu gestalten. Das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) der Landesregierung Baden-Württemberg räumt der Solarthermie und speziell den solaren Wärmenetzen einen hohen Stellenwert ein. In Deutschland sind thermische Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 12,3 GWth entsprechend einer Gesamtkollektorfläche von 17,5 Mio. m² installiert. In Baden-Württemberg liegt die Nutzung der Solarthermie dabei rund 50% über dem Bundesdurchschnitt. Über 90% dieser Anlagen sind auch hier Kleinanlagen (< 20 m²) im Ein- und Zweifamilienhausbereich, d.h. sie stellen einen nicht unwichtigen Baustein in der Energiewende dar, doch der Blick sollte in Zukunft auch verstärkt dem weiteren Ausbau der großflächigen Solarthermie gelten, bei denen die Wärmegestehungskosten um den Faktor 5 günstiger sein können. Zur kostengünstigen und großtechnischen Integration der Solarthermie bietet sich die Nutzung von Wärmenetz-Infrastrukturen in besonderem Maß an. Die erforderlichen großen Kollektorfelder werden hierbei auf Freiflächen installiert oder in Gebäudedachflächen integriert. Es kommen dabei beide Kollektorarten, Flachkollektoren und Vakuumröhrenkollektoren, in Frage. Die Kollektorfeld-größen reichen von ca. 500 m² bis zu 150.000 m² – bei den derzeit größten auf internationaler Ebene realisierten Anlagen. Zahlreiche großflächige Solarthermie-Anlagen im Leistungsbereich bis 50 MWth werden inzwischen im Nachbarland Dänemark betrieben – aber auch in Deutschland und in Baden-Württemberg gibt es bereits gute Beispiele. Sie erzeugen Wärme zu wettbewerbsfähigen Gestehungskosten von unter 50 Euro je MWh und somit wesentlich kostengünstiger, als dies mit dezentralen Lösungen auf Gebäuden möglich ist. Lokale klimaneutrale Wärme kostengünstige großflächige Solarthermie 5 D. Was sind die Herausforderungen der großflächigen Solarthermie? Flächenfrage entscheidend Nähe zu Verbrauchern wichtig Die wohl größte Herausforderung dürfte im Flächenbedarf der großen Solarthermie-Anlagen liegen – gerade weil sie in der Nähe zu den Wärmesenken, sprich Verbrauchern installiert werden müssen. Anders als Strom kann Wärme nicht über weitere Strecken transportiert werden, da die Energie-verluste und die spezifischen Kosten deutlich höher liegen. Dachflächen stellen ökonomisch dabei nur bedingt eine Alternative dar. Die Kosten für die Installation auf Dächern sind deutlich höher als die für große Freiflächenanlagen, so dass auch die produzierte Wärme damit höhere Kosten aufweist. Energiegewinnung hat Raumbedarf – ob man nun an Kohle, Wind, Fotovoltaik, Leitungen oder Bio-masse denkt. Vergleicht man allerdings den Flächenbedarf von Solarthermie mit der Bioenergie, so benötigt beispielsweise Mais zur Produktion einer kWh Energie eine Fläche, die 40 bis 50fach größer ist.1 Trotz allem bleibt es dabei, dass große Solarthermie-Anlagen in einem erheblichen Maße Flächen in Anspruch nehmen und einen entsprechenden Eindruck im Stadt- und Landschaftsbild hinterlassen. Gerade in Stadtnähe ist die Flächenkonkurrenz enorm. Insofern besteht ein Spannungsfeld zwischen den Zielen des Klimaschutzes und des sparsamen und sorgsamen Umgangs mit der Ressource Fläche. Dies ist von vorneherein bei der Standortsuche zu bedenken – durch geeignete Planung und Kommunikation lassen sich viele Konflikte vermeiden oder minimieren. Es braucht ein sorgfältiges und strukturiertes Vorgehen bei der Projektentwicklung um Vorbe-halten und Vorurteilen zu begegnen und Konflikte zu vermeiden und zu lösen. 1 Solar district heating guidelines – Collection of fact sheets, August 2012 0 50 100 150 200 Solarthermie PV Wind Biomasse Bioethanol kWh/m2 Jährlicher Energieertrag in kWh pro m2 Fläche 6 E. Welche Flächen kommen für große solarthermische Anlagen in Frage? Um die geeigneten Freiflächen in den Gemeinden zu identifizieren, sollte ein Flächenscreening unter energiewirtschaftlichen, rechtlichen und auch akzeptanzbezogenen Kriterien vorgenommen werden. Energiewirtschaftliche Kriterien Eine großflächige solarthermische Anlage kann heute schon wirtschaftlich realisiert werden, wenn einige Parameter eingehend betrachtet werden:  Entfernung zum Fernwärmenetz  Geografische Lage, Ausrichtung (z.B. Hangflächen)  Sinnvolle hydraulische Einbindung in das Fernwärmenetz  Bei mehreren vorhandenen Wärmenetzen: Zuvor Auswahl des energiewirtschaftlich am besten für die Integration von Solarthermie geeigneten Netzes (z.B. Kombination mit Holzhackschnitzel-Kessel)  Bodenpreis Akzeptanzbezogene Kriterien Große Anlagen erzeugen viel Energie aber auch oft – vermeidbare – Konfliktsituationen. Wenn diese vorher untersucht und beachtet werden, kann die Akzeptanz höher sein.  Konfliktpotenzial Anwohner: Wie ist die Entfernung und Ausrichtung zur nächsten Wohn-bebauung oder Erholungsnutzungen?  Konfliktpotenzial Gewerbe: Gibt es eine direkte Flächenkonkurrenz zu anderen gewerblichen Nutzungen?  Konfliktpotenzial Naturschutz: Wie ist der ökologischer Wert der Flächen?  Bestehen ökologische Aufwertungspotenziale und Ausgleichsmöglichkeiten?  Konfliktpotenzial Landwirtschaft: Kann eine bestehende landwirtschaftliche Nutzung fortgesetzt werden, ggf. auf Ausweichflächen? Verfahrensbezogene Kriterien  Wo wird ohnehin gerade geplant?  An welche Planvorhaben kann ein Solarthermieprojekt „angedockt“ werden? 7 Rechtliche Kriterien:  Gibt es bestehendes Planrecht, z.B. ungenutzte Festsetzungen in Flächennutzungs- und Bebauungs-Plänen für PV-Flächen oder ungenutzte Gewerbe- und Industriegebiete in der Gemeinde?  Wo kann Planrecht geschaffen werden?  Wo gibt es rechtliche Ausschlussgründe für einzelne Flächen?  Wo verfügt der Projektträger über Flächen in seinem Eigentum? In aller Regel aus ökologischer Sicht unproblematische Flächen:  Vorbelastete Konversionsflächen aus militärischer, gewerblicher oder ehemals wohnungs-baulicher Nutzung mit hohem Versiegelungsgrad  Flächen entlang großer Verkehrswege (z.B. Autobahnen, Schienenwege)  Intensiv bewirtschaftete Ackerflächen  Deponien und Halden Foto: Arcon-Sunmark – 2014 Dronninglund, Dänemark 8 F. Welche Schritte sind bei der Flächenentwicklung wichtig? Sofern das Screening nicht ausnahmsweise eine entwickelte, baureife Fläche für Solarthermie zutage gefördert hat, gilt es, Baurecht zu schaffen. Das heißt: 1. Lokale Politik, Öffentlichkeit und Behörden überzeugen 2. Rechtliche Hürden im Genehmigungsverfahren nehmen Es gibt bereits sehr gut ausgearbeitete Empfehlungen, die schon für die Errichtung von großen Solarparks mit Fotovoltaik oder anderer Erneuerbarer Energien entwickelt wurden, an denen man sich auch für die Planung großflächiger Solarthermie orientieren kann: 2 3 Der Naturschutzbund Deutschland hat in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Solarwirtschaft gemeinsam einen Katalog4 mit rund 20 Kriterien entwickelt, die auch für großflächige Solarthermie zur Anwendung kommen könnten. Die Kernpunkte sind:  Ausschluss von Eingriffen in Schutzgebiete (Ausnahmen in Naturparken sowie im Einzelfall in Landschaftsschutzgebieten; Bevorzugung von Flächen mit hoher Vorbelastung, wie zum Beispiel intensiv bewirtschaftete Acker- oder Konversionsflächen)  Verträglichkeitsprüfung in Anlehnung an die EU-Vogelschutzrichtlinie  Meidung von exponierten Standorten (Anlagen sollen nicht die Landschaft prägen)  Geringer Versiegelungsgrad der Fläche (≤ 5%) ; Anteil der die Horizontale überdeckenden Modulfläche ≤ 50% der Gesamtanlagenfläche unter den Modulen extensiver Bewuchs und Pflege  Einzäunung sollte für Kleinsäuger und Amphibien barrierefrei sein  Pflege der Anlagenflächen mithilfe von Schafbeweidung oder Mahd, kein Einsatz synthetischer Dünge- oder Pflanzenschutzmittel sowie Gülle  Regelmäßiges Monitoring  Einbeziehung der örtlichen Naturschutzverbände und der Bevölkerung in die Projektplanung zur Akzeptanzerhöhung  Zur weiteren Akzeptanzsteigerung Möglichkeiten der finanziellen Beteiligung der örtlichen Bevölkerung vorsehen. 2 http://www.unendlich-viel-energie.de/media/file/146.45_Renews_Spezial_Biodiverstitaet-in-Solarparks_online.pdf 3 http://www.unendlich-viel-energie.de/media/file/163.62_Renews_Spezial_Planungsrecht_online.pdf 4 https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/energie/solarenergie/nabu-kriterien-solarparks.pdf 9 G. Welche Rolle hat das Planungsrecht? Große Solaranlagen haben Platzbedarf, der von der Raum- und Bauplanung langfristig gesteuert werden sollte. In Dänemark haben die meisten Anlagen bisher eine Größe von ca. 5.000-10.000 m2 Kollektorfläche. Der gesamte Platzbedarf der Anlage ist 2 bis 3 Mal größer. Die Rolle des Planungsrechts besteht darin, die Flächennutzung planerisch zu ordnen und zu steuern. Bezogen auf große solarthermische Anlagen heißt dies, dass die gemeindliche und die übergeordnete Planung die Aufgabe hat, entsprechend geeignete Flächen zu identifizieren und zu sichern. Was bei der Planung z.B. von Windkraftanlagen mittlerweile Standard ist, findet für die Solarthermie bisher jedoch noch nicht statt. G.1 Raumordnungs- und Landesplanungsrecht Große Solaranlagen haben relevante Auswirkungen auf die Raumnutzung und stellen demzufolge raumbedeutsame Vorhaben dar. Noch stärker als Windkraft- oder Fotovoltaik-Anlagen sind große Solarwärme-Anlagen an bestimmte Standort-Bedingungen geknüpft. Während Strom ohne erhebliche Verluste über große Entfernungen vom Erzeugungsort zum Verbraucher transportiert werden kann, ist die Transportfähigkeit von Wärmeenergie begrenzt – die hohen Kosten für den Bau und Betrieb der Wärmeleitung und höhere Energieverluste sprechen dafür, dass solarthermische Wärmeversorgung immer in der Nähe zu den Wärmeverbrauchern erfolgen muss. Also innerhalb weniger Kilometer zu Wärmesenken mit Wärmeverteilnetzen und den Verbrauchern. Aus diesen natürlichen und wirtschaftlichen Randbedingungen folgt ein besonderer Planungsbedarf. In der Umgebung von Städten und größeren Gemeinden ist die Flächenkonkurrenz besonders groß. Solarthermie zur Einspeisung in Wärmenetze ist daher auf eine vorausschauende Flächensicherung für solarthermische Anlagen sowie für Transportleitungen zu bestehenden oder neuen Wärmenetzen angewiesen. Das Raumordnungsgesetz des Bundes und die Landes-Planungsgesetze enthalten keine gesonderten Vorgaben zur Steuerung für Freiflächen-Solaranlagen. Bei den allgemeinen Vorgaben zur Konkretisierung von Raumordnungsplänen findet man einige Präzisierungen:  Die Versorgung u.a. mit Infrastrukturen der Daseinsvorsorge ist zu gewährleisten  Räumlichen Erfordernissen des Klimaschutzes ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die räum-lichen Voraussetzungen für den Ausbau erneuerbarer Energien geschaffen werden  Sichere Standorte und Trassen für Infrastruktur sind festzulegen, wozu auch Versorgungs-infrastruktur zählt (Regelungen möglich und sinnvoll gem. § 8 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 lit. b) ROG Bei den Landes-Planungsgesetzen ist insbesondere die Ebene der Regionalplanung zur Steuerung von Freiflächen-Solaranlagen wichtig – auch sind hier die Vorgaben meist allgemein formuliert, so dass sie auch für die räumliche Planung dieser Anlagen angewendet werden können. 10 Das vorhandene Instrumentarium der Raumplanung erscheint somit grundsätzlich geeignet, eine planerisch geordnete Entwicklung von großen Freiflächen-Solarthermie-Anlagen zu steuern. In der Planungspraxis finden sich bisher noch kaum Anwendungsbeispiele. Das dürfte sich aber in absehbarer Zeit ändern und damit der Bedarf an einer strategischen räumlichen Flächensicherung insbesondere am Rande von Ballungsräumen steigen. G.2 Flächennutzungsplan Das Baugesetzbuch ist das wichtigste Gesetz des Bauplanungsrechts. Es regelt die Zulässigkeit von Vorhaben aus städtebaulicher Sicht und definiert in erster Linie übergeordnete Ziele und Grenzen für eine strukturierte Bebauung. Das BauGB formuliert dabei die stadtplanerischen Instrumente, die den Gemeinden für die Umsetzung ihrer städtebaulichen Ziele zur Verfügung stehen. Mit Festsetzungen im Flächennutzungsplan schaffen die Gemeinden zwar kein unmittelbares Bau-recht, sie binden sich aber für die weitere inhaltliche Ausgestaltung der Bebauungspläne. Dort sind folgende Darstellungen nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 b) BauGB möglich:  Bauflächen für die Nutzung von Solarenergie zur Wärmeversorgung,  Flächen für die leitungsgebundene Wärmeversorgung oder  Flächen für die Energieerzeugung aus Solarthermie. Mit Hilfe des Flächennutzungsplans kann die Gemeinde somit die Sicherung geeigneter Flächen für solarthermische Freiflächen-Anlagen betreiben und damit die Voraussetzungen für eine langfristig orientierte Investitions- und Standortplanung schaffen. G.3 Kommunale Wärmeplanung Um das von der Bundes- und der Landesregierung verfolgte Ziel eines klimaneutralen Gebäude-bestands bis zum Jahre 2050 erreichen zu können, muss nicht nur die energetische Modernisierung von Gebäuden beschleunigt werden, sondern es müssen auch neue Technologiepfade zur Nutzung der Erneuerbaren Energien im Wärmesektor beschritten werden. Dabei muss für jede Kommune die kostenoptimale Lösung gefunden werden, um die Wärme-versorgung klimaneutral, sicher und kostengünstig umzugestalten. Der Ausbau der Wärmenetze ist dabei eine Schlüsselstrategie, da sie die kostengünstige Integration der Erneuerbaren Energien vor allem für den Gebäudebestand wesentlich erleichtert. Diese Strategie muss eng mit der Aufgabe der Verbesserung der Energieeffizienz verknüpft werden. Die Wärmewende ist daher zu wesentlichen Teilen eine planerische Aufgabe, die nur auf kommu-naler Ebene bewältigt werden kann. Im geltenden Planungsrecht spiegelt sich dies jedoch noch nicht wieder. Der Umbau der Wärmeversorgung wird durch die Energieeinsparverordnung und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz ganz wesentlich als Aufgabe der Gebäudeeigentümer gesehen. In nur wenigen deutschen Kommunen gibt es bisher auf freiwilliger Basis einen strukturierten Prozess, in dem Strategien zum Ausbau Erneuerbarer Wärmeversorgungsnetze mit hierauf abgestimmten Strategien zur energetischen Gebäudesanierung entwickelt werden. 11 Stattdessen hängt der Umbau der Wärmeversorgung von den individuellen Entscheidungen und Investitionserfordernissen der Gebäudeeigentümer ab – wobei mit gebäudebezogenen Maßnahmen oft deutlich höhere Gesamtkosten verbunden sind als bei integrierten Lösungen auf kommunaler Ebene. Demgegenüber eröffnet eine kommunale Wärmeplanung weitreichende Möglichkeiten, Interessen und Maßnahmen zu koordinieren sowie Wärmeerzeugung und Bedarfsdichten konzeptionell abzustimmen. Ziel eines solchen Planungsprozesses ist die Identifikation und Umsetzung der lokal jeweils günstigsten Strategie für die langfristige Wärmeversorgung der Kommunen. Perspektivisch sollte eine integrierte, strategische Wärmeplanung zu einem neuen fachplanerischen Instrument jeder Kommunen werden.5 Jede Gemeinde kann und sollte jetzt voranschreiten! 5 https://um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/beratung-und-foerderung/foerdermoeglichkeiten/foerderprogramme-kommunen/ 12 H. Wie kann Baurecht geschaffen werden? In aller Regel gibt es weder in Landes- und Regionalplänen noch in einem Flächennutzungsplan bestehende Festsetzungen für Flächen zur Nutzung von Solarthermie. Auch ohne solche Festset-zungen können jedoch Projekte in den Kommunen geplant und entwickelt werden. Die baurechtliche Zulässigkeit von entsprechenden Anlagen richtet sich nach den Vorschriften des BauGB. Grundsätzlich kommen hierfür verschiedene Wege in Betracht:  Flächen im unbeplanten Außenbereich  Flächen in bestehenden Industrie- und Gewerbegebieten  Flächen in Gebieten, für die ein neuer Bebauungsplan geschaffen wird H.1 Sind Vorhaben im unbeplanten Außenbereich möglich? Für solarthermische Anlagen stehen aufgrund ihres Platzbedarfs – neben Konversionsflächen und Industrie- und Gewerbegebieten – vor allem die Außenbereiche im Fokus. Dort soll das Bauen grundsätzlich unterbleiben. Sofern für Außenbereiche keine Bebauungspläne aufgestellt wurden, kann dort nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Bauausführung dennoch erfolgen. Dabei wird zwischen privilegierten und sonstigen Vorhaben unterschieden. Die Realisierung von privilegierten Vorhaben im Außenbereich ist grundsätzlich zulässig, wenn nicht andere Belange – z.B. vielfach der Naturschutz, die im Außenbereich angesiedelte Landwirtschaft oder auch natürliche Eigenart der Landschaft und das Landschaftsbild insgesamt – entgegenstehen. Ob Freiflächen-Solarthermie-Anlagen als Vorhaben zur „öffentlichen Versorgung mit Wärme“ nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB zulässig sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Hilfreich könnte hier das Argument der „Ortsgebundenheit“ der solaren Wärme sein. Auch wenn Freiflächen-Solarthermie-Anlagen nicht als privilegiert eingestuften werden sollten, können sie als sonstige Vorhaben im Außenbereich bauplanungsrechtlich zulässig sein, wenn gem. § 35 Abs. 2 BauGB öffentliche Belange nicht beeinträchtigt sind – dann kann eine Zulassung „im Einzelfall“ ausgesprochen werden. Das Vorhaben darf nicht den Darstellungen im Flächen-nutzungsplan widersprechen. Enthält dieser Plan hingegen ausdrücklich eine zustimmende Aussage, kann dies unter Umständen dazu führen, dass eine Beeinträchtigung anderer öffentlicher Belange entfällt. Wichtiges Thema ist eine Beeinträchtigung der Belange des Naturschutzes und Landschaftspflege. Das gilt vor allem für förmlich unter Schutz gestellte Gebiete. Hier soll die natürliche Eigenart der Landschaft bewahrt werden. Zu prüfen wäre dann, ob in dem Gebiet die landwirtschaftliche oder naturnahe Bodennutzung nicht bereits durch andere Nutzungen weitgehend verdrängt wurde, das Gebiet also schon erheblich vorbelastet ist und ggf. eine Freiflächen-Solarthermie-Anlagen keine Beeinträchtigung darstellt. 13 Aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheiten ist die Genehmigung im nicht durch einen Bebauungsplan überplanten Außenbereich mit Risiken verbunden. Solange keine Klärung durch Gerichte oder den Gesetzgeber erfolgt ist, sollten Planungen im Außenbereich möglichst gemeinsam mit einem entsprechenden neuen Bebauungsplans vorangetrieben werden. H.2 Welche Festsetzungsmöglichkeiten gibt es bei neuen Bebauungsplänen? Sondergebiete Energetische Festsetzung Anschlusszwang Vorhabenbezogene B-Pläne Will eine Gemeinde die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Solarthermie-Anlage sichern, die im Außenbereich als selbständige Anlage errichtet werden soll, empfiehlt sich eine entsprechende Gebietsfestsetzung im Rahmen der kommunalen Bebauungspläne. Gebiete zur Nutzung von Sonnenenergie im Flächennutzungsplan und im Bebauungsplan können als Sondergebiete mit entsprechender Zweckbestimmung festgesetzt werden. Im Rahmen der Erstellung von Bebauungsplänen haben die Kommunen die Möglichkeit, auch energetische Festsetzungen zu treffen. Auf diese Weise kann die Kommune die Nutzung der Solarthermie in Wärmenetzen begünstigen. Festsetzungen können sich beispielsweise beziehen auf Versorgungsflächen, einschließlich Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Nutzung, Verteilung oder Speicherung von Strom, Wärme und Kälte aus Erneuerbaren Energien. Außerdem könnten Festsetzungen bezogen werden auf Gebiete, in denen bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Wärme aus Erneuerbaren Energien getroffen werden müssen. Die verschiedenen Festsetzungsmöglichkeiten zur Nutzung der Solarenergie im Bebauungsplan wer-den allerdings kontrovers diskutiert. So wird teilweise z.B. die Möglichkeit eines Anschlusszwangs an ein Wärmenetz in Frage gestellt – es lohnt sich hier aber eine detaillierte Prüfung. In Einzelfällen kann auch der Erlass eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans sinnvoll sein. Der Investor eines Bauvorhabens trifft dabei Vereinbarungen mit der Gemeinde über die Durchführung und Kostentragung städtebaulicher Maßnahmen – der Vorhaben- und Erschließungsplan wird Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans. 14 H.3 Ist die Zulassung innerhalb von bestehenden Bebauungsplänen möglich? Hohe Akzeptanz bei Industrie-, Gewerbe-, Konversionsflächen Im Vergleich zu Anlagen im Außenbereich dürfte die Zulassung großer solarthermischer Anlagen in baulich entwickelten Gebieten auf höhere Akzeptanz stoßen. Hierfür kommen insbesondere Konversions- oder Flächen in bestehenden Industrie- und Gewerbegebieten in Frage, die lange nicht für anderweitige Zwecke vermarktet werden konnten. In aller Regel dürften die Anlagen in Industrie- und Gewerbegebieten gem. § 8 BauNVO zulässig sein. Der „Betrieb“ wird hier weiter gefasst und trifft dann auch auf gewerbliche Erzeugungsanlagen von solarer Fernwärme zu. Von Solaranlagen geht auch keine erhebliche Belästigung durch Immissio-nen aus. H.4 Bauordnungsrecht Baugenehmigung In Baden-Württemberg sind Anlagen zur thermischen Solarnutzung gebäudeunabhängig bis zu einer Höhe von drei Metern und einer Gesamtlänge bis zu neun Metern verfahrensfrei. Freiflächen-Solarthermie-Anlagen zur Einspeisung in ein Wärmenetz sind größer, so dass ein Baugenehmigungsverfahren durchzuführen ist. Örtliche Bauvorschriften z.B. zum Ensemble- oder Denkmalschutz müssen dabei beachtet werden. 15 I. Welche umweltrechtlichen Fragen sind zu beachten? Fernwärme-Erzeugungsanlagen müssen die geltenden Regelungen zum Schutz der Umweltmedien einhalten, d.h. die spezialgesetzlich geregelten Anforderungen an die Luftreinhaltung, den Schutz des Wassers, des Bodens und der Natur. Zu den verfahrensbezogenen Pflichten kann die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gehören. I.1 Wann ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nötig? Für bestimmte Vorhaben muss nach dem UVPG eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Diese umfasst die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf die Umweltmedien. Die Umwelt-verträglichkeitsprüfung ist ein unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen. Soll durch einen Bebauungsplan die Errichtung einer Solar-Anlage, eines Wärmespeichers und/oder eines Wärmenetzes ermöglicht werden, so bedarf der Bebauungsplan bereits einer Umweltprüfung, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung ersetzt. Soll eine Freiflächen-Solarthermie-Anlage hingegen im Einzelfall ohne vorherige Aufstellung eines Bebauungsplans errichtet werden, gelten für die einzelnen Komponenten unterschiedliche Prüfungen: Erzeugungsanlagen: Für die Errichtung von Freiflächen-Solarthermie-Anlage besteht keine Pflicht zur Durchführung einer UVP oder einer Einzelfall-Prüfung, da entsprechende Anlagen nicht in der Anlage 1 des UVPG aufgeführt sind. Lediglich wenn am selben Standort gleichzeitig größere KWK-Anlagen oder Heizkessel errichtet werden, kann gemäß Nr. 1.1 oder 1.2 der Anlage 1 UVPG eine entsprechende Pflicht bestehen. Wärmespeicher: Bei der Errichtung von Wärmespeichern hängt es von der angewendeten Technologie ab, ob eine UVP durchzuführen ist bzw. ob einen Einzelfallprüfung stattzufinden hat. In der Regel dürfte der Bau eines Wärmespeichers für eine Solarthermie-Anlage als „Errichtung und Betrieb eines künstlichen Wasserspeichers“ zu qualifizieren sein und damit ab einer Größe von 5.000 m3 eine standortbezogene Pflicht zur Einzelfallprüfung gemäß Nr. 19.9.3 Anlage 1 UVPG bestehen. Leitungsanlagen: Bei der Errichtung von Leitungen zum Transport von solarer Wärme ist fraglich, ob die UVP-Pflicht besteht. Für konventionelle Wärmeleitungen aus Verbrennungsprozessen oder Industrieanlagen besteht eine Pflicht, eine standortbezogene Prüfung vorzunehmen. Für Leitungen zum Transport rein solar erzeugter Wärme besteht hingegen von vorherein keine UVP-Pflicht. I.2 Was ist hinsichtlich des Gewässer- und Bodenschutzes zu beachten? Es können sich bei solaren Fernwärmeanlagen verschiedene Anforderungen aus dem Gewässer- und Bodenschutzrecht ergeben. Dies gilt vor allem für die Errichtung und den Betrieb von Wasser-speichern – insbesondere wenn dafür Grund- oder Oberflächenwasser entnommen werden soll. 16 Auch die Speicherung des Wassers könnte – je nach Wahl der Speichertechnologie – genehmigungspflichtig sein. Zu prüfen ist jeweils, ob durch die Maßnahme eine dauernde oder nicht unerheblich nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit herbeigeführt wird. Für den Betrieb der Leitungen zwischen den Kollektoren sowie von den Kollektoren zur Wärmeübergabestation ist zu beachten, dass keine wassergefährdenden Stoffe aus den Rohr-leitungen austreten und das Grundwasser nachteilig verändern können. Dies erscheint bei Anlagen von Herstellern, die lediglich Wasser als Transportmedium verwenden, von vorherein ausgeschlossen. Wenn dem Wasser ein Frostschutzmittel zugesetzt wird, das als schwach wassergefährdend eingestuft wird, gilt die entsprechende Landesverordnung.6 Diese enthält technische Anforderungen insbesondere über die Dichtigkeit, Standsicherheit oder die Leckageerkennung der jeweiligen Anlagen. Mit entsprechenden Auflagen sind auch solare Fern-wärmeanlagen wasserrechtlich genehmigungsfähig. In der Regel heißt das: bei den unterirdischen Rohrleitungen ist ein innenliegendes Stahlrohr und ein außenliegendes, ebenfalls druckfestes Kunststoffrohr zu planen. In dem mit Dämmstoff ausgefüllten Zwischenraum befinden sich 2 Kupferdrähte, mit denen beide Rohrleitungen auf Dichtheit überwacht werden und der Ort einer eventuellen Leckage eingegrenzt werden kann. Bei dieser Anlage ist weder eine Eignungsfeststellung noch sind bauaufsichtliche Verwendbarkeitsnachweise erforderlich. Das gilt auch für das Überwachungssystem. Im Hinblick auf mögliche Störfälle beim Betrieb von solaren Wärmenetzen könnten außerdem die Vorgaben des Bundes-Bodenschutzgesetzes zu beachten sein – allerdings werden diese vom Wasser-recht verdrängt. Klar ist, dass keine schädlichen Bodenveränderungen hervorgerufen werden dürfen. I.3 Was ist aus Sicht des Naturschutzrechts wichtig? Bei der Zulassung einer Freiflächen-Solaranlage im Wege der Bauleitplanung ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung zu beachten. Dabei dürften sich die in der Praxis zur Errich-tung von Fotovoltaik-Freiflächenanlagen herausgebildeten Kriterien auf die Solarthermie-Freiflächenanlagen übertragen lassen. Dort ist das naturschutzrechtliche Konfliktpotenzial überschaubar: Meist geht es um die (wegen des Verzichts auf Fundamente nur geringfügige) Bodenversiegelung und Bodenverdichtung, den Bodenabtrag, die Verschattung und die visuelle Wirkung der Anlage. Regelmäßig wird eine Freiflächenanlage wegen der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes zu einem naturschutzrechtlich relevanten Eingriff führen. Damit ist der Verursacher verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen oder in sonstiger Weise zu kompensieren. Dabei ist zu beachten, dass sich durch die Anlage gerade bei zuvor naturschutzrechtlich wenig bedeutsamen Flächen wie etwa intensiv genutzten Acker- oder Konversionsflächen auch positive Biotopeffekte einstellen können. 6 Verordnung des Umweltministeriums Baden-Württemberg über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und über Fachbetriebe (Anlagenverordnung wassergefährdende Stoffe – VawS) vom 11. Februar 1994 17 Weitere Anforderungen hängen vom Einzelfall des Standorts ab. So können Vorgaben des besonderen Artenschutzrechts zu berücksichtigen sein, wenn besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten beeinträchtigt werden. Weitere Einschränkungen in entsprechenden Schutzgebieten können sich aus dem Habitatschutzrecht ergeben. Durch eine entsprechende Standortwahl dürften sich die Probleme generell minimieren lassen. Analog zur Aufstellung von Fotovoltaik-Freiflächenanlagen erscheinen die Schutzgebiets-Festsetzungen überwindbar, wenn es sich um weniger strenge Schutzgebietskategorien wie etwa Landschaftsschutzgebiete oder Naturparke handelt. Gegebenenfalls sind Befreiungen von den Vorgaben der jeweiligen Schutzverordnungen möglich. Foto: Ritter XL Solar GmbH – Bioenergiedorf Büsingen 18 J. Integriertes ökologisches Konzept: Beispiel Crailsheim Die Grundidee des Projektes der Stadtwerke Crailsheim GmbH ist die Kombination von modernem, familienfreundlichem Wohnen mit umweltbewusstem Leben durch die Nutzung von Sonnenenergie. Hierzu realisierten die Stadtwerke eine solare Nahwärmeanlage mit saisonalem Wärmespeicher. Umgesetzt wurde Deutschlands größte Solarthermie-Anlage im Wohngebiet Hirtenwiesen 2, das seit 2002 auf einem ehemaligen Konversionsgebiet im Westen Crailsheims entsteht. Der überwiegende Teil der Kollektoren (5.000 m², 2.500 kWth) ist auf der Südflanke des 15 m hohen Schallschutzwalles errichtet. Das Wohngebiet wird von dem angrenzenden Gewerbegebiet durch diesen Wall geschützt. Durch Einbindung der großen Kollektorflächen auf dessen Südseite in ein ökologisches Gesamtkonzept erhält der Bereich einen Naherholungscharakter und bietet vielen einheimischen Pflanzen und Tieren geeigneten Lebensraum. Zusätzlich ermöglichte der Wall die kostengünstige und einfache Aufstellungsmöglichkeit für Solarkollektoren. Den Projektplanern ist es gelungen, mit ihrem Gesamtkonzept von vornherein etwaige Konflikte durch verschiedene Maßnahmen zu minimieren:  Naturschutz als integraler Bestandteil des Gesamtkonzeptes  Einbindung von wichtigen lokalen Akteuren in die Planung und Umsetzung (u.a. Naturschutz)  Berücksichtigung von Anwohnerinteressen im Vorwege  Aufwertung des Lebensraums für Tier und Mensch  Heimische Biotope und Tierarten als  Entwicklungsziel  Anbau alter heimischer Weinsorten als Beitrag zur Kultur- und Naturvielfalt Fotos: http://www.stw-crailsheim.de/fileadmin/images/top-themen/projekt-solaranlage-crailsheim/ SWCR_Broschuere_thermische_Solaranlage.pdf 19 K. Fazit und Empfehlungen Die erforderlichen Planungs- und Genehmigungsverfahren zur Steuerung und Zulassung neuartiger, großer Freiflächen-Solarthermie-Anlagen können mit den vorhandenen gesetzlichen Instrumentarien ohne Probleme bewältigt werden. 1. Die systematische Flächensuche und -entwicklung spielt eine Schlüsselrolle für solare Fernwärme. 2. Zu Beginn der Projektentwicklung sollte ein systematisches Flächenscreening anhand energiewirtschaftlicher, politischer sowie rechtlicher Kriterien durchgeführt werden. 3. Möglichst frühzeitig sollte eine umfassende Behörden-, Bürger- und Stakeholder-Beteiligung durchgeführt werden. 4. Es sollte von vorneherein ein integriertes, ökologisches Nutzungskonzept verfolgt werden. 5. Das Landesplanungsrecht sollte von den zuständigen Planungsträgern genutzt werden, um eine geregelte Steuerung und Sicherung geeigneter Flächen für große solarthermische Anla-gen zu gewährleisten. Die Regionalpläne sollten entsprechend fortentwickelt werden. 6. Eine planungsrechtliche Festsetzung durch die Gemeinden sollte mindestens auf Ebene des Flächennutzungsplans durchgeführt werden, möglichst auch in einem Bebauungsplan. 7. Das Umweltrecht dürfte in der Regel keine unüberwindbaren Hindernisse aufwerfen. 8. Perspektivisch ist die Einführung verbindlicher Instrumente der kommunalen Wärmeplanung sinnvoll. Auf freiwilliger Basis kann und sollte dieses Instrument von den Gemeinden bereits heute genutzt werden, um die Weichen für ihre Kommune in Richtung einer wirtschaftlichen und klimaverträglichen Wärmeversorgung zu stellen. 20 L. Wo finden Sie weitere Informationen? Zum Thema Wärmewende in Baden-Württemberg: https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/2_Presse_und_Service/Publikationen/Klima/20140715_IEKK.pdf Die Landesregierung Baden-Württemberg hat in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt, die Energie- und Klimapolitik neu auszurichten. Zentrales Element ist das Klimaschutzgesetz, das am 31. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) liefert die konkreten Strategien und Maßnahmen. Zum Thema Solare Nah- und Fernwärme: http://solar-district-heating.eu/de/de-de/startseite.aspx http://solar-district-heating.eu/bw/Startseite.aspx http://solar-district-heating.eu/Portals/21/150701_SolnetBW_web.pdf http://solar-district-heating.eu/ServicesTools/Plantdatabase.aspx http://www.sdh-online.solites.de/ Ein ONLINE Rechner für eine einfache erste Dimensionierung sowie Ertrags- und Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Beispiel Crailsheim http://www.stw-crailsheim.de/fileadmin/images/top-themen/projekt-solaranlage-crailsheim/SWCR_Broschuere_thermische_Solaranlage.pdf 21 Zum Thema Recht: Zeitschrift für Umweltrecht, Jahrgang 26, 2/2015, S. 78 ff. „Solare Fernwärme in Planungs- und Umweltrecht – Der Rechtsrahmen für große Freiflächen-Solaranlagen zur Wärmeerzeugung“, Christian Maaß, Matthias Sandrock, Raphael Weyland. Einzelne Exemplare können von den Autoren angefordert werden, bitte hierfür eine E-Mail an info@hamburg-institut.com schreiben. http://www.unendlich-viel-energie.de/media/file/146.45_Renews_Spezial_Biodiverstitaet-in-Solarparks_online.pdf http://www.unendlich-viel-energie.de/media/file/163.62_Renews_Spezial_Planungsrecht_online.pdf AUTOREN DIESES LEITFADENS RA Christian Maaß Dr. Matthias Sandrock KONTAKT HIR Hamburg Institut Research gGmbH Paul-Nevermann-Platz 5 22765 Hamburg Tel.: +49 (40) 39 10 69 89-0 info@hamburg-institut.com www.hamburg-institut.com

