Handbuch Genehmigung von Freiflächen-Solarthermieanlagen

HANDBUCH – GENEHMIGUNG VON FREIFLÄCHEN SOLARTHERMIEANLAGEN Hamburg, 28.05.2024 Version 1 vom 28.05.2024 Autor*innen: Felix Landsberg, Marleen Greenberg 2 Dieses Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages unter dem Förderkennzeichen 67KF0119C gefördert. Das Handbuch erhebt keinen Anspruch auf rechtliche Vollständigkeit oder Richtigkeit bezüglich der Genehmigungsverfahren, sondern dient lediglich als praxisnahe Richtschnur entlang der Flächensuche bis zur Umsetzung. INHALT 1 Einleitung ....................................................................................................................... 1 2 Vor dem Genehmigungsprozess ................................................................................... 1 2.1 Projektorganisation und Betriebsmodell ............................................................... 1 2.2 Politik und Öffentlichkeit ....................................................................................... 1 2.3 Flächensuche ....................................................................................................... 2 2.3.1 Strukturierte Flächenanalyse ........................................................................... 3 2.3.2 Flächenkonkurrenz Photovoltaik vs. Solarthermie........................................... 5 2.3.3 Vorteilhaftigkeit von solarer Nutzung ............................................................... 5 2.3.4 Finanzielle Teilhabe im Rahmen interkommunaler Konzepte ......................... 6 2.3.5 Wiedervernässung von Mooren ....................................................................... 6 2.4 Ablauf des Genehmigungsverfahrens und Meilensteine ..................................... 6 2.4.1 Genehmigung als privilegiertes Vorhaben nach §35 BauGB .......................... 7 3 Beginn des Genehmigungsprozesses ........................................................................... 8 3.1 Behördenkontakt .................................................................................................. 8 3.2 Auflagen, benötigte Gutachten und Formulare .................................................... 8 3.3 Finanzierung ......................................................................................................... 9 3.4 Kompensation .................................................................................................... 10 4 Nach der Genehmigung ............................................................................................... 10 4.1 Ausschreibung .................................................................................................... 10 5 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................. 11 1 1 EINLEITUNG Im Rahmen des Forschungsprojekts SolnetPlus wurden 2021 und 2022 über 20 Interviews mit Behörden und Projektierenden geführt, die an der Planung und Genehmigung von Freiflächen-Solarthermieanlagen beteiligt waren. Ziel der Interviews war es, den Stand der Genehmigungspraxis bundesweit aufzunehmen. Durch die hälftige Aufteilung zwischen Behörden und Projektierenden konnte der Blick auf den Genehmigungsprozess von beiden Seiten aufgenommen und analysiert werden. Die Ergebnisse der Interviews wurden in den „DIFU Berichten“ veröffentlicht und die aufgenommenen Hemmnisse so weit wie möglich mit Lösungsansätzen belegt. Die Lösungsansätze wurden in Form von Stellungnahmen an die entsprechenden Planungsbehörden versandt und durch (öffentliche) Vorträge in Richtung der Projektierenden und Behörden zurückgespielt. In diesem Leitfaden sind die Erkenntnisse aus den 20 Interviews für alle Beteiligten, vor allem aber die Projektinitiator*innen zusammengefasst. Das Papier soll diese bei der Vorbereitung und Umsetzung des Genehmigungsprozesses unterstützen, insbesondere bei der Strukturierung und Vorbereitung der potenziellen inhaltlichen Anforderungen im Rahmen des Genehmigungsprozesses. Durch ein angepasstes und frühzeitig aufgesetztes Timing sollen Flaschenhälse zukünftig soweit wie möglich vermieden werden. Grundlagen zur Technik und Planung finden sich in den FAQ und der Wissensdatenbank mit zahlreichen aufbereiteten Medien rund um die Freiflächen-Solarthermie. 2 VOR DEM GENEHMIGUNGSPROZESS 2.1 Projektorganisation und Betriebsmodell Zu Beginn sollte klar sein, welches Betriebsmodell für den Standort bzw. den verfolgten Zweck das beste ist. In vielen Fällen wird die Solarthermieanlage durch die örtlichen Stadtwerke oder den örtlichen Wärmenetzbetrieb geplant, wenn schon ein Bestandsnetz vorhanden ist. Weitere Optionen bieten lokale Genossenschaften oder auch Zweckverbände. An dieser Stelle sollte auch mitgedacht bzw. geprüft werden, ob eine Kooperation mit der angrenzenden Gemeinde sinnvoll sein könnte und unter welchem Betriebsmodell sich die Kooperation mehrerer Gemeinden, je nach individueller Konstellation, am besten umsetzen lässt. In den Ausarbeitungen der dena und der Energieagentur Rheinland-Pfalz sind anschauliche Beispiele und Basiswissen zu den unterschiedlichen Betriebsmodellen zusammengefasst. In einigen bekannten Fällen wurden große Ankerkunden nicht nur als Kunden in das Projekt eingebunden, sondern bekamen auch die Möglichkeit, sich als Gesellschafter*innen finanziell zu beteiligen und mitzubestimmen. Die direkte Mitbestimmung wurde in einem Fall durch die Stellung einer Geschäftsführung je Kerngesellschafter*in sichergestellt. Sollen auch ordnungsrechtliche Instrumente, wie beispielsweise Anschlussgebote, eingebunden werden, sollte auch eine mögliche kommunale Beteiligung im Betriebsmodell frühzeitig mitgedacht werden, um diese Instrumente rechtssicher einsetzen zu können. 2.2 Politik und Öffentlichkeit Vor Beginn des Genehmigungsprozesses sollte analysiert werden, wie der öffentliche und politische Dialog bezüglich Erneuerbarer Energien bisher geführt wurde, wofür es Mehrheiten und wo es eher Bedenken gibt. Ausschlaggebend für die erfolgreiche Umsetzung der Projektidee war in einigen Fällen, dass der politische 2 Rückhalt gegeben war und dadurch Hemmnisse oder auch Bedenken bei den Behörden besser gelöst werden konnten. Um diesen Rückhalt in der Politik und Öffentlichkeit zu erlangen, kann es sinnvoll sein, das Projekt in eine langfristige Strategie einzubinden, die nachvollziehbar darstellt, welches langfristige Ziel verfolgt wird und warum dieses Projekt ein wichtiger Baustein ist. Geeignet können sein: Machbarkeitsstudien/ Transformationspläne nach BEW, Kommunale Wärmeplanung, Klimaschutzkonzepte oder Solarstrategien, die allesamt unter Beteiligung lokaler Interessenvertretungen erstellt wurden. Die Studien bzw. die Methodik und Kernergebnisse der Studien sollten dafür für die Öffentlichkeit aufbereitet und proaktiv, ggf. auch im Rahmen eines Bürger*innendialogs, kommuniziert werden. Es sollte frühzeitig transparent dargelegt werden, warum für das Projekt eine neue Freifläche genutzt werden muss und z.B. nicht einfach vorhandene Dachflächen genutzt werden können. Hier gilt es, die Vor- und Nachteile der Freiflächennutzung aufzubereiten und die solaren Potenziale (Solarthermie und Photovoltaik) den (zukünftigen) Bedarfen im Gemeindegebiet gegenüberzustellen. In einem Projekt wurde sich darauf geeinigt, die solarthermische Anlage in der Freifläche zu bauen und gleichzeitig möglichst viele Dächer mit Photovoltaik zu belegen. Wenn es einen breiten Konsens zur Sinnhaftigkeit des Projekts gibt, kann es der Politik leichter fallen, Flächen bereitzustellen und das Projekt während der Genehmigungsphase durch die Teilnahme an Austauschrunden auf Entscheidungsebene zu beschleunigen. Gegebenenfalls notwendige, aber unpopuläre Maßnahmen wie u.a. Baumfällungen sollten auch im Rahmen der übergeordneten Strategie nachvollziehbar erläutert werden. In einigen Projekten hatte die öffentliche Baumfällung zu Verzögerungen geführt, auch wenn Ersatzpflanzungen schon geplant waren. Im Rahmen der Gesamtstrategie sollte nicht nur der positive Effekt auf das Klima bzw. die Energieerzeugung hervorgehoben werden, sondern auch der Effekt auf die lokale Wertschöpfung. Kommunale Unternehmen können durch den kommunalen Betrieb des Netzes bzw. der Anlage profitieren. Das regionale Handwerk wie Dachdeckung, Fassadenbau, Metallbau, Tiefbau und Heizungstechnik profitiert, wenn über den Generalunternehmer einzelne Gewerke ausgeschrieben werden. Laut Aussagen in Interviews (wenn Infos vorhanden), wurden 25 % bis 50 % der Auftragssumme an lokale Firmen vergeben. Soll auch ein Biomasseheizwerk genutzt werden, kann zusätzlich der regionale Biomassemarkt profitieren. 2.3 Flächensuche Für die Standortsuche empfiehlt es sich, eine strukturierte Flächenanalyse durchzuführen und die Verwaltung, Öffentlichkeit und Politik schon bei der Standortwahl einzubeziehen. Neben dem Ort der Anlage kann im Rahmen des Prozesses auch geklärt werden, wie die Anlage bzw. die Umgebung der Anlage gestaltet werden soll. Ziel ist es, einen Flächenpool zu schaffen, der dabei unterstützt, Flächen gegeneinander abzuwägen und Ausweichoptionen bietet, falls es u.a. bei der Flächenakquise zu nicht-lösbaren Hindernissen kommt. 3 Abbildung 1: Hintergrund - strukturierte Flächenanalyse 2.3.1 Strukturierte Flächenanalyse Bei der Flächensuche gelten die übergeordneten Vorgaben des Landes (Landesentwicklungsplan - LEP, Landesraumordnungsprogramm - LROP oder Planungshilfen) und der Regionalplanung (Regionales Raumordnungsprogramm - RROP, Regionalplan - RP). Weitere Infos sind im Infoblatt Nr. 15 in der Wissensdatenbank zu finden. Besonders vorteilhaft sind Flächen, die sich schon in kommunaler Hand befinden und von der Kommune gepachtet oder gekauft werden können. Diese Flächen sollten in der Analyse besonders geprüft und die Eigentumsverhältnisse in der Abwägung zu anderen Flächen beachtet werden. Um die Projektfläche zu sichern, können vor Beginn des Genehmigungsprozesses Pacht- oder Kaufverträge mit aufschiebender Wirkung vereinbart werden. Die Fälligkeit der ersten Zahlungen ist dann an die Baugenehmigung bzw. den Baubeginn geknüpft. Falls gegeben, sollte die Konkurrenz zu landwirtschaftlichen Flächen im Prozess frühzeitig angesprochen und adressiert werden. Im Rahmen der Abwägung kann geklärt werden, ob es andere Flächen mit besserer Eignung gibt und wie die Auswirkungen für die Landwirtschaft gemeinsam minimiert werden können. Besonders die genaue Art der landwirtschaftlichen Nutzung sollte in der Abwägung aufgenommen werden. So sind Weiden und Blühwiesen anders einzuordnen als Monokulturen wie Maisfelder. Auch die Auswirkungen der Düngung von Feldern auf das Grundwasser oder anliegende Gewässer gegenüber einer solarthermischen Nutzung ohne Einträge ins Erdreich kann in der Abwägung aufgenommen werden. Die Sorgen um die Auswirkungen auf das Landschaftsbild können ebenfalls ein Kriterium bei der Standortwahl sein. In einem Projekt konnten die Bedenken durch den Besuch einer Anlage in Dänemark gemildert werden. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland eine Vielzahl an Anlagen in unterschiedlichen Regionen, die 4 gemeinsam besucht werden können, um die optische Wirkung erleben zu können. Eine Landkarte Solarthermischer Anlagen findet sich hier. Zudem kann eine Einhegung helfen, die optische Wirkung zu verringern. Außerdem können Verzögerungen im Bauleitverfahren vermieden werden, indem auch Umweltverbände umfassend an der Flächensuche beteiligt werden. Bedenken, die erst im Rahmen der förmlichen Beteiligung aufkamen und erst dann adressiert werden konnten, führten in einem Verfahren zu einer weiteren öffentlichen Auslegung inklusive der gesetzlichen Fristen und damit zu einer erheblichen Verzögerung des Zeitplans. Abbildung 2: Beispielhaftes Priorisierungsschema Die folgende Liste ist nicht abschließend, sondern je nach Vorgaben vom Land, des Landkreises / der Region, der unteren Behörden und lokalen Anforderungen und Zielsetzungen anzupassen. Positiv Kriterien (beispielhaft): • Versiegelte Flächen • Flächen in räumlicher Nähe zu Schienenwegen / Bundesautobahnen o In vielen Landesvorgaben enthalten, angelehnt an Vorgaben des EEG für PV o für Solarthermie nicht zwingend geeignet • Flächen in räumlicher Nähe zu Siedlungsbereichen / Gewerbegebieten o für Solarthermie sinnvoll • Flächen im festzulegenden Radius von Wärmenetzen o für Solarthermie sinnvoll o Radius je nach Flächengröße / Kapazität des Netzes Weiche Tabus (beispielhaft): • Landschaftsschutzgebiete • Kompensationsflächen • Biotopverbünde 5 Harte Tabus (beispielhaft): • Naturschutzgebiete • Wald • Geschütze Biotope • Schwerpunktbereiche Biotopverbünde Wie die Anlage bzw. deren Umgebung möglichst vorteilhaft gestaltetet werden soll, kann in der Analyse gemeinsam mit Verbänden, Vereinen und der Verwaltung geklärt werden. In manchen Fällen sind Lehrpfäde und Aussichtsplattformen umgesetzt – in anderen Fällen eine möglichst naturnahe Gestaltung mit Blühwiesen und Kleinhabitaten. Weitere Infos zu Gestaltungsarten, die die Biodiversität fördern, finden Sie hier. Die Art der Gestaltung (wie z.B. der Einsatz regionaler Blütenmischungen) hat in der derzeitigen Praxis allerdings nicht zwingend Einfluss darauf, wie hoch der Kompensationsbedarf ausfällt. Aus einem Projekt ist bekannt, dass durch die Änderung der Nutzungsform in Richtung der Solarthermie mit angepasster Bewirtschaftung Ökokontopunkte erwirtschaftet werden konnten. Diese Einordnung ist zum derzeitigen Stand allerdings als Einzelfall einzustufen. Bevor der Genehmigungsprozess angeschoben wird, sollte die Flächensicherung geklärt sein. So könnten Pachtverträge mit aufschiebender Wirkung aufgesetzt werden, die erst mit Baubeginn Pachtzahlungen auslösen. 2.3.2 Flächenkonkurrenz Photovoltaik vs. Solarthermie Bei der Energieversorgung gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Freiflächenanlagen mit PV und Solarthermie. Die Erzeugung von Strom mit PV ist deutlich weniger auf eine räumliche Nähe zu Siedlungen angewiesen. Strom kann kostengünstig über das Stromnetz und ggf. neu zu verlegende Stromkabel über weite Strecken ohne nennenswerte Verluste übertragen werden. Solare Wärme muss hingegen in unmittelbarer Nähe von ihrem Verbrauch erzeugt werden, da Transportleitungen sehr viel teurer sind und der Transport mit höheren Verlusten einhergeht. In die planerische Abwägung ist daher einzubeziehen, dass der Ortsbezug von Solarthermie-Freiflächenanlagen (FFA) sehr hoch ist, bei PV-Anlagen hingegen gering. Der von Kommunen zu wählende Suchraum für Flächen für Solarthermie-FFA ist somit deutlich begrenzter als beim PV-FFA. Dies führt auch dazu, dass Solarthermie-Anlagen im Rahmen der Abwägung anders zu behandeln sind als PV-FFA. Insbesondere können erstere nicht auf weit entfernt liegende Flächen verwiesen werden, die für PV-FFA womöglich noch wirtschaftlich wären, nicht jedoch für Solarthermie. 2.3.3 Vorteilhaftigkeit von solarer Nutzung Nicht immer konkurriert die solare Nutzung mit Flächen, die auf eine landwirtschaftliche Nutzung zugeschnitten sind. In bestimmten Bereichen kann es durch Schadstoffe (PFC oder PAK) zu einer eingeschränkten Futter- oder Nahrungsmittelproduktion kommen. Zusätzlich können Flächen mit Bewirtschaftungseinschränkungen im Rahmen von Grundwasserschutzmaßnahmen belegt sein. Eine solare Nutzung auf diesen Flächen könnte die Einträge von Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln verringern. In Baden-Württemberg wurden diese Punkte im Dokument „Hinweise zum Ausbau von Photovoltaik-Freiflächenanlagen“ aufbereitet. Die Bereiche mit bekannten Schadstoffbelastungen könnten als „besonders geeignet“ eingeordnet werden. Solare Nutzung in Wasserschutzgebieten kann durch eine extensivere Nutzung, je nach Art der vorherigen Nutzung der Böden, als vorteilhaft eingestuft werden, wenn keine intensive Bewirtschaftung der Oberfläche stattfindet. 6 2.3.4 Finanzielle Teilhabe im Rahmen interkommunaler Konzepte Um die Akzeptanz der Projekte zu steigern, ist es von Vorteil, lokale Beteiligungsmöglichkeiten oder Ausgleiche zu schaffen – insbesondere bei Planungen, die das Gebiet mehrerer Gemeinden umfassen, räumlich auf weite Teile der Region wirken und nicht nur lokal beschränkt sind. Zu diesem Punkt gibt es aus den „Rahmenbedingungen für PV-Freiflächenanlagen“ der Energieagentur Rheinland-Pfalz anschauliche Ausführungen zu möglichen Ausgestaltungskonzepten und Hintergründen, um berechtigten Diskussionen auf Basis von Argumenten wie „eine Gemeinde erhält die Einnahmen, alle anderen sehen die Anlagen“ vorzubeugen. 2.3.5 Wiedervernässung von Mooren Um die Flächenkonkurrenz zwischen solarer Nutzung (Photovoltaik und Solarthermie) zu entschärfen, sollte der Lösungsraum an nutzbaren Flächen so weit wie möglich gefasst werden. Neben dem direkten Nutzen durch die Energieerzeugung vor Ort (Strom oder Wärme) kann das wiedervernässte Moor als Kohlenstoffsenke dienen. Neben der Information, dass Ackerflächen unter den intensiven Bewirtschaftungsformen einen ungünstigen Lebensraum darstellen, kann erläutert werden, dass Flächen, die sich zur Wiedervernässung eignen, in besonderem Maße für eine Extensivierung der Bodennutzung durch Solaranlagen geeignet sind und mit einem entsprechenden Konzept zur Wiedervernässung geplant werden sollten. Aktuelle Empfehlungen zur Umsetzung wurden u.a. vom Greifswald Moor Centrum veröffentlicht. 2.4 Ablauf des Genehmigungsverfahrens und Meilensteine In der Regel ist nach aktuellem Stand das Durchlaufen eines Bauleitplanverfahrens erforderlich. Im Rahmen des Verfahrens wird zu Beginn durch die Kommunalpolitik über den Aufstellungsbeschluss entschieden. Bei positiver Entscheidung durchläuft das Verfahren die in Abbildung 3 dargestellten Meilensteine. Sind alle Anforderungen erfüllt und Rückmeldungen ausreichend einbezogen, wird das Verfahren inhaltlich mit dem Feststellungs- bzw. Satzungsbeschluss abgeschlossen. Es folgen Formalien wie u.a. die Veröffentlichung im Internet. Wird das Projekt als privilegiertes Verfahren nach §35 BauGB eingestuft, entfällt die Notwendigkeit zur Durchführung eines Bauleitplanverfahrens, um die Baugenehmigung zu erhalten. Nach aktuellem Stand birgt die Berufung auf die Privilegierung hohe rechtliche Unsicherheit, da kein Urteilsspruch zur Auslegung der Kriterien im §35 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit solarthermischer Nutzung bekannt ist. 7 Abbildung 3: Ablauf und Meilensteine des Bauleitplanverfahrens 2.4.1 Genehmigung als privilegiertes Vorhaben nach §35 BauGB In einigen Fällen wurde die Anlage als Privilegiertes Vorhaben nach §35 Abs. 1 BauGB eingestuft und musste deshalb kein Bauleitplanverfahren durchlaufen, was mit einem nicht unerheblichen Zeitgewinn verbunden ist. Bisher gibt es keine eindeutige Rechtssprechung, ob die Privilegierung mit Berufung auf die allgemeinen gehaltenen Tatbestände für alle solarthermischen Freiflächenanlagen anzuwenden ist. In den bekannten Fällen waren weitere (bestehende) Wärmeerzeugungseinheiten der ausschlaggebende Punkt, um das Kriterium der „Ortsgebundenheit“ nach §35 Abs. 1 BauGB zu erfüllen. Ob eine Genehmigung nach §35 BauGB Abs. 1 möglich ist, kann im Projekt in Absprache mit dem Bauamt geprüft werden. Nach aktueller Einschätzung birgt die Einstufung ein Risiko, das nur durch den Weg über das Bauleitplanverfahren entschärft werden kann. 8 3 BEGINN DES GENEHMIGUNGSPROZESSES 3.1 Behördenkontakt Im ersten Schritt sollte geklärt werden, welche Behörden und Personen eingebunden werden müssen. Es wird empfohlen, zu Beginn einen Projektkreis mit allen zu beteiligenden Ämtern aufzusetzen und zu einigen Terminen auch die Politik einzuladen. Im besten Fall kann auf Behördenseite eine interne Koordination bzw. eine Ansprechperson zur Verfügung gestellt werden, die alle Anfragen sammelt und an die richtigen Stellen weiterleiten kann. Eingebunden werden können: • Klimaschutzmanagement • Stadtplanungsamt, • untere Naturschutzbehörde • Bauamt • Gemeindevertretung • Wasserschutzbehörde (je nach Lage) • Lokale Naturschutzverbände (je nach Lage) • Landwirtschaftsvertretung (je nach Fläche) • Landes- oder Regionalplanung (je nach Lage in Schutzbereichen oder Bereichen des Raumordnungsprogramms) • Straßenamt (je nach Lage bzw. Verkehrsaufkommen u.a. bei Biomasse) 3.2 Auflagen, benötigte Gutachten und Formulare Zu Beginn sollte im Projektkreis geklärt werden, welche Gutachten erforderlich sind bzw. in welchen Bereichen es noch Unsicherheiten bezüglich der Genehmigungsfähigkeit gibt. Die unten stehende Liste an Gutachten, die in den bisherigen Prozessen gefordert wurden, kann als Orientierung bzw. als Anstoß für die Diskussion dienen. Teilweise kam es zu immer mehr Nachforderungen auf Behördenseite, da man auf Nummer sicher gehen wollte. Um diese Verzögerungen zu vermeiden kann es sinnvoll sein, sich zu Beginn gemeinsam damit auseinanderzusetzen, in welchen Bereichen Bedenken bestehen, wo es wirklich ein Gutachten braucht und wann auch „technische Stellungnahmen“ reichen. In vielen Fällen konnten die Herstellerunternehmen praktische oder technische Erfahrungen einfließen lassen. Diese Erfahrungen lassen sich im Prozess deutlich schneller integrieren als die Beauftragung und Durchführung eines Gutachtens. So gab es beispielsweise in einigen Fällen Bedenken bezüglich der Blendwirkung von Modulen, woraufhin noch ein Blendgutachten hätte erstellt werden müssen. Durch den Hersteller konnte in diesem Fall nachgewiesen werden, dass von den Modulen keine erhebliche Blendwirkung ausgeht, so dass auf das standortspezifische Gutachten verzichtet werden konnte. In einigen Fällen konnte auch die Hilfestellung des KNE (Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende) zur Problemlösung beitragen. Für allgemeinere Fragestellungen zu EE-Anlagen können wertvolle Erfahrungen bezüglich derer Wirkungen auf die Umwelt bei den Herstellerunternehmen angefragt oder über das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende bezogen werden. Es bietet sich an, zu Beginn gemeinsam einen Zeitplan festzulegen, wann