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Freitag, 1. Juli, 2016|

Leitfaden – Förderung und Finanzierung

Förder- und Finanzierungsleitfaden für Freiflächen- Solarthermie-Anlagen mit Wärmespeicher und Anbindung an Wärmenetze in Baden-Württemberg Diese Ausarbeitung wurde im Rahmen des Vorhabens SolnetBW erstellt. SolnetBW ist ein Verbundvorhaben zum Thema solare Wärmenetze, das im Rahmen des Förderpro-gramms BWPLUS mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft durch den beim Karlsruher Institut für Technologie eingerichteten Projektträger gefördert wird. Förderkennzeichen: BWE13030 Förderzeitraum: 01.11.2013 – 30.04.2016 Gefördert durch: PROJEKTKOORDINATOR: Solites – Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme PROJEKTPARTNER: AGFW | Projektgesellschaft für Rationalisierung, Information und Standardisierung mbH Hamburg Institut Research gemeinnützige GmbH (HIR) Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH (KEA) (im Unterauftrag von Solites) HAFTUNGSAUSSCHLUSS: Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den Autoren. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die Autoren übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Juni 2016 Inhalt A. Warum dieser Leitfaden? ...................................................................................................1 B. Für wen ist dieser Leitfaden? .............................................................................................3 C. Wie rechnen sich Freiflächen-Solarthermie-Anlagen? .........................................................4 D. Wie werden große Solarthermie-Anlagen finanziert? ....................................................... 10 D.1 Eigenkapital .................................................................................................................... 10 D.2 Finanzielle Bürgerbeteiligung ......................................................................................... 10 E. Fördermittel des Landes und Bundes optimal nutzen! ...................................................... 12 E.1 Wer wird gefördert? ....................................................................................................... 13 E.2 Was genau wird beim Land und beim Bund gefördert und was nicht? ......................... 14 E.3 Was sind zuwendungsfähige Investitionskosten? .......................................................... 16 E.4 Wie viele Zuschüsse werden wofür gewährt? ................................................................ 17 E.5 Welche Regeln und Beschränkungen gibt es bei der Förderung? ................................. 19 E.6 Ablaufschema einer typischen Förderung der KfW ....................................................... 20 F. Zwei Rechenbeispiele ...................................................................................................... 22 G. Wo finden Sie weitere Informationen? ............................................................................. 26 H. Wo können Sie sich in Baden-Württemberg persönlich beraten lassen? ............................ 29 1 A. Warum dieser Leitfaden? Das Land Baden-Württemberg verfolgt bei der Energiewende ehrgeizige Ziele: Bis 2050 will das Land gegenüber 2010 50% des Energieverbrauchs einsparen, 80% der Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen und die energiebedingten Treibhausgasemissionen um 90% senken. Dabei ist auch weiter-hin eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung zu gewährleisten. Das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) in Baden-Württemberg liefert dazu die konkreten Strategien und Maßnahmen für die kommenden Jahre. Die Energiewende wird nicht ohne eine Wärmewende erfolgreich zu leisten sein, denn in Baden-Württemberg wird annähernd so viel Energie für die Wärmebereitstellung verbraucht wie für Kraft-stoff und Strom zusammen. Am gesamten Endenergieverbrauch hat der Wärmesektor einen Anteil von 47%. Daher stecken in der Erhöhung der erneuerbaren Energien und des Ausbaus von Wärmenetzen in der Wärmegewinnung und -versorgung ein enormes Potenzial die Klimaziele zu erreichen. Insbesondere Wärmenetze bieten eine Verteilstruktur, die flexibel an zukünftige Erzeugungstechnologien anpassbar ist und insbesondere erneuerbare Wärme – wie Solarthermie, Erdwärme oder industrielle Abwärme – in Quartiere, Gemeinden und urbane Zentren bringen kann. In zahlreichen Kommunen in Baden-Württemberg sind Wärmenetze bereits vorhanden. Gerade im sonnenreichen Baden-Württemberg bietet die Solarenergie zur Wärmegewinnung (Solarthermie) große Potenziale. Jahr für Jahr werden mehr als 1.000 kWh kostenlose Sonnenenergie auf einen Quadratmeter Fläche eingestrahlt, davon über 70% im Sommerhalbjahr. Der mit Solar-anlagen erzielbare Wärmeertrag ist pro Quadratmeter etwa 40-50 Mal höher als beim Anbau von Biomasse. Die Solarthermie ist technisch ausgereift, robust und langlebig. Um den Wärmebedarf zukünftig auf Basis erneuerbarer Energien zu decken, ist die Solarenergie unverzichtbar. Die Vorteile liegen auf der Hand: Solarenergie ist frei von Risiken und Schadstoffen, unterliegt keinen Preiserhöhungen und stärkt über den Anlagenbau und -betrieb das lokale Handwerk und die regionale Wertschöpfung. Die Landesregierung will den Anteil der Solarthermie an der Wärmeerzeugung deutlich steigern: Bis 2020 soll ihr Beitrag von heute 1,2 auf 3,1 TWh jährlich steigen. Bis zum Jahr 2050 sollen mit 14 TWh rund 30% des dann noch benötigten Wärmebedarfs solar gedeckt werden. Dazu sind die Einsatzbereiche der Solarthermie auf Dach- und Freiflächen auszuweiten und diese verstärkt zur Beheizung von Gebäuden sowie in gewerblichen Produktionsprozessen zu nutzen. Eine für Baden-Württemberg aussichtsreiche und kostengünstige Option stellen solarthermische Großanlagen auf Freiflächen in Verbindung mit Wärmenetzen dar. 2 Bereits heute ist Baden-Württemberg in Deutschlands Vorreiter beim Einsatz dieser Technologie. Auf internationaler Ebene ist es Dänemark, wo vielerorts solche Anlagen bereits zum Einsatz kommen und erneuerbare und emissionsfreie Wärme für die kommunale Versorgung zu konkurrenzfähigen Kosten liefern. Sowohl der Betrieb von Wärmenetzen als auch die Wärmeerzeugung eignen sich hervorragend für eine finanzielle Bürgerbeteiligung. Die zahlreichen erfolgreichen Beispiele in Deutschland und Baden-Württemberg ermutigen zum Ausbau der großflächigen Solarthermie. Die Vorteile bei der Integration der Solarthermie in Nah- und Fernwärmesysteme liegen insbeson-dere bei der langfristigen Planungssicherheit bezüglich der Wärmegestehungskosten, die Nutzung erneuerbarer und emissionsfreier Wärme, das damit verbundene positive Image und die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung und auch durch den einfachen technischen Betrieb solcher Anlagen. Dieser Förder- und Finanzierungsleitfaden dient der Marktentwicklung für solare Wärmenetze in Baden-Württemberg. Er liefert Anhaltspunkte zu Investitions- und Betriebskosten, Förderung und Finanzierung und soll anhand von Beispielrechnungen ermutigen, Projektideen erfolgreich voranzubringen. 3 B. Für wen ist dieser Leitfaden? Für Akteure aus Kommunen, Stadtwerken, Energie-Genossenschaften, Industrie-betriebe und sonstige Fernwärmeversorger Für die Initiierung, Finanzierung und den Betrieb eignen sich unterschiedliche Betreibermodelle. Meist ergeben sich aus der Entstehungsgeschichte und Initiative für eine große Solarthermie-Anlage individuelle Modelle. Neben den klassischen Fällen, in denen ein Wärmeversorger oder eine Energiegenossenschaft in solare Nah- oder Fernwärme investiert und anschließend Kunden mit solarer Wärme beliefert, kom-men grundsätzlich auch Lösungen in Betracht, in denen Wärmenetzbetreiber und Investor der Solaranlage nicht identisch sind. Für die Fernwärmeversorger ist die Übernahme von Wärmemengen aus Anlagen, die von Dritten betrieben werden, grundsätzlich eine seit vielen Jahren geübte Praxis. Die Einspeise- und Vergütungsbedingungen sind jedoch nicht gesetzlich geregelt, sondern werden zwischen den Geschäftspartnern zivilrechtlich vereinbart. Für den Fall, dass der Wärmeversorger nicht selbst in die Solarthermie-Anlage investieren will oder kann, könnte dies ein dritter Investor tun und die Wärme anschließend als Contractor verkaufen. Solche Modelle wurden in Österreich und Schweden bereits mehrfach umgesetzt. Dabei sind spezialisierte Solar-Unternehmen, wie auch die Wohnungswirtschaft oder die öffentliche Hand Eigentümer der Solaranlagen. Der Contractor finanziert und errichtet die Anlage auf eigenes unternehmerisches Risiko, jedoch auf Grundlage eines langfristigen Wärmeliefervertrags mit dem Wärmenetzbetreiber. Eine finanzielle Bürgerbeteiligung an der Investition ist möglich und kann zudem die Akzeptanz vor Ort erhöhen, auch reine Energiegenossenschaften können als Wärmelieferer auftreten. Für die Wärmenetzbetreiber ergeben sich mit diesem Geschäftsmodell einige Vorteile. Es muss kein Kapital für die Investition aufgebracht werden und das technische Risiko liegt beim Contractor. Da die solaren Wärmebezugskosten nicht von Brennstoffkosten abhängig sind, bietet dieses Modell auch für den Wärmenetzbetreiber langfristige Kostensicherheit. 4 C. Wie rechnen sich Freiflächen-Solarthermie-Anlagen? Investitionen in erneuerbare Energien-Anlagen und Speicher bzw. in Wärmenetze sind grundsätzlich kapitalintensive Projekte. Betrachtet man aber die Kosten für Brennstoff, Wartung- und Betrieb, so zeigen sich deutliche Kostenvorteile und Planungssicherheiten gegenüber fossil betriebenen Anlagen. Die Kostenstruktur einer großflächigen Solaranlage unterscheidet sich grundlegend von herkömmlichen Heizanlagen:  Bei einem Öl- oder Gaskessel sind die Kapitalkosten in die Anlage verhältnismäßig gering. Jedoch muss im Betrieb ein Vielfaches der Anfangsinvestition für den Kauf von Brennstoffen aufgewendet werden.  Im Fall der solaren Wärmeerzeugung fallen die wesentlichen Kosten bei der Anschaffung an; hingegen sind die operativen Kosten in der Betriebsphase sehr gering. Brennstoffe werden nicht benötigt. Ziel eines Finanzierungskonzeptes ist eine langfristige Kostensicherheit, die zu stabilen Preisen für die Wärmekunden führen. Da Solarthermie keinen Rohstoffpreisen unterliegen, schaffen Sie eine ein bisher im Wärmebereich nicht bekannte Stabilität des Wirtschaftsplans. Die wesentlichen Kosten-Komponenten einer Investition in Solarthermie:  Kollektoren (Flach- oder Vakuumröhrenkollektoren)  Anlagentechnik  Mess-, Steuerungs- und Regeltechnik (MSR)  Übergabestation zum Netz  Wärmespeicher  Planung und Genehmigung Die operativen Kosten bestehen im Wesentlichen aus:  Versicherung  Abrechnung und sonstige Verwaltung  Laufende technische Wartung  Pflege des Geländes Vorteile entstehen bei der Integration der Solarthermie in Nah- und Fernwärmesysteme insbesondere durch die langfristige Planungssicherheit bezüglich der Wärmegestehungskosten, die Nutzung erneuerbarer und emissionsfreier Wärme, das damit verbundene positive Image und die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung und auch durch den einfachen technischen Betrieb solcher Anlagen. Im Rahmen des SolnetBW-Forschungsvorhabens wurden für verschiedene solarthermische Großanlagen vereinfachte Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen vorgenommen. 1 1 SolnetBW Grundlagen: http://solar-district-heating.eu/Portals/21/150701_SolnetBW_web.pdf 5 Hier die Beispielkalkulation für eine dezentral in ein städtisches Fernwärmesystem eingebundene solarthermische Großanlage: Kollektorfeld HT-Flachkollektoren (10.000 m²) 2.214.000 € Gebäude 111.000 € Anlagen- und MSR-Technik 222.000 € Planung 127.000 € Investition ohne Förderung 2.674.000 € Förderung (KfW-Bank) 1.070.000 € Investition mit Förderung 1.604.000 € Jährliche Kapitalkosten (Verzinsung 4%, 25 Jahre) 173.000 €/a Instandhaltung und Betrieb 33.000 €/a Summe Jahreskosten 206.000 €/a Wärmegestehungskosten ohne Förderung 51 €/MWh Wärmegestehungskosten mit Förderung (Jahresproduktion 4.040 MWh/a) 33 €/MWh Das Kollektorfeld dominiert mit über 80% die Investition. Nicht einbezogen in die obige Betrachtung sind Aufwendungen für das Grundstück, mögliche Umzäunungen, die Anbindungsleitung an das Wärmenetz und Wärmespeicher. Wärmegestehungskosten zwischen 30 – 50 Euro/MWh sind möglich Mit Anlagen dieser Größenordnung können bereits heute in Deutschland Wärmegestehungskosten von rund 5 Cent je KWh (netto, ohne Förderung) erzielt werden. Unter guten Voraussetzungen sind noch geringere Werte möglich. Die wesentlichen Voraussetzungen für günstige Wärmegestehungskosten sind:  Eine ausreichende Anlagengröße (>1.000 m² Kollektorfläche)  Einfache Anlagentechnik (z.B. Freilandaufstellung)  Solare Deckungsanteile an der Gesamt-Wärmeerzeugung bis 20% (d.h. Auslegung an der sommerlichen Wärmelast)  Möglichst niedrige Temperaturen im nachgelagerten Wärmenetz. Durch Inanspruchnahme attraktiver Förderprogramme für die Investition können die Wärmegestehungskosten nochmals deutlich auf Werte von unter 3 Cent je kWh verringert werden. Damit ist die Solarwärme bereits heute gegenüber fossil betriebenen Anlagen wirtschaftlich im Vorteil. 6 Anlagentypen, System- und Wärmegestehungskosten Im Rahmen der Arbeit des SolnetBW-Projektes wurden sieben Typologien für den Einsatz großer Solarthermie definiert. Sie machen deutlich, unter welchen Rahmenbedingungen sich große Solar-thermie besonders lohnt. 2 Typ Wärmeabgabe ges. Netz (GWh/a) Einbindung Solaranlage (-) Leistung Solaranlage (MWth) Solarer Deckungsanteil (%) 1 Solare Wärmenetze zur Quartiersversorgung 0,5 – 10 zentral 0,2 – 2 10 – 20% der Wärme-netzeinspeisung 2 Solare Wärmenetze mit Langzeitwärmespeicher für Wohngebiete und Quartiere 2 – 10 zentral 2 – 20 20 – 50% der Wärme-netzeinspeisung 3 Dezentral eingebun-dene Solaranlagen in Quartieren 20 – 5.000 dezentral 0,2 – 2 bis zu 100% des Quar-tierswärmebedarfs (< 10% der Wärme-netzeinspeisung) 4 Solare Wärmenetze für Dörfer und kleinere Städte 2 – 100 zentral 0,5 – 50 10 – 20% der Wärme-netzeinspeisung 5 Solare Fernwärme-systeme mit Strom-Wärme-Kopplung 2 – 100 zentral 0,5 – 50 10 – 50% der Wärme-netzeinspeisung 6 Dezentral in städtische Fernwärme eingebun-dene Solaranlagen 20 – 5.000 dezentral 0,5 – 10 bis zu 10% der Wärme-netzeinspeisung 7 Zentral in städtische Fernwärme eingebun-dene Solaranlagen 20 – 5.000 zentral 0,5 – 50 bis zu 20% der Wärme-netzeinspeisung Definition der Randbedingungen 2 Quelle: http://solar-district-heating.eu/Portals/21/150701_SolnetBW_web.pdf 7 Systemkosten und Wärmegestehungskosten ohne bzw. mit Förderung Es ist deutlich erkennbar, dass für die Anlagentypen 3 (dezentral eingebundene Solaranlagen in Quartieren), 6 (dezentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Groß-anlagen) und 7 (zentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Groß-anlagen) die Wärmegestehungskosten am niedrigsten sind. Die Wärmegestehungskoten liegen bei den genannten Systemen ohne Förderung im Mittel bei etwa 50 Euro/MWh. FAZIT Je nach Anwendungsfall und Rahmenbedingungen, Größe der Anlage und solarem Deckungsgrad können ohne Förderung Wärmegestehungskosten im Bereich von 50 Euro/MWh erreicht werden. Mit Inanspruchnahme von derzeit angebotener Förderung sind Wärmegestehungskosten von unter 30 Euro/MWh möglich. 02550751001251501752000100200300400500600700800Gestehungskosten Solarwärme [€/MWh](ohne Förderung / mit Förderung)Systemkosten ohne Förderung [€/m²Flachkollektor]Kostenbasis 2013WärmeabgabeNetzges.: Einbindung Solaranlage: Leistung Solaranlage: Solarer Deckungsanteil: Typ 1 Quartier 0,5 - 10 GWh/a zentral 0,2 - 2 MWth 10 - 20 % Typ 2 Quartier Wärmespeicher 2 - 10 GWh/a zentral 2 - 20 MWth 20 - 50 % Typ 3 Quartier 20 - 5000 GWh/a dezentral 0,2 - 2 MWth < 10 % Typ 4 ‘Energiedorf‘ 2 - 100 GWh/a zentral 0,5 - 50 MWth 10 - 20 % Typ 5 ‘Energiedorf‘ StromWärmeKoppl. 2 - 100 GWh/a zentral 0,5 - 50 MWth 10 - 50 % Typ 6 Städtische Fernwärme 20 - 5000 GWh/a dezentral 0,5 - 10 MWth < 10 % Typ 7 Städtische Fernwärme 20 - 5000 GWh/a zentral 0,5 - 50 MWth < 20 % 8 Betriebskosten niedrig Die Kapitalkosten stellen einen wesentlichen Anteil der Gesamtkosten dar. Hingegen spielen die Betriebskosten eine eher untergeordnete Rolle. Müssen jedoch berücksichtigt werden. Auf Basis der Untersuchungen zu den laufenden Kosten lassen sich Richtwerte für die jährliche Instandsetzung und die Wartungskosten ermitteln. Übersicht der Randbedingungen für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung: 3 Nutzungsdauer (in Jahren) Jährliche Instandhaltungskosten (in % der Inv.-Kosten) Jährliche Wartungskosten (in % der Inv.-Kosten) Vakuumröhrenkollektoren 25I 0,50%III 0,50%III Flachkollektoren 25I 0,50%III 0,50%III WärmespeicherII 40 1,00% 0,25% SolarnetzIII 40 1,00% 0,00% AnlagentechnikIII 15 1,50% 0,75% GebäudeIII 50 1,00% 1,00% MSR-TechnikIII 20 1,50% 1,00% Die niedrigen Betriebs- und der Wegfall der Brennstoffkosten bedeuten: langfristige Kalkulierbar-keit, Planungssicherheit und Stabilität der Wärmegestehungskosten. Kapitalkosten hoch Die hohen Kapitalkosten schaffen eine besondere Situation bei der Bereitstellung des aufzubringen-den Eigen- und Fremdkapitals, da ihr Bedarf vergleichsweise hoch ist. Entsprechend sind die Tilgungszeiten länger oder die Tilgungsraten und die Zinslast höher. Der Zinssatz für die interne Kalkulation hat einen starken Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit. Grundsätzlich muss jede Anlage individuell kalkuliert werden und die entsprechenden Kreditverträge je nach Anlage verhandelt werden. Besonders hervorzuheben ist der Umstand, dass große Solarthermie-Anlagen zu 100% für die Darle-hen der KfW zulässig sind. Das heißt, dass Eigenkapital nur noch für Kosten des Grundstückes und anderer Nebenkosten nachgewiesen werden muss. 3 Quelle: http://solar-district-heating.eu/Portals/21/150701_SolnetBW_web.pdf 9 Für eine erste Einschätzung der Wirtschaftlichkeit bei anzunehmender Dimensionierung steht ein hilfreiches, kostenloses Instrument unter: http://www.sdh-online.solites.de/ zur Verfügung. Foto: Ritter XL Solar GmbH – Juni 2016 Bau Deutschlands größter Anlage in Senftenberg mit 8.300 m2 Kollektorfläche 10 D. Wie werden große Solarthermie-Anlagen finanziert? Foto: Dr. Matthias Sandrock – Freiflächen-Solarthermie-Anlage Snedstedt, Dänemark D.1 Eigenkapital Derzeit lassen sich große Solarthermie-Anlagen zu nahezu 100% mit Fremdkapital über das Förder-programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanzieren. Daneben werden attraktive Tilgungszuschüsse von der KfW angeboten. Andererseits kann es auch im Interesse des Investors bzw. Initiators sein, den Anteil an Eigenkapital zu erhöhen, um durch entsprechend niedrigerem Fremdkapitalbedarf die Zinslast zu senken und die Anlage möglichst frühzeitig frei von Darlehen zu bekommen. D.2 Finanzielle Bürgerbeteiligung Die kapitalmäßige Beteiligung der Wärmekunden oder auch Dritter (Privatpersonen) spielt bei Wärmenetzen und Solarthermie eine attraktive Rolle. Viele Bürger sehen in den herkömmlichen Sparmöglichkeiten bei Banken keine Perspektive und suchen sowohl aus finanziellen Erwägungen, aber auch aus ethischen und ökologischen Erwägungen heraus nach Alternativen. 11 Werden die Kunden an den Gewinnen beteiligt, schafft dies großes Vertrauen und Akzeptanz, da möglicher Profit an die Kunden zurückfließt und somit die Furcht vor überhöhten Wärmepreisen nahezu ausgeschlossen werden kann. Für eine finanzielle Bürgerbeteiligung spricht auch der Umstand, dass die Renditeerwartung von Privatpersonen in der Regel niedriger liegt als bei gewerblichen bzw. institutionellen Investoren. Als Erfahrungswert aus Bürgerenergieprojekten im Strombereich kann von einer einstelligen Renditeerwartung ausgegangen werden, die derzeit für viele Anleger zwischen 3% und 5% attraktiv erscheint. Im Fall von Genossenschaften ist eine Auszahlung von Überschüssen dem Beschluss der Genossenschaftsmitglieder vorbehalten. Aufgrund der für das Geschäftsmodell der Solarthermie-Anlage anzunehmenden sehr geringen Eigenkapitalbedarfs, eigen sich Genossenschaften zur Gewinnung der notwendigen Mittel recht gut. Mitglieder können die zukünftigen Wärmekunden werden. In der konkreten Ausgestaltung einer Teilhabe an den wirtschaftlichen Vorteilen einer Anlage oder eines Wärmenetzes sind weitere Modelle möglich, wie z.B. die Beteiligung an Pachteinnahmen, die Gewährung eines „Anwohner-Bonus“ oder ähnlichem sowie die Direktvermarktung von Strom und Wärme zu Sonderkonditionen. Foto: Ritter XL Solar GmbH – 2013 Bioenergiedorf Büsingen 12 E. Fördermittel des Landes und Bundes optimal nutzen! Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) bietet über das Marktanreizprogramm (MAP) zur Förderung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt eine Regelförderung an. Diese kann über das KfW-Programm „Erneuerbare Energien Premium 271“ abgerufen werden. Es bietet zinsgünstige Darlehen und Tilgungszuschüsse. Über die Kommunalrichtlinie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit werden Klimaschutzteilkonzepte mit Schwerpunkt auf integrierter Wärmenutzung und auf Erneuerbare Energien gefördert. Der Bund fördert die Erstellung von Wärmeplänen im Regelfall als Zuwendung durch einen nicht rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von bis zu 50% der zuwendungsfähigen Ausgaben und Baden-Württemberg unterstützt mit bis zu 20% zusätzlich. Pro Region in Baden-Württemberg wird jeweils eine Beratungs- und Netzwerkinitiative gefördert, die das Thema energieeffiziente Wärmenetze in der jeweiligen Region proaktiv aufgreift, Kommunen und die Öffentlichkeit über das Thema informiert sowie konkrete fachlich-konzeptionelle Vorschläge zur Umsetzung von lokalen Wärmenetzen in Kommunen macht. Die Förderung erfolgt in Form eines Zuschusses in Höhe von bis zu 90% der förderfähigen Kosten und maximal bis zu 90.000 Euro über eine Projektlaufzeit von drei Jahren. Ein neues Programm „Investitionsförderung zur Errichtung oder Erweiterung von energieeffizien-ten Wärmenetzen“ in Baden-Württemberg schafft seit Ende Februar 2016 Anreize, effiziente und verlustarme Wärmenetze für den Einsatz aller erneuerbaren Energien sowie Abwärme aus Industrie und hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zu errichten. Gefördert werden über Zuschüsse Investitionen in Wärmenetze, die besondere Effizienzkriterien erfüllen, die über die Vorgaben des Marktanreizprogramms (MAP) des Bundes und des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) hinausgehen. Als Zusatzanforderungen werden ein erhöhter Einsatz von erneuerbaren Energien, Abwärme oder hocheffizienter KWK und eine Begrenzung des Wärmeverlusts vorausgesetzt. Beim Land Baden-Württemberg können für Pilotprojekte weiterhin über das Ministerium für Um-welt, Klima und Energiewirtschaft im Rahmen des Programms „Demonstrationsvorhaben der rationellen Energieverwendung und Nutzung erneuerbarer Energien“ Mittel in Form von nicht-rückzahlbaren Zuschüssen für die Wärmeversorgung in Gemeinden, Städten sowie Orts- oder Stadtteilen überwiegend auf der Basis von erneuerbaren Energien oder Abwärme beantragt werden. Informationen zu Forschungsförderung durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirt-schaft des Landes und des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für spezielle Pilotvorhaben können dort angefragt werden. 13 E.1 Wer wird gefördert? KfW-Programm „Erneuerbare Energien Premium 271“:  Natürliche Personen, die die erzeugte Wärme und/oder den erzeugten Strom ausschließlich für den privaten Eigenbedarf nutzen (keine Vermietung und keine Landwirtschaft),  Gemeinnützige Antragsteller und Genossenschaften,  Freiberuflich Tätige,  Landwirte,  Unternehmen,  Kommunen, kommunale Gebietskörperschaften und Gemeindeverbände (zum Beispiel kommu-nale Zweckverbände), die wie kommunale Gebietskörperschaften behandelt werden können. Der Antragsteller ist entweder Eigentümer, Pächter oder Mieter des Grundstücks, Grundstückteils, Gebäudes oder Gebäudeteils, auf dem die geförderte Investitionsmaßnahme durchgeführt wird, oder ein von diesen beauftragtes Energiedienstleistungsunternehmen (Contractor). Pächter, Mieter oder Contractoren benötigen die schriftliche Erlaubnis des Eigentümers des Anwesens, die Anlage errichten und betreiben zu dürfen. Investoren sind nur antragsberechtigt, wenn sie auch gleichzeitig die Betreiber der Anlagen sind. Trifft dies nicht zu, kann eine Förderung nur erfolgen, wenn Investor und Betreiber für das Darlehen gesamtschuldnerisch haften. Im Fall der Errichtung einer förderwürdigen Anlage im Rahmen eines Contractingvertrags ist der Contractor nur antragsberechtigt, wenn er versichert, dass er den Contracting-Nehmer darauf hingewiesen hat, dass er die Förderung im Rahmen dieses KfW-Programms in Anspruch nehmen will. Baden-Württemberg – Programm „Investitionsförderung zur Errichtung oder Erweiterung von energieeffizienten Wärmenetzen“: Gefördert werden Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft sowie sonstige natürliche und juristi-sche Personen des privaten Rechts. Ebenso Städte, Gemeinden, Landkreise, Gemeindeverbände, Zweckverbände, sonstige Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie Eigengesellschaften kommunaler Gebietskörperschaften. 14 E.2 Was genau wird beim Land und beim Bund gefördert und was nicht? KfW-Programm „Erneuerbare Energien Premium 271“: Solarkollektoranlagen Als Innovationsförderung werden die Errichtung und Erweiterung von großen Solarkollektoranlagen mit mehr als 40 m² Bruttokollektorfläche gefördert zur:  überwiegender Bereitstellung von Wärme für ein Wärmenetz,  Warmwasserbereitung, Raumheizung oder zur kombinierten Warmwasserbereitung und Raumheizung von: Wohngebäuden mit 3 und mehr Wohneinheiten, oder  Nichtwohngebäuden mit mindestens 500 m² Nutzfläche. Diese Mindestgröße kann bei Gemein-schaftseinrichtungen zur sanitären Versorgung (z.B. auf Campingplätzen) oder Beherbergungs-betrieben mit mindestens 6 Zimmern unterschritten werden.  Bereitstellung von Prozesswärme,  Bereitstellung von solarer Kälteerzeugung. Große Wärmespeicher Als Innovationsförderung werden die Errichtung und/oder die Erweiterung von Wärmespeichern mit mehr als 10 m³ gefördert, sofern sie überwiegend aus erneuerbaren Energien gespeist werden und die im Antrag auf Tilgungszuschuss aufgeführten Qualitätskriterien einhalten. Wärmespeicher, die nach dem Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWKG) gefördert werden können sowie Wärmespeicher für Ein- und Zweifamilienhäuser sind nicht förderfähig. Nicht förderfähig sind ebenfalls: Eigenbauanlagen, Prototypen, gebrauchte Anlagen und Energieerzeugungsanlagen, die eine Vergütung nach dem Gesetz für den Ausbau Erneuerbarer Ener-gien (EEG) oder nach dem Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWKG) erhalten können. Wärmenetze, die aus erneuerbaren Energien gespeist werden Gefördert wird die Errichtung und die Erweiterung eines Wärmenetzes (inklusive der Errichtung der Hausübergabestationen), sofern:  das Wärmenetz im Mittel über das gesamte Netz einen Mindestwärmeabsatz von 500 kWh pro Jahr und Meter Trasse hat.  die verteilte Wärme zu bestimmten Mindestanteilen (20-50%) aus solaren Wärmequellen stammt 4 Auch der biogene Anteil von Siedlungsabfällen gilt als erneuerbare Energie im Sinne dieser Regelung (Wärmenutzung aus der Abfallverbrennung). 4 Mehr Informationen finden Sie auf dem Merkblatt der KfW: https://www.kfw.de/Download-Center/Förderprogramme-(Inlandsförderung)/PDF-Dokumente/6000002410-Merkblatt-271-281-272-282.pdf 15 Nicht gefördert werden: Wärmenetze, wenn sie nach dem Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWKG) gefördert werden können. Baden-Württemberg: Programm „Investitionsförderung zur Errichtung oder Erweiterung von energieeffizienten Wärmenetzen“ 5 Gefördert werden die Errichtung oder die Erweiterung von Wärmenetzen und gegebenenfalls einschließlich der integrierten Anlagen zur Wärmeerzeugung aus regenerativen Energien, aus KWK-Anlagen und industrieller beziehungsweise gewerblicher Abwärme, die folgende Kriterien kumulativ erfüllen:  Die Wärme muss zu mindestens 80% ̶ aus erneuerbaren Energien, ̶ aus effizienten Wärmepumpen, ̶ aus hocheffizienten KWK-Anlagen, ̶ aus Anlagen zur Nutzung industrieller oder gewerblicher Abwärme oder ̶ aus Kombinationen der genannten Quellen stammen,  die Wärmeverluste der Wärmeverteilung dürfen 20% der ins Wärmenetz eingespeisten Wärme nicht überschreiten und  an das Wärmenetz müssen zudem mindestens zehn Gebäude angeschlossen sein. Programm „Demonstrationsvorhaben der rationellen Energieverwendung und Nutzung erneuerbarer Energien“ 6 Gefördert werden Investitionen für nicht am Markt eingeführte Techniken, deren Entwicklungsphase abgeschlossen ist und die für den vorgesehenen Einsatzbereich, in der vorgesehenen Größen-ordnung oder hinsichtlich der vorgesehenen Kombination bekannter Komponenten erstmalig zur Anwendung kommen. Schwerpunkte bilden der Einsatz von erneuerbaren Energien und Maßnahmen für die effiziente Energienutzung. 5 https://um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/beratung-und-foerderung/foerdermoeglichkeiten/energieeffiziente-waermenetze letzter Zugriff: 03.03.2016 6 https://um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/beratung-und-foerderung/foerdermoeglichkeiten/demonstrationsvorhaben letzter Zugriff: 03.03.2016 16 E.3 Was sind zuwendungsfähige Investitionskosten? KfW-Programm „Erneuerbare Energien Premium 271“ bis zu 100% der förderfähigen Nettoinvestitionskosten 7  Große Solarkollektoranlagen mit mehr als 40 m2 Bruttokollektorfläche: förderfähig sind allein durch die Realisierung der Solaranlage verursachte Kosten Kollektorfläche mit den dazugehörigen Komponenten (Kollektoren, Unterbau Kollektoren, Pum-pen usw.), Anbindung, Solarspeicher und zusätzliche Wärmetauscher, Regelung, Mess-einrichtungen, anteilige Planungskosten  Große, neu zu errichtende Wärmespeicher zur Speicherung von Wärme aus erneuerbaren Energien von mehr als 10 m3 Wärmespeicher und/oder Erweiterung einschließlich Verteilung, Armaturen und Pumpen, antei-lige Planungskosten  Verteilnetze und deren Erzeugungsanlagen, die mit Wärme aus Erneuerbaren Energien ge-speist werden (Wärmenetze). Hier gilt eine Besonderheit! In einem ersten Schritt werden die Investitionskosten der Gesamtmaßnahme (einschließlich An-lage zur Wärmeerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien) ermittelt. Als Vergleichsinvestition wird eine entsprechende Wärmeversorgung auf Basis von konventionellen Heizungen herangezogen. Zusätzlich ist zur Ermittlung der Beihilfeobergrenze zu den Investitionskosten in das Verteilnetz auch der erwartete Betriebsgewinn aus der Investition für den Abschreibungszeitraum der Investition anzurechnen. Im Programm „Investitionsförderung zur Errichtung oder Erweiterung von energieeffizienten Wärmenetzen“ in Baden-Württemberg wird unterschieden zwischen zum einen der Investitionen in integrierte Wärmeerzeugungsanlagen. Da sind die Investitionsmehrkosten förderfähig. Und zum anderen der Investitionen in das Verteilnetz. Dort sind die Investitionskosten förderfähig, jedoch darf der Förderbetrag für das Verteilnetz nicht höher sein als die Differenz zwischen den förderfähigen Kosten und dem Betriebsgewinn. 7 Siehe Checkliste KfW 600 000 0218 https://www.kfw.de/Download-Center/F%C3%B6rderprogramme-(Inlandsf%C3%B6rderung)/PDF-Dokumente/6000000218-Checkliste-Investitionsmehrkosten-271-281-272-282.pdf 17 E.4 Wie viele Zuschüsse werden wofür gewährt? KfW-Programm „Erneuerbare Energien Premium 271“ Gefördert wird die Umsetzung folgender Maßnahmen:8 Große Solarwärmeanlagen ab 40 m² Bruttokollektorfläche, die ihre Wärme überwiegend einem Wärmenetz zuführen, werden über ein KfW-Darlehen mit einem Tilgungszuschuss von gefördert. Der Kredithöchstbetrag beträgt in der Regel maximal 10 Mio. Euro pro Vorhaben. Die Förderung von Solarkollektoranlagen kann alternativ über zwei Fördersystematiken beantragt werden. Größenabhängige Förderung von Solarkollektoranlagen:  Bis zu 30% der förderfähigen Nettoinvestitionskosten für folgende Nutzungsarten: Warmwasserbereitung, Raumheizung, solare Kälteerzeugung und Zuführung in ein Wärmenetz,  Bis zu 40% der förderfähigen Nettoinvestitionskosten Einspeisung des überwiegenden Teils der Wärme in ein Wärmenetz mit mindestens vier Abnehmern,  Bis zu 50% der förderfähigen Nettoinvestitionskosten zur überwiegenden solaren Prozesswärmebereitstellung. Ertragsabhängige Förderung von Solarkollektoranlagen: Hierbei wird gefördert nach dem errechneten Ertrag auf Basis des sogenannten Solar-Keymark (Qualitätslabel für solarthermische Produkte). Das Zertifizierungsprogramm basiert auf einer Typ-prüfung der Produkte und einer Fertigungskontrolle. Der ausgewiesene jährliche Kollektorwär-meertrag wird mit der Anzahl der installierten Solarthermie-Module 9 und 0,45 Euro multipliziert. Das klingt komplizierter als es ist. Auch stehen übersichtliche webtools 10 zur Berechnung zur Verfügung. Bei sehr effizienten Hochleistungskollektoren kann diese Methode zu erheblich höheren Fördersummen führen. Für Wärmespeicher mit einem Speichervolumen über 10 m³ beträgt der Tilgungszuschuss 250 Euro je m³ sofern sie überwiegend aus erneuerbaren Energien gespeist werden. Dabei ist die Förderung auf 30% der für den Wärmespeicher nachgewiesenen Nettoinvestitionskosten beschränkt. Der maximale Tilgungszuschuss je Wärmespeicher beträgt 1 Mio. Euro. Wärmenetze, die überwiegend Wärme für den Gebäudebestand bereitstellen, werden mit einem Tilgungszuschuss von 60 Euro je errichtetem Meter Trassenlänge gefördert. Dabei muss die verteilte Wärme zu gewissen Anteilen aus erneuerbaren Energien gewonnen werden und der Mindestwärmeabsatz 500 kWh pro Trassenmeter und Jahr betragen. Der Förderhöchstbetrag beträgt 1 Mio. Euro. 8 KfW 271: KfW-Programm – Erneuerbare Energien Premium 271, Kreditanstalt für Wiederaufbau, www.kfw.de, letzter Zugriff: 12.01.2016 9 Die Kollektorzertifikate können Sie im Internet unter http://www.solarkeymark.dk/CollectorCertificates abrufen. Der maßgebliche Wert für Deutschland ist dann im Regelfall der auf der Seite 2 zu findende Wert „annual collector output“ in kWh je Modul am Standort Würzburg bei einer Temperaturdifferenz von 50 K. 10 http://ritter-xl-solar.com/vertrieb/foerderrechner/ letzter Zugriff: 03.03.2016 18 Zusätzlich zu den vorhandenen Förderungen gibt es seit dem 01. Januar 2016 bei der KfW mit dem „Anreizprogramm Energieeffizienz APEE“ wesentlich höhere Zuschüsse bei Einbau einer Solarther-mie-Anlage mit Heizungsunterstützung und Optimierung des Heizungssystems. Für den Austausch besonders ineffizienter Heizungsanlagen stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie um 20% erhöhte Tilgungszuschüsse zur Verfügung. 11 Baden-Württemberg „Investitionsförderung zur Errichtung oder Erweiterung von energieeffizienten Wärmenetzen“ (Stand: 04.02.2016) 12 Bei einer Förderung sind maximal bis zu 20% der Kosten als Basisförderung förderfähig, höchstens jedoch insgesamt 200.000 Euro. Die Basisförderung kann auf insgesamt bis zu 400.000 Euro (unter Einbehalt der maximal 20%) pro Investitionsvorhaben für die nachstehenden Maßnahmen durch kumulierbare Boni erhöht werden:  Bonus für Einsatz von Solarthermie: bis zu 50.000 Euro, wenn die vorgesehene installierte solarthermische Leistung einen Solarertrag von mehr als 10% der erforderlichen Gesamt-wärmemenge ermöglicht,  Bonus für Abwärmenutzung: bis zu 50.000 Euro bei Nutzung von Abwärme aus Industrie oder Gewerbe, wenn die vorgesehene installierte Leistung einen Ertrag aus Abwärme von mehr als 20% der erforderlichen Gesamtwärmemenge ermöglicht,  Bonus für große Wärmespeicher: bis zu 50.000 Euro für Wärmespeicher mit einem Speichervolumen von mindestens 500 m³ Wasser beziehungsweise Wasseräquivalent bei Latentwärmespeichern und sonstigen Speichern,  Bonus für Absenkung der Rücklauftemperaturen: bis zu 50.000 Euro für Maßnahmen (primär- oder sekundärseitig), die im Jahresdurchschnitt Rücklauftemperaturen kleiner 45 °C ermöglichen. Der gesamte Zuschuss wird unter Umständen durch die Beihilfe-Limits der Allgemeinen Gruppen-freistellungsverordnung (AGVO) begrenzt. Abhängig von der Art und Größe des Unternehmens liegt die zulässige Beihilfeintensität zwischen 45 und 65%. Dabei wird die Gesamtförderintensität betrachtet – d.h. Sie können die genannten Programme bis zu dieser Obergrenze kombinieren sprich kumulieren. Es gilt immer: Bundesmittel VOR Landesmittel. 11 http://www.foerderdatenbank.de/Foerder-DB/Navigation/Foerderrecherche/suche.html?get=views;document&doc=12832&typ=RL letzter Zugriff: 03.03.2016 12 https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/5_Energie/Energieeffizienz/F%C3%B6rderm%C3%B6glichkeiten/VwV_energieeffiziente_Waermenetze.pdf letzter Zugriff: 03.03.2016 19 E.5 Welche Regeln und Beschränkungen gibt es bei der Förderung?  Die AGVO (Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung) ist eine wichtige EU-Verordnung zur Festlegung von Förderhöchstgrenzen um eine Marktverzerrung innerhalb der EU zu vermeiden. Die Beachtung dieser Vorgaben erachten wir für zwingend. Für große Solarthermie-Anlagen, Speicher und Wärmenetzen gelten die Artikel 41 (Investitionsbeihilfen zur Förderung erneuerbarer Energien) und 46 (Investitionsbeihilfen für energieeffiziente Fernwärme und Fernkälte). Für Großunternehmen liegt die Förderhöchstgrenze bei 45% der förderfähigen Nettoinvestitionskosten. Für mittlere Unternehmen (< 250 Mitarbeiter, < 50 Mio. Euro Um-satz) bei 55% und für Kleinunternehmen (< 50 Mitarbeiter, < 10 Mio. Euro Umsatz) bei 65%. 13 Nach AGVO gilt auch: Wenn die Beihilfe im Rahmen einer Ausschreibung anhand eindeutiger, transparenter und diskriminierungsfreier Kriterien gewährt wird, kann die Beihilfeintensität bis zu 100% der beihilfefähigen Kosten betragen.  Da die AGVO nur für am Markt wirtschaftlich Tätige gilt, können kommunale Eigenbetriebe davon ausgenommen sein und würden damit keiner Beihilfegrenze unterliegen.  Kumulation – Können Sie verschiedene Fördermittel kombinieren? In der Regel ist es möglich, für ein Vorhaben Fördermittel aus verschiedenen Förderprogram-men in Anspruch zu nehmen. Im Falle einer Kumulierung von Beihilfen darf jedoch die nach den einschlägigen Leitlinien der Europäischen Kommission zulässige Beihilfenintensität nicht überschritten werden. In der Regel sind die Bundesmittel VOR Landesmitteln zu nutzen.  Für die Einstufung bei der Kreditgewährung sind sogenannte Bonitätsklassen wichtig, d.h. für wie solvent hält die Hausbank den Antragsteller. Dabei gilt ganz klar: je besser die wirtschaftli-chen Verhältnisse Ihres Unternehmens und je werthaltiger die gestellten Sicherheiten, desto niedriger ist der Zinssatz. Dabei lagen die Zinssätze bei KfW Programm 271 im Januar 2016 zwischen 1,00% bis 8,15% auch je nach Laufzeit des Kredits. D.h. es kann schon sehr entscheidend sein, was für ein Unternehmen oder ob eine Kommune direkt das Projekt realisiert.  Wer Förderdarlehen in Anspruch nehmen möchte, muss Sicherheiten bereitstellen. Zu einer banküblichen Besicherung zählen beispielsweise: Grundschulden, Sicherungsübereig-nung oder Bürgschaften. Form und Umfang der banküblichen Sicherheiten werden im Rahmen der Kreditverhandlungen zwischen Ihnen, als Kreditnehmer und Ihrer Hausbank vereinbart. Sollte ein Unternehmen nicht in ausreichendem Umfang über Sicherheiten für die aufzunehmenden Kredite verfügen, können zusätzlich öffentliche Haftungsfreistellungen oder Bürgschaften beantragt werden. 13 Die EU definiert kleine und mittlere Unternehmen (KMU) folgendermaßen: Mittlere Unternehmen: weniger als 250 Mitarbeiter und Umsatz bis 50 Mio. Euro oder Bilanzsumme bis 43 Mio. Euro Kleine Unternehmen: weniger als 50 Beschäftigte, Umsatz bis 10 Mio. Euro oder Bilanzsumme bis 10 Mio. Euro Kleinstunternehmen: weniger als 10 Mitarbeiter, Umsatz oder Bilanzsumme bis 2 Mio. Euro Verbundenheitskriterium: Für alle KMU gilt zudem, dass sie nicht zu 25% oder mehr des Kapitals oder der Stimmanteile im Besitz von einem oder mehreren Unternehmen gemeinsam stehen dürfen, welche die Definition der KMU nicht erfüllen. 20 E.6 Ablaufschema einer typischen Förderung der KfW IDEE Sie haben eine Projektidee und die Projektpartner beisammen und eine Vor-stellung der Kosten. GESPRÄCH Besprechen Sie Ihr Vorhaben frühzeitig mit Ihrer Hausbank, der L-Bank in Baden-Württemberg oder mit der KfW um evtl. bei Ihrer Projektidee nachzusteuern. ANTRAG Beantragen Sie den Kredit der KfW bei Ihrer Hausbank VOR dem Maßnahmen-beginn. Ihre Hausbank füllt den Kreditantrag mit Ihnen aus und reicht ihn mit den erforderlichen Anlagen bei der KfW ein. Sie prüft auch die Tilgungszuschuss-Optionen und die Einhaltung der Beihilfegrenzen für Ihr Unternehmen. In Ausnahmefällen kann unter bestimmten Voraussetzungen ein sog. vorzeitiger Maßnahmenbeginn erteilt werden, wenn Sie möglichst schnell mit der Umsetzung beginnen wollen. PRÜFUNG Die KfW prüft Ihren Antrag und teilt die Entscheidung Ihrer Hausbank mit. Man rechnet mit ca. 5 Wochen Bearbeitungszeit. VERTRAG Ihre Hausbank informiert Sie über das Ergebnis der Kreditprüfung und schließt den Kreditvertrag über die Darlehnssumme mit Ihnen ab. UMSETZUNG Ist der Kreditvertrag abgeschlossen, können Sie mit Ihrem Vorhaben beginnen. Ansprechpartner für alle Fragen zu Ihrem Kredit ist Ihre Hausbank. ABRUF Abruf des Kredits erfolgt zu 100% des zugesagten Betrages. Der Abruf kann in einer Summe oder in Teilbeträgen innerhalb von 12 Monaten erfolgen. Die Laufzeit des Kredits beginnt. FERTIG Die Baumaßnahme ist abgeschlossen. NACHWEIS Sie legen den Verwendungsnachweis bei Ihrer Hausbank vor, die diesen bei der KfW einreicht. Grundsätzlich müssen Sie dies unverzüglich nach Abschluss des geförderten Vorhabens tun, spätestens aber 9 Monate nach der Auszahlung der Darlehnsmittel. ZUSCHUSS Die KfW prüft dann die Auszahlung der Tilgungszuschüsse: Voraussetzung für die Verrechnung des Tilgungszuschusses ist der Nachweis der ordnungsgemäßen Ver-wendung der Mittel. Nach Prüfung und Anerkennung des Verwendungsnachweises wird der Tilgungszuschuss dem Darlehen als Sondertilgung gutgeschrieben. Laufzeit des Kredits: 5-20 Jahre 21 Bei der Beantragung zinsverbilligter Darlehen ist immer das „Hausbank-Prinzip“ zu beachten. Unternehmen können Förderanträge nicht direkt z.B. bei der der KfW stellen, sondern müssen Förderanträge über eine Bank, im besten Fall der Hausbank einreichen. Diese prüft die Anträge, analysiert das Projekt, prüft die Bonität Ihres Unternehmens und die Sicherheiten des Antragstellers und leitet den Antrag weiter. Kommunen hingegen können den Kreditantrag direkt bei der KfW beantragen und abrufen. Anträge für Mittel aus dem Programm in Baden-Württemberg „Demonstrationsvorhaben der rationellen Energieverwendung und Nutzung erneuerbarer Energien“ sind an das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft zu richten. Anträge für Mittel aus dem Programm in Baden-Württemberg „Investitionsförderung zur Errichtung oder Erweiterung von energieeffizienten Wärmenetzen“ können zu vier Terminen pro Jahr gestellt werden. Die Termine zur Einreichung von Anträgen werden auf der Homepage des Umweltministeriums und auf der Homepage des beauftragten Projektträgers Karlsruher Institut für Technologie (KIT)14 unter http://www.ptka.kit.edu/bwp/index.php rechtzeitig bekannt gemacht. Eine Kontaktaufnahme mit dem Projektträger Karlsruhe vor Antragstellung wird empfohlen. FAZIT  Prüfen Sie ob die ertragsabhängige Förderung der Kollektoren nicht eine höhere Fördersumme ergibt!  Klären Sie, welche Beihilfegrenzen für Ihr Unternehmen und Ihr Projekt gelten – daraus ergibt sich die maximale Höhe der Förderung bzw. des Tilgungszuschuss, den erhalten können!  Besprechen Sie mit Ihrer Hausbank Ihre Bonitätsklasse. Danach bemisst sich die Zinshöhe bei der KfW. 14 Formblätter für die Antragstellung können auf der Internetseite des Projektträgers abgerufen oder unter bwp@ptka.kit.edu angefordert werden. 22 F. Zwei Rechenbeispiele Beispiel 1: Stadtwerk, kein KMU Investor Stadtwerk, kein KMU Grunddaten Kollektorfeld m² 10.000 Grundstück m² 28.000 Speicher m³ 2.000 Anbindeleitung Wärmenetz m 100 Mittlere Netztemperatur °C 60 Energieertrag Solare Einstrahlung kWh/m² 930 Spezifischer Ertrag kWh/m² 405 Thermische Leistung kW 7.000 Jahresertrag MWh/a 4.050 Investitionen spezifisch gesamt Kollektorfeld € 221 € 2.214.000 € Anlagentechnik, Wärmetauscher € 7% 154.980 € MSR-Technik € 3% 66.420 € Speicher € 225 € 450.000 € Anbindungsleitung Netz € 800 € 80.000 € Gebäude, Umzäunung € 5% 111.000 € Grundstück € - € - € Planung, Genehmigung € 5% 127.000 € Gesamt-Investition € 3.203.400 € Förderung nur KfW-Förderung KfW-Förderung Solar % 40% 1.024.960 € KfW-Förderung Peripherie % 30% 159.000 € KfW-Förderung gesamt 1.183.960 € Landesförderung BaWü 2016 % 0% - € Beihilfegrenze AGVO % 45% 1.441.530 € Gesamtförderung € 1.183.960 € 23 Kapitalkosten Investition abz. Förderung € 2.019.440 € Eigenkapital % 0% - € Kapitalbedarf € 2.019.440 € Laufzeit Finanzierung a 25 Kreditzins % 2,00% Jährliche Kapitalkosten € 101.408 € Betriebskosten Wartung/Instandhaltung Kollektorfeld 1,00% 22.140 € Wartung/Instandhaltung Anlagentechnik 2,25% 3.487 € Wartung/Instandhaltung MSR-Technik 2,50% 1.661 € Wartung/Instandhaltung Speicher 1,25% 5.625 € Wartung/Instandhaltung Solarnetz 1,00% 800 € Wartung/Instandhaltung Gebäude 2,00% 2.220 € Betriebsmittel, Stromkosten 3.500 € Gesamt 39.433 € Wärmegestehungskosten mit KfW Förderung ct/kWh 3,48 Wärmegestehungskosten mit KfW ertragsabhängigen Förderung ct/kWh 3,16 Wärmegestehungskosten mit KfW und Landes-Förderung ct/kWh 3,16 Wärmegestehungskosten mit KfW ertragsabhängigen und Landes-Förderung ct/kWh 3,16 Wärmegestehungskosten OHNE Förderung ct/kWh 4,95 Bei der Investition eines Stadtwerks in eine große Solarthermie-Anlage mit Speicher können unter Gewährung der KfW-Förderung Wärmegestehungskosten von unter 3,5 Cent/kWh erreicht werden. Mit einer ertragsabhängigen Förderung der KfW können sich (je nach eingesetztem Kollektor oder bei Kumulation mit der Landesförderung) die Kosten sogar auf unter 3,2 Cent/kWh reduzieren. 15 15 Annahmen für den Kollektor: Arcon Kollektor HAT HeatStore 35/10; Kollektormodulfläche 12,6 m2; 794 Module; Ertrag Keymark 50o = 8302 kWh/Modul 24 Beispiel 2: KMU, z.B. Bürgergenossenschaft Investor KMU, z.B. Genossenschaft Grunddaten Kollektorfeld m² 10.000 Grundstück m² 28.000 Speicher m³ 2.000 Anbindeleitung Wärmenetz m 100 Mittlere Netztemperatur °C 60 Energieertrag Solare Einstrahlung kWh/m² 930 Spezifischer Ertrag kWh/m² 405 Thermische Leistung kW 7.000 Jahresertrag MWh/a 4.050 Investitionen spezifisch gesamt Kollektorfeld € 221 € 2.214.000 € Anlagentechnik, Wärmetauscher € 7% 154.980 € MSR-Technik € 3% 66.420 € Speicher € 225 € 450.000 € Anbindungsleitung Netz € 800 € 80.000 € Gebäude, Umzäunung € 5% 111.000 € Grundstück € - € - € Planung, Genehmigung € 5% 127.000 € Gesamt-Investition € 3.203.400 € Förderung nur KfW-Förderung KfW-Förderung Solar % 40% 1.024.960 € KfW-Förderung Peripherie % 30% 159.000 € KfW-Förderung gesamt 1.183.960 € Landesförderung BaWü 2016 % 0% - € Beihilfegrenze AGVO % 65% 2.082.210 € Gesamtförderung € 1.183.960 € 25 Kapitalkosten Investition abz. Förderung € 2.019.440 € Eigenkapital % 0% - € Kapitalbedarf € 2.019.440 € Laufzeit Finanzierung a 25 Kreditzins % 3,00% Jährliche Kapitalkosten € 112.594 € Betriebskosten Wartung/Instandhaltung Kollektorfeld 1,00% 22.140 € Wartung/Instandhaltung Anlagentechnik 2,25% 3.487 € Wartung/Instandhaltung MSR-Technik 2,50% 1.661 € Wartung/Instandhaltung Speicher 1,25% 5.625 € Wartung/Instandhaltung Solarnetz 1,00% 800 € Wartung/Instandhaltung Gebäude 2,00% 2.220 € Betriebsmittel, Stromkosten 3.500 € Gesamt 39.433 € Wärmegestehungskosten mit KfW Förderung ct/kWh 3,75 Wärmegestehungskosten mit KfW ertragsabhängigen Förderung ct/kWh 2,52 Wärmegestehungskosten mit KfW und Landes-Förderung ct/kWh 3,34 Wärmegestehungskosten mit KfW ertragsabhängigen und Landes-Förderung ct/kWh 2,52 Wärmegestehungskosten OHNE Förderung ct/kWh 5,38 Bei der Investition eines KMUs, z.B. einer Genossenschaft, in eine große Solarthermie-Anlage mit Speicher können unter Nutzung der KfW-Förderung die Wärmegestehungskosten auf ca. 3,8 Cent/kWh reduziert werden (rund 5,4 Cent/kWh ohne Förderung). Mit einer ertragsabhängigen Förderung der KfW reduzieren sich nochmals aufgrund der höheren Beihilfegrenzen auf ca. 2,5 Cent/kWh. 26 G. Wo finden Sie weitere Informationen? Zum Thema Wärmewende in Baden-Württemberg: https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/2_Presse_und_Service/Publikationen/Klima/20140715_IEKK.pdf Die Landesregierung Baden-Württemberg hat in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt, die Energie- und Klimapolitik neu auszurichten. Zentrales Element ist das Klimaschutzgesetz, das am 31. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) liefert die konkreten Strategien und Maßnahmen. Zum Thema Solare Nah- und Fernwärme: http://www.sdh-online.solites.de/ Ein ONLINE Rechner für eine einfache erste Dimensionierung sowie Ertrags- und Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Zum Thema Förderung: Bundesmittel KfW: https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/Energie-Umwelt/Finanzierungsangebote/Erneuerbare-Energien-Premium-(271-281)/#4 Landesmittel Baden-Württemberg: https://um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/beratung-und-foerderung/foerdermoeglichkeiten/energieeffiziente-waermenetze/ https://um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/beratung-und-foerderung/foerdermoeglichkeiten/demonstrationsvorhaben/ https://www.l-bank.de/lbank/inhalt/nav/foerderungen-und-finanzierungen/energieeffizienz-und-umweltschutz/privatpersonen.xml?ceid=125068&uebersicht2=true http://www.kea-bw.de/unser-angebot/angebot-fuer-unternehmen/foerderprogramme/klimaschutz-plus/ Förderdatenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (Auflistung der aktuellen Förderaufrufe sowie weitere allgemeine Informationen): www.foerderdatenbank.de 27 http://ritter-xl-solar.com/vertrieb/foerderrechner/: Förderrechner und Analysewerkzeug: rechnet und vergleicht Fördervarianten (BAFA-Förderung, ertragsabhängige BAFA-Förderung, KfW-Förderung und ertragsabhängige KfW-Förderung), die zwi-schen 40 und 100 m² Kollektorfläche alternativ zur Wahl stehen und bietet ergänzend die Möglichkeit, diesen Fördervergleich auf unterschiedliche Kollektoren auszudehnen. Neben der Fördersumme wird immer auch die Wirtschaftlichkeit ausgewiesen (Eigenkosten, Solargewinn, Solarenergiepreis, Amortisationszeit). Zum Projekt Solnet BW: http://solar-district-heating.eu/bw/Startseite.aspx Foto: Arcon-Sunmark – Solarthermische Großanlage in Ulsted, Dänemark 28 Foto: Bruno Lorinser – Solarthermie-Anlage in Crailsheim 29 H. Wo können Sie sich in Baden-Württemberg persönlich beraten lassen? Projektträger Karlsruhe – Baden-Württemberg Programme (PTKA-BWP) Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Telefon: 0721 608 25191 E-Mail: bwp@ptka.kit.edu Internet: http://www.ptka.kit.edu/bwp/index.php Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Bruno.Lorinser@um.bwl.de Telefon: 0711 126-1227 L-Bank Hotline Energiesparen energiesparen@l-bank.de Telefon: 0711 122-2288* Fax: 0711 122-2674 * Servicezeiten: Montag bis Donnerstag 8.30 bis 16.30 Uhr, Freitag 8.30 bis 16.00 Uhr Klimaschutz-Plus Fördertelefon: L-Bank: 0721 150-1600 KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH Kompetenzzentrum Wärmenetze helmut.boehnisch@kea-bw.de Telefon: 0721 98471-13 KfW Telefon 0800 539 9001 (kostenfreie Servicenummer)* * Servicezeiten: Montag bis Freitag: 08.00-18.00 Uhr AUTOREN DIESES LEITFADENS RA Christian Maaß Dr. Matthias Sandrock KONTAKT HIR Hamburg Institut Research gGmbH Paul-Nevermann-Platz 5 22765 Hamburg Tel.: +49 (40) 39 10 69 89-0 info@hamburg-institut.com www.hamburg-institut.com