welche Gutachten sinnvoll erstellt und anschließend vorgestellt werden können. Nach Möglichkeit sollte diese Liste einen abschließenden Charakter haben, um zu verhindern, dass Gutachten nur nach und nach gefordert werden und ständige Nachreichungen notwendig sind. Abgesehen von Härtefällen oder Gutachten, deren Notwendigkeit sich aus 9 einer Vorprüfung ergibt, sollten alle für das Genehmigungsverfahren als relevant erachteten Gutachten parallel oder in geplanter Reihenfolge durch den Vorhabenträger erfolgen können. Liste an Gutachten bzw. Themenpunkte, deren Notwendigkeit bzw. Vorprüfung frühzeitig geklärt werden sollte (nicht abschließende Liste): • Eintragung der Baulast • Nutzung der Fläche unter und zwischen den Modulen (u.a. Blühwiesen, Schafsbeweidung) • Entwässerung der Fläche und Versickerung unter den Modulen • Wirkung (insbesondere der Speicherhöhe) auf das Landschaftsbild • Statikgutachten (insbesondere der Speicherfundamente) • Baugrundgutachten • (Auf)Klärung über Temperaturen an den Kollektoren (Insekten / Vögel) • Nutzung von Frostschutzmitteln (Auffangen, Lagern, Druckausgleich, Doppelwandsysteme Leckageerkennung) im Abgleich zur AwSV und örtlichen Vorgaben (falls Lage in Schutzbereichen) abklären • Zufahrtswege / Verkehrsgutachten (insbesondere bei Anlieferung von Biomasse) • Artenschutzgutachten (Vegetationsperioden zu beachten) • FFH Gutachten • Jagdgutachten / Wildkorridore • Schornsteinhöhe (z.B. für Biomasseheizwerk) • BimschG Anforderungen (z.B. für Biomasseheizwerk) • Blendwirkung • Brandschutz • Kampfmittelfreiheit • Aushub Gutachten (Altlasten) • Fremdleitungen • Klärung der Raumbedeutsamkeit und Vorgaben durch Regional-/Landesplanung • Archäologische Einschätzung • Landschaftspflegerischer Begleitplan (u.a. Vorgaben zur Eingrünung) • Kompensationsaufwand (Nutzung von Ökokonto oder Suche nach Kompensationsfläche) • Festlegung der Rückbauavale / Bankbürgschaft zum Rückbau der Anlage 3.3 Finanzierung Neben der Genehmigung kann auch die Finanzierung zu Hemmnissen führen, die frühzeitig in den Blick genommen werden sollten. Um den Kredit zu bekommen, muss meistens bereits eine Baugenehmigung vorliegen, um das Projektrisiko zu verringern. Um an die Genehmigung zu kommen, müssen aber meist schon Gutachten erstellt und bezahlt werden, bevor der Kredit zur Verfügung steht. Auch die Kosten des Genehmigungsprozesses können bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen auf den/die Antragssteller*in umgelegt werden. Insbesondere für Genossenschaften ist es schwierig, diese Anschubzahlungen zu stemmen und Eigenkapital für die Finanzierung aufzubringen. Eine Möglichkeit, schon vor der Kreditzusage Gutachten finanzieren zu können, sind Eintrittsgelder in die Genossenschaft oder Bürgerfonds (falls vor Ort förderfähig). Bei der Förderung ist darauf zu achten, dass die meisten Fördermittel nicht kumuliert werden dürfen. Neben der Förderung des Bundes (aktuell BEW über das BAFA) kann es sich lohnen zu prüfen, ob das Land bessere Förderkonditionen bietet oder es besondere Förderprogramme für u.a. Genossenschaften gibt. 10 3.4 Kompensation Bei Eingriffen in die Natur und die Landschaft entsteht im Regelfall Kompensationsbedarf. Der hierdurch entstehende weitere Bedarf an Flächen zur Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen auf externen Flächen kann ebenfalls ein Hemmnis darstellen, wenn die Kommune nicht bereits Flächen hierfür ausgewiesen hat oder der Ausgleich über Ökokontopunkte vorgesehen ist. Der Kompensationsbedarf wird in Deutschland zentral durch die §§ 13 – 18 im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geregelt. Dennoch ergeben sich durch Ausgestaltungen auf Bundeslandebene Unterschiede im Umfang der benötigten externen Kompensation. Beispielsweise gibt es Abweichungen, welcher Anteil an Kompensation innerhalb der Fläche der Freiflächenanlage stattfindet, und welche Maßnahmen hierbei berücksichtig werden können. Der frühzeitige Kontakt mit der unteren Naturschutzbehörde sowie die Inanspruchnahme von Fachagenturen und Institutionen für die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen bietet sich an, um Hemmnisse zu umgehen. Einen tieferen Einblick in den Umgang mit Kompensation bietet die Ausarbeitung „Handlungsansätze – Kompensationsmaßnahmen Freiflächen-Solarthermie“. 4 NACH DER GENEHMIGUNG 4.1 Ausschreibung Nach Erhalt der Baugenehmigung kann mit der Ausschreibung der Anlage begonnen werden. Auch hier sollten, wie im Genehmigungsverfahren, Fristen und formelle Vorgaben geprüft werden. Eine der wichtigsten Fragestellungen ist, ob das Projekt aufgrund des zu erwartenden Projektvolumens EU-weit ausgeschrieben werden muss und welche Fristen und Vorgaben deshalb einzuhalten sind. Aufgrund der umfänglichen Vorgaben sollte hierfür eine Vorbereitungszeit von bis zu einem halben Jahr eingeplant werden. Praktische Hinweise zur Ausschreibung und Vorgaben zur Festlegung von Ertragsgarantien liefert ein Leitfaden des AGFW. 11 5 ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Hintergrund - strukturierte Flächenanalyse ........................................................................................ 3 Abbildung 2: Beispielhaftes Priorisierungsschema ................................................................................................. 4 Abbildung 3: Ablauf und Meilensteine des Bauleitplanverfahrens .......................................................................... 7 12 KONTAKT Felix Landsberg HIR Hamburg Institut Research gGmbH Paul-Nevermann-Platz 5 22765 Hamburg Tel.: +49 (0)40-39106989-35 landsberg@hamburg-institut.com www.hamburg-institut.com

Anna Laura Ulrichs2024-05-31T16:00:37+02:00Dienstag, 28. Mai, 2024|

Kompensationsmaßnahmen Freiflächen-Solarthermie: Status quo und Handlungsbereiche

STATUS QUO UND HANDLUNGSBEREICHE – KOMPENSATIONSMAßNAHMEN FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE SOLNETPLUS – VERBREITUNG SOLARER WÄRMENETZE ALS EINE LÖSUNG FÜR DEN KOMMUNALEN KLIMASCHUTZ Hamburg, 01.12.2023 2 AUTOR:INNEN: Marleen Greenberg, Johanna Schickling, Felix Landsberg, Dr. Matthias Sandrock, Paula Möhring HIR Hamburg Institut Research gGmbH, Paul Nevermann Platz 5, 22765 Hamburg Version: Dezember 2023 Kontakt: Greenberg@hamburg-institut.com Das vorliegende Dokument entstand im Rahmen des Verbundvorhabens „SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz“. Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert (FKZ: 67KF0119C). Arbeitspaket 4: Genehmigungshemmnisse vor Ort Haftungsausschluss: Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den Autoren. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung des Fördermittelgebers wieder. Weder die Autoren noch der Fördermittelgeber übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. INHALT 1Zusammenfassung ........................................................................................................ 1 2Einleitung ....................................................................................................................... 2 3Ausgangssituation ......................................................................................................... 2 3.1BNatSchG .............................................................................................................. 2 3.2Ökokonto................................................................................................................ 4 3.2.1Unterscheidung zwischen Ökokonto nach BauGB und BNatSchG............... 5 3.2.2Ausgestaltung von naturschutzrechtlichen Ökokonten ................................. 5 3.2.3Vor- und Nachteile ........................................................................................ 6 3.3Literatur zu Kompensation und ökologischer Gestaltung von Solaranlagen ......... 8 4Handlungsbereich: kompensation innerhalb Solar-FFA ermöglichen ........................... 9 4.1Hintergrund ............................................................................................................ 9 4.2Ausgestaltung ...................................................................................................... 10 4.3Verantwortungsbereiche ...................................................................................... 12 5Handlungsbereich: Festsetzung Umsetzungsrahmen ................................................. 12 5.1Hintergrund .......................................................................................................... 12 5.2Ausgestaltung ...................................................................................................... 13 5.3Verantwortungsbereiche ...................................................................................... 15 6Handlungsbereich: Fokus auf Ökokontomaßnahmen ................................................. 16 6.1Hintergrund .......................................................................................................... 17 6.2Ausgestaltung ...................................................................................................... 17 6.3Verantwortungsbereich ........................................................................................ 20 7Danksagung ................................................................................................................. 21 8Anhang ......................................................................................................................... 