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Freitag, 1. Juli, 2016|

SolnetBW Projekt-Broschüre

SolnetBW SOLARE WÄRMENETZE FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG www.solnetbw.de WÄRMENETZE UND SOLARTHERMIE – WICHTIGE BAUSTEINE FÜR DIE WÄRMEWENDE Solarthermische Großanlagen stellen in Verbindung mit Wärmenetzen für Baden-Württemberg eine aussichtsreiche Option dar. Hier ist bereits viel Pionierarbeit geleistet worden: Vier von elf bundesdeutschen Pilotanlagen zur solaren Nahwärmeversorgung mit saisonalem Wärmespeicher wurden in Baden-Württemberg errichtet – jeweils mit Unterstützung des Landes und des Bundes. Institute, Unternehmen und Betreiber aus Baden-Württemberg sind führende Know-how-Träger auf diesem Gebiet. Dies sind beste Voraussetzungen, um solare Wärmenetze jetzt in der Breite einzuführen. Denn die Technik ist mit den Erfahrungen aus 30 Jahren Entwicklung und Betrieb ausgereift. Und Solarthermie ist heute - nicht zuletzt dank der entsprechenden Förderung - eine wirtschaftliche Option. Für die Energiewende in Deutschland wird diese Option immer wichtiger werden - gerade auch in Baden-Württemberg. Denn das Land verfolgt bei der Energiewende ehrgeizige Ziele: Bis zum Jahr 2050 will es gegenüber 2010 50 % des Energieverbrauchs einsparen, 80 % der Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen und die energiebedingten Treibhausgasemissionen um 90 % senken. Dabei ist auch weiterhin eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung zu gewährleisten. Energiewende heißt auch - und vor allem - Wärmewende. In Baden-Württemberg wird annähernd so viel Energie für die Wärmebereitstellung verbraucht wie für Kraftstoff und Strom zusammen. In der richtigen Wärmeerzeugung und -versorgung steckt also ein enormes Potenzial. Das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) liefert konkrete Strategien und Maßnahmen für die Energiewende in Baden-Württemberg: Energieeffi ziente Wärmenetze spielen hierbei eine tragende Rolle. In zahlreichen Kommunen in Baden-Württemberg sind solche Wärmenetze bereits vorhanden. Sie sind fl exibel an zukünftige Erzeugungstechnologien anpassbar. Erneuerbare Wärme – wie Solarthermie, Erdwärme oder industrielle Abwärme – kann über sie in Quartieren, Gemeinden und urbane Zentren genutzt werden. Die Zeit ist reif für mehr solare Wärmenetze! 2 Das Vorhaben SolnetBW – Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg Das Verbundvorhaben SolnetBW wird im Rahmen des Programms BWPLUS durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft gefördert. Ziel des Vorhabens ist die Marktbereitung und eine erhöhte Ausbaudynamik bei solaren Wärmenetzen in Baden-Württemberg. Um dieses zu erreichen, werden die bestehenden rechtlichen, politischen sowie technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen analysiert und darauf aufbauend Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Die Partner des Projekts SolnetBW stellen Informations- und Beratungsangebote für Kommunen, Wärmeversorger, Energiegenossenschaften und lokale Energieinitiativen zur Verfügung. Weitere Informationen zu SolnetBW fi nden Sie auf der Rückseite dieser Broschüre und unter www.solnetbw.de. SolnetBW 3 www.solnetbw.de Ausgereift und marktverfügbar – Know-how und Technologie aus Baden- Württemberg | Hierzu auf Seite 8 und 9 Bei Forschung, Entwicklung und Markt vorne dabei Technologieoffen und zukunftsfähig – Solare Wärmenetze für Dörfer, Quartiere und Städte | Hierzu auf Seite 10 und 11 Solarthermie in Wärmenetze integriert Lokale Wertschöpfung – Die Sonne schickt keine Rechnung und der Gewinn bleibt vor Ort | Hierzu auf Seite 12 bis 15 Projekte in Büsingen, Crailsheim, Wels und Braedstrup Kostenstabil – Die Wärmegestehungskosten sind konkurrenzfähig, stabil und ab dem ersten Betriebstag für die nächsten 25 Jahre bekannt | Hierzu auf Seite 16 und 17 Große Solarthermie rechnet sich Überall verfügbar - Solarenergie ist unbegrenzt und praktisch überall in Europa nutzbar | Hierzu auf Seite 18 und 19 Planung und Genehmigung – Flächenfi ndung im Fokus Emissionsfrei – Null Emissionen und 100 % erneuerbare Energien ergeben Nachhaltigkeit in der Wärmeversorgung | Hierzu auf Seite 6 und 7 Landesziel Sonnenenergie- Dörfer VORTEILE SOLARER WÄRMENETZE 4 SOLARTHERMIE GROß GEDACHT Solarthermische Großanlagen, die in Nah- oder Fernwärmenetze eingebunden sind, tragen zur zentralen Wärmeversorgung von Quartieren, Dörfern oder Städten bei. Je nach Größe des gesamten Systems wird häufi g zwischen solarer Nahwärme und solarer Fernwärme unterschieden. Die erforderlichen großen Kollektorfelder werden auf Freifl ächen installiert oder in Gebäudedächer integriert. Es kommen dabei Hochtemperatur-Flachkollektoren oder Vakuumröhrenkollektoren zum Einsatz. Dänemark ist Vorreiter bei dieser Technik. Dort kommen solche Anlagen mit einer Leistung bis zu 100 Megawatt und Kollektorfl ächen von jeweils 10.000, 50.000 und sogar über 100.000 Quadratmetern bereits vielerorts zum Einsatz und liefern emissionsfreie Wärme für die kommunale Versorgung zu konkurrenzfähigen Kosten. Auch in Deutschland und anderen Ländern entstehen derzeit neue Anlagen. Solare Wärmenetze für Energiedörfer Büsingen, Deutschland Solare Fernwärmesysteme mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung Gram, Dänemark 5 www.solnetbw.de LANDESZIEL SONNEN-ENERGIE-DÖRFER Das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) der Landesregierung Baden-Württemberg räumt der Solarthermie und speziell den solaren Wärmenetzen einen hohen Stellenwert ein. Auch im aktuellen Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung sind diese ein Thema. Dort ist neben der Unterstützung der großen Solarthermie auch das Ziel genannt, im Land ‘Sonnenenergie-Dörfer‘ zu fördern. Im Rahmen des Förderprogramms ‘Energieeffi ziente Wärmenetze‘ unterstützt das Land nicht nur kommunale Wärmekonzepte und regionale Beratungsinitiativen im Bereich energieeffi zienter Wärmenetze. Auch konkrete Investitionsprojekte werden ergänzend zur Bundesförderung vom Land bezuschusst. Informationen zum Förderprogramm unter www.um.baden-wuerttemberg.de. Weitere Beratung bietet hierzu das Landeskompetenzzentrum Wärmenetze unter www.energiekompetenz-bw.de/waermenetze. 6 Große Potenziale für Wärmenetze und Solarthermie in Baden-Württemberg Das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung der Universität Stuttgart (IER) sieht trotz des zurückgehenden Energiebedarfs im Gebäudebestand Wachstumspotenziale für die netzgebundene Wärmeversorgung in Baden-Württemberg. Prognostiziert wird, dass die Fernwärme im Jahr 2050 ca. 10 Terawattstunden pro Jahr zur Wärmeversorgung in Baden- Württemberg beiträgt, was einem Anteil von ca. 18 % am Wärmebedarf der Haushalte und des Sektors Gewerbe, Handel und Dienstleistungen entsprechen würde. Die Solarthermie hat hierbei laut Szenarien-Berechnungen das Potenzial zwischen 9 % und 25 % zur Fernwärmeversorgung beizutragen. Insgesamt wäre hierfür eine Kollektorfl äche von 3,5 Mio. m² bis 10,9 Mio. m² Flachkollektoren bzw. 2,1 Mio. m² bis 6,1 Mio. m² Vakuumröhrenkollektoren erforderlich. Es ergäben sich durchschnittliche Anlagengrößen zwischen 6.000 m² und 18.600 m² mit Flachkollektoren bzw. zwischen 4.300 m² und 12.800 m² bei der Verwendung von Vakuumröhrenkollektoren. 6.027 10.044 6.303 3.486 0 5 10 15 20 25 0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 30.000 35.000 40.000 15 % Deckungsbeitrag 25 % Deckungsbeitrag 25 % bis 10.000 EW 15 % ab 10.000 EW Solarer Beitrag abhängig von Wärmeeinspeisung Anteil Solarwärme an der Fernwärmeversorgung [%] Fernwärmeabgabe an Endkunden [TJ] Fernwärmeabgabe an Endkunden Solarthermie FW Anteil Solar 7 www.solnetbw.de In Deutschland wurden bisher 24 solarthermische Großanlagen in Verbindung mit Wärmenetzen installiert. Rund zwei Drittel der gesamten Kollektorfl äche von 35.600 m² bzw. einer installierten thermischen Leistung von 25 Megawatt entfallen auf Baden-Württemberg. Bereits seit dem Jahr 1995 wurden vier von bundesweit elf Pilotanlagen zur solaren Nahwärmeversorgung mit saisonalem Wärmespeicher in Baden-Württemberg errichtet. Deutschlands bislang größte Solarthermieanlage mit einer Kollektorfl äche von 7.300 m² bzw. einer thermischen Nennleistung zur Wärmeerzeugung von 5,1 Megawatt wird in Crailsheim von den örtlichen Stadtwerken betrieben. Derzeit werden bundesweit neue Anlagen durch Stadtwerke, Energie-Kontraktoren und Bürgerenergiegenossenschaften realisiert. Aktuelle Planungen weisen darauf hin, dass sich der Bestand innerhalb der nächsten Jahre verdoppeln wird. Langjähriges Know-how und Technologie aus Baden-Württemberg können zum Erfolg dieses Marktaufschwungs beitragen. BEI FORSCHUNG, ENTWICKLUNG UND MARKT VORNE DABEI 8 Crailsheim 7.300 m² Neckarsulm 5.670 m² Friedrichshafen 4.050 m² Hamburg Bramfeld 1.400 m ² München 2.900 m² Augsburg 2.000 m² Stuttgart Burgholzhof 1.635 m² Eggenstein 1.600 m² Hannover Kronsberg 1.350 m² Hamburg Wilhelmsburg 1.348 m² Esslingen 1.330 m² Büsingen 1.090 m² Stuttgart Brenzstraße 1.000 m² Rostock Brinckmanshöhe 1.000 m² Jena-Pößneck 99 m² Hamburg Harburg 477 m² Rosenheim 493 m² Neuerkirch-Külz 1.400 m² Senftenberg 8.300 m² Düsseldorf 200 m² Freiburg-Gutleutmatten 2.000 m² Hamburg Mümmelmannsberg 2.000 m² Chemnitz 2.200 m² in Vorbereitung 9 Anlagen mit 35.900 m² Hennigsdorf Cohn'sches Viertel 854 m² in Betrieb derzeit insgesamt ca. 35.600 m² Quelle: Solites, Stand: Mai 2016 in Planung/Realisierung derzeit insgesamt ca. 16.100 m² in Vorbereitung derzeit insgesamt ca. 35.900 m² 9 www.solnetbw.de QUARTIER ENERGIEKOMMUNE STADT NETZGRÖßE SOLARTHERMIE IN WÄRMENETZE INTEGRIERT Wärmenetze sind ein wichtiger Pfad der Wärmewende. Sie dienen als Plattform für erneuerbare Energien und Effi zienztechnologien. So können neben der Solarthermie beispielsweise auch Biomasse und Geothermie eingebunden werden, genauso wie KWK-Anlagen, Industrieabwärme und Power-to-Heat aus erneuerbaren Energien. Große Wärmespeicher schaffen Flexibilität und Möglichkeiten zur Sektorkopplung. In das Wärmenetz eingebundene Solarthermieanlagen können dabei im Freiland aufgestellt oder in Gebäude integriert werden. Über die Jahre sind verschiedene Konzepte solarer Nah- und Fernwärmesysteme entstanden. Sie unterscheiden sich zum einen in der Größe des Wärmenetzes, in welches die solare Wärme eingespeist wird, zum anderen in Leistung und Auslegung der thermischen Solaranlage. Das dritte wesentliche Charakteristikum ist die Art der Einbindung der thermischen Solaranlage in das Wärmenetz: zentral oder dezentral. Größe des Wärmenetzes Die Bandbreite reicht hier von Nahwärmesystemen zur Versorgung mehrerer Gebäude über Systeme zur Versorgung von Neubaugebieten oder Bioenergiedörfern bis hin zur Einbindung in große städtische Fernwärmenetze. 10 Größe und Auslegung der thermischen Solaranlage Die Auslegung der Solaranlage richtet sich im Wesentlichen nach dem angestrebten solaren Deckungsanteil am jährlichen Gesamtwärmebedarf. So kann eine Solaranlage zur Vorwärmung mit einem Deckungsanteil von etwa 5 % genutzt werden. Eine Volldeckung durch die Solaranlage in den Sommermonaten wird typischerweise bei jährlichen Deckungsanteilen zwischen 10 und 20 % erreicht. Hohe Deckungsanteile von 20 bis über 50 % sind in Kombination mit Langzeitwärmespeichern möglich. Größe und Auslegung Die thermische Solaranlage wird zentral am Standort des Heiz(kraft)werks eingebunden, oftmals in Kombination mit einem großen saisonalen Wärmespeicher. Bei weiter entfernten Kollektorfeldern kann die Solarwärme über ein Solarnetz zur Heizzentrale gebracht werden, damit dort wiederum eine zentrale Einbindung in das Wärmenetz erfolgen kann. Diese Art der Einbindung ist weit verbreitet. Die thermische Solaranlage wird dezentral an einem geeigneten Ort in das Fernwärmenetz eingebunden. Die Solaranlage gibt ihre Wärme direkt an das Netz ab. Dies ist technisch anspruchsvoll und geschieht mit Hilfe einer Übergabestation. Dabei erfolgt die Einbindung in der Regel vom Rücklauf in den Vorlauf des Wärmenetzes unter Überwindung eines teilweise erheblichen Druckunterschiedes. Heizzentrale Wärmenetz Heizzentrale Wärmenetz Solare Einstrahlung Wärmebedarf ca. 50% ca. 10 - 20 % ca. 5 % Vorwärmung sommerliche Volldeckung mit saisonalem Wärmespeicher Wärme / Einstrahlung JAN FEB MÄRZ APR MAIJ UNI JULI AUG SEPT OKT NOV DEZ % 11 www.solnetbw.de Anlagensteckbriefe In unseren Anlagensteckbriefen fi nden Sie weitere interessante Hintergrundinformationen zu den hier vorgestellten und weiteren Projekten im In- und Ausland. Die Steckbriefe stehen unter www.solnetbw.de als Download zur Verfügung. ENERGIEKOMMUNE SOLARE WÄRMENETZE FÜR DÖRFER UND KLEINSTÄDTE ln Dänemark, Schweden, Österreich und Deutschland sind Fernwärmesysteme für die Wärmeversorgung kleiner Städte und Gemeinden in ländlichen Gebieten verbreitet. Ein wirtschaftlich interessantes Konzept für die Versorgung lokaler Netze mit erneuerbarer Wärme ist die Kombination von großfl ächigen Solaranlagen mit Biomasse-Heizwerken. Energiedorf Büsingen – Solarthermie im Sommer, Biomasse im Winter Energiedorf-Konzepte wie in Büsingen am Hochrhein zielen auf die grundlegende Umstellung der Wärmeversorgung einer ganzen Ortschaft auf regenerative Energien ab. Das Projekt in Büsingen wurde durch den regionalen Energieversorger Solarcomplex AG realisiert. Es umfasst ein neu verlegtes Wärmenetz samt Heizwerk mit Erzeugungsanlagen. In Büsingen liefern großfl ächige Vakuumröhrenkollektoren mit einer Fläche von 1.090 m² die gesamte Wärme, die im Sommer im Wärmenetz benötigt wird. Dadurch wird ein unwirtschaftlicher Teillastbetrieb der Biomasseheizkessel vermieden. Das im Jahr 2013 in Betrieb genommene Wärmenetz versorgt über 100 Gebäude mit Wärme aus regenerativen Energiequellen. Dieses Konzept ist zukunftweisend und auf neu entstehende Bioenergiedörfer übertragbar. 12 SOLARE NAHWÄRME ZUR QUARTIERSVERSORGUNG Nahwärmenetze sind eine nachhaltige Option für die Wärmeversorgung von Stadtgebieten, sowohl bei Neubau- als auch bei Sanierungsgebieten. Je nach Gebäudeart und Ausstattung können solche Netze mit niedrigen Temperaturen betrieben werden, was der Einbindung von Solarthermie entgegenkommt. Solare Nahwärme Crailsheim – Deutschlands größte Solarthermieanlage Ausgangspunkt war die Festlegung eines ehemaligen US-amerikanischen Militärgeländes als Sanierungsfl äche durch die Stadt Crailsheim. Ein Teil dieser Fläche wurde zum Wohn- und Mischgebiet ‘Hirtenwiesen II‘ entwickelt. Neben einem Gymnasium und einer Sporthalle sind dort auch Einfamilien- und Reihenhäuser gebaut worden. Zudem sind bestehende Kasernengebäude saniert und zu Mehrfamilienhäusern umgebaut worden. Sämtliche Gebäude werden über ein Nahwärmenetz der Stadtwerke Crailsheim mit Wärme zur Heizung und Trinkwarmwasserbereitung versorgt. In das Nahwärmenetz ist eine Kollektorfl äche von insgesamt 7.300 m² eingebunden. Ein Teil der Kollektoren ist in die Dachfl ächen der Gebäude integriert. Weitere Kollektoren sind auf einem Lärmschutzwall installiert. Diese sind mit einem 480 m³ großen Pufferspeicher und einem saisonalen Erdsonden-Wärmespeicher verbunden, der ein Volumen von 37.500 m³ hat. Im Sommer erwirtschaften die Kollektoren einen Überschuss an solarer Wärme. Dieser wird im Erdsonden- Wärmespeicher für die Nutzung im Herbst und Winter zwischengespeichert. Dadurch wird ein solarer Deckungsanteil von ca. 50 % am jährlichen Gesamtwärmebedarf erreicht. Weitere Informationen zur Anlage in Crailsheim, insbesondere zum integrierten ökologischen Konzept auf Seite 19. QUARTIER 13 www.solnetbw.de STADT SOLARE FERNWÄRME FÜR STÄDTE Große Fernwärmesysteme in Stadtgebieten werden meist mit Wärme aus großen Heizkraftwerken, Heizwerken oder industrieller Abwärme betrieben. Als Brennstoffe werden zumeist Erdgas, Kohle, Abfall oder Biomasse verwendet. Die dezentrale Einbindung großfl ächiger Solaranlagen ist eine Möglichkeit, den Anteil erneuerbarer Energiequellen in solchen Systemen zu erhöhen. Messecenter Wels in Österreich – Solaranlage zur Unterstützung der Fernwärme Die Stadt Wels hat sich zum Ziel gesetzt, möglichst unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden. So müssen beispielsweise alle städtischen Neubauten in Passivhausbauweise errichtet werden. Auch die neue Messehalle in Wels wurde in Passivhausbauweise gebaut. Zudem wurde eine große solarthermische Anlage auf dem Dach des Messecenters Wels bereits in der Planungsphase des Gebäudes vorgesehen. Im Mai 2011 ging dann die Solaranlage mit einer Größe von ca. 3.400 m² bzw. 2,4 Megawatt thermischer Leistung in Betrieb. Die Anlage ist dezentral in das Fernwärmenetz der Stadt Wels eingebunden. Dieses hat einen jährlichen Wärmebedarf von ungefähr 173 GWh, der im Wesentlichen durch ein Fernheizkraftwerk (Erdgas) und eine KWK-basierte Müllverbrennungsanlage gedeckt wird. Durch die Einbindung der Solaranlage kann bei geringen Lasten im Sommer der Solaranteil zeitweise über 50 % betragen und entsprechend viel konventionelle Fernwärmeerzeugung eingespart werden. 14 DER BLICK ÜBER DIE GRENZE: DÄNISCHE „SMART DISTRICT HEATING“–ANLAGEN In Wärmenetzen können solarthermische Großanlagen mit weiteren Technologien zur Stromund Wärmeerzeugung sowie mit großen Wärmespeichern kombiniert werden. In Dänemark sind mehrere solcher ‘Smart District Heating‘-Anlagen in Betrieb. Zentrales Element dieser Systeme ist ein großer Wärmespeicher, der von verschiedenen Erzeugern genutzt wird und der zur Flexibilisierung des Gesamtsystems beiträgt. So wird der Speicher bei guten Stromerlösen zur Optimierung des KWK-Betriebs genutzt. Bei niedrigen oder negativen Stromerlösen speisen Wärmepumpen oder Elektrodenkessel als Power-to-heat-Anwendungen Wärme in den Wärmespeicher ein. Solare Fernwärme Braedstrup – Solarthermie in Kombination mit KWK Eine dieser ‘Smart District Heating‘-Anlagen befi ndet sich im dänischen Braedstrup. Die Solaranlage wurde dort im Jahr 2007 installiert. Damals wurde erstmals eine wärmenetz-gebundene Solaranlage mit einer KWK-Anlage kombiniert. 2012 wurde das erfolgreiche Konzept um einen saisonalen Wärmespeicher und zusätzliche Kollektorfl ächen erweitert. Kollektorfläche Multifunktions- Wärmespeicher Wärmepumpe oder Elektrodenkessel KWK Pufferpeicher Verbraucher Strom Wärme 15 www.solnetbw.de SDH-Online-Rechner Erste überschlägige Anlagendimensionierungen für Ihre solare Nah- und Fernwärmeanlage können Sie selbst durchführen, indem Sie den kostenfreien SDH-Online- Rechner nutzen. Damit erhalten Sie ganz einfach erste Abschätzungen zu Ertrag und Wirtschaftlichkeit Ihrer Anlage. Das Online-Tool ist sehr nutzerfreundlich und basiert dennoch auf den Ergebnissen vieler dynamischer Simulationen. Weitere Informationen unter www.sdh-online.solites.de GROßE SOLARTHERMIE RECHNET SICH Die Wärmegestehungskosten bei Solarthermieanlagen hängen von zahlreichen Faktoren ab. Generell können bei größeren Anlagen Kosten für die Erzeugung der Wärme von 50 Euro pro Megawattstunde (€/MWh) erreicht werden, also 5 Cent pro Kilowattstunde. Hinzu kommt noch eine attraktive Förderung durch den Bund und das Land Baden-Württemberg, so dass Kosten um 30 €/MWh möglich sind. Die wesentlichen Voraussetzungen für günstige Wärmegestehungskosten sind eine ausreichende Anlagengröße (>1 MWth), eine einfache Anlagentechnik (z.B. Freilandaufstellung), moderate solare Deckungsanteile an der Gesamtwärmeerzeugung (< 20 %) sowie geeignete Netztemperaturen. Investitionen in thermische Solaranlagen sind wie Investitionen in Wärmespeicher und Wärmenetze kapitalintensive Projekte. Werden jedoch auch Faktoren wie Brennstoffkosten, Wartung und Betrieb betrachtet, zeigen sich deutliche Kostenvorteile und zugleich eine hohe Planungssicherheit gegenüber konventionellen, fossil betriebenen Anlagen. Da keine Brennstoffkosten anfallen, sind die solaren Wärmegestehungskosten stabil und ab dem ersten Betriebstag für die nächsten 25 Jahre bekannt. 16 ATTRAKTIVE FÖRDERUNG VON BUND UND LAND Derzeit gibt es verschiedene Programme zur fi nanziellen Förderung von solaren Nah- und Fernwärmesystemen in Deutschland und in Baden-Württemberg. Förderung durch den Bund von bis zu 65 % der Investitionskosten möglich Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) bietet über das KfW-Programm Erneuerbare Energien Premium 271 eine Regelförderung an. Dabei werden Solarwärmeanlagen, die ihre Wärme überwiegend einem Wärmenetz zuführen, über ein Darlehen mit einem Tilgungszuschuss von bis zu 40 % der Investitionskosten gefördert. Alternativ kann die Förderung ertragsabhängig bemessen werden, was zumeist fi nanziell noch attraktiver ist. Diese Variante bietet einen Tilgungszuschuss von 45 Cent pro Kilowattstunde eines zertifi zierten Kollektorjahresertrages. So können Förderquoten zwischen 45 und 65 % der Investitionskosten erreicht werden (Stand: Juni 2016)! Weitere Informationen unter www.kfw.de. Förderung durch das Land Baden-Württemberg Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg unterstützt über das Programm ‘Energieeffi ziente Wärmenetze‘ die Errichtung oder Erweiterung von energieeffi zienten Wärmenetzen. Die Förderung erfolgt in Form eines Zuschusses von bis zu 20 % der förderfähigen Kosten und maximal bis zu 200.000 Euro. Über zusätzliche Boni, z.B. durch den Einsatz von Solarthermie, kann der Höchstbetrag auf maximal bis zu 400.000 Euro der förderfähigen Kosten pro Investitionsvorhaben erhöht werden (Stand: Juni 2016). Landes- und Bundesförderung sind kumulierbar. Weitere Informationen unter www.um.baden-wuerttemberg.de. Förder- und Finanzierungsleitfaden Der ‘Förder- und Finanzierungsleitfaden für Freifl ächen-Solarthermieanlagen mit Wärmespeicher und Anbindung an Wärmenetze in Baden-Württemberg‘ gibt Ihnen erste Anhaltspunkte zu Investitions- und Betriebskosten sowie Förderung und Finanzierung. Ergänzend ermutigen Sie Beispielrechnungen Ihre Projektidee für eine wirtschaftliche und sozial gerechte Energieversorgung der Zukunft voranzubringen. Der Leitfaden steht unter www.solnetbw.de als Download zur Verfügung oder kann in gedruckter Form angefordert werden. 17 www.solnetbw.de Planungs- und Genehmigungsleitfaden Der ‘Planungs- und Genehmigungsleitfaden für Freifl ächen-Solarthermie in Baden- Württemberg‘ gibt zahlreiche Hinweise zu Planungs-, Bau- und Umweltrecht. Er unterstützt insbesondere Projektentwickler, Kommunen und Genehmigungsbehörden bei Projekten mit großen Freifl ächen-Solarthermieanlagen. Der Leitfaden steht unter www.solnetbw.de als Download zur Verfügung oder kann in gedruckter Form angefordert werden. PLANUNG UND GENEHMIGUNG – FLÄCHENFINDUNG IM FOKUS Ein Vorteil der Solarthermie ist, dass ihre Nutzung in Deutschland überall möglich ist. Es müssen jedoch geeignete und günstige Flächen möglichst in Orts- oder Heizwerksnähe gefunden werden. Freifl ächen-Anlagen führen dabei meist zu günstigeren Wärmegestehungskosten als Kollektorfl ächen auf oder an Gebäuden. Eine systematische Flächensuche und -entwicklung spielt daher eine Schlüsselrolle für die solare Nah- und Fernwärme. Folgende Schritte haben sich bewährt: Ein systematisches Flächenscreening anhand energiewirtschaftlicher, politischer sowie rechtlicher Kriterien bereits zu Projektbeginn Eine frühzeitige Beteiligung von Behörden, Bürgern und Akteuren Die Entwicklung eines ökologischen Nutzungskonzepts für die Flächen, auf denen die Solarkollektoren errichtet werden Perspektivisch ist die Einführung verbindlicher Instrumente, wie das der kommunalen Wärmeplanung sinnvoll. Dabei sollte die Wärmeplanung Flächenerfordernisse für erneuerbare Energien berücksichtigen. Auf freiwilliger Basis kann und sollte dieses Instrument von den Kommunen bereits heute genutzt werden, um die Weichen in Richtung einer wirtschaftlichen und klimaverträglichen Wärmeversorgung zu stellen. 18 INTEGRIERTES ÖKOLOGISCHES KONZEPT: BEISPIEL CRAILSHEIM Bei der solaren Nahwärme in Crailsheim wurde der überwiegende Teil der Kollektoren auf der Südfl anke eines 15 Meter hohen Lärmschutzwalls errichtet. Das durch die Nahwärme versorgte Wohngebiet ‘Hirtenwiesen II‘ wird durch diesen Wall vor Lärmimmissionen des angrenzenden Gewerbegebiets geschützt. Ein wesentliches Element des Crailsheimer Projekts war das integrierte ökologische Konzept für den Lärmschutzwall. Es umfasste: Aufstellung eines Leit- und Zielartenkonzeptes für Flora und Fauna Kompetente Planung und Umsetzung mit Fachbauleitung Pfl egekonzept mit Monitoring Öffentlichkeitsarbeit Eigentümerstrukturen und Bürgerbeteiligung Der Aus- und Umbau von Wärmenetzen zur Nutzung erneuerbarer Energien erfordert auch einen veränderten Rahmen für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Dabei geht es nicht nur darum, Akzeptanz in der Bevölkerung für neue Infrastrukturprojekte zu erreichen. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich auch fi nanziell an Projekten der Energiewende. Finanzielle Bürgerbeteiligung kann beispielsweise eine Rolle spielen bei der Bereitstellung des Eigenkapitals für solare Wärmenetze. Der Erfolg der dänischen Fernwärmepolitik wird auch darauf zurückgeführt, dass die Bürgerinnen und Bürger über Genossenschaften zumeist unmittelbar als Miteigentümer und ‘Mitsprecher‘ an den Versorgungsunternehmen beteiligt sind. 19 www.solnetbw.de SolnetBW ist ein Verbundvorhaben zum Thema solare Wärmenetze, das im Rahmen des Förderprogramms BWPLUS mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft durch den beim Karlsruher Institut für Technologie eingerichteten Projektträger gefördert wird (Förderkennzeichen BWE13027). Gefördert durch Bildquellen Solites, Stadtwerke Crailsheim (Cover), Bruno Lorinser (Seite 4-5,18-19), Solarcomplex AG (Seite 5, 12), Gram Fjernvarme (Seite 5), Arcon-Sunmark (Seite 6-7), RitterXL Solar (Seite 14, 16-17) Haftungsausschluss Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Version Juni 2016 Editoren Dipl.-Ing. Oliver Miedaner, Dipl.-Ing. Thomas Pauschinger, Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme Meitnerstr. 8, 70563 Stuttgart, www.solites.de SolnetBW www.solnetbw.de

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Mittwoch, 1. Juni, 2016|

Studie – Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg

SolnetBW Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg Grundlagen | Potenziale | Strategien SolnetBW ist ein Verbundvorhaben zum Thema solare Wärmenetze, das im Rahmen des Förderprogramms BWPLUS mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft durch den beim Karlsruher Institut für Technologie eingerichteten Projektträger gefördert wird. Förderkennzeichen: BWE13030 Förderzeitraum: 01.11.2013 – 30.04.2016 Gefördert durch: Projektkoordinator: Solites - Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme Projektpartner: AGFW | Projektgesellschaft für Rationalisierung, Information und Standardisierung mbH Hamburg Institut Research gemeinnützige GmbH (HIR) Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH (KEA) [im Unterauftrag von Solites] Haftungsausschluss: Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Juni 2015 SolnetBW Vorwort Das Land Baden-Württemberg verfolgt bei der Energiewende ehrgeizige Ziele: Bis 2050 wollen wir gegenüber 2010 50 % des Energieverbrauchs einsparen, 80 % der Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen und die energiebedingten Treibhausgasemissionen um 90 % senken. Dabei ist auch weiterhin eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung zu gewährleisten. Die Energiewende wird dabei nicht ohne eine Wärmewende zu leisten sein, denn in Baden- Württemberg wird annähernd so viel Energie für die Wärmebereitstellung verbraucht wie für Kraftstoff und Strom zusammen. Am gesamten Endenergieverbrauch hat der Wärmesektor einen Anteil von 47 %. Daher steckt in der richtigen Wärmegewinnung und -versorgung ein enormes Potenzial. Insbesondere Wärmenetze bieten eine Verteilstruktur, die flexibel an zukünftige Erzeugungstechnologien anpassbar ist und auch erneuerbare Wärme – wie Solarthermie, Erdwärme oder industrielle Abwärme – in Quartiere, Gemeinden und urbane Zentren bringen kann. In zahlreichen Kommunen in Baden-Württemberg sind Wärmenetze bereits vorhanden. Wo immer auf Grund der Bebauungsstruktur eine ausreichende Wärmeabnahme vorliegt, sollte die Errichtung von Wärmenetzen geprüft werden. Eine für Baden-Württemberg aussichtsreiche Option stellen solarthermische Großanlagen in Verbindung mit Wärmenetzen dar. Dänemark ist Vorreiter bei dieser Technik. Dort kommen solche Anlagen bereits vielerorts zum Einsatz und liefern erneuerbare und emissionsfreie Wärme für die kommunale Versorgung zu konkurrenzfähigen Kosten. Ebenso wegweisend ist in Dänemark die Teilhabe der Bürger an der örtlichen Wärmeversorgung. Aber auch in Baden-Württemberg wurde hier schon Vorbildliches geleistet: Vier von elf bundesdeutschen Pilotanlagen zur solaren Nahwärmeversorgung mit saisonalem Wärmespeicher wurden in Baden-Württemberg mit Unterstützung des Landes und des Bundes errichtet. Institute und Akteure aus Baden-Württemberg sind führende Know-how-Träger auf diesem Gebiet. Dies sind beste Voraussetzungen, um solare Wärmenetze auch hier in der Breite einzuführen und zur Spitze aufzuschließen. Die vorliegende Studie wurde im Rahmen des vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft geförderten Projekts SolnetBW erarbeitet. Die Studie präsentiert die vielfältigen Möglichkeiten zur Integration der Solarthermie in Nah- und Fernwärmesysteme. Sie liefert Grundlagen, zeigt Potenziale und Handlungsstrategien auf und bietet hiermit allen beteiligten Akteuren bei der Entwicklung neuer Projekte und Aktivitäten Unterstützung. Franz Untersteller MdL Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg 1 Inhaltsverzeichnis 1 Kurzfassung ........................................................................................................................ 3 2 Einführung........................................................................................................................... 6 3 Analyse der Ausgangssituation ........................................................................................... 9 3.1 Stand der Technik und der Markteinführung ........................................................................ 9 3.2 Integrationsoptionen für Solarthermie in der Fernwärmeversorgung ................................. 13 3.2.1 Typen von Solarthermieanlagen in Fernwärmesystemen .................................................. 15 3.2.2 Technische Eignung von Fernwärmesystemen für die Einbindung solarthermischer Großanlagen als Erzeugungstechnologie .......................................................................... 29 3.3 Wirtschaftlichkeit der Solarthermie in der Fernwärmeversorgung ...................................... 34 3.3.1 Kostenannahmen .............................................................................................................. 34 3.3.2 Fördermöglichkeiten .......................................................................................................... 35 3.3.3 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ........................................................................................... 36 3.3.4 Beispielrechnung............................................................................................................... 37 3.3.5 Überblick Wärmegestehungskosten für Solarthermieanlagen in Fernwärmesystemen ...... 37 3.4 Rechtliche Rahmenbedingungen ...................................................................................... 40 3.4.1 Der europäische Rechtsrahmen ........................................................................................ 40 3.4.2 Der nationale Rechtsrahmen ............................................................................................. 43 3.4.3 Regelungsrahmen auf Landesebene ................................................................................ 53 3.4.4 Kommunale Planungsinstrumente ..................................................................................... 56 3.4.5 Eigentümerstrukturen und Bürgerbeteiligung .................................................................... 62 3.4.6 Zusammenfassung ............................................................................................................ 69 4 Wärmebedarf und Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg .................................... 71 4.1 Einflussfaktoren auf den Wärmebedarf und die Fernwärmeversorgung ............................ 71 4.1.1 Gemeinden in Baden-Württemberg ................................................................................... 71 4.1.2 Bevölkerung und Beschäftigte in Baden-Württemberg ...................................................... 72 4.1.3 Gebäudebestand und Gebäudeentwicklung ...................................................................... 74 4.2 Analyse und Entwicklung des Wärmebedarfs der Haushalte und des Sektor Gewerbe Handel Dienstleistung in Baden-Württemberg ................................................................... 80 4.2.1 Wärmebedarf – IST-Zustand ............................................................................................. 80 4.2.2 Entwicklung des Wärmebedarfs ........................................................................................ 81 4.3 Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg – IST-Zustand .......................................... 84 4.4 Potenziale der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg .......................................... 86 4.5 Potenziale der Solarthermie in der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg ........... 91 4.6 Zusammenfassung Wärmebedarfsentwicklung, Fernwärmepotenziale und technische Potenziale der Integration der Solarthermie ...................................................................... 96 2 5 Konkrete Fallstudien zur Nahwärmeversorgung ................................................................ 97 5.1 Einbindung solarthermischer Großanlagen – Beispiel Neuhengstett ................................. 97 5.1.1 Beschreibung des Versorgungsgebiets ............................................................................. 97 5.1.2 Entwurf des Nahwärmenetzes......................................................................................... 100 5.1.3 Anlagentechnik und Auslegung ....................................................................................... 102 5.1.4 Wirtschaftlichkeitsrechnung ............................................................................................. 106 5.1.5 Zwischenfazit .................................................................................................................. 117 5.2 Einbindung Solarthermischer Großanlagen – Beispiel Scharenstetten ............................ 118 5.2.1 Ausgangssituation ........................................................................................................... 118 5.2.2 Entwurf des Nahwärmenetzes......................................................................................... 120 5.2.3 Auslegung ....................................................................................................................... 122 5.2.4 Wirtschaftlichkeitsrechnung ............................................................................................. 124 5.2.5 Zwischenfazit .................................................................................................................. 131 5.3 Wärmekosten in Abhängigkeit zunehmender Wärmedämmung ...................................... 132 5.4 Langfristiger Einfluss der Wärmedämmung ..................................................................... 134 5.4.1 Szenario 2050 – Beispiel Scharenstetten ........................................................................ 134 5.4.2 Einfluss der Wärmedämmung auf die Netzauslegung ..................................................... 138 5.5 Schlussfolgerungen aus den Fallstudien ......................................................................... 142 5.6 Bestehende Biomasse-Heizwerke in Baden-Württemberg .............................................. 144 6 Strategieentwicklung ....................................................................................................... 146 6.1 Entwicklungsansätze zur Markteinführung solarer Wärmenetze ...................................... 146 6.1.1 Durchführung landesweiter Informations- und Beratungsaktivitäten zu solaren Wärmenetzen .................................................................................................................. 147 6.1.2 Anbahnung konkreter Projekte für neue Wärmenetze mit Anteil Solarthermie ................. 147 6.1.3 Anbahnung konkreter Projekte zur Integration von Solarthermie in bestehende Wärmenetze .................................................................................................................... 149 6.1.4 Abbau von Hemmnissen durch Stärkung der Bürgerbeteiligung ...................................... 149 6.1.5 Entwicklung von Geschäftsmodellen für solare Wärmelieferung ..................................... 150 6.1.6 Verbesserung des Rechts- und Förderrahmens für solare Wärmenetze ......................... 151 6.2 Ausbau und Optimierung der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg .................. 151 Anhang Anlagensteckbriefe .......................................................................................................... 153 Quellenverzeichnis ....................................................................................................................... 178 Abbildungsverzeichnis .................................................................................................................. 182 Tabellenverzeichnis ...................................................................................................................... 185 3 1 Kurzfassung Vor dem Hintergrund des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts (IEKK) der Landesregierung Baden-Württemberg beleuchtet diese Studie die Möglichkeiten und Erfordernisse einer vermehrten Nutzung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg. Hierzu werden die bestehenden technischen und wirtschaftlichen sowie rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen analysiert, Potenziale ermittelt und darauf basierend konkrete Strategien und Handlungsempfehlungen für eine verstärkte Ausbaudynamik und Markteinführung dieser Technologie aufgezeigt. Solare Wärmenetze beruhen auf dem Einsatz solarthermischer Großanlagen, die in Nah- oder Fernwärmenetze eingebunden sind und auf diese Weise zur zentralen Wärmeversorgung von Quartieren, Wohngebieten, Dörfern oder Städten beitragen. Je nach Einbindung werden sie daher auch als solare Nahwärme oder solare Fernwärme bezeichnet. Die erforderlichen großen Kollektorfelder werden auf Freiflächen installiert oder in Gebäudedachflächen integriert. Es kommen dabei meist Flachkollektoren oder Vakuumröhrenkollektoren zum Einsatz. Zahlreiche Großanlagen im Leistungsbereich bis maximal 50 MWth, werden inzwischen vor allem in den Ländern Dänemark, Schweden, Österreich aber auch in Deutschland und in Baden-Württemberg in Wärmenetzen betrieben. In diesen Ländern wurden aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen, verschiedene Typen und Varianten solarer Nah- und Fernwärmesysteme realisiert. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale sind:  die Art der Einbindung der thermischen Solaranlage (z.B. eine zentrale Einbindung am Heizwerk oder eine dezentrale Einbindung an einem beliebigen Ort im Fernwärmenetz)  die Größe des Wärmenetzes, in welches die Solarthermieanlage eingebunden ist. Die Bandbreite reicht hier von Nahwärmesystemen zur Versorgung von Neubaugebieten und Quartieren (Beispiele Stuttgart Burgholzhof, 1.700 m² Kollektorfläche und Crailsheim, 7.300 m² Kollektorfläche) über Systeme zur Versorgung von Energiedörfern (Beispiel Büsingen, 1.090 m² Kollektorfläche) bis hin zur Einbindung in große städtische Fernwärmesysteme (Beispiel Wels in Österreich, 3.400 m² Kollektorfläche). Die Vielfalt dieser Anlagentypen ist bei der Technologiebewertung und bei der Entwicklung von Maßnahmen zu berücksichtigen, da sich die spezifischen Randbedingungen und auch die beteiligten Akteure deutlich unterscheiden. Die Wirtschaftlichkeit von solarthermischen Großanlagen hängt ebenso vom Anlagentyp ab. Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung erfolgt in der Regel anhand der Wärmegestehungskosten. Bei den untersuchten Anlagentypen wurden in günstigen Fällen Wärmegestehungskosten ohne Förderung bis minimal 50 €/MWh sowie mit öffentlicher Förderung bis minimal 30 €/MWh ermittelt, womit die Solarthermie in zahlreichen Anwendungen eine wirtschaftlich konkurrenzfähige Erzeugungsoption ist. Die wesentlichen Voraussetzungen für günstige Wärmegestehungskosten sind eine ausreichende Anlagengröße (> 1 MWth), eine einfache Anlagentechnik (z.B. Freilandaufstellung), solare Deckungsanteile an der Gesamt-Wärmeerzeugung bis 20 % sowie niedrige Netztemperaturen. Einen wesentlichen Anteil der Wärmegestehungskosten stellen bei Solarthermieanlagen die Kapitalkosten dar, wohingegen die Betriebskosten eine untergeordnete Rolle spielen. Dies führt zu einer langfristigen Kalkulierbarkeit, Planungssicherheit und Stabilität der Wärmegestehungskosten. Praktische Beispielrechnungen, bei denen solarthermische Großanlagen 4 in zwei bereits durchgeführte Machbarkeitsstudien zu Wärmenetzen integriert wurden, zeigen exemplarisch, dass die Solarthermie kostenneutral mit Biomasse-Heizwerken kombiniert werden kann und dies sich langfristig positiv auf die Endkundenwärmepreise auswirken kann. Der rechtlich-politische Rahmen für solare Nah- und Fernwärme umfasst einerseits den Rechtsrahmen für die klassische leitungsgebundene Wärmeversorgung sowie andererseits die Errichtung von solarthermischen Großanlagen. Die Analyse fokussiert insbesondere auf die Fragestellung, welche Instrumente die Nutzung der Solarthermie in bestehenden und neuen Wärmenetzen fördern könnten. Die Studie zeigt jedoch, dass beim derzeit bestehenden Rechtsrahmen (EnEV, EEWärmeG, KWKG und EWärmeG Baden-Württemberg) kein wirksamer Treiber die Integration erneuerbarer Wärme wie z.B. der Solarthermie in die leitungsgebundene Wärmeversorgung effektiv fördert. Lediglich die Investitionsförderung durch die Förderprogramme des Bundes und des Landes Baden-Württemberg sind als Treiber zu nennen. Um die Markteinführung der solaren Nah- und Fernwärme einzuleiten, wäre es daher sinnvoll, auch den rechtlichen Rahmen weiterzuentwickeln. Kernelemente sind hier, die Effizienztechnologie KWK und die Wärmebereitstellung aus erneuerbaren Energien möglichst harmonisch in ein Gesamtsystem zu integrieren (in dem die Vorzüge beider Technologien zur Geltung kommen) sowie mittelfristig steigende Anteile erneuerbarer Wärme auch im Fernwärmebereich zu ermöglichen. Auch auf der Ebene der Landespolitik und des kommunalen Planungsrechts kann der Rechtsrahmen weiterentwickelt und optimiert werden, um vor Ort die Umsetzung von Projekten zu fördern. Dies betrifft z.B. die Stärkung der Handlungsoptionen der Kommunen im Bauplanungsrecht durch eine entsprechende landesrechtliche Kompetenzzuweisung und eine stärkere Berücksichtigung der solaren Nah- und Fernwärme im EWärmeG Baden-Württemberg. Darüber hinaus sollte auch ein veränderter Rahmen für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger entwickelt werden. Dabei geht es nicht nur darum, Akzeptanz in der Bevölkerung für neue Infrastrukturprojekte zu erreichen. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich auch finanziell mit konkreten Projekten an der Energiewende. Auch aus rein wirtschaftlichen Gründen kann die Mobilisierung privaten Kapitals vorteilhaft sein. Ausgehend von bestehenden Analysen der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg wurde unter Berücksichtigung der hierbei ermittelten Netzdaten eine Potenzialanalyse der Solarthermie in der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg durchgeführt. Es wurden vier unterschiedliche Szenarien untersucht. Neben dem solaren Deckungsbeitrag wurden auch die Potenziale für solare Deckungsbeiträge in Abhängigkeit der Gemeindegröße bzw. der gesamten Wärmenetzeinspeisung eines Fernwärmesystems ermittelt. Entsprechend den angenommenen Szenarien könnten zwischen 3,5 PJ und 10 PJ der Fernwärmenetzeinspeisung in Baden-Württemberg (entsprechend 8,7 % bis 25 %) durch Solarthermie gedeckt werden. Insgesamt wäre hierfür eine Kollektorfläche von 3,5 Mio. m² bis 10,9 Mio. m² Flachkollektoren bzw. 2,1 Mio. m² bis 6,1 Mio. m² Vakuumröhrenkollektoren erforderlich. Es würden sich durchschnittliche Anlagengrößen zwischen 6.000 m² und 18.600 m² bei Flachkollektoren bzw. zwischen 4.300 m² und 12.800 m² bei der Verwendung von Vakuumröhrenkollektoren ergeben. Bei der weiterführenden Marktbearbeitung sollte auf Anlagentypen fokussiert werden, die sowohl eine gute Wirtschaftlichkeit als auch ein hohes Umsetzungspotenzial aufweisen. Vorrangig sind dies: 5  Großflächige Freilandanlagen mit einer thermischen Leistung über 1 MW und solaren Deckungsanteilen von 10 – 20 % in neu entstehenden, kleineren Wärmenetzen, wie sie in den letzten Jahren vielfach in sogenannten ‚Energiedörfern‘ realisiert wurden.  Großflächige Solarthermieanlagen mit einer thermischen Leistung über 1 MW und solaren Deckungsanteilen bis 15 % in Bestandsnetzen (auch in größeren städtischen Fernwärmenetzen). Die Umsetzbarkeit hängt hier im Wesentlichen von einer stimmigen Integration des Wärmeerzeugers Solarthermie in das Gesamtsystem ab, die zu einer Steigerung der Gesamteffizienz führt. Darüber hinaus bestehen günstige Umsetzungsmöglichkeiten im Bereich von Quartiers- und Siedlungskonzepten sowie bei Projekten der Wohnungswirtschaft. Vorteile entstehen bei der Integration der Solarthermie in Nah- und Fernwärmesysteme insbesondere durch die langfristige Planungssicherheit bezüglich der Wärmegestehungskosten, die Nutzung erneuerbarer und emissionsfreier Wärme, das damit verbundene positive Image und die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung sowie durch den einfachen technischen Betrieb solcher Anlagen. Hemmende Faktoren sind oft fehlende Kenntnisse bzw. mangelndes Vertrauen in Bezug auf die solare Wärmeerzeugung seitens der Wärmeversorger sowie die Verfügbarkeit geeigneter Flächen. Technische Hemmnisse für eine Realisierung bestehen nur in wenigen Fällen. Auf der Basis der oben beschriebenen Ergebnisse werden die Entwicklung und Umsetzung folgender Handlungsansätze und Aktionen empfohlen, die unmittelbar auf die Markteinführung solarer Nah- und Fernwärme und die Umsetzung konkreter Projekte in Baden-Württemberg zielen:  Projektanbahnung neuer Wärmenetze mit einem Anteil solarthermischer Erzeugung  Projektanbahnung für die Integration von Solarthermie in bestehende Wärmenetze  Informations- und Beratungsaktivitäten  Stärkung der Bürgerbeteiligung  Entwicklung von Geschäftsmodellen für solare Wärmelieferung  Verbesserung des Rechts- und Förderrahmens für solare Nah- und Fernwärme Darüber hinaus ist die Entwicklung und Umsetzung übergeordneter Ansätze erforderlich, die einen zukunftsorientierten Ausbau und die Optimierung der leitungsgebundenen Wärmeversorgung insgesamt zum Ziel haben. Der Ausbau der Fernwärmeinfrastruktur in Baden-Württemberg, verbunden mit einer technisch-ökologischen Optimierung und der Berücksichtigung sozioökonomischer und verbraucherorientierter Aspekte, würde mittelbar auch die grundlegenden Entwicklungschancen für die solare Nah- und Fernwärme verbessern. 