21 9Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 24 1 1 ZUSAMMENFASSUNG Die allgemeine Flächenknappheit und -konkurrenz führt zu der Notwendigkeit, bestehende Systeme und Regularien zu evaluieren und zu optimieren, um diese Faktoren angemessen zu adressieren. Vor diesem Hintergrund werden in dem folgenden Handlungsleitfaden der Status quo der Ausgestaltung bzw. der Umgang mit Kompensationsmaßnahmen bei der Umsetzung von solaren Freiflächenanlagen (insbesondere Solarthermie) aufbereitet, sowie Ansatzpunkte zur Evaluation und Verbesserung aufgezeigt. Ebenfalls werden die naturschutzrechtlichen Aspekte, denen Kompensationsmaßnahmen zu Grunde liegen, thematisiert. Es werden Ansätze erläutert, wie der Naturnutzen insbesondere unter dem Aspekt stetig steigender Flächenknappheit durch effizientere und zielorientierte Ansätze ausgebaut werden könnte. Die in Rede stehenden Maßnahmen zur Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft durch solare Freiflächenanlagen im Außenbereich richten sich bundesrechtlich primär nach der sogenannten naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in den §§ 13 – 18 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Sie legen einerseits fest, welche Eingriffe einer Kompensation (Ausgleich oder Ersatz) bedürfen und in welcher Art, aber auch, unter welchen Voraussetzungen die Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen möglich ist. Die nähere Ausgestaltung derartiger Bevorratungsmaßnahmen (z.B. mittels Ökokonten) überlässt das BNatSchG indes dem Landesrecht, sodass bundesweit ein unübersichtlicher Flickenteppich aus sich im Einzelnen deutlich unterscheidenden landesrechtlichen Regelungen besteht. Die derzeitige Qualität der Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen, Bevorratung durch Ökokonten einschließend, wird nicht zuletzt aus diesem Grund vielseitig kritisiert und erfordert eine umfassende Anpassung der Rahmenbedingungen. In Anbetracht der Flächenknappheit und -konkurrenz ist mangelnde Qualität bei der Nutzung der Flächen nicht zielführend, weshalb in diesem Rahmen mit dem Ziel, das System der Kompensation besser zu gestalten, drei Ansatzpunkte näher erläutert werden. Im ersten Handlungsbereich wurde sich damit auseinandergesetzt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die komplette Beeinträchtigung durch den Eingriff innerhalb der solaren Freiflächenanlage ausgleichen. Durch eine optimierte ökologische Gestaltung sollte der Bedarf an Ausgleich so weit reduziert werden können, dass ein Ausgleich auf externen Flächen explizit nicht von Nöten ist. Der zweite Handlungsbereich thematisiert die Festsetzung des Umsetzungsrahmens für Kompensationsmaßnahmen. Dies beginnt bei einer einheitlichen Methodik zur Kompensationsumfangermittlung, umfasst klare Leitfäden zur Herangehensweise und Umsetzung von Kompensationsbedarfen (Welche Schritte sind zu beachten? Wer sind meine Ansprechpartner?) und endet bei einem qualitativ hochwertigen Monitoringsystem, welches auch fachpersonelle Kontrollen, z.B. durch Ökolog:innen, beinhaltet. Im dritten Handlungsbereich wurden Potenziale im Bereich der Evaluierung, Verbesserung und Vereinheitlichung des derzeitigen Ökokontosystems ermittelt. Es wird empfohlen, dieses Konzept eingehender darauf zu prüfen, ob es stärker in den Vordergrund gestellt und genutzt werden sollte. Das Konzept von Ökokonten wird teils kritisch diskutiert, bietet aber das Potenzial, sehr gewinnbringend für den Naturschutz zu sein und gleichzeitig Flächen in Bezug auf die ökologische Wertigkeit effektiver zu nutzen als kleinteilige Kompensationsmaßnahmen. Derzeit existiert auf Bundesebene keine Ökokontoverordnung - stattdessen haben die meisten Bundesländer spezifische (Ökokonto)Verordnungen. Eine Evaluierung und Verbesserung sollte daher auch die Prüfung einer Vereinheitlichung dieser Verordnungen auf Bundesebene beinhalten. 2 2 EINLEITUNG Die Planung von Solarthermie-Freiflächenanlagen kann durch verschiedene Hemmnisse erschwert werden, darunter auch die mangelnde Verfügbarkeit geeigneter Flächen (vgl. Infoblatt Solare Wärmenetze – „Flaschenhals Fläche“1). Verschärfend kommt hinzu, dass nicht nur für die Anlagenfläche am Standort selbst eine geeignete Fläche identifiziert werden muss, sondern auch für in der Regel erforderliche Kompensationsmaßnahmen. Das Ziel dieser Ausarbeitung ist die Erarbeitung von Handlungsansätzen zum Umgang mit Kompensationsflächen und -maßnahmen bei Solarthermie-Freiflächenanlagen. Im Folgenden werden daher die aktuellen Kompensationsregelungen und das Konzept der Ökokonten zur Kompensationsbevorratung erläutert (Ausgangssituation). Der Bedarf für die Nachjustierung des Kompensationssystem und geeignete Ansatzpunkte hierfür werden aufgezeigt. Für die unterschiedlichen beteiligten Akteure werden jeweilige Handlungsansätze vorgestellt. 3 AUSGANGSSITUATION Wenn Bauvorhaben im Außenbereich in Deutschland geplant werden, muss Kompensation mitgedacht werden. Dies schließt Solarthermie-Freiflächenanlagen ein, welche ebenfalls raum- und umweltverträglich sein müssen (vgl. Ministerium für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung und Ministerium für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein, 2021). Hierbei ist es gängige Praxis, dass separate Kompensationsflächen gefunden werden müssen, um entsprechende Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen. In Deutschland wird dies durch die §§ 13 – 18 des Bundesnaturschutzgesetztes (BNatSchG) geregelt. Was dies umfasst, wird grob in Abschnitt 3.1 paragraphenweise umrissen. In Abschnitt 3.2 werden die Grundzüge der Bevorratung von Kompensationsflächen nach § 16 Abs. 2 BNatSchG mittels naturschutzrechtlichen Ökokonten, sowie Vor- und Nachteile des Konzepts dargestellt. In Abschnitt 3.3 wird die verfügbare deutschsprachige Literatur zu Kompensation und ökologischer Gestaltung von Freiflächensolaranlagen vorgestellt. 3.1 BNatSchG Die meisten Bundesländer berufen sich bzgl. des Kompensationsbedarfs auf die §§ 13 - 18 des BNatSchG. Hierbei handelt es sich um die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, welche als Grundlage für sämtliche Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft gilt. Im Folgenden werden Kernaspekte dieser Paragrafen hervorgehoben und zusammengefasst: § 13 Allgemeiner Grundsatz • Erhebliche Beeinträchtigungen müssen vermieden werden oder ansonsten mit Maßnahmen ausgeglichen werden bzw. im Zweifelsfall mit Geld. 1 Infoblatt zum strukturierten Umgang mit Flächenhemmnissen bei Freiflächen-Solarthermie - Hamburg Institut (hamburg-institut.com) 3 § 14 Eingriffe in Natur und Landschaft • (1) Eingriffe = Veränderungen, “ […] die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können.”; • (2) Bodennutzung durch Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft kein Eingriff, soweit die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden. § 15 Verursacherpflichten; Unzulässigkeit von Eingriffen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen • (1) Verursacher muss Beeinträchtigung der Natur & Landschaft vermeiden und nicht vermeidbare Beeinträchtigungen begründen; • (2) Nicht Vermeidbares ist zu kompensieren durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Kompensation oder Ersatz gilt erst dann als erfolgt, wenn diese Maßnahmen auch wirklich den Zweck/Funktion des Ausgleichs erreicht haben; • (3) Land- und forstwirtschaftliche Belange sind zu berücksichtigen. Vorrangig sollen (wenn möglich) Entsiegelung, Wiedervernetzung von Lebensräumen oder Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen als Ausgleichsmaßnahmen in Betracht gezogen werden. Begründet ist dies darin, um zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden; • (4) Der Unterhaltungszeitraum wird von der zuständigen Behörde im Zulassungsbescheid festgelegt. Der Verursacher bzw. Nachfolger ist für Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Maßnahme verantwortlich; • (5) Wenn die Ausgleichs- /Ersatzmaßnahmen nicht in einer angemessenen Frist durchgeführt werden können und die Belange des Naturschutzes & Landschaftspflege vor dem Nutzen des Eingriffs stehen, kann der Eingriff nicht zugelassen werden; • (6) Ersatzzahlungen sind nötig, wenn eine nicht vermeidbare Beeinträchtigung weder kompensiert noch ersetzt werden kann. Die Zahlungssumme richtet sich nach den durchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Ausgleichs- bzw. Ersatzmaßnahme inkl. sämtliche Kosten der theoretischen Planung, Instandhaltung, Personal etc. Die Höhe der Ersatzzahlung ist vor dem Eingriff festzusetzen und zu zahlen; • (7) Das BMUV2 im Einvernehmen mit dem BMEL3, BMDV4, BMWI5 sowie der Zustimmung des Bundesrates ist ermächtigt, Näheres zur Kompensation von Eingriffen zu regeln. Dies betrifft vor allem Inhalt, Art und Umfang bzw. Höhe und Verfahren zur Erhebung von Ersatzzahlungen. Sollte das BMUV von seinem Recht keinen Gebrauch machen, richtet sich das zuvor genannte nach Landesrecht; • (8) Weitere Regelungen zur Handlungsmacht vom BMUV zu Kompensationsmaßnahmen. § 16 Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen • (1) Kompensations- bzw. Ersatzmaßnahmen sind als solche anzuerkennen, soweit sie den vorgesehenen Zweck/Funktion tatsächlich erfüllen, sie ohne rechtliche Verpflichtung durchgeführt, keine öffentlichen Fördermittel genutzt wurden und eine Dokumentation des Ausgangszustandes der Fläche vorhanden ist. Zudem dürfen sie Programmen und Plänen (§§ 10 und 11) nicht widersprechen; 2 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz 3 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 4 Bundesministerium für Digitales und Verkehr 5 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 4 • (2) Absatz bzgl. Bevorratung von vorgezogenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. § 17 Verfahren; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsordnungen • (1-3) Einordnung der behördlichen Genehmigungsgeber bzgl. Eingriffe; • (4) Der Verursacher des Eingriffs hat zur Beurteilung vor der Genehmigung konkrete Angaben zu Ort, Art, Umfang und zeitlichem Ablauf des Eingriffs sowie die geplanten Maßnahmen zum Ausgleich etc. inkl. Angaben zur tatsächlichen und rechtlichen Verfügbarkeit der Ausgleichsflächen anzugeben. Die zuständige Behörde kann eine Sicherheit einfordern (finanziell), um sicherzustellen, dass der Verursacher auch seine Verpflichtung nach § 15 erfüllen und umsetzen kann; • (6) Sämtliche Maßnahmen und hierfür genutzte Flächen werden in einem Kompensationsverzeichnis dokumentiert; • (9) Beendigung oder längere (>1 Jahr) Unterbrechungen des Eingriffs sind der zuständigen Behörde mitzuteilen. Die Behörde kann in dem Fall festsetzen, bis wann die Kompensation (anteilig) zu erfüllen ist; • (11) Die Landesregierung ist ermächtigt, das Verfahren genauer zu regeln und zu bestimmen (inkl. des Kompensationsverzeichnisses, welches in § 11 festgesetzt ist) und kann die Ermächtigung auf andere Landesbehörden übertragen. § 18 Verhältnis zum Baurecht • (1-3) Es wird erläutert, in welchen Fällen § des Baugesetzbuches greifen und in welchen §§ 14-17 des BNatSchG. 3.2 Ökokonto § 16 BNatSchG eröffnet die Möglichkeit, Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen zeitlich vor zu erwartenden Eingriffen vorzubereiten und durchzuführen (sog. vorgezogene Kompensationsmaßnahmen) und benennt als mögliches Mittel zu deren Bevorratung das Ökokonto. Konkret heißt dies, dass zu jedem beliebigen Zeitpunkt Maßnahmen für den Naturschutz und die Landschaftspflege von diversen Akteur:innen geplant und durchgeführt werden können, welche je nach Umfang und Biotopwert in Ökopunkte umgerechnet werden. Das Bewertungsverfahren hierzu ist – sofern vorhanden – jeweils in der Ökokontoverordnung des Landes festgelegt (ÖKVO) bzw. in einer Kompensationsverordnung, die Ökokonten mitbehandelt6. Ein potenzieller Vorteil ergibt sich durch die Bündelung von naturschutzrechtlich und landschaftspflegerisch sinnvollen Maßnahmen auf dafür geeigneten Flächen (z.B. großräumiger und/oder zusammenhängend) durchgeführt von Fachpersonal7 und einem entsprechenden Finanzierungssystem. Das Prinzip des Ökokontos erleichtert vor allem auch die meist herausfordernde Suche nach Ausgleichsflächen, die zusätzlich zur Fläche für das eigentliche Projekt gefunden werden müssen (vgl. Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen). 6 Eine Übersicht der je Bundesland vorliegenden ÖKVO oder ggf. Kompensationsverordnungen, die für Ökokontobelange genutzt werden, befindet sich im Anhang. 