6 2 Einführung Der Umbau der Energieversorgung mit dem Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien deutlich zu erhöhen und sie in wenigen Jahrzehnten zur tragenden Säule des Energiesystems zu machen, erfolgt bislang mit einem starken Fokus auf die Stromversorgung, während der Wärmesektor in vielen Belangen zurückbleibt. Dies wird der hohen Bedeutung der Wärmeversorgung für die Energieversorgung und den Klimaschutz in keiner Weise gerecht. Mehr als die Hälfte des Endenergiebedarfs in Deutschland wird in Form von Wärme benötigt. Auch bei der mit großer Vehemenz geführten Debatte um die Kosten der Energiewende liegt der Fokus bisher vor allem auf den gestiegenen Strompreisen. Verdrängt wird dabei, dass die Kosten eines Haushaltes für Raumwärme und Warmwasser im Durchschnitt etwa doppelt so hoch sind wie die Stromkosten. Auch ist die Preissteigerung in den letzten zwanzig Jahren bei den Wärmekosten deutlich höher gewesen als bei den Stromkosten. Die soziale Bedeutung der Wärmeversorgung wird damit für die Haushalte, die Wirtschaft und für die Kommunen zunehmend wichtiger. Ohne eine ambitionierte Wärmewende kann somit die Energiewende nicht erfolgreich sein. Dies erfordert die Erschließung der Potenziale bei der Energieeffizienz und gleichzeitig die langfristige Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energieträger. Neben dem Klimaschutz und der Kostenstabilität trägt dies auch maßgeblich zur Versorgungssicherheit bei, denn der Einsatz erneuerbarer Energien vermindert die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten. Anders als bei der Strom- und Gasversorgung sind in der Wärmeversorgung die Erzeugung, die Verteilung und der Verbrauch lokal bzw. regional verortet. Somit ist die Wärmeversorgung vor allem eine lokale Aufgabe und auch im Verantwortungsbereich der Kommunen angesiedelt. Sie stehen vor der großen Herausforderung – im Einklang mit den nationalen und europäischen Klimaschutzzielen – die lokale Wärmeversorgung langfristig klimaneutral zu gestalten. Die bisherigen Strategien in Deutschland setzen dabei vor allem auf eine kontinuierliche Reduzierung des Energiebedarfs der bestehenden Gebäude. Es ist jedoch erkennbar, dass die bisherigen Sanierungsraten des Gebäudebestandes bei weitem nicht ausreichen, um die ambitionierten Klimaschutzziele im Wärmesektor erreichen zu können. Es ergibt sich die Aufgabe auch für die kommunale Wärmepolitik, ein volkswirtschaftliches Optimum zwischen Gebäudeeffizienz und dem Einsatz erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung zu finden. Im Vergleich zum Stromsektor ist jedoch die Integration erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung weit weniger fortgeschritten. Der Anteil erneuerbarer Energien liegt derzeit bei etwa 11 % und ist damit nur etwa halb so groß wie im Strombereich. Neben dem geringen Anteil erneuerbarer Energien am Wärmemarkt ist auch die Art der Energieträger problematisch. Mehr als 90 % der erneuerbaren Wärme basiert auf Biomasse. Die Hälfte davon wird in Kleinanlagen (z.B. Kaminöfen) mit geringen Wirkungsgraden und hohen Schadgasemissionen verbrannt. Weiter kann die Biomasse auf lange Sicht aufgrund von Nutzungskonkurrenzen nur einen begrenzten Beitrag leisten. Die tiefe Geothermie ist nur an geeigneten Standorten nutzbar. Aus diesen Gründen räumt das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) der Landesregierung Baden-Württemberg der Solarthermie und speziell den solaren Wärmenetzen einen hohen Stellenwert ein: Die Solarthermie weist eine hohe Verfügbarkeit auf und die Verteilung über Wärmenetze an die Verbraucher ist in vielen Fällen, z.B. aus Gründen der Effizienz oder der Kostendegression, vorteilhaft gegenüber einer Wandlung in einer Vielzahl von Einzelanlagen. 7 Generell hat sich die Solarthermie in Deutschland als Technologie zur Warmwasserbereitung und Unterstützung der Raumheizung in Wohngebäuden mit großer Verbreitung bewährt. Thermische Sonnenkollektoren und die zugehörigen Systemlösungen haben einen hohen technischen Standard erreicht, die den Einsatz der Solarthermie auch in kälterem Klima und für höhere Anwendungstemperaturen bis 120 °C ermöglicht. In Deutschland sind thermische Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 12,3 GWth entsprechend einer Gesamtkollektorfläche von 17,5 Mio. m² installiert. In Baden-Württemberg liegt die Nutzung der Solarthermie dabei rund 50 % über dem Bundesdurchschnitt. Über 90 % dieser Anlagen sind jedoch auch hier Kleinanlagen (< 20 m²) im Ein- und Zweifamilienhausbereich. Abbildung 1: Solarthermische Großanlage in Ulsted, Dänemark (Quelle: Arcon) Zur kostengünstigen und großtechnischen Integration der Solarthermie bietet sich die Nutzung von Wärmenetz-Infrastrukturen in besonderem Maß an. Solare Wärmenetze, oftmals auch als solare Nahwärme oder solare Fernwärme bezeichnet, beruhen auf dem Einsatz solarthermischer Großanlagen, die in Wärmenetze eingebunden sind und auf diese Weise zur Versorgung von Quartieren, Wohngebieten, Dörfern oder Städten beitragen. Die erforderlichen großen Kollektorfelder werden hierbei auf Freiflächen installiert oder in Gebäudedachflächen integriert. Es kommen dabei beide Kollektorarten, Flachkollektoren und Vakuumröhrenkollektoren, zum Einsatz und die Kollektorfeldgrößen reichen von ca. 500 m² bis zu 50.000 m² bei den derzeit größten auf internationaler Ebene realisierten Anlagen. Solarthermische Großanlagen decken meist 10 – 20 % des Gesamtwärmebedarfs des Versorgungsgebiets. In Kombination mit großvolumigen Langzeit- Wärmespeichern wurden bereits Anlagen mit einem solaren Deckungsanteil von 50 % realisiert. Zahlreiche großflächige Solarthermieanlagen im Leistungsbereich bis 50 MWth werden inzwischen vor allem im Nachbarland Dänemark, aber auch in Deutschland und in Baden-Württemberg in Wärmenetzen betrieben. Sie erzeugen Wärme zu wettbewerbsfähigen Gestehungskosten von unter 50 Euro je MWh und somit wesentlich kostengünstiger, als dies mit dezentralen Lösungen in Gebäuden möglich ist. Das Ziel des vorliegenden Berichts ist die Beschreibung der Marktsituation sowie der Potenziale und möglichen Entwicklungsstrategien für solare Wärmenetze in Baden-Württemberg. Hierzu werden die bestehenden rechtlichen, politischen sowie technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen analysiert und darauf aufbauend Empfehlungen zur Verbesserung der 8 genannten Rahmenbedingungen ausgearbeitet sowie konkrete Vorschläge für rechtliche Vereinfachungen, Geschäftsmodelle und genossenschaftliche Organisationsformen entwickelt. Hierzu erfolgt in Kapitel 3 eine Analyse der Ausgangssituation für solare Wärmenetze in Baden- Württemberg. Diese umfasst den Stand der Technik und der Markteinführung, eine Beschreibung der Integrationsoptionen und der Wirtschaftlichkeit für Solarthermie in der Fernwärmeversorgung sowie eine Untersuchung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung. Darauf aufbauend erfolgt in Kapitel 4 eine Potenzialermittlung. Hierzu werden die Gemeindegrößen und -klassen in Baden-Württemberg analysiert und der bestehende Wärmebedarf beurteilt. Über die Entwicklung des Gebäudebestands werden anschließend die Potenziale der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg diskutiert und die Potenziale der Solarthermie in der Fernwärmeversorgung abgeschätzt. Das Kapitel schließt mit einer Prognose der zukünftigen Entwicklung des Wärmebedarfs. In Kapitel 5 werden anhand konkreter Fallstudien zur Nahwärmeversorgung Berechnungen für die Integration von solarthermischen Großanlagen einschließlich einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt. Im Anschluss werden in Kapitel 6 basierend auf den Grundlagen und Analysen der vorangegangen Kapitel Handlungsempfehlungen für eine weitere Markteinführung ausgesprochen. Abschließend finden sich im Anhang Anlagensteckbriefe zu in Deutschland und Europa bereits umgesetzten Anlagenbeispielen. Das Vorhaben SolnetBW – Solare Wärmenetze Baden-Württemberg Das Verbundvorhaben SolnetBW wird im Rahmen des Förderprogramms BWPLUS durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft gefördert. Vor dem Hintergrund des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts der Landesregierung setzt sich SolnetBW eine Marktbereitung und erhöhte Ausbaudynamik bei solaren Wärmenetzen in Baden-Württemberg zum Ziel. Um dies zu erreichen, werden im Rahmen des Vorhabens die bestehenden rechtlichen, politischen sowie technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen analysiert und darauf aufbauend Empfehlungen zur Verbesserung der genannten Rahmenbedingungen ausgearbeitet und konkrete Vorschläge für rechtliche Vereinfachungen, Geschäftsmodelle und genossenschaftliche Organisationsformen entwickelt. Dieses erweiterte Wissen zu solaren Wärmenetzen soll dann an kommunale Entscheidungsträger, Marktakteure und Bürger herangetragen werden. Die Einbeziehung bürgerschaftlichen Engagements ist erforderlich, um den Umstrukturierungsprozess auf eine gesellschaftlich breite Basis zu stellen. Neben der erhöhten Akzeptanz von Infrastrukturinvestitionen kann über geeignete Modelle der Bürgerbeteiligung auch privates Kapital zur Umsetzung mobilisiert werden. Bürgerinformation und Bürgerbeteiligungsmodelle werden daher als wichtiges Element zur Technologieverbreitung angesehen. Die Partner des Vorhabens adressieren daher mit Veranstaltungen aber auch mit konkreten Informations- und Beratungsangeboten direkt die Kommunen, Wärmeversorger, Energiegenossenschaften und lokale Energieinitiativen, welche Interesse an der Realisierung von Projekten haben. 9 3 Analyse der Ausgangssituation Die Analyse der Ausgangssituation für solare Wärmenetze in Baden-Württemberg umfasst die Beschreibung des Stands der Technik und der Markteinführung. Darauf aufbauend werden die unterschiedlichen Integrationsoptionen für Solarthermie in der Fernwärmeversorgung erläutert. Diese unterscheiden sich nach der Art der Einbindung, Größe des Wärmenetzes und Größe der Solaranlage. Vervollständigt wird die Betrachtung durch die Analyse der Wirtschaftlichkeit der Solarthermie in der Fernwärmeversorgung. Den Abschluss des Kapitels bildet die Beschreibung der relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung. 3.1 Stand der Technik und der Markteinführung Solarthermische Großanlagen mit einer Einbindung in Fernwärmenetze wurden erstmals in den späten 1970er-Jahren errichtet. Erste Demonstrationsprojekte wurden in Schweden, den Niederlanden und Dänemark realisiert. Mitte der 1990er Jahre folgten Projekte in Deutschland und Österreich. Bis heute wurden europaweit ca. 216 Anlagen mit einer Nennleistung über 350 kWth und ca. 82 Anlagen mit einer Nennleistung über 1 MWth realisiert (vgl. Abbildung 2). Die insgesamt europaweit installierte Leistung an solarthermischen Großanlagen beträgt derzeit 433 MWth. Der Zubau im Jahr 2013 betrug 31,6 %. Obwohl gerade bei solarthermischen Großanlagen konkurrenzfähige Wärmekosten von unter 50 €/MWh erzielt werden, ist deren Verbreitung noch relativ gering. Abbildung 2: Solare Fernwärme – Marktstatus Europa, Mai 2014 (Quelle: CIT Energy Management AB, Solites)1 1 Dalenbäck: Market for Solar District Heating, CIT Energy Management AB, Göteborg, SE, www.solar-district-heating.eu, August 2012 10 Ein Blick über die Grenzen zeigt das Potenzial der Technologie: Dänemark schreibt derzeit eine Erfolgsgeschichte in Bezug auf solare Fernwärme. In den Jahren 2010 bis Mitte 2014 wurden 35 Anlagen mit einer Gesamtnennleistung von 264 MWth errichtet. Die meisten dieser Anlagen werden in Kombination mit KWK betrieben und wurden ohne Förderung realisiert. Insgesamt sind in Dänemark 328 MWth an Großanlagen installiert; Anlagen mit weiteren 250 MWth sind in Planung. So wird demnächst im dänischen Vojens mit dem Bau der dann weltweit größten thermischen Solaranlage begonnen, die eine Kollektorfläche von 52.491 m² bzw. eine Leistung von 36,7 MWth haben wird. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Entwicklung in Dänemark sind flexible Gesamtsysteme zur Strom- und Wärmeerzeugung, mit denen die lokalen, meist genossenschaftlich organisierten Energieversorger an einem sich stark wandelnden Stromhandelsmarkt teilnehmen. Ein Beispiel hierfür ist das neue Demonstrationsprojekt Sunstore 4 auf der Insel Aero in Dänemark (vgl. Abbildung 3)2. Der dänische Verband strebt bis 2030 eine Kollektorfläche von 8 Mio. m² in Fernwärmesystemen an. Abbildung 3: Gesamtsystem zur Strom- und Wärmeerzeugung in Marstal auf der dänischen Insel Aero (Quelle: Marstal Fjernvarme) In Deutschland wurden zwischen 1995 und 2009 elf Großanlagen als Pilotprojekte zur solaren Nahwärmeversorgung mit saisonalem Wärmespeicher realisiert. Ziel war die Demonstration und Weiterentwicklung dieses Wärmeversorgungskonzepts meist für Wohngebiete und mit einem hohen solaren Deckungsanteil von 30 bis 50 % am jährlichen Gesamtwärmebedarf für Trinkwassererwärmung und Raumheizung (vgl. F&E-Programme Solarthermie-2000 und Solarthermie2000plus)34. 2 Pauschinger, Schmidt: Sunstore 4 - Solar unterstützte Kraft-Wärme-Kopplung mit saisonalem Wärmespeicher, EuroHeat&Power, Mai 2013 3 Solarthermie2000: Langzeitverhalten von thermischen Solaranlagen im bundeseigenen Bereich, Solarthermie2000 Teilprogramm 1, www.solarthermie2000.de 4 Solarthermie2000plus: Solarthermische Pilot- sowie Forschungs- und Demonstrationsanlagen zur Teildeckung des Wärmebedarfs unterschiedlicher Verbraucher im Niedertemperaturbereich, www.solarthermie2000plus.de 11 Vier dieser elf Pilotanlagen wurden in Baden-Württemberg errichtet. Deutschlands größte Solarthermieanlage mit einer Kollektorfläche von 7.200 m² bzw. einer Nennleistung zur Wärmeerzeugung von 5,1 MWth wird in Crailsheim von den örtlichen Stadtwerken betrieben. Eine wesentliche Komponente dieser Programme war die Entwicklung von großen oder saisonalen Wärmespeichern (> 1.000 m³). Hierbei sind vier Speichertechnologien entstanden, die jeweils in mindestens einer Pilotanlage umgesetzt und betrieben wurden. Die Wärmespeicher sind hierbei als erdvergrabene saisonale Wärmespeicher in solar unterstützte Nahwärmeversorgungen größerer Gebäudekomplexe oder ganzer Siedlungen integriert. In neueren Projekten, wie z.B. in Hamburg5 werden große Wärmespeicher vermehrt auch zur Optimierung des KWK-Betriebs von Wärmenetzen eingesetzt, um sowohl Schwankungen in der Wärmeleistungsanforderung auszugleichen, als auch die Strom- und Wärmebereitstellung zu entkoppeln. Gleichzeitig bieten die Wärmeversorger E.ON Hanse Wärme GmbH und Hamburg Energie GmbH in Hamburg ein Modell zur dezentralen Einbindung solarer Wärme in ihre Fernwärmenetze an. Ein wichtiger Schritt in Richtung einer breiteren Umsetzung der Technologie im Bereich der Energiedörfer wurde im Jahr 2013 in Büsingen im Süden Baden-Württembergs umgesetzt. Der regionale Energieversorger Solarcomplex AG realisierte dort Deutschlands erste große solarthermische Freilandanlage mit einer Kollektorfläche von 1.090 m², die in Kombination mit einem Biomasse-Heizwerk und einem neu verlegten Wärmenetz die lokale Wärmeversorgung darstellt (vgl. Abbildung 4). Weitere Anlagen sind in Planung und folgen in den kommenden Jahren. Abbildung 4: Heizwerk des Bioenergiedorfs Büsingen mit 1.090 m² Vakuumröhrenkollektoren und einem Biomassekessel (Quelle: Ritter XL Solar GmbH) In Schweden werden derzeit Erfahrungen mit dezentraler Wärmerückspeisung von größeren bei Endkunden installierten Solaranlagen in Fernwärmenetze gesammelt. Weiter wurden in Österreich vier solarthermische Großanlagen in der Stadt Graz und eine Anlage in der Stadt Wels realisiert, die ihre Wärme dezentral in das städtische Fernwärmenetz einbinden. Im Rahmen des Vorhabens SDHplus werden die Aktivitäten zur Marktbereitung auf zwölf europäische Länder ausgeweitet. Bemerkenswerte Entwicklungen in ‚Einsteiger-Ländern‘ sind die Realisierung erster netzgekoppelter Großanlagen in Norwegen (9 MWth) und in Frankreich (350 kWth) sowie eine in Realisierung befindliche Anlage in Italien (700 kWth). 5 Schmidt, Mangold: Der Multifunktions-Wärmespeicher in Hamburg-Bramfeld – innovative Erweiterung der ältesten deutschen Solarsiedlung, OTTI - 20. Symposium Thermische Solarenergie, Bad Staffelstein, 2010 12 Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass für solare Fernwärmesysteme insbesondere für folgende Situationen oder Ansätze gute Marktchancen bestehen:  die Ergänzung reiner Heizwerke mit Solarthermie  die Kombination mit KWK-Anlagen, bei denen aufgrund höherer Anteile von Strom aus Windenergie und Photovoltaik im Netz andere Fahrweisen erforderlich werden  die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Vermarktungsansätze für Fernwärme in Kombination mit Solarwärme Nachfolgend werden diese Ansätze detailliert erläutert. 13 3.2 Integrationsoptionen für Solarthermie in der Fernwärmeversorgung Im folgenden Kapitel werden aufbauend auf dem Stand der Technik und der Markteinführung die Integrationsoptionen für die Solarthermie in der Fernwärmeversorgung erläutert. In den unterschiedlichen Ländern wurden dabei aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen, verschiedene Konzepte solarer Nah- und Fernwärmesysteme verfolgt. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale sind:  die Art der Einbindung der thermischen Solaranlage (zentrale vs. dezentrale Einbindung).  die Größe des Wärmenetzes, in welches solare Wärme eingespeist wird. Die Bandbreite reicht hier von Nahwärmesystemen zur Versorgung mehrerer Gebäude (Beispiel Stuttgart Burgholzhof, 1.700 m² Kollektorfläche) über Systeme zur Versorgung von Neubaugebieten (Beispiel Crailsheim, 7.300 m² Kollektorfläche) oder Bioenergiedörfern (Beispiel Büsingen, 1.090 m² Kollektorfläche) bis hin zur Einbindung in große städtische Fernwärmesysteme (Beispiel Wels in Österreich, 3.400 m² Kollektorfläche).  die Größe und Auslegung der thermischen Solaranlage. Diese spiegeln sich im erzielten solaren Deckungsanteil am Gesamtwärmebedarf wider. So kann eine Solaranlage zur Vorwärmung mit Deckungsanteilen von etwa 5 % genutzt werden. Eine Volldeckung durch die Solaranlage in den Sommermonaten wird typischerweise bei Deckungsanteilen zwischen 10 und 20 % erreicht. Hohe Deckungsanteile von 20 bis über 50 % sind in Kombination mit Langzeitwärmespeichern möglich. Die unterschiedliche Art der Einbindung, d.h. einerseits die zentrale Einbindung und andererseits die dezentrale Einbindung, wird im Folgenden anhand zweier Grafiken genauer erläutert (vgl. Abbildung 5 und Abbildung 6)6. 6 Pauschinger et. al: SDH-Guidelines, www.solar-district-heating.eu, Juni 2012, letzter Zugriff: 23.10.2014 14 Zentrale Einbindung Die thermische Solaranlage wird zentral am Standort des Heizwerks oder Heizkraftwerks eingebunden, oftmals in Kombination mit einem großen saisonalen Wärmespeicher. Bei weiter entfernten, z.B. gebäudeintegrierten Kollektorfeldern, kann die Solarwärme über ein Solarnetz zur Heizzentrale gebracht werden, damit dort ebenfalls eine zentrale Einbindung in das Wärmenetz erfolgen kann. Die meisten solarthermischen Großanlagen wurden bisher aufgrund der einfacheren technischen Handhabung zentral in ein Wärmenetz eingebunden. Abbildung 5: Zentrale Einbindung in Nah- und Fernwärmenetze (Quelle: Solites) Dezentrale Einbindung Die thermische Solaranlage wird dezentral an einem geeigneten Ort in das Fernwärmenetz eingebunden. Die Solaranlage verfügt dabei oftmals über keinen eigenen Wärmespeicher und gibt ihre Wärme direkt an das Netz ab. Dies ist möglich wenn entweder an der Einbindungsstelle stets eine ausreichende Wärmelast vorliegt oder eine Speicherung über das Wärmenetz erfolgen kann (z.B. durch an anderer Stelle im Wärmenetz angeschlossene Speicherkapazitäten oder eine Temperaturerhöhung des Wärmenetzes). Abbildung 6: Dezentrale Einbindung in Nah- und Fernwärmenetze (Quelle: Solites) 15 3.2.1 Typen von Solarthermieanlagen in Fernwärmesystemen Im Folgenden werden verschiedene Typen von Solarthermieanlagen in Fernwärmesystemen beschrieben, die sich bezüglich der Art und Größe der Solarthermieanlage, der Größe des Fernwärmesystems und somit auch hinsichtlich organisatorischer Aspekte unterscheiden. Insgesamt werden hierbei sieben Anlagentypen differenziert: Typ 1: Solare Wärmenetze zur Quartiersversorgung Typ 2: Solare Wärmenetze mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere Typ 3: Dezentral eingebundene Solaranlagen in Quartieren Typ 4: Solare Wärmenetze für Dörfer und kleinere Städte Typ 5: Solare Fernwärmesysteme mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung „Smart District Heating“ Typ 6: Dezentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Großanlagen Typ 7: Zentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Großanlagen In aufsteigender Reihenfolge nimmt tendenziell die Größe des Wärmenetzes zu, beginnend mit Lösungen für Quartiere und Wohngebiete, oft auch als Nahwärmesysteme bezeichnet, bis hin zu Einbindungen in große städtische Fernwärmeversorgungen. Die verschiedenen Anlagentypen werden in den nachfolgenden Kapiteln näher beschrieben. 16 Typ 1: Solare Wärmenetze zur Quartiersversorgung Sowohl bei der Sanierung als auch beim Neubau urbaner Quartiere oder Wohnsiedlungen bieten sich lokale Wärmenetze, oftmals als Nahwärmesysteme bezeichnet, als eine Option zur Wärmeversorgung an (vgl. Abbildung 7). Aufgrund der lokalen Begrenzung und je nach Gebäudetyp und Haustechnik können solche Wärmenetze mit niedrigen oder mittleren Netztemperaturen betrieben werden, wodurch sie sich für die Einbindung einer thermischen Solaranlage besonders eignen. Der jährliche solare Deckungsanteil am Gesamtwärmebedarf beträgt bei den realisierten Projekten bis zu 20 % und wird durch die Einbindung eines Kurzzeitspeichers in der Heizzentrale erreicht. Der Hauptteil des Wärmebedarfs wird meistens über Heizkessel oder einen Anschluss an ein größeres Wärmenetz an der Heizzentrale bereitgestellt. Abbildung 7: Dachintegrierte Solarkollektoren auf Mehrfamilienhäusern (linkes Bild, Quelle: Solites); Solare Nahwärme Stuttgart Burgholzhof (rechtes Bild, Quelle: EnBW Energie Baden-Württemberg AG) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen zur Quartiersversorgung aufgelistet. Tabelle 1: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen zur Quartiersversorgung Wärmeabgabe gesamtes Netz 0,5 – 10 GWh/a Einbindung der Solaranlage zentral Nennleistung der Solaranlage 0,2 – 2 MWth Solarer Deckungsanteil 10 – 20 % der Wärmenetzeinspeisung Technik Aufgrund der beschränkten Flächenverfügbarkeit in Quartieren, werden die Kollektorflächen oftmals in die Dächer umliegender Gebäude integriert. Seitens der Anbieter stehen hierfür geeignete Systemlösungen mit Großflächenkollektoren zur Verfügung (z.B. Solarroof). Bei zahlreichen Projekten hat es sich als wirtschaftlich erwiesen, die Wärme von den verteilten Kollektorfeldern zur Heizzentrale zurückzuführen und dort zentral über einen Pufferspeicher einzubinden. Dieser ermöglicht eine bedarfsgerechte Bereitstellung der erzeugten Solarwärme. Durch größere Kollektorflächen und tageweise Speicherung der Solarwärme werden solare Deckungsanteile am Gesamtwärmebedarf von bis zu 20 % erreicht. Der Hauptteil des Wärmebedarfs wird meistens über Heizkessel oder einen Anschluss an ein größeres Wärmenetz an der Heizzentrale bereitgestellt. 17 Organisatorisches Bei der Realisierung einer solar unterstützen Nahwärmeversorgung ist die frühzeitige Zusammenarbeit von Anlagenplanern, Anlagenbetreibern, Bauherren und Architekten von entscheidender Bedeutung. Dabei muss eine exakte Abstimmung von Wärmenetz, Solarkollektoren und der entsprechenden Wärmenachfrage erfolgen. Nahwärmenetze werden in der Regel von Kontraktoren oder Stadtwerken betrieben. Daher kommt der Kommune bei der Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für solche Projekte eine wichtige Rolle zu. Diese hat durchaus Möglichkeiten, insbesondere die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Darauf wird in Kapitel 3.4 (Rechtliche Rahmenbedingungen) genauer eingegangen. Wirtschaftlichkeit Bei der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (siehe Kapitel 3.3) ergaben sich für diesen Anlagentyp solare Wärmegestehungskosten im Bereich von 55 bis 106 €/MWh (netto ohne Förderung) bzw. von 37 bis 73 €/MWh (netto mit Förderung). Ein entscheidender Faktor für die Wirtschaftlichkeit derartiger Anlagen sind die Mehrkosten für die Realisierung der verteilten Kollektorfelder auf den Gebäuden, insbesondere für die Dachintegration und die Wärmerückführung zur Heizzentrale. Durch eine kostengünstige Ausführung der Kollektorfelder in unmittelbarer Nähe der Heizzentrale können die Wärmegestehungskosten deutlich reduziert werden. Günstigere Wärmegestehungskosten können auch bei eher moderaten solaren Deckungsanteilen am Gesamtwärmebedarf durch die damit verbundenen hohen spezifischen Solarerträge erzielt werden. Besonderheiten Bei Neubausiedlungen ist, infolge steigender Anforderungen an die Gebäudehülle durch die EnEV, genau und individuell zu prüfen, ob ein Wärmenetz aufgrund des geringeren verbleibenden Wärmebedarfs rentabel realisierbar ist. Falls dies der Fall ist, profitiert davon insbesondere die Solaranlage, da die niedrigen Rücklauftemperaturen im Wärmenetz entscheidend für möglichst hohe Solarerträge sind. Bei dem heutzutage wesentlicher häufiger auftretenden Fall eines Sanierungsgebiets, ist die Wärmebedarfsdichte im Vergleich zur Neubausiedlung in der Regel höher, was der Wirtschaftlichkeit von Wärmenetzlösungen zuträglich ist. Die im Wärmenetz vorherrschenden höheren Temperaturen stellen zudem kein Hindernis für die Einbindung von Solarthermie dar, da mit heutigen Solarkollektoren ein entsprechendes Temperaturniveau erreicht werden kann. Ausgewählte Anlagenbeispiele Im Anhang wird exemplarisch die solare Nahwärme Stuttgart Burgholzhof vorgestellt. Weitere Anlagen befinden sich auch im europäischen Ausland, wie z.B. in Schweden (Vallda Heberg)7. Weiterführende Informationen Weiterführende Informationen finden sich in [Milles 2005]8 sowie in [Solarthermie2000]9. 7 Dalenbäck: Vallda Heberg – Initial experiences, SDH conference, Hamburg, 3rd June 2014 8 Milles: Solare Nahwärme in neuen Wohnsiedlungen, BINE Projektinfo 01/2005 9 Solarthermie2000: Langzeitverhalten von thermischen Solaranlagen im bundeseigenen Bereich, Solarthermie2000 Teilprogramm 1, www.solarthermie2000.de 18 Typ 2: Solare Wärmenetze mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere Bei Wohngebieten und Quartieren kann der im vorangegangen Abschnitt beschriebe Anlagentyp durch einen Langzeitwärmespeicher ergänzt werden, so dass höhere solare Deckungsanteile von bis zu 50 % erzielt werden. Der Wärmespeicher dient dabei zur saisonalen Speicherung der Solarwärme vom Sommer bis in die Heizperiode. In Deutschland wurden seit 1996 insgesamt elf solarthermische Großanlagen mit saisonaler Wärmespeicherung realisiert. Vier dieser elf Pilotanlagen wurden in Baden-Württemberg (Friedrichshafen, Neckarsulm, Crailsheim (vgl. Abbildung 8) und Eggenstein-Leopoldshafen) errichtet. Abbildung 8: Solare Nahwärme Hirtenwiesen in Crailsheim, Deutschlands größte Solarthermieanlage mit einer Kollektorfläche von 7.300 m² (Nennleistung zur Wärmeerzeugung: 5,1 MWth) (Quelle: Solites) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere aufgelistet. Tabelle 2: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere Wärmeabgabe gesamtes Netz 2 – 10 GWh/a Einbindung der Solaranlage zentral Nennleistung der Solaranlage 2 – 20 MWth Solarer Deckungsanteil 20 – 50 % der Wärmenetzeinspeisung Technik Das zentrale Element eines solchen Systems bildet der Langzeitwärmespeicher, der einen Großteil der in den Sommermonaten erzeugten Solarwärme aufnimmt und bis in die Heizperiode speichert. Nur über eine derartige saisonale Wärmespeicherung lassen sich solare Deckungsanteile am Gesamtwärmebedarf von 50 % und mehr erreichen. In Deutschland wird die Entwicklung saisonaler Wärmespeicher seit Mitte der 90er Jahre gefördert. Im Rahmen von Forschungsvorhaben wurden vier Speichertechnologien entwickelt (Behälter-, Erdbecken-, Erdsonden- und Aquifer19 Wärmespeicher), die jeweils in mindestens einer Pilotanlage praktisch demonstriert und betrieben wurden. Saisonale Wärmespeicher sind erst ab einer Größe von ca. 1.000 m³ technisch und wirtschaftlich machbar und erfordern daher eine Mindestgröße des Nahwärmesystems. Organisatorisches Derart komplexe Systeme werden in der Regel von Stadtwerken oder größeren Unternehmen der Versorgungswirtschaft realisiert und betrieben. Damit solche umfassenden Systeme erfolgreich umgesetzt werden können, muss die Systemplanung mit der Entwicklung des Gebiets und der Bauplanung einhergehen, insbesondere wenn es sich um mehrphasige Bauvorhaben handelt. Wirtschaftlichkeit Bei der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (siehe Kapitel 3.3) ergaben sich für diesen Anlagentyp solare Wärmegestehungskosten im Bereich von 73 bis 154 €/MWh (netto ohne Förderung) bzw. von 48 bis 102 €/MWh (netto mit Förderung). Im Vergleich zu Anlagentyp 1 ergeben sich höhere Wärmegestehungskosten. Dies liegt daran, dass bei diesen Systemen auch sehr hohe solare Deckungsanteile am Gesamtwärmebedarf von 50 % erreicht werden können und für die damit verbundene saisonale Wärmespeicherung großvolumige Wärmespeicher benötigt werden, deren Investitionskosten vollständig der solaren Wärmeerzeugung zugeordnet werden. Besonderheiten Das Ziel derzeitiger Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu saisonalen Wärmespeichern ist, die Technologien bis zum Jahr 2020 zur Marktbereitschaft zu führen. Eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von solaren Nahwärmesystemen mit Langzeitwärmespeicher kann durch eine Mehrfachnutzung des Wärmespeichers mit sogenannten Multifunktions- Wärmespeichern erreicht werden. Diese werden auch für die Speicherung industrieller Abwärme, KWK-Optimierung und Power-to-heat-Anwendungen verwendet. Ausgewählte Anlagenbeispiele Im Anhang wird exemplarisch die solare Nahwärme Hirtenwiesen in Crailsheim vorgestellt. Weitere Anlagen in Baden-Württemberg befinden sich in Neckarsulm, Friedrichshafen und Eggenstein- Leopoldshafen. Weiterführende Informationen Weiterführende Informationen finden sich in [Schneider 2013]10, [Mangold et al. 2012]11 sowie in [Saisonalspeicher.de]12. 10 Schneider: Sonnenenergie in der Erde speichern, BINE Projektinfo 01/2013 11 Mangold et al.: Forschungsbericht zum BMU-Vorhaben "Technisch-wirtschaftliche Analyse und Weiterentwicklung der solaren Langzeit-Wärmespeicherung" (Dez. 2007 bis Feb. 2011), Solites, 2012 12 Saisonalspeicher.de: Wissensportal für saisonale Wärmespeicherung, www.saisonalspeicher.de, letzter Zugriff: 24.10.2014 20 Typ 3: Dezentral eingebundene Solaranlagen für Quartiere Bei mit Fernwärme versorgten Quartieren kann eine thermische Solaranlage auch dezentral in das Wärmenetz eingebunden werden. Dadurch haben beispielsweise Wohnungsgesellschaften die Möglichkeit, eine etwas größer dimensionierte Solaranlage zu installieren, deren Wärmeerzeugung über dem Wärmebedarf des Quartiers liegt, da die erzeugte Solarwärme vollständig an das Fernwärmenetz abgegeben wird (vgl. Abbildung 9). Bei Wärmebedarf wird über eine Standardübergabestation Wärme aus dem Fernwärmenetz bezogen. Auf diese Weise wird das Wärmenetz als Speicher genutzt. Ein hausinterner Pufferspeicher entfällt, sodass solche Anlagen einfach und kostengünstig realisiert werden können. Abbildung 9: Dezentral eingebundene Solaranlage in Gardsten (SE) (linkes Bild); Übergabestation zur Wärmeabgabe an das Netz des Herstellers Armatec (rechtes Bild, Quelle: Armatec/Solites) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von dezentral eingebundenen Solaranlagen in Quartieren aufgelistet. Tabelle 3: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von dezentral eingebundenen Solaranlagen in Quartieren Wärmeabgabe gesamtes Netz 20 – 5.000 GWh/a Einbindung der Solaranlage dezentral Nennleistung der Solaranlage 0,2 – 2 MWth Solarer Deckungsanteil bis zu 100 % des Wärmebedarfs des Quartiers, geringe Anteile an der gesamten Wärmenetzeinspeisung Technik Die Solarkollektoren geben über eine Übergabestation zur Wärmeabgabe (siehe Abbildung 9, rechtes Bild) die erzeugte Wärme an den netzseitigen Vorlauf der Hausanschlussleitung ab. Übersteigt die Wärmeerzeugung den momentanen Eigenverbrauch des Gebäudes, wird die Solarwärme dem Fernwärmenetz zugeführt. Andernfalls wird die Solarwärme über eine Standardübergabestation zum Wärmebezug an das Gebäude geliefert. Somit wird bei diesem System kein zusätzlicher Pufferspeicher benötigt. Jedoch muss die Leistung der thermischen Solaranlage im Verhältnis zur Größe des Wärmenetzes klein sein. Diese Systeme eignen sich insbesondere für Wärmenetze oder Wärmenetzbereiche, die im Sommer auf niedrigeren Temperaturen, z.B. zwischen 60°C und 80°C, betrieben werden. 21 Organisatorisches Bei diesem Modell befinden sich die Solaranlagen meist im Eigentum von Wohnungsgesellschaften. Der Betrieb erfolgt ebenfalls durch diese oder durch lokale Versorger. Aktuelle Auswertungen haben ergeben, dass beim professionellen Betrieb durch Unternehmen der Versorgungswirtschaft wesentlich bessere Betriebsergebnisse erzielt werden. Eine Abrechnung erfolgt zwischen den Wohnungsgesellschaften und dem Wärmenetzbetreiber. Dabei wird die vom Wärmemengenzähler erfasste solare zugeführte Wärme, ähnlich wie bei der PV-Stromeinspeisung, vergütet. Der Wärmebezug erfolgt hingegen über Standardverträge. Generell hat sich gezeigt, dass die Standardisierung und getrennte Behandlung von Abgabe und Bezug hinsichtlich Kosten und Abwicklung am günstigsten sind. Wirtschaftlichkeit Bei der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (siehe Kapitel 3.3) ergaben sich für diesen Anlagentyp solare Wärmegestehungskosten im Bereich von 55 bis 74 €/MWh (netto ohne Förderung) bzw. von 36 bis 48 €/MWh (netto mit Förderung). Die relativ geringeren Wärmegestehungskosten resultieren daher, dass die Solaranlage meistens einfach und kostengünstig realisiert werden kann, da kein zusätzlicher Pufferspeicher installiert werden muss und die spezifischen Solarerträge je nach Temperaturniveau im Wärmenetz sehr hoch sein können. Besonderheiten In Schweden wurde dieser Anlagentyp bereits mehrfach realisiert. Insbesondere Wohnungsgesellschaften äußerten dort den Wunsch, thermische Solaranlagen auf ihren Gebäuden zu installieren. Daher wurde ein Geschäftsmodell entwickelt, welches das Einbringen von Solarwärme in das Fernwärmenetz ermöglicht. Vom Systemkomponentenhersteller Armatec wurde für diese Art der Systemeinbindung eine vorgefertigte Übergabestation zur Abgabe der Solarwärme an das Wärmenetz entwickelt. Der Wärmebezug für das Gebäude erfolgt über eine separate Standardübergabestation. Ausgewählte Anlagenbeispiele Im Anhang wird exemplarisch die dezentrale Einbindung Gardsten in Göteborg (SE) vorgestellt. Weitere Anlagen befinden sich in Malmö (SE) (Propellern 2 und Augustenborg), Skive (DK) (Hoeslev School) und in Hillerod (DK) (Elmegarden). Weiterführende Informationen Weiterführende Informationen finden sich in [Dalenbäck 2010]13, [Dalenbäck 2012a]14, [Dalenbäck 2012b]15 sowie in [Schlegel 2014]16. 13 Dalenbäck: Success factors in Solar District Heating, www.solar-district-heating.eu, CIT Energy Management AB, Göteborg, SE, Dezember 2010 14 Dalenbäck: Boundary conditions and market obstacles for Solar District Heating, www.solar-district-heating.eu, CIT Energy Management AB, Göteborg, SE, Juli 2012 15 Dalenbäck: Market for Solar District Heating, www.solar-district-heating.eu, CIT Energy Management AB, Göteborg, SE, August 2012 16 Schlegel: Technisch-ökonomische Analyse und Bewertung von Anlagen zur dezentralen Einspeisung von Solarwärme in Fernwärmenetze, Masterarbeit, Solites / Universität Stuttgart, März 2014 22 Typ 4: Solare Wärmenetze für Dörfer und kleinere Städte In Deutschland, Österreich, Dänemark und Schweden werden Wärmenetze vielfach zur Wärmeversorgung von Dörfern und kleineren Städten im ländlichen Raum genutzt. Einen besonderen Fall stellen in Deutschland Bioenergiedörfer dar, die ihren Strom- und Wärmebedarf aus heimischen Rohstoffen und erneuerbaren Energiequellen decken, bisher meist in Verbindungen mit Biogasanlagen. Eine alternative Erzeugungsvariante stellt die Kombination aus einer solarthermischen Großanlage in Verbindung mit einem Biomassekessel dar. Die Solarthermieanlage deckt hierbei die Last in den Sommermonaten ab, so dass der ungünstige Teillastbetrieb des Biomassekessels (abnehmende Wirkungsgrade und steigende Emissionen) vermieden werden kann (vgl. Abbildung 10). Abbildung 10: Heizwerk des Bioenergiedorfs Büsingen mit einem Biomassekessel und 1.090 m² Vakuumröhrenkollektoren (Quelle: Ritter XL Solar GmbH) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen für Dörfer und kleinere Städte aufgelistet. Tabelle 4: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen für Dörfer und kleinere Städte Wärmeabgabe gesamtes Netz 2 – 100 GWh/a Einbindung der Solaranlage zentral Nennleistung der Solaranlage 0,5 – 50 MWth Solarer Deckungsanteil 10 – 20 % der Wärmenetzeinspeisung, Volldeckung in den Sommermonaten Technik Im ländlichen Raum können die Kollektorflächen der thermischen Solaranlage oft auf Freiflächen in Nähe der Heizzentrale installiert werden, was zu sehr günstigen spezifischen Anlagenkosten führt. Zur Dimensionierung der Solaranlage wird die maximale Sommerlast im Wärmenetz angesetzt, welche sich aus dem sommerlichen Wärmebedarf (meist zur Trinkwassererwärmung) und den Wärmeverlusten des Netzes zusammensetzt. In der Regel ergeben sich solare Deckungsanteile von 10 bis 20 % des Gesamtwärmebedarfs. 23 Organisatorisches Derartige Anlagen werden oftmals durch die Initiative von engagierten Bürgern vor Ort auf den Weg gebracht. Die Realisierung und der Betrieb erfolgt dann entweder durch eine eigens gegründete Genossenschaft oder durch einen lokalen Versorger. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Umsetzung stellt die Einbindung und konkrete Beteiligung der Bürger dar. Durch eine gemeinschaftliche Durchführung erhöht sich bei den Anwohnern in der Regel auch die Akzeptanz und die Bereitschaft sich an das Wärmenetz anzuschließen. Bei der Umsetzung durch eine Genossenschaft stellt insbesondere die dauerhaft geforderte Professionalität bei der Realisierung, dem Betrieb und der Kundenbetreuung eine Herausforderung dar. Weitere Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung ist die Zusammenarbeit mit einem kompetenten Planer im Bereich Wärmenetze und erneuerbare Energien. Wirtschaftlichkeit Bei der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (siehe Kapitel 3.3) ergaben sich für diesen Analgentyp solare Wärmegestehungskosten im Bereich von 55 bis 99 €/MWh (netto ohne Förderung) bzw. von 36 bis 66 €/MWh (netto mit Förderung). Durch den Anspruch einer Energiegenossenschaft, eine langfristig preisstabile und auf erneuerbaren Energien basierende Wärmeversorgung sicherzustellen, die nicht auf Profitmaximierung abzielt, sind meist moderate Wärmepreise realisierbar. Im spezifischen Fall einer thermischen Solaranlage kommt dazu, dass diese in den Sommermonaten vorrangig die Energieversorgung übernimmt und in der Übergangszeit den Biomasseheizkessel unterstützt. Auf diese Weise werden die Betriebskosten des Biomasseheizkessels gesenkt und dessen Lebensdauer deutlich verlängert, da der Kessel nicht durchgehend in Betrieb ist. Günstige Wärmegestehungskosten sind jedoch erst für größere Solaranlagen größer 1 MWth und solare Deckungsanteile bis 20 % möglich. Die langfristige Stabilität der Wärmegestehungskosten von Solaranlagen ermöglicht es, einen Teil der Wärmegestehungskosten der Fernwärmeversorgung zu fixieren. Besonderheiten Die geringen Wärmedichten im ländlichen Raum stellen besondere Herausforderungen bezüglich einer kostengünstigen Realisierung des Gesamtsystems und insbesondere des Wärmenetzes dar. Ausgewählte Anlagenbeispiele Im Anhang wird exemplarisch das Bioenergiedorf Büsingen vorgestellt. Weitere Anlagen befinden sich in Dänemark (z.B. Rise, Aero) und Österreich (z.B. Nahwärme Eibiswald). 24 Typ 5: Solare Fernwärmesysteme mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung „Smart District Heating“ Eine Weiterentwicklung des vorherigen Typs stellen solare Fernwärmesysteme dar, bei denen solarthermische Großanlagen mit weiteren Technologien zur Strom- und Wärmeerzeugung sowie mit großen Wärmespeichern kombiniert werden. Die Funktionsweise der dabei entstehenden ganzheitlichen Energieversorgungssysteme wurde durch drei Pilotanlagen in Dänemark demonstriert und dort mit dem Begriff „Smart District Heating“ bezeichnet (vgl. Abbildung 11). Abbildung 11: 18.000 m² Kollektorfläche des Systems in Braedstrup (DK) (Quelle: Solites, Braedstrup Fjernvarme) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Fernwärmesystemen mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung aufgelistet. Tabelle 5: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Fernwärmesystemen mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung „Smart District Heating“ Wärmeabgabe gesamtes Netz 2 – 100 GWh/a Einbindung der Solaranlage zentral Nennleistung der Solaranlage 0,5 – 50 MWth Solarer Deckungsanteil 10 – 50 % der Wärmenetzeinspeisung, Volldeckung in den Sommermonaten Technik Zentrales Element solcher Systeme ist ein großvolumiger Wärmespeicher, d

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Mittwoch, 1. Juli, 2015|

Anlagensteckbrief Stuttgart Burgholzhof

Im Jahr 1997 entstand im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt auf dem Gelände einer ehemaligen amerikanischen Kaserne das Wohngebiet Burgholzhof. Neben Wohngebäuden wurden eine Grundschule, ein Ladenzentrum sowie ein Kindergarten gebaut und öffentliche Spiel- und Freifl ächen angelegt. Alle Häuser unterschritten die damals gültige Wärmeschutzverordnung um 30 %. Die EnBW Energie Baden-Württemberg AG versorgt die knapp 1.100 Wohneinheiten über ein ca. 3 km langes Wärmenetz mit Wärme für Heizung und Warmwasser. Zwei erdgasbetriebene Heizkessel bilden den Kern der im Untergeschoss der Schule installierten Heizzentrale, mit der die Grundlast abgedeckt wird. Ein weiterer Kessel kommt bei Verbrauchsspitzen zum Einsatz. Zusätzlich wird Solarthermie genutzt. Mit der optimal auf den Bedarf ausgelegten Solaranlage werden ca. 11 % der gesamten Wärmeerzeugung abgedeckt. Das Heizsystem zeichnet sich mit einer CO2-Einsparungen von 170 Tonnen pro Jahr durch eine hohe Umweltfreundlichkeit aus. SOLARE NAH- UND FERNWÄRME www.solare-fernwaerme.de Fallbeispiel Stuttgart Burgholzhof Typ: Solares Wärmenetz zur Quartiersversorgung System Anlagentyp Solares Wärmenetz zur Quartiersversorgung Projektname Solare Nahwärme Stuttgart Burgholzhof Betreiber EnBW Energie Baden-Württemberg AG Inbetriebnahme 1998 Wärmenetzeinspeisung 7 GWh/a Solaranlage Einbindung Zentral Installation Dachintegriert Kollektortyp Flachkollektor Kollektorfl äche/Leistung 1.708 m² / 1,2 MWth Wärmespeicher Typ Pufferspeicher Volumen 90 m³ Niedrigenergiesiedlung mit Solarthermie Anlagendaten im Überblick Stuttgart Burgholzhof wurde als ehemaliges amerikanisches Kasernenviertel in eine der größten Niedrigenergiesiedlungen in Baden-Württemberg umgewandelt. Nachdem die US Army im Jahr 1992 den nach dem Gutshof „Burgholzhof“ benannten Stadtteil verließen, ergab sich die Möglichkeit ohne weiteren Flächenverbrauch ein neues Wohnviertel zu erschließen. Aufgrund der angestrebten Modernisierungsmaßnahmen konnte die Landeshauptstadt Stuttgart die Grundstücke günstiger als zum damaligen Marktwert erwerben. Durch die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufswert konnten die entstehenden Kosten für Infrastrukturmaßnahmen, wie z.B. die Verlegung eines Wärmenetzes, leichter gedeckt werden. Die Bebauung im Umfeld des Burgholzhofs fand in 2 Abschnitten von 1997 bis 2005 statt, die letzte Baulücke wurde 2012 geschlossen. Die ersten Bewohner bezogen 1998 die neu errichteten Häuser in der Siedlung. Insgesamt bietet das Wohnquartier mit knapp 1.100 Wohnungen und öffentlichen Gebäuden Platz für gut 2.700 Bewohner. Gefördert wurde das Projekt im Rahmen des Programms Solarthermie2000 des Bundesumweltministeriums. Im Rahmen dieses Förderprogramms (Teilprogramm 2) wurden vorwiegend Pilotanlagen mit solarer Heiz- und Trinkwarmwasserversorgung in Verbindung mit Kurzzeitspeichern unterstützt. Hintergrund Das Nahwärmenetz in Stuttgart Burgholzhof wurde von den damaligen Neckarwerken Stuttgart errichtet und wird heute von der EnBW Energie Baden-Württemberg AG betrieben. Mit Heiz- und Trinkwarmwasser werden in der Siedlung derzeit gut 2.700 Bewohner in größtenteils mehrgeschossigen Mehrfamilienhäusern versorgt. Des Weiteren ist ein Ladenzentrum, ein Kindergarten und eine Grundschule an das Versorgungsnetz angeschlossen. Im Keller der Grundschule befi ndet sich die Heizzentrale. Dort wird zum einen über drei Erdgasheizkessel mit insgesamt 4,3 MWth und zum anderen über die auf den Hausdächern installierten Solaranlagen mit einer Kollektorfl äche von 1.708 m² die benötigte Wärme produziert und bei Bedarf in einem 90 m³ großen Pufferspeicher zwischengespeichert. Aufgrund von anhaltenden Undichtigkeiten musste die Kollektorfl äche im Jahr 2010 ausgetauscht werden. Bei der Neuinstallation wurden sogenannte „Solar Roofs“ realisiert. Die Flachkollektoren dienen somit gleichzeitig als Dachhaut der Gebäude. Das Wärmenetz besteht aus einem Vor- und einem Rücklauf sowie einem zusätzlichen Solarvorlauf. Eingespeist wird die solare Wärme in den Netzrücklauf des ca. 3 km langen Wärmenetzes. Die Netztemperaturen werden in Abhängigkeit der Außentemperatur geregelt und betragen im Vorlauf zwischen 70 °C und 83 °C und im Rücklauf etwa 46 °C. Die Solaranlage trägt mit ca. 800 MWh/a etwa 11 % zur gesamten Wärmeerzeugung bei. Dies entspricht in der Sommerzeit nahezu einer Volldeckung und führt zu einer CO2-Einsparung von ca. 170 t/a. Anlagenkonzept QUARTIER NETZGRÖßE ZENTRAL DACHINTEGRIERT PUFFERSPEICHER 11 % SOLAR 89 % ERDGAS „Solar Roof“ in Stuttgart Burgholzhof 3 km, 7 GWh/a Die Solaranlage ist auf die Dachfl ächen von drei Gebäudekomplexen aufgeteilt und jeweils über eine Solarübergabestation in das Wärmenetz eingebunden. Ursprünglich war eine größere Kollektorfl äche geplant, aufgrund veränderter Bebauungspläne musste diese jedoch etwas reduziert werden. Die jeweils gut 500 m² großen Anlagen sind als sogenannte „Solar Roofs“ realisiert. Zur Zwischenspeicherung der solaren Wärme für eine Überbrückung von Schlechtwetterperioden und einer damit verbundenen Erreichung höherer solarer Deckungsanteile am Gesamtwärmebedarf wurde an der Heizzentrale ein Kurzzeitspeicher mit 90 m³ Fassungsvermögen errichtet. Der Speicher steht, teilweise sichtbar, auf dem Schulhof der Grundschule. Er ist im Inneren mit Edelstahl ausgekleidet und mit einer Ringbetonkonstruktion ummantelt. Technische Komponenten Wirtschaftliche Daten Erfahrungen und Besonderheiten Montage der „Solar Roof“-Kollektoren Die abgerechneten Kosten für das Solarsystem in Stuttgart Burgholzhof betrugen bei der Erstinstalltion 1997/1998 inklusive Planung, ohne MwSt. sowie ohne Förderung ca. 678.000 Euro. Gefördert wurde das Projekt einerseits durch das Bundesumweltministerium im Rahmen des Programms Solarthermie2000 (Teilprogramm 2) zur Förderung von solarunterstützten Wärmenetzen mit Kurzzeitwärmespeicherung, sowie durch die Umsetzung des Projekts als städtebauliche Entwicklungsmaßnahme im Sinne des Baugesetzbuches (BauGB §165 ff). In Stuttgart Burgholzhof wurde der Einsatz eines 3-Leiternetzes erprobt. Regelungstechnisch ist der Betrieb eines solchen Netzes eine Herausforderung, da strömungstechnisch viele unterschiedliche Zustände eintreten können, bis hin zu einer Strömungsumkehr im Rücklauf. Zwar ist die Verlegung eines 3-Leiternetzes im Vergleich zu einem 4-Leiternetz etwas günstiger, es müssen jedoch auch alle weiteren Komponenten wie bspw. die Hausübergabestationen und Rohrleitungen auf die speziellen Ansprüche (Strömungsumkehr, Vorlaufüberhitzung) abgestimmt werden. In anderen Netzen, wie z.B. „Neckarsulm-Amorbach“, wurden die 3-Leiternetze bereits modifi ziert oder wie z.B. Beispiel in „Crailsheim-Hirtenwiesen“ von Anfang an ein 4-Leiternetz verlegt. In den ersten Betriebsjahren kam es zu schwankenden und deutlich höheren Netztemperaturen als geplant. Im Mittel um bis zu 11 Kelvin. Dies war der Fall, wenn zu Schwachlastzeiten ein Heizkessel den Vorlauf nacherhitzte. Ab dem Jahr 2004 kam es zu Undichtigkeiten an den Verschraubungen zwischen den Kollektoren und an den Lötstellen der Kollektoren. Der Hauptgrund für die Undichtigkeiten war, dass bis 2003 aufgrund der geringen Wärmeabnahme die Solaranlage häufi g in Stagnation getreten ist. Aufgrund der anhaltenden Undichtigkeiten erfolgte eine Neuplanung, die mit der Neuinstallation der Solaranlage und Wiederinbetriebnahme im Jahr 2010 abgeschlossen wurde. www.solare-fernwaerme.de www.solare-fernwaerme.de Weitere Informationen Adresse: James-F.-Byrnes-Straße 3, 70376 Stuttgart Projektbeteiligte: EnBW Energie Baden-Württemberg AG Durlacher Allee 93, 76131 Karlsruhe www.enbw.com Landeshauptstadt Stuttgart Amt für Umweltschutz, Gaisburgstraße 4, 70182 Stuttgart www.stuttgart.de EGS-Plan Gropiusplatz 10, 70563 Stuttgart www.stz-egs.de Kontakt: Ralf Wegener, EnBW Energy Solutions GmbH Tel. 0711 289-81545 Email r.wegener@enbw.de Weitere Informationen: www.solarthermie2000.de Milles: Solare Nahwärme in neuen Wohnsiedlungen, BINE Projektinfo 01/2005 Wegener: Contracting für Wohnungswirtschaft, Wohngebiet Burgholzhof, EnBW Energy Solutions GmbH Wegener: Stuttgart Burgholzhof, Präsentation 14.10.2010, EnBW Energy Solutions GmbH Bildnachweise Seite 1: Stuttgart Burgholzhof, Quelle: EnBW Energy Solutions GmbH Seite 2: Piktogramme, Quelle: Solites „Solar roof“ Burgholzhof, Quelle: EnBW Energy Solutions GmbH Seite 3: Kollektormontage, Quelle: EnBW Energy Solutions GmbH

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Montag, 1. Juni, 2015|

Anlagensteckbrief Crailsheim Hirtenwiesen

In Crailsheim ist auf der Konversionsfl äche einer ehemaligen Kaserne der US Army ein solar unterstütztes Nahwärmesystem für ein Neubau- und Bestandsgebiet entstanden. Mit 7.300 m² Kollektorfl äche ist diese die derzeit größte thermische Solaranlage Deutschlands. Davon befi nden sich gut 5.000 m² Kollektorfl äche auf einem Lärmschutzwall, weitere Flachkollektoren sind auf Wohnbauten und dem Schulgebäude installiert. Das solar unterstütztes Nahwärmesystem verfügt über zwei Heißwasser- Pufferspeicher (100 m³ und 480 m³) sowie einen Erdsonden-Wärmespeicher mit einem Volumen von 37.500 m³. Die Anlage ist auf einen solaren Deckungsanteil von 50 % des jährlichen Gesamtwärmebedarfs ausgelegt und entlastet dadurch die Umwelt jedes Jahr um ca. 500 t Kohlendioxid. SOLARE NAH- UND FERNWÄRME www.solare-fernwaerme.de Fallbeispiel Crailsheim Hirtenwiesen Typ: Solares Wärmenetz mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere System Anlagentyp Solares Wärmenetz mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere Projektname Crailsheim Hirtenwiesen Betreiber Stadtwerke Crailsheim Inbetriebnahme 2005 Wärmenetzeinspeisung 4,7 GWh/a Solaranlage Einbindung Zentral Installation Dachintegriert und Infrastrukturfl äche Kollektortyp Flachkollektor Kollektorfl äche/Leistung 7.300 m² / 5,1 MWth Wärmespeicher Typ Erdsondenwärmespeicher Volumen 37.500 m³ Größte Solarthermieanlage Deutschlands Anlagendaten im Überblick Auf einem ehemaligen Militärgelände der US Army ist in Crailsheim das Wohngebiet „Hirtenwiesen II“ entstanden. Neben einem Gymnasium und einer Sporthalle wurden dort auch Einfamilien- und Reihenhäuser gebaut. Zudem wurden bestehende Kasernengebäude saniert und zu Mehrfamilienhäusern umgebaut. Sämtliche Gebäude werden über ein Nahwärmenetz mit Wärme zur Heizung und Trinkwarmwasserbereitung versorgt. Die Umsetzung dieser solar unterstützten Nahwärmeversorgung mit saisonaler Wärmespeicherung wurde insbesondere durch die Förderprogramme Solarthermie2000 und Solarthermie2000plus des Bundesumweltministeriums ermöglicht. Des Weiteren wurden Fördermittel durch das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg und die Stadt Crailsheim zur Verfügung gestellt. Insbesondere die Stadtwerke Crailsheim haben die Umsetzung des Projekts vorangetrieben, so dass bereits 2003 und 2004 die ersten Kollektorfl ächen auf Hausdächern installiert werden konnten. Zudem wurden die Kollektorfl ächen auf dem Lärmschutzwall und der Langzeitwärmespeicher in ein umfassendes Landschafts- und Ökokonzept eingebunden, um dem Anspruch eines familienfreundlichen, modernen und ressourcenschonenden Wohngebiet gerecht zu werden. Hintergrund Die solarthermische Anlage in Crailsheim Hirtenwiesen besteht aus 2 Teilen. Den ersten Teil bilden die in die Dachfl ächen der Gebäude integrieten Kollektoren mit einer Fläche von ca. 2.300 m². Diese sind über einen 100 m³ großen edelstahlausgekleideten Pufferspeicher mit der Heizzentrale verbunden. Den zweiten Teil bildet die gut 5.000 m² große Solaranlage auf dem Lärmschutzwall. Diese ist über eine zweite Heizzentrale mit einem 480 m³ großen edelstahlausgekleidetem Pufferspeicher und dem saisonalen Erdsondenwärmespeicher verbunden. Die beiden Anlagenteile sind durch eine ca. 300 m lange Leitung miteinander verbunden. Die Beladung des Erdsondenwärmespeichers erfolgt über die Kollektorfl ächen auf dem Lärmschutzwall. Diese heizen den Pufferspeicher auf, welcher dann über einen längeren Zeitraum die Wärme an den Erdsondenwärmespeicher abgeben kann. Der insbesondere im Sommer vorhandene Überschuss an solarer Wärme wird im Erdsondenwärmespeicher für die Nutzung im Herbst und Winter zwischengespeichert. Dadurch wird ein solarer Deckungsanteil von ca. 50 % am jährlichen Gesamtwärmebedarf erreicht. Zur effektiven Nutzung des Saisonalspeichers wird dieser in Verbindung mit einer Wärmepumpe betrieben. Über einen Wärmetauscher ist das Nahwärmenetz an die Fernwäme der Stadtwerke Crailsheim angeschlossen, so dass bei Bedarf weitere Wärme bezogen werden kann. Anlagenkonzept QUARTIER Baugebiet Solare Nahwärme Hirtenwiesen in Crailsheim NETZGRÖßE ZENTRAL FREILAND INFRASTRUKTUR PUFFERSPEICHER SAISONAL 50 % SOLAR 50 % FERNWÄRME 4,7 GWh/a In Crailsheim werden Mehrfamilienhäuser mit 260 Wohneinheiten, eine Schule und eine Sporthalle über ein Wärmenetz mit Trink- und Heizwarmwasser versorgt. Das Wärmenetz wird mit einer Vorlauftemperatur von 65°C und einer Rücklauftemperatur von ca. 40°C betrieben. Die Wärme wird zu 50 % von den in die Dachfl ächen der Mehrfamilienhäuser und des Schulgebäudes integrierten Flachkollektoren sowie den auf dem Lärmschutzwall montierten Flachkollektoren erzeugt. Der restliche Wärmebedarf wird über das Fernwärmenetz der Stadtwerke Crailsheim gedeckt. In das solare Nahwärmesystem ist neben den zwei 100 m³ und 480 m³ großen edelstahlausgekleideten Pufferspeichern auch ein Erdsondenwärmespeicher integriert. Dieser saisonale Wärmespeicher speichert insbesondere im Sommer solare Überschusswärme für die Nutzung im Herbst und Winter. Der Speicher besteht aus 80 Doppel-U-Rohrsonden mit einer Bohrtiefe von 55 m und bietet ein Speichervolumen von 37.500 m³, was der Speicherkapazität von rund 10.000 m³ Wasser entspricht. Die Entladung des Saisonalspeichers erfolgt mit Hilfe einer elektromotorisch angetriebenen CO2-Kompressionswärmepumpe mit einer Leistung von 530 kWth. Dank der Arbeitszahl von 4,8 und einer großen Spreizungstoleranz bezüglich der Quellentemperatur ermöglicht dies eine Entladung des Speichers auf tiefere Temperaturen bei gleichbleibenden 60 °C Vorlauftemperatur. Technische Komponenten Wirtschaftliche Daten Erfahrungen und Besonderheiten Solarkollektoren auf dem Lärmschutzwall Das komplette Projekt in Crailsheim wurde im Rahmen der Förderprogramme Solarthermie2000 und 2000plus realisiert. Die Gesamtinvestitionen belaufen sich auf rund 7 Millionen Euro, davon stammen ca. 50 % aus Fördermitteln. Diese Fördermittel wurden durch das Bundesumweltministerium, das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg und der Stadt Crailsheim zur Verfügung gestellt. Aus dem erfolgreichen Betrieb des solar unterstützten Nahwärmesystems in Crailsheim können folgende Erkenntnisse gewonnen werden. Zum einen konnte eine hochwertige Integration von Kollektorfl ächen in Gebäudedächer demonstriert werden. Zum anderen wurde für die Integration der Kollektorfelder auf dem Lärmschutzwall ein detailliertes Ökokonzept erstellt, welche insbesondere die Belange des Naturschutzes berücksichtigt. Des Weiteren konnte durch die schrittweise Erweiterung der Kollektorfl ächen, die Beladung des Erdsondenwärmespeichers und der Inbetriebnahme der Wärmepumpe im Jahr 2012 eine stetige Steigerung des solaren Deckungsanteils am Gesamtwärmebedarf erreicht werden. Insbesondere der Einbau der Wärmepumpe konnte die Gesamteffi zienz des Systems nochmals erhöhen, so dass bei gleichbleibender Kollektorfl äche der angestrebte solare Deckungsanteil von 50 % erreicht wurde. Durch die damit verbundene Möglichkeit den Wärmespeicher auf ein tieferes Temperaturniveau zu entladen sind zudem die Speicherverluste gesunken. Durch eine konsequente Qualitätssicherung bei den Heizsystemen in den Gebäuden konnten bisher Rücklauftemperaturen von ca. 40 °C erreicht werden. Der seither rein solar beladene Erdsondenwärmespeicher könnte zukünftig auch als multifunktionaler Langzeitwärmespeicher zur zusätzlichen Speicherung von Wärme aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen dienen. Auch die Bauweise des Langzeitwärmespeichers mit einer kreisförmigen Anordnung der Erdwärmesonden hat sich bewährt. So ist beispielsweise Potenzial zur Erweiterung des Wärmespeichers vorhanden, indem die Möglichkeit besteht die Anzahl der Erdsonden auf 160 zu erhöhen. Durch eine konzentrische Anordnung der neuen Bohrungen um den jetzigen Speicher, würde das Wärmezentrum im Mittelpunkt der jetzigen Ausbaustufe erhalten bleiben. www.solare-fernwaerme.de www.solare-fernwaerme.de Weitere Informationen Adresse: Bürgermeister-Demuth-Allee 2, 74564 Crailsheim Projektbeteiligte: Stadtwerke Crailsheim GmbH Friedrich-Bergius-Straße 10-14, 74564 Crailsheim www.stw-crailsheim.de Solites – Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme Meitnerstr. 8, 70563 Stuttgart www.solites.de Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) Universität Stuttgart Pfaffenwaldring 6, 70569 Stuttgart www.itw.uni-stuttgart.de Kontakt: Sebastian Kurz, Stadtwerke Crailsheim GmbH Tel. 07951 305-374 Email sebastian.kurz@stw-crailsheim.de Weitere Informationen: www.saisonalspeicher.de Schneider: Sonnenenergie in der Erde speichern, BINE Projektinfo 01/2013 Mangold et al.: Forschungsbericht zum BMU-Vorhaben „Technisch-wirtschaftliche Analyse und Weiterentwicklung der solaren Langzeit-Wärmespeicherung“ (Dez. 2007 bis Feb. 2011), Solites, 2012 Bildnachweise Seite 1: Mehrfamilienhäuser Crailsheim, Quelle: Solites Seite 2: Piktogramme, Quelle: Solites Baugebiet Crailsheim Hirtenwiesen, Quelle: Solites Seite 3: Kollektorfeld; Quelle: STW Crailsheim

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Sonntag, 1. Februar, 2015|

Anlagensteckbrief Bioenergiedorf Büsingen

Bioenergiedorf-Konzepte wie im süddeutschen Ort Büsingen zielen auf die grundlegende Umstellung der Wärmeversorgung einer ganzen Ortschaft auf regenerative Energien ab. Das Projekt in Büsingen wurde durch den regionalen Energieversorger Solarcomplex AG umgesetzt und umfasst ein neu verlegtes Wärmenetz samt Heizwerk mit Erzeugungsanlagen. Durch das Wärmenetz werden über 100 Gebäude mit Wärme aus regenerativen Energiequellen versorgt. Da es in Büsingen keine Biogasanlage zur Abwärmenutzung gibt und auch Biomasse beschränkt verfügbar ist, wurde deutschlandweit erstmals eine solarthermische Großanlage als Wärmeerzeuger für ein Bioenergiedorf realisiert. Die Solaranlage deckt dabei den kompletten sommerlichen Wärmebedarf und ergänzt so ein Biomasseheizwerk auf ideale Weise. Dieses vorbildliche Konzept ist zukunftsweisend und auf neu entstehende Bioenergiedörfer übertragbar. SOLARE NAH- UND FERNWÄRME www.solare-fernwaerme.de Fallbeispiel Bioenergiedorf Büsingen Typ: Solares Wärmenetz für Dörfer und kleinere Städte System Anlagentyp Solares Wärmenetz für Dörfer und kleinere Städte Projektname Bioenergiedorf Büsingen Betreiber Solarcomplex AG Inbetriebnahme 2013 Wärmeabgabe Netz 3,5 GWh/a Solaranlage Einbindung Zentral Installation Freilandaufständerung Kollektortyp Vakuumröhrenkollektor Kollektorfl äche/Leistung 1.090 m² / 0,8 MWth Wärmespeicher Typ Pufferspeicher Volumen 100 m³ Solarthermie im Sommer, Biomasse im Winter Anlagendaten im Überblick Die Solarcomplex AG ist ein regionaler Energieversorger in Süddeutschland, der sich zum Ziel gesetzt hat die komplette Energieversorgung der Bodensee-Region bis 2030 auf erneuerbare Energien umzustellen. Im Zuge dessen werden ganze Dörfer in Baden Württemberg in sogenannte „Bioenergiedörfer“ umgewandelt. Hierzu wird in der Regel ein Nahwärmenetz verlegt. In allen Projekten werden die Einwohner bereits im frühen Stadium in die Projektplanung eingebunden, um eine hohe Beteiligung und Anzahl von Hausanschlüssen zu garantieren. Büsingen ist das siebte von Solarcomplex umgesetzte Bioenergiedorf mit der Besonderheit, dass es sich um eine deutsche Exklave handelt, in der das Zoll- und Wirtschaftsrecht der Schweiz gilt und nicht das Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG). Dadurch ist, wie bisher in vielen anderen Bioenergiedörfern umgesetzt, der stromgeführte Betrieb eines Biogas-BHKWs mit Abwärmenutzung nicht wirtschaftlich. Aus diesem Grund wurde in Büsingen ein Wärmenetz realisiert, das die Haushalte mit Wärme aus Biomasse und Solarthermie versorgt. Dabei ist die 1.090 m² große Solaranlage so ausgelegt, dass sie den Wärmebedarf im Sommer komplett deckt, wodurch ein unwirtschaftlicher Teillastbetrieb der Biomasse-Heizkessel vermieden wird. Ein solches Wärmenetz, bestehend aus einer Solarthemieanlage und Biomasse-Heizkesseln, wurde erstmals in einem deutschen Bioenergiedorf umgesetzt und gilt daher als „Best Practice“-Beispiel für weitere solche Konzepte. Hintergrund In Büsingen werden über 100 Abnehmer mit Wärme versorgt. Der Wärmebedarf liegt bei knapp 3,5 GWh/a. Das Wärmenetz ist für eine Vorlauftemperatur zwischen 80 und 75 °C und eine Rücklauftemperatur von ca. 50 °C ausgelegt. Die Wärme wird hauptsächlich aus Biomasse erzeugt. Des Weiteren liefert die Solarthermie einen Anteil von 13 % am jährlichen Wärmebedarf. Bereitgestellt wird die Solarenergie von einer 1.090 m² großen Kollektorfl äche, die größtenteils in Freilandaufstellung und zu einem Teil auf der Fassade der Heizzentrale realisiert ist. Dachmontiert sorgt eine eigene PV-Anlage für die Bereitstellung des Betriebsstroms. Anlagenkonzept ENERGIEKOMMUNE 6 km , 3,5 GWh/a Nahwärmeleitungen mit Netzpumpen in der Heizzentrale in Büsingen Einbau des Pufferspeichers per Kran NETZGRÖßE ZENTRAL FREILAND PUFFERSPEICHER 13 % SOLAR 87 % BIOMASSE Die Solarthermieanlage setzt sich aus zwei 500 m² großen Freilandkollektorfl ächen und einer 90 m² großen Kollektorfl äche auf der Fassade der Heizzentrale zusammen. Die Aufständerung der Vakuumröhrenkollektoren erfolgte auf einer einfachen, kostengünstigen Unterkonstruktion. Bei den gerammten Stahlprofi len kann dabei komplett auf ein Fundament und eine Versiegelung verzichtet werden. Die Wärmebereitstellung für das ungefähr 6 km lange Wärmenetz mit über 100 Hausanschlüssen, darunter auch größere Verbraucher wie eine Schule, ein Hotel und öffentliche Gebäude läuft zu 87 % über die Hackschnitzelheizkessel mit 900 und 450 kW Wärmeleistung und zu 13 % über die Solarthermieanlage. Mit einem Wärmeertrag von über 500 MWh pro Jahr sparen die Solarkollektoren ca. 800 Schüttraummeter Holzhackschnitzel jährlich ein. Die Projektkosten für die Heizzentrale mit Hackschnitzelheizung und Kollektorfeld sowie das Nahwärmenetz inkl. der Wärmeübergabestationen liegen bei rund 3,5 Mio. Euro. Die Finanzierung läuft zu drei Vierteln über ein KfW-Darlehen und zu rund einem Viertel über das Aktienkapital von Solarcomplex. Zusätzlich bezuschusste das Land Baden-Württemberg das Projekt aufgrund seines innovativen Charakters mit rund 100.000 €. Die Gemeinde Büsingen profi tiert zudem von einer Kaufkraftbindung vor Ort, da die Energiekosten nun in einer regionalen Kreislaufwirtschaft fl ießen. So belief sich der bisherige jährliche Heizölbedarf sich auf ca. 400.000 l, dies entspricht einem Energiekostenabfl uss von ca. 350.000 € pro Jahr bei heutigen Preisen. Bei einer Laufzeit von 20 Jahren bedeutet das eine Bindung der Kaufkraft von 20 - 30 Millionen Euro. Die Anlage in Büsingen demonstriert den sinnvollen Einsatz von solarthermischen Anlagen in Kombination mit einem Biomassekessel bei Nahwärmeerschließungen in Energiedörfern. Da die sommerliche Wärmelast zu 100 % durch die Solarthermieanlage gedeckt wird, ergeben sich Synergieeffekte bezüglich des Betriebs der Heizkessel. Zum einen werden unwirtschaftliche Teillastbetriebszustände der Heizkessel vermieden und darüber hinaus aufgrund der Stillstandzeiten im Sommer, Zeiträume für Wartungsarbeiten geschaffen. Oft sind die Initiatoren eines solchen Bioenergiedorfs engagierte Bürger in Zusammenarbeit mit der Kommune, die den Wunsch nach einer nichtprofi torientierten, langfristig preisstabilen, erneuerbaren Energieversorgung hegen. Technische Komponenten Wirtschaftliche Daten Erfahrungen und Besonderheiten www.solare-fernwaerme.de Freilandaufgeständerte Vakuumröhrenkollektoren www.solare-fernwaerme.de Weitere Informationen Adresse: Herblingerstraße 21, 78266 Büsingen am Hochrhein Projektbeteiligte: solarcomplex AG Ekkehardstr. 10, 78224 Singen www.solarcomplex.de Ritter XL Solar GmbH Ettlinger Straße 30, 76307 Karlsbad www.ritter-xl-solar.com Solites – Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme Meitnerstr. 8, 70563 Stuttgart www.solites.de Kontakt: Bene Müller, solarcomplex AG Tel. 07731 8274-0 Email mueller@solarcomplex.de Weitere Informationen: www.bioenergiedorf-buesingen.de www.ritter-xl-solar.com www.solarcomplex.de Müller: Büsingen – das erste Bioenergiedorf mit großer Solarthermie, Präsentation 27.10.2014 in Erfurt, solarcomplex AG Bildnachweise Seite 1: Heizzentrale Büsingen, Quelle: Solites Seite 2: Piktogramme, Quelle: Solites Nahwärmeleitungen, Quelle: solarcomplex AG Einbau Pufferspeicher, Quelle: solarcomplex AG Seite 3: Kollektorfeld; Quelle: Solites

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Sonntag, 1. Februar, 2015|
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