7 Die Durchführung durch Fachpersonal ist nicht Vorgabe, das Potenzial besteht aber durch die Übertragung auf spezialisierte Agenturen und Stiftungen für solche Vorhaben. 5 3.2.1 Unterscheidung zwischen Ökokonto nach BauGB und BNatSchG An dieser Stelle wird noch einmal hervorgehoben, dass zwischen dem bauplanungsrechtlichen und dem naturschutzrechtlichen Ökokonto unterschieden wird. Ersteres findet seine Rechtsgrundlage in § 135a Abs. 2 S. 2 Baugesetzbuch (BauGB) und wird von den für die Bauleitplanung zuständigen Gemeinden zur Bevorratung von Ausgleichsmaßnahmen im Sinne von §§ 1a Abs. 3, 200a BauGB im Hinblick auf künftige, bauleitplanbedingte Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne von § 1a Abs. 3 S.1 BauGB i.V.m. § 14 BNatSchG geführt. Demgegenüber wird das auf § 16 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. den LNaturschutzgesetzen und ggf. LVerordnungen basierende naturschutzrechtliche Ökokonto durch die unteren Naturschutzbehörden zur Bevorratung von Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen i.S.v. § 15 BNatSchG im Hinblick auf künftige, nicht bauleitplanbedingte Eingriffe im Sinne von § 14 BNatSchG verwaltet. Die maßgebliche Abgrenzungsnorm ist § 18 BNatSchG, wonach die naturschutzrechtlichen Vorschriften der §§ 14 bis 17 BNatSchG lediglich für Vorhaben im Außenbereich, für Planfeststellungsverfahren sowie für planfeststellungsersetzende Bebauungspläne unmittelbare Anwendung finden. Die Unterschiede zwischen den beiden Ökokonto-Typen sind primär formeller Natur (Rechtsgrundlage, zuständige Behörde, Begrifflichkeit für Kompensation8). In materieller Hinsicht decken sich die beiden Konten indes schon deshalb weitestgehend, weil beide der Kompensation von unvermeidbaren Eingriffen in Natur und Landschaft dienen. Ob ein zu kompensierender Eingriff in diesem Sinne vorliegt, ist in beiden Fällen nach § 14 BNatSchG zu beurteilen. Gemeinsam haben beide Ökokonto-Typen außerdem, dass es sich bei den dort verbuchten Kompensationsmaßnahmen jeweils um Maßnahmen handelt, die künftige Eingriffe kompensieren sollen. Aufgrund dieser materiellen Gemeinsamkeiten ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, Maßnahmen, die auf einem naturschutzrechtlichen Ökokonto verbucht worden sind, zur Kompensation von Eingriffen nach § 1 a Abs. 3 BauGB heranzuziehen9 (die nach originärer Zielsetzung über ein baurechtliches Ökokonto zu kompensieren wären) und umgekehrt. Die Kompensation von Eingriffen durch solare Freiflächenanlagen richtet sich im Außenbereich wie oben dargelegt nach den §§ 13 bis 17 BNatSchG, sodass der Leitfaden im Folgenden vor allem das diesem Zweck dienende naturschutzrechtliche Ökokonto in den Blick nimmt. 3.2.2 Ausgestaltung von naturschutzrechtlichen Ökokonten Während die Bedingungen für die Anerkennung von Ökokonto-Maßnahmen bundeseinheitlich in § 16 Abs. 1 BNatSchG normiert werden, erfolgen sämtliche Konkretisierungen auf Bundeslandebene (§16 Abs. 2 BNatSchG „richtet sich nach Landesrecht“) – meist in Form von sogenannten Ökokonto-Verordnungen (ÖKVO) oder Kompensationsverordnungen, die die Bevorratung von Ausgleichsflächen mitbehandeln. Die dadurch vorhandenen Unterschiede hinsichtlich der näheren Ausgestaltung von Ökokonten zwischen den Bundesländern stellen Akteur:innen vor Herausforderungen, sobald Bundesländergrenzen überschritten werden. Wesentliche Unterschiede bestehen dabei z.B. in den Vorgaben zu Quantität und Qualität von als Ökokontomaßnahmen zugelassenen Maßnahmen, der Zuständigkeit für Zulassungen, dem Umgang mit Ökokontoagenturen, und der Bilanzierungsmethodik 8 Während das Naturschutzrecht (in § 15 Abs. 2 BNatSchG) zwischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen differenziert, bedarf es dieser Unterscheidung bei der Eingriffsregelung in der Bauleitplanung nicht, da § 1 a Abs. 3 BauGB einheitlich von „Ausgleich“ spricht und § 200 a Satz 1 BauGB klarstellt, dass Ausgleichsmaßnahmen auch Ersatzmaßnahmen umfassen. Seitdem das BNatSchG den hiernach bis 2010 geltenden Vorrang von Ausgleichs- vor Ersatzmaßnahmen beseitigte, läuft es mit dem BauGB faktisch parallel. 9 Vgl.: VGH Mannheim, Urt. v. 21.4.2015 – 3 S 748/13, NuR 2015, 647 = juris Rn. 71 ff. 6 hinsichtlich Ökopunkten (vgl. Internationales Institut für Wald und Holz NRW, 2010). Auch die Gutschrift und Stilllegung von Ökopunkten folgt unterschiedlichen Ansätzen und Systemen je Bundesland. Im Anhang werden die vorhandenen ÖKVO der Bundesländer aufgeführt bzw. die gesetzlichen Grundlagen für Ökokonten. Ein zu betrachtender Aspekt ist außerdem die Verantwortlichkeit für die Umsetzung der auf dem Ökokonto verbuchten Kompensationsmaßnahme. Nach dem im Umweltrecht geltenden Verursacherprinzip liegt die Verantwortlichkeit für Kompensationsmaßnahmen grundsätzlich beim Verursacher eines Eingriffs (vgl. § 15 BNatSchG), d.h. bei demjenigen, dem der Eingriff zuzurechnen ist. Bei Eingriffen durch solare Freiflächenanlagen wäre dies der Auftraggeber des ausführenden Bauunternehmens. Je nach Aufstellung des Unternehmens liegt hier allerdings nicht die Kompetenz und es ist gängig für die Umsetzung Institutionen, die auf die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen spezialisiert sind, wie z.B. Flächenagenturen (sog. Maßnahmenträger) zu beauftragen. Auch bei den – einem Eingriff grundsätzlich zeitlich vorausgehenden – Ökokontomaßnahmen liegt die Umsetzungs- und Pflegepflicht erst mal ebenfalls bei dem Verursacher des Eingriffs. Durch Zusatzverordnungen wird dies aber teils in Bundesländern differenzierter geregelt, z.B. in Schleswig-Holstein durch die AgentAnerkVO10. Auch kann teils, je nach Vertragslage, die Pflegepflicht auf den Ökokontoführer übertragen werden, wobei die hierfür entstehenden Kosten in den Verkaufspreis der Ökopunkte mit eingerechnet werden (vgl. Flächenagentur Baden-Württemberg GmbH). Zu den Vorfinanzierenden der Ökokonto-Maßnahmen zählen Kommunen und Agenturen bzw. Stiftungen, aber auch Privatpersonen und Bauunternehmen. Einige Bundesländer haben im Bereich der Ökokonten recht offene Systeme, andere verfügen über umfangreichere Regularien und Vorgaben. So wird beispielsweise in Baden-Württemberg festgesetzt, dass sich entsprechende Maßnahmen in bestimmte Wirkungsbereiche einordnen lassen müssen (ÖKVO §2 Abs.1). Auch Bayern und Schleswig-Holstein sind in der Regulierung und Umsetzung von naturschutzrechtlichen Ökokonten bereits breit aufgestellt. 3.2.3 Vor- und Nachteile Das Konzept Ökokonto birgt einige Vorteile, wird aber in vielen Punkten auch kritisiert. Im ersten Teil wird der naturschutzfachliche Nutzen von Ökokonten aufgeführt. Wie bereits oben angesprochen liegt in diesem Werkzeug das Potenzial, Maßnahmen großflächig zu planen und so den Fokus darauf zu setzen, den besten Nutzen für die Natur zu schaffen. Anderenfalls wird in der Regel nur das minimal notwendige umgesetzt, um einen konkreten Eingriff auszugleichen, was das Potenzial minimiert. Gerade in Deutschland besteht massiver Bedarf, Naturschutzflächen zu vergrößern und besser miteinander zu vernetzen (Walz, Schumacher, & Krüger, 2022). Die Probleme bei kleinen, isolierten Ökosystemen sind vielfältig, je kleiner beispielsweise die Flächen sind, desto größer sind Randeffekte und desto anfälliger sind Biotope dafür, Extremwetterereignissen nicht standzuhalten (Hitze, Dürre, Stürme etc.) (Lovejoy, et al., 1986). Dies ist gerade im Blick auf den anthropogenen Klimawandel, der diese Extreme verstärkt und häufiger macht, ein kritischer Aspekt 10 AgentAnerkVO – Agenturanerkennungsverordnung: Landesverordnung zur Anerkennung von Agenturen zur Durchführung, Unterhaltung und dauerhaften Sicherung von Kompensationsmaßnahmen. 7 (Swain, Singh, Touma, & Diffenbaugh, 2020). Ökokonten können hier eine zentrale Rolle einnehmen, denn Biotope bzw. ganze FFH-Gebiete anzuschließen und zu vernetzen erfordert oft großräumige und teils auch langfristige Planung. Weiterhin lässt sich anführen, dass die Pflege, bezogen auf die Flächengröße, auf einer großen Fläche einfacher und kostengünstiger ist als auf vielen kleinen Flächen und somit Gelder effizienter eingesetzt werden können. Abseits von Naturschutzaspekten bieten Ökokonten aber auch einen gravierenden Vorteil bei der Planung von Bauvorhaben. Gemeint ist hier die Beschleunigung des Planungsprozesses durch die Reduktion des Aufwandes für die Suche nach Kompensationsflächen oder ggf. den kompletten Wegfall der Kompensationsflächensuche (Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft). Dies ermöglicht es den Projektierenden, sich auf ihre Projekte zu fokussieren, was besonders bei der Solarthermie die schnelle Dekarbonisierung lokaler Wärmenetze unterstützen kann. Zudem kann es auch verhindern, dass Vorhabens-Ideen daran scheitern, dass keine bzw. nicht ausreichend geeignete Kompensationsflächen gefunden werden können bzw. es werden das Risiko und der Aufwand vermieden, nicht nur für den Bau der Anlage Flächen zu finden, sondern zusätzlich auch zur Kompensation. Dieser Vorteil ist besonders bei der Umsetzung von Solarthermie in der Freifläche nützlich, da bereits die Flächensuche für die Projektfläche auf Grund der besonderen Anforderungen (u.a. Nähe zu Wärmenetzen) viel Zeit und Ressourcen benötigt. Auf der anderen Seite gibt es, wie bereits erwähnt, auch einige kritische Punkte am Ökokontokonzept. Ein Kritikpunkt ist, dass Ökokonten Anreize schaffen, Eingriffe zu fördern, welche Ausgleichsmaßnahmen erfordern. Dies würde dem Grundsatz der Eingriffsregelung entgegenstehen, dessen Devise es ist, erhebliche Beeinträchtigungen durch Eingriffe stets zu vermeiden. Diese Gefahr wird explizit dann gesehen, wenn Finanzierende/Investierende der Maßnahmen auch gleichzeitig Einfluss auf die Bauplanung haben. Eine angepasste Bepreisung der Ökokonten kann diesen Entwicklungen, die nicht im Einklang mit dem Grundsatz der Eingriffsregelung stehen, entgegenwirken. Es sollte finanziell nicht attraktiver sein, auszugleichen, anstatt Beeinträchtigungen durch einen Eingriff zu vermeiden. Zudem teilen sich die verschiedenen Rollen bei naturschutzrechtlichen Ökokonten auf unterschiedliche Instanzen und Personen auf. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass ökologisch notwendige Eingriffe nicht durchgeführt werden, wenn diese nicht als Ökokontomaßnahmen angerechnet werden können. In der Praxis sollte dies aber eher die Ausnahme bilden, da einerseits Ökokontomaßnahmen generell breit aufgestellt sind und einen Großteil ökologischer Eingriffe in Ökopunkte umwandeln lassen und andererseits bei einer solchen Notwendigkeit auch das Bundesnaturschutzgesetz greift. Zusätzlich zu diesen übergeordneten Kritikpunkten gibt es auch konkrete Kritik an der Praxis zu den Ökokonten. Diese Kritik bezieht sich in einigen Fällen auf konkrete Durchführungsbeispiele von bauplanungsrechtlichen Ökokontomaßnahmen. Im Folgenden werden, mit Verweis auf die materiellen Gemeinsamkeiten beider Typen (siehe Kapitel 3.2.1), Kritikpunkte beider Ökokonto-Typen zusammengefasst. In der Vergangenheit ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Systematik der Ökopunkte nicht in jedem Fall allen Einzelaspekten ausreichend Sorge tragen kann. Bei Rabenschlag et al. (2019)11 wird beispielsweise von dem Ziel „möglichst viele anrechenbare Ökopunkte auf möglichst wenig Fläche zu generieren“ gesprochen. Ein konkretes Beispiel bietet hier der Bau des Amazon-Logistikzentrums in 11 Diese Studie führt eine Evaluation der Umsetzung baurechtlicher Ausgleichsmaßnahmen durch. 8 Mönchengladbach, bei dem mehr als die Hälfte der benötigten Ökopunkte für die Umwandlung einer Fläche zu einem Auwald von der Größe von 8 500 m2 genutzt wurde. Dies entspricht lediglich 6,5 % der Bauvorhabens-Fläche (Müller, 2019). Diese Flächenverhältnisse kommen dadurch zustande, dass die Regelungen die Gesamtwertigkeit der betreffenden Fläche bewerten und somit Flächengrößen nicht prioritär betrachtet werden. Dies befeuert unter anderem das Problem der Flächenverknappung durch Versiegelung, da mehr Fläche ver- als entsiegelt bzw. vor Versiegelung geschützt wird. In der Realität ist der Zusammenhang zwischen Eingriff und Kompensation nicht immer gegeben, obwohl dies – zumindest in einigen Bundesländern – vorgeschrieben ist (Bethge, 2004). Die räumliche Nähe zwischen Eingriff und Ausgleichsmaßnahme ist nicht unbedingt gegeben und das Ziel, die durch den Eingriff entstandene Beeinträchtigung auszugleichen, indem der Beeinträchtigungsaspekt in der Maßnahme im Vordergrund steht, findet in der Praxis nicht überall statt. Ein gutes Beispiel hierfür sind Grünbrücken zur Querung von Straßen und Autobahnen (vgl. BUND Regionalverbung Südlicher Oberrhein). Diese sollten sinnvollerweise bereits bei der Planung von Straßen mitgedacht, gebaut und finanziert werden (ganz im Sinne, die Beeinträchtigung eines Eingriffs so gut es geht direkt zu minimieren) und nicht nachträglich als Ökopunkte an komplett themenfremde Eingriffe verdingt werden, die mit dieser Maßnahme auch kaum eine angemessene Flächenkompensation erbringen können. Bei konventionellen Ausgleichsmaßnahmen beeinflusst die Größe der Eingriffsfläche den Kompensationsumfang. Schlussendlich sind diverse Kritikpunkte an der aktuellen Durchführung von Ökokonten auf ein Kontroll-/Überwachungsdefizit von übergeordneter Stelle zurückzuführen – wobei zu beachten ist, dass naturschutzrechtliche Ökokontomaßnahmen in der aktuellen Literatur weniger in der Kritik stehen als bauplanungsrechtliche. Die Studie von Rabenschlag et al. (2019) zeigt zumindest für bauplanungsrechtliche Ökokontomaßnahmen eine insgesamt etwas bessere Zielerreichung als durch konventionelle, baurechtliche Ausgleichsmaßnahmen. In diesem Sinne ist auch der positive Nutzen von naturschutzrechtlichen Ökokonten nicht zu vernachlässigen. 3.3 Literatur zu Kompensation und ökologischer Gestaltung von Solaranlagen Diverse Bundesländer/Verbände haben bereits Infoblätter bzw. Leitfäden in Bezug auf die ökologische Gestaltung von PV-FFA veröffentlicht. Beispielhaft lässt sich hier folgende Literatur nennen: • „Der naturverträgliche Ausbau der Photovoltaik. Nutzung von Solarenergie in urbanen und ländlichen Räumen, auf Dächern und in der Fläche“ Verfasser/Herausgeber: NABU Inhalt: Umweltfreundlicher Ausbau von PV-FFA inkl. Standortwahlorientierung; PV-Dachanlagen; Integrierte Formen der Landnutzung mit Photovoltaik; Netzanbindung; Solarenergie in Kombination mit Dach- und Fassadenbegrünung; Solarthermie • „Freiflächensolaranlagen – Handlungsleitfaden“ Verfasser/Herausgeber: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg Inhalt: Leitfaden zum Ausbau von Photovoltaik- und Solarthermie-Freiflächenanlagen inkl. ökologischer Aspekte bei Planung und Bau. • „Praxis-Leitfaden für die ökologische Gestaltung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen“ Kapitel: 2.4 Umweltprüfung und Eingriffsregelungen Verfasser/Herausgeber: Bayerisches Landesamt für Umwelt 9 Inhalt: Umfangreicher Leitfaden für die ökologische Gestaltung von PV-FFA inkl. gesetzlichen Rahmenbedingungen wie z.B. Umweltprüfung und Eingriffsregelung; Orientierung für die richtige Standortwahl, sowie ökologische Leitlinien für den Bau, Betrieb und Rückbau; diverse Planungshinweise in Hinsicht auf ökologische Kriterien • „Solarparks – Chancen für die Biodiversität. Erfahrungsbericht zur biologischen Vielfalt in und um Photovoltaik-Freiflächenanlagen.“ Verfasser/Herausgeber: Renews Spezial. Ausgabe 45 / Dezember 2010 Inhalt: Naturschutzfachliche Bedeutung von Solarparks inkl. Studienlage; Naturschutzfachliche Maßnahmen in Form von konkreten Anwendungsbeispielen aus bereits umgesetzten Projekten Konkrete verschriftlichte Leitfäden bzw. Umsetzungshilfen für Kompensationen sind hingegen rar und es wird größtenteils auf die Eingriffsregelung verwiesen (§§ 13 - 18 des BNatSchG). Leitfäden zur Einrichtung von Ökokonten sind ebenfalls von diversen Herausgebern vorhanden, größtenteils aber schon etwas älter. Bei den Leitfäden fällt auf, dass diese häufig Bundesländer-spezifisch sind. Beispiele hierfür sind: • “Eingriffsregelung Merkblatt 3. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in der Bauleitplanung und das “Ökokonto”.” Verfasser/Herausgeber: Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg Fachdienst Naturschutz • “Handlungsempfehlungen für ein Ökokonto. Ein Vorsorgeinstrument für die Eingriffsregelung in der Bauleitplanung.” Verfasser/Herausgeber: Bayrischer Gemeindetag • “Leitfaden: Nachhaltigkeit Stiften! Hintergrundinformationen, Erfahrungen und Empfehlungen zum “Stiftungsmodell mit Kompensationsflächenpool” für private und kommunale Grundbesitzer.” Verfasser/Herausgeber: Internationales Institut für Wald und Holz NRW 4 HANDLUNGSBEREICH: KOMPENSATION INNERHALB SOLAR-FFA ERMÖGLICHEN Die vollständige Kompensation von Solar-FFA sollte unter bestimmten Bedingungen direkt auf der Fläche ermöglicht werden. Hier gilt es gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, Komplettkompensation auf der Solar-FFA in Kombination mit einer entsprechenden ökologischen Gestaltung durchzuführen. Aktuell ist die Teilkompensation innerhalb der Solar-FFA bereits möglich. Diesen Spielraum gilt es auszuweiten, und so der Flächenknappheit entgegenzuwirken sowie der naturschutzfachlichen Wirkung der Anlagen gerecht zu werden. 4.1 Hintergrund Eine 100% Aufhebung der Kompensation (auf externen Flächen) ist zurzeit noch nicht möglich. Je nach Land und Verordnung variiert der Kompensationsfaktor. Im Bundesland Schleswig-Holstein liegt der Kompensationsfaktor beispielsweise bei 1:0,25 und durch eine optimierte ökologische Gestaltung kann der Faktor in Bezug auf naturschutzfachliche Anforderungen auf 1:0,1 abgesenkt werden (vgl. Ministerium für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung und Ministerium für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein, 2021). Es empfehlen 10 bereits ein Großteil der Bundesländer, dass so weit wie möglich innerhalb der Flächen kompensiert werden soll. Der Hauptaspekt dieser Empfehlung liegt darin, das Problem der Flächenknappheit weiter aufzulösen. Solarthermie-FFA bieten viele Möglichkeiten (ökologisch) fachgerecht gestaltet zu werden (siehe diverse Leitfäden), vor allem im Vergleich zu anderen Bauvorhaben. Die aktuellen Regelungen zur Teilkompensation innerhalb der Fläche zeigen dieses Potenzial bereits auf. Zudem fördert diese Vorgehensweise, dass bauliche Eingriffe das Ziel haben sollten, so weit wie möglich naturverträglich und somit nachhaltig zu sein, anstatt ausgleichen zu müssen. So wird es auch im Kern der Eingriffsregelung aufgeführt: „Erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind vom Verursacher vorrangig zu vermeiden.“, § 13 BNatSchG. Eine Komplettkompensation innerhalb der Solar-FFA bedeutet auch eine Beschleunigung des Bauvorhabens durch den Wegfall der zusätzlichen Flächensuche im Rahmen des Ausgleichs. 4.2 Ausgestaltung Voraussetzung für die Komplettkompensation innerhalb der Solar-FFA ist die ökologische und naturverträgliche Ausgestaltung. Die Differenz des ökologischen Beitrags der Fläche (ökologischer Beitrag der Fläche vor und nach den umgesetzten Maßnahmen), sollte bei der Beurteilung ebenfalls entsprechend einbezogen werden. Handelt es sich z.B. um eine Fläche, welche zuvor als Acker genutzt wurde, sind aufgrund der Vorbelastung weniger Konflikte aus der naturschutzfachlichen Richtung zu erwarten. Landschaftsbildliche Aspekte fallen nach der aktuellen Regelung womöglich dennoch an, können durch die teils obligatorische Eingrünung (bundesländerabhängig) aber je nach Einzelfall relativ leicht adressiert und somit ebenfalls innerhalb der Solar-FFA erfüllt werden. Vor allem Solar-FFA, die zur Flächenentsiegelung führen, sollten bei entsprechender ökologischer Ausgestaltung die Möglichkeit haben, ohne externe Kompensation umgesetzt zu werden. Auch die gesetzliche Verankerung von universell sinnvollen, ökologischen Maßnahmen sollte in Betracht gezogen werden. Bei Ackerflächen besteht bereits die Vorschrift12, diese bei der Installation von PV-FFA in Grünlandflächen umzubauen. Nach diesem Vorbild können weitere ökologisch gestalterische Maßnahmen für die Solar-FFA gesetzlich vorgeschrieben werden, die somit auch generell den Kompensationsbedarf reduzieren, da die Beeinträchtigung durch den Eingriff minimiert wird. Eingriffe innerhalb der Solar-FFA Planung mit generellem Kompensationsbedarf Um sich der Möglichkeit zu nähern, die Vollkompensation innerhalb der Eingriffsfläche durchzuführen, ist es zielführend darzustellen, welche Eingriffe innerhalb der Solar-FFA Realisierung häufig zu Ausgleichsbedarfen führen. Die “Naturschutzfachlichen Bewertungsmethoden von Freilandphotovoltaikanlagen” BfN – Skripten 247 beinhaltet hierzu sehr ausführliche Abschnitte (Herden, Rassmus, & Gharadjedaghi, 2009). Ein Teil dieser wird im Folgenden aufgelistet: • Änderung des Landschaftsbildes durch die Errichtung von Baukörpern → visuelle Wirkung und somit Beeinträchtigung des Landschaftsbildes • Versiegelung von Flächen • Überdeckung der Bodenoberfläche durch Module, wenn diese sehr nah am Boden aufgestellt sind, z. B. Verschattung, ggf. Austrocknung der Oberfläche, Erosion durch ablaufendes Wasser 12 Nach § 33 Abs. 3 EEG besteht nur ein Vergütungsanspruch für den erzeugten Strom auf Ackerlandflächen, wenn diese in Grünland umgewandelt werden. 11 • Baubedingte, nicht stoffliche Emissionen → Emission von Fahrzeugen, Staubemissionen (temporär, evtl. zu vernachlässigen) • Bodenverdichtung, Veränderung abiotischer Faktoren • Barrieren: Zerstückelung der Landschaft und von Wegenetzen • Vorhabensbedingte Pflege z. B durch Mahd, Beweidung --> führt ggf. zu Änderung des Biotops bzw. Veränderung struktureller Paramater innerhalb des Ökosystems (Landnutzungsänderung) • Von den Modulen (teils auch den Konstruktionselementen) ausgehende Emissionen (Lichtreflexe, Spiegelungen) • Vorkommen von seltenen/gefährdeten Arten (Tiere und Pflanzen). Dies betrifft womöglich auch versiegelte Flächen, da der Begriff relativ weit gefasst ist und auch Schotterflure einschließt, welche teils ökologisch wertvolle Lebensräume bilden Es sollte immer beachtet werden, dass Beeinträchtigungen sehr vorhabens- und standortspezifisch sind. So spielen bzgl. des Vorhabens beispielsweise die Effizienz beim Bau sowie die Material- und Systemwahl eine entscheidende Rolle. Standortspezifische Faktoren, die den Kompensationsbedarf direkt beeinflussen, sind die naturräumliche Lage, das Relief der Landschaft, Qualität und Art der angrenzenden Lebensräume sowie das lokale Arteninventar. Weiterhin sind die Vornutzung und Ausprägung des Lebensraumes sowie das geplante Flächenmanagement wichtige Faktoren. Ökologische Ausgestaltungen mit Kompensationswirkung In dem Papier des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung und des Ministeriums für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein „Grundsätze zur Planung von großflächigen Solar-Freiflächenanlagen im Außenbereich. Gemeinsamer Beratungserlass des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung und des Ministeriums für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung.“ wird aufgeführt, welche Maßnahmen zu der Reduzierung von Kompensation führen können (Punkt „D. Planungsempfehlungen zur Ausgestaltung der Anlagen“, ab Seite 12). Aufgeführt wird hier beispielsweise • eine kompakte Anordnung (großräumige Zäsur-Wirkungen werden vermieden), • eine maximale Größe von ca. 20 ha, • Vermeidung von Beeinträchtigungen im Sinne von § 13 BNatSchG, Gestaltung von Habitat-Strukturen zur Steigerung von Artenvielfalt, • die naturnahe Gestaltung in den Modulreihenzwischenräumen, • Umpflanzung fürs Landschaftsbild. o Obligatorische Eingrünungsmaßnahmen um Anlagen aufgrund des Landschaftsbildes können ggf. auch als Kompensationsmaßnahme in Bezug auf Eingriffe in den Naturhaushalt gezählt werden. • Aktive Kompensationsmaßnahmen auf der Fläche, wie z.B. o Kleingewässer bzw. Feuchtbiotope lassen sich sinnvoll als Ausgleich für eventuelle Austrocknung durch die Module zur Bodennähe einsetzen. o Gehölze, deren Pflanzung als Maßnahme für das Landschaftsbild durchgeführt wird, können ggf. auch als Kompensation im naturschutzfachlichen Kontext gesehen werden, wenn diese hierfür ebenfalls einen Mehrwert bringen. Die Doppelzählung einer Maßnahme ist hier also möglich. Weitere Punkte, die diskutiert werden sollten, um eine Vollkompensation auf der Eingriffsfläche zu ermöglichen, sind: 12 • Weitestgehende Vermeidung von Versiegelung → aktuell ist es bei Solar-FFA möglich, die Flächenversiegelung auf weit unter 5% zu beschränken. o Zu beachten gilt hier der zuvor aufgeführte Verweis, dass auch teils versiegelte Flächen einen ökologischen Mehrwert haben können, da dies Schotterflure miteinschließt, welche gefährdete Arten beherbergen können. • Inwiefern die Kompensation des Landschafsbildes vermieden werden kann, bzw. ob die Eingrünungsmaßnahmen innerhalb der Solar-FFA diesen Punkt ausreichend abdecken und somit externe Kompensation hierzu vermieden werden kann. • Ob Kompensationsbedarfe, die auf den temporären Bau beschränkt sind, ausgeklammert werden können, sofern das Vorhaben möglichst effizient geplant ist und Beeinträchtigungen zu 100% reversibel sind. 4.3 Verantwortungsbereiche Nationale Ebene Seitens nationaler Gesetzgebung ist es zielführend, wenn eine Klarstellung innerhalb der Bundesregelung erfolgt, damit nicht jedes Bundesland im Alleingang handeln muss und eine klare Ausrichtung aufgezeigt wird. Landesbehörde Auf Landesebene sollte die Prüfung und Anpassung der entsprechenden Verordnung erfolgen. In diesem Rahmen sollte ebenfalls dargelegt werden, unter welchen Bedingungen eine Vollkompensation innerhalb der Fläche möglich ist. Kommune Für Kommunen gestaltet sich die Durchführung einer Flächenanalyse als sinnvoll. In diesem Rahmen kann geprüft werden, welche Flächen sich für Solarthermie-Freiflächenanlagen eignen (siehe hierfür z.B. Günnewig, Johannwerner, Metzger, Kelm, & Wegner, 2022) und gleichzeitig die Möglichkeit bieten, diese Anlagen ökologisch auszugestalten. Hierdurch kann eine Priorisierung erfolgen, die dem „First come, first serve“-Prinzip entgegenwirkt. Dieses Vorgehen stellt ein proaktives, solares Flächenmanagement seitens der Kommune dar. 5 HANDLUNGSBEREICH: FESTSETZUNG UMSETZUNGSRAHMEN Um die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen zeit- und ressourceneffizient zu gestalten und gleichzeitig einen höheren naturschutzfachlichen Nutzen zu erzielen ist es wichtig, eine konkrete Herangehensweise aufzuzeigen und im gleichen Zuge Vorgänge und Regelungen zu evaluieren und auszubessern. Dies umfasst konkret die Vereinheitlichung der Bestimmung bzw. der Berechnungsmethode des Kompensationsumfangs, einen Leitfaden bzw. Verweise an Stellen/Agenturen, die durch die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen führen können, oder diese idealerweise übernehmen, um ihre Qualität sicherzustellen, sowie abschließend die Etablierung eines einheitlichen und zielführenden Monitoringsystems. 5.1 Hintergrund 13 Es wird bemängelt, dass Ausgleichsmaßnahmen nicht zu einem tatsächlichen Ausgleich führen bzw. deren Qualität mangelhaft ist (NDR, 2022). Die gesetzliche Vorgabe, naturschutzfachlichen Ausgleich zu schaffen, ist keineswegs zielführend, wenn dieser nur auf dem Papier passiert, aber schlussendlich nicht umgesetzt wird. Es ist nicht flächeneffizient, wenn Flächen für Kompensationsmaßnahmen markiert und für weitere Nutzungsformen blockiert werden, aber teils keinen naturschutzfachlichen Nutzen haben bzw. jahrelange Verzögerungen der Umsetzung folgen. Mögliche Gründe für diese Problematik umfassen u.a. fehlendes Fachwissen sowie fehlende Priorisierung seitens des Vorhabensträgers (welcher schlussendlich die Verantwortung für die Kompensation trägt) sowie das Fehlen eines Monitoringsystems, welches abseits von behördlichen Kontrollen existiert. Letzteres ist vielerorts durch Fachpersonal- und Ressourcenmangel nicht konsequent durchführbar, zum Teil liegt ihnen aber auch kein konkretes System zugrunde oder die Vorgaben variieren abhängig von der zuständigen Behörde. Ferner ist es nicht nachvollziehbar, warum die gleiche Beeinträchtigung durch einen Eingriff in unterschiedlichen Bundesländern zu unterschiedlichen Kompensationsumfängen führt, wie es derzeit der Fall ist (Internationales Institut für Wald und Holz NRW, 2010). Der Kompensationsumfang sollte gut begründet sein und bedarf aufgrund der gleichen Wirkweise in den Bundesländern keiner unterschiedlichen Bewertungsmethodik. Im Rahmen der „Anpassung der Flächenkulisse für PV-Freiflächenanalagen im EEG vor dem Hintergrund erhöhter Zubauziele“ (Günnewig, Johannwerner, Metzger, Kelm, & Wegner, 2022), welches im Auftrag des UBA verfasst wurde, wird sich ebenfalls für Schritte Richtung Vereinheitlichung ausgesprochen. Hier wird ausgeführt: “Die Aufnahme von Kriterien zur naturverträglichen Gestaltung im EEG würde den gegebenen Abstraktionsgrad der Bestimmungen deutlich reduzieren. Eine daran gebundene Verpflichtung der Standortkommune müsste flankiert werden über die zuständigen Naturschutzbehörden. Am Ende wäre die Umsetzung durch das stromabnehmende Energieunternehmen zu prüfen. Vorzuziehen wäre stattdessen, das naturschutzrechtliche Instrumentarium der Eingriffsregelung im Hinblick auf eine einheitlichere Verfahrensweise z. B. bzgl. des Umgangs mit Kompensationsleistungen zu adressieren. Damit hätte man sowohl das EEG-Regime als auch die PPA-Anlagen gleichermaßen im Blick.“ Mit Blick auf die Solarthermie scheint es sinnvoll, dem Ansatz des UBA zu folgen. Flächenkonzepte für FFA zur Nutzung solarer Energie sollten nicht über die Vermarkungskonzepte (EEG) gesteuert werden, sondern im Rahmen von Regelungen, die sich auf die bauliche Art und Auswirkung der Anlage beziehen – wie es im Rahmen der Eingriffsregelung der Fall ist. 5.2 Ausgestaltung Bestimmung Kompensationsumfang Es gibt bereits mehrere standardisierte Berechnungsmethoden zur Bestimmung von Kompensationsumfängen. Diese gilt es zu evaluieren und entweder a) eine Methode zu priorisieren und diese aufgrund von Bewährtheit und guter Begründbarkeit als Standard festzulegen, oder b) eine neue Methode als Standard festzulegen, die in Form des Best-Practice Ansatzes auf den bestehenden Methoden beruht. Die 2021 vom BfN veröffentlichte „Entwicklung eines Bewertungsmodells zum Landschaftsbild beim Stromnetzbau“ zeigt auf, wie eine solche Evaluation aussieht und wie eine bundesweit einheitliche Herangehensweise geschaffen werden kann. Bekannte, standardisierte 14 Berechnungsmethoden sind z.B. das Osnabrücker Modell (Landkreis Osnabrück, 1997), oder das Warendorfer Modell (Kreis Warendorf UNB, 2021). Umsetzung Ausgleichsmaßnahmen Abseits von diversen rechtlichen Bestimmungen zur Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen, sollte auch die Qualität und die Sinnhaftigkeit der Maßnahme im Fokus stehen. So gilt es zu bedenken, welche Beeinträchtigungen mit welcher naturschutz- oder landschaftsfachlichen Folge innerhalb der Solar-FFA anfallen und mit welcher Maßnahme diese sinnvoll ausgeglichen werden kann. Zwei Beispiele solcher Schlussfolgerungen, die innerhalb von Solar-FFA auftreten können, befinden sich in Tabelle 1. Um Sinnhaftigkeit, Qualität und rechtliche Bestimmungen zu erfüllen, bietet sich der Verweis auf einen entsprechenden Leitfaden zu Beginn des Projektes an und/oder der Verweis auf etablierte Maßnahmenträger, die diese Arbeit übernehmen. Bayern beispielsweise hat aktuell einen ausführlichen Handlungsleitfaden Qualitätsmanagement Kompensation (Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU), 2021), der sich um die Umsetzung von Maßnahmen dreht und auch Best-Practice-Beispiele enthält. Zudem sollten sich gängige Probleme bei der Wahl von Kompensationsflächen bzw. -maßnahmen bewusst gemacht werden, um diese proaktiv zu adressieren und Lösungswege aufzuzeigen. Beispiele für solche Probleme sind (Herden, Rassmus, & Gharadjedaghi, 2009): • Zu geringe Flächengröße für die angestrebte Maßnahme → Lebensgemeinschaften/Ökosystem kann sich nicht vollständig/typisch ausbilden. • Fehlende Habitatkontinuität verstärkt durch zu kurze zeitliche Vertragsbindung (dadurch wird die Habitatkontinuität auch perspektivisch nicht behoben). • Oft fehlen seltene und gefährdete Arten, welche einen direkten Effekt auf den “High Nature Value” haben. • Das Fehlen von Lebensraumverknüpfung bei vielen isolierten Einzelflächen. Beeinträchtigender Eingriff Mögliche Folge Sinnvolle Ausgleichsmaßnahme Module sehr bodennah Beschattung, evtl. Austrocknung Schaffung eines Feuchtbiotops/ Kleingewässers Umzäunung des Gebietes Abhängig von Landschaftsstruktur kann es zu einer Zerschneidung von vernetzten Habitaten kommen Vernetzung von Habitaten durch Korridore mit passenden, dem Lebensraumtyp entsprechenden Vernetzungselementen 15 Tabelle 1: Beispiele für Ausgleichsmaßnahmen entsprechend der Art der Beeinträchtigung im Kontext von Solar-FFA Monitoringsystem Die Studie von Rabenschlag et al. (2019), in deren Rahmen die Evaluierung von baurechtlichen Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt wurde, bietet Orientierungspunkte, wie ein zielführendes Monitoringsystem für Ausgleichsmaßnahmen ausgestaltet werden kann. Diese Studie empfiehlt das Monitoring von Flächen im Zusammenspiel mit einer „engmaschigen Flächenbetreuung in Sinne eines adaptiven Managements“ zu etablieren. Diese Herangehensweise ermöglicht eine frühe und wirkungsvolle Anpassung, sollten sich Maßnahmen nicht wie gewünscht entwickeln. Auch wird in der Studie betont, dass über die rein inhaltliche Erfassung hinaus Kontrollen von Fachpersonal (z.B. Ökolog:innen) notwendig sind und bei entsprechender Zustandsbewertung Sanktionen ausgesprochen werden. Desweiteren spricht sie sich dafür aus, dass diese Daten auf einer Plattform öffentlich zugänglich gemacht werden, so dass auch z.B. durch Verbände nachvollzogen werden kann, ob Ausgleichsverpflichtungen nachgekommen wurde. Die obengenannten Aspekte für ein sinnvolles Monitoringsystem wurden zum Teil ebenfalls von befragten Flächenagenturen aufgeführt. Weiteres Zudem sollte an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass der Ansatz der Realkompensation, welcher in Bundesländern wie beispielsweise Schleswig-Holstein durch entsprechende Agenturen bereits gut funktioniert, weiterhin gegenüber dem Ansatz der Ersatzgeldzahlung favorisiert werden sollte. Die Gefahr, die hierbei gesehen wird, ist, dass Ersatzgeldzahlungen nicht für eine umfangreiche Finanzierung gleichwertiger Kompensationsmaßnahmen ausreichen, da hierbei die dauerhafte (> 25 Jahre) Flächensicherung (Grunderwerb) sowie die Kosten für Personal, Verwaltung, und Herstellungs-, Entwicklungs- und Unterhaltungsmaßnahmen für mind. 25 Jahre berücksichtigt werden muss. 5.3 Verantwortungsbereiche Nationale Ebene Es sollte näher geprüft werden, ob eine einheitliche Herangehensweise an die Bestimmung des Kompensationsumfanges auf Basis bundesländerübergreifender Berechnungsmethoden auf nationaler Ebene umsetzbar und sinnvoll ist. Für ein einheitliches Monitoringsystem könnte ein Rahmen in Form von Mindestvoraussetzungen und -anforderungen festgelegt werden, um einen bundesweiten Qualitätsstandard zu garantieren. Beeinträchtigender Eingriff Mögliche Folge Sinnvolle Ausgleichsmaßnahme Module sehr bodennah Beschattung, evtl. Austrocknung Schaffung eines Feuchtbiotops/ Kleingewässers Umzäunung des Gebietes Abhängig von Landschaftsstruktur kann es zu einer Zerschneidung von vernetzten Habitaten kommen Vernetzung von Habitaten durch Korridore mit passenden, dem Lebensraumtyp entsprechenden Vernetzungselementen 16 Landesbehörde Auf Landesebene sollte die Evaluierung und ggf. Ausbesserung von Vorgängen und Regelungen bzgl. der Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen erfolgen. Dies umfasst auch und vor allem die Weiterentwicklung und Umsetzung eines effektiven und zielführenden Monitoringsystems (innerhalb festgelegter nationaler Rahmenbedingungen bzgl. der Ansprüche und des Qualitätsniveaus für ein Monitoringsystem). Aufgrund dieser Prozesse sollte auch die Erstellung bzw. Beauftragung entsprechender Leitfäden erfolgen, die diese Ergebnisse für die praktische Anwendung dokumentieren und zugänglich machen. Kommune Gerade bei der Anleitung der Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen können Kommunen eine zentrale Rolle einnehmen, indem sie von vornherein alle relevanten Informationen und Hinweise bzw. die entsprechenden Verweise transparent sichtbar machen (z.B. auf ihrer Homepage), oder diese Informationen bei Projektanfragen standardmäßig und unabhängig davon, ob dies konkret angefragt wurde, mitliefern um sicherzustellen, dass relevante Aspekte inkl. einer gewissen Qualität von Anfang an mitgedacht werden. In einem solchen Informationspool sollten auch etwaige Besonderheiten der Kommune dargestellt werden. Außerdem, ob es z.B. schon ausgewiesene Kompensationsflächen gibt , oder ob Ökokontomaßnahmen innerhalb der Kommune umgesetzt sind, bei denen der Kauf von Ökopunkten noch möglich ist. Auch die Empfehlung, auf einen etablierten Maßnahmenträger für Ausgleichsmaßnahmen zurückzugreifen, sollten die Kommunen zentral platzieren und dabei auf die entsprechenden, lokalen Institutionen verweisen. Projektierende Die Inanspruchnahme von empfohlenen Leitfäden und Hilfestellungen sowie die enge Zusammenarbeit und der Austausch mit der Kommune helfen bei einer effizienten und qualitativ hochwertigen Umsetzung. Zudem ist die Zusammenarbeit mit entsprechenden Agenturen zu empfehlen, da die Bereitstellung von Realkompensationen in Bundesländern wie z.B. Schleswig-Holstein mit Hilfe von gut aufgestellten Agenturen bereits gut funktioniert. Hierdurch werden sämtliche Aspekte, wie die dauerhafte Flächensicherung, Herstellungs-, Entwicklungs- und Unterhaltungsmaßnahmen sowie Personal- und Verwaltungskosten für mind. 25 Jahre mit abgedeckt. 6 HANDLUNGSBEREICH: FOKUS AUF ÖKOKONTOMAßNAHMEN Die Nutzung des Ökokonto-Konzeptes sollte für Solar-FFA gestärkt werden, bei welchen eine Komplettkompensation innerhalb der Fläche nicht realisierbar ist. Um Synergien zu fördern und Rahmenbedingungen für eine einheitliche Qualität zu schaffen, sollten übergeordnete Instrumente auf Bundesebene näher geprüft werden, welche zu einer Vereinheitlichung bzw. Angleichung der Vorgaben auf Bundeslandebene führen könnten. Diese übergeordneten Ansätze sollten vor allem qualitative Rahmenbedingungen schaffen, während auf Bundeslandebene weiterhin länderspezifische Besonderheiten (z.B. vorhandenen Ökosysteme) berücksichtigt und geregelt werden können. 17 6.1 Hintergrund Wie bereits in 3.2 angeführt, wird an der aktuellen Handhabung von Kompensation laufend Kritik geübt, vor allem bezogen auf die Umsetzung und das Monitoring solcher Maßnahmen (Bronner & Flohr, 2015; Wonneberger, 2021). Es gilt zu schauen, wie die lokalisierten Problematiken angegangen und behoben werden können. Die Vereinheitlichung der ÖKVO kann zur Optimierung der Planungsprozesse führen und für eine gewisse Transparenz sorgen. Zudem besteht derzeit eine stetig wachsende Nachfrage an (naturschutzfachlichen) Ökopunkten, deren Trend keinen Abbruch vermuten lässt13. Auf dieser Grundlage appellieren wir, die Chancen von Ökokontomaßnahmen zu nutzen und bekannte Problematiken proaktiv anzugehen und auszubessern. Ein weiterer Vorteil von Ökokontomaßnahmen ist, dass der durch die Kompensationsflächensuche entstehende Druck genommen wird. Gerade Solar-FFA bieten sich für die Nutzung von Ökopunkten zur Kompensation an, da bestimmte Kritikpunkte an Ökokonten systematisch bereits wegfallen. So trifft hier zum Beispiel die generelle (großräumige) Flächenversiegelung durch Bauvorhaben nicht zu, die normalerweise bei der Nutzung von Ökopunkten nicht genügend berücksichtigt wird. 6.2 Ausgestaltung Die Schwachpunkte innerhalb der aktuell existierenden Systeme14 können durch eine umfangreiche Evaluierung und anschließende Ausbesserung und Neustrukturierung des Ökokontokonzeptes inkl. Einfluss von Best-Practice Erfahrungen aus unterschiedlichen Bundesländern adressiert werden. Diese Evaluierung umfasst ebenfalls eine aktive Befragung und Beteiligung von betroffenen Akteur:innen. Da diese Überarbeitung der bestehenden Konzepte weitverbreitete Problematiken adressieren soll und gleichzeitig Best-Practice Erfahrungen mit einbeziehen kann, sollte sich hierdurch ein Konzept ergeben, das in entsprechend verallgemeinerter Form auf Bundesebene gehoben werden kann und hierdurch wiederum eine klare Rahmenbedingung für alle Bundesländer schafft. Diese ÖKVO sollte unterscheiden zwischen festen Rahmenbedingungen, die zur Garantie eines gewissen Qualitätsniveaus notwendig sind, und Best-Practice-Empfehlungen, die den Freiraum lassen bundeslandspezifische Besonderheiten der vorhandenen Ökosysteme und Strukturen zu berücksichtigen. Der Ansatz der Evaluierung von bestehenden ÖKVO bietet die Grundlage für eine praxisorientierte Anpassung und sollte somit zu einer Verbesserung der Konzepte in vielen Bundesländern führen. Der Fokus sollte auf den bereits lokalisierten Problematiken liegen, namentlich der fehlenden bzw. qualitativ unbefriedigenden Umsetzung und dem Mangel an einem effektiven Monitoringsystem. Abseits davon sollte auch geklärt werden, wie mit dem Erhaltungszeitraum von Ökokontomaßnahmen umgegangen wird. Derzeit haben solche Maßnahmen einen festgelegten (Mindest-)Zeitraum, wie lange diese erhalten bleiben müssen. Gleichzeitig verfallen einmal erworbene Ökopunkte nicht, auch wenn der beeinträchtigende Eingriff erhalten bleibt, während die Ökokontomaßnahme ggf. nicht mehr existiert bzw. zumindest nicht mehr rechtlich verpflichtet ist, bestehen zu bleiben. 13 Aussage im Rahmen dieses Leitfadens befragter Agenturen. 14 Diese Systeme können abseits der ÖKVO auch noch angrenzende Verordnungen und Richtlinien enthalten, die zur Anwendung und Ausgestaltung von Ökokonten und Ökokontomaßnahmen notwendig bzw. strukturgebend sind. Zudem beinhalten diese Systeme auch diverse Akteur:innen, die im Themenkomplex Ökokonten zu verordnen sind und durch eine übergeordnete Ökokontoverordnung betroffen wären. 18 Entscheidend bei der Fokussierung auf Ökokontokonzepte ist, dass Ökokontoflächen in der Flächenplanung von Kommunen bereits Raum erhalten. Zusätzlich zu Flächen im Kommunalbesitz gibt es den Aspekt, dass das Angebot von Ökopunkten durch privat angelegte Ökokontomaßnahmen ergänzt wird. Hierzu führt vor allem der finanzielle Anreiz – vor allem dort, wo z.B. landwirtschaftlich Flächen nicht mehr besonders wirtschaftlich sind. Zudem ist auch bei der Umsetzung von Ökokontomaßnahmen – genau wie bei der Umsetzung von klassischen Ausgleichsmaßnahmen – die Übertragung an etablierte Maßnahmenträger zu empfehlen und anzuvisieren, um ein hohes Maß an Qualität und eine zielführende Umsetzung und Pflege zu garantieren. Die Befragung von Agenturen mit Schwerpunkt bzw. Spezialisierung auf Ökokontomaßnahmen ergab folgende Best-Practice Ansätze: • Die Abwicklung von Ökokontomaßnahmen läuft in Schleswig-Holstein insgesamt gut und bietet so die Grundlage für Best-Practice Empfehlungen. Die ÖKVO ist hier gut etabliert, anerkannt und rechtliche Unklarheiten wurden bereits mithilfe weiterer Erlässe konkretisiert. Ein Beispiel ist die geregelte Einbindung von Ökopunkten in die Bauleitplanung. Zusammen mit der zusätzlichen Vollzugshilfe zu ÖKVO (2017) ermöglicht dies die Realkompensation von vielen, großen Infrastrukturvorhaben. Die hierfür notwendigen hohen Flächenbedarfe lassen sich durch vorausschauende Planung und in Kooperation mit entsprechenden Institutionen (z.B. der Landgesellschaft) lösen. Außerdem ist es in Schleswig-Holstein durch die AgentAnerkVO inzwischen möglich, dass Vorhabensträger die genehmigungsrechtliche Verantwortung für die Kompensation – sprich die Kompensationsverpflichtung – auf eine anerkannte Agentur (nach AgentAnerkVO) übertragen. • Ein weiterer, wichtiger Aspekt ist die eindeutige Klärung der Dauer der Pflege- und Unterhaltungsverpflichtung. • Auch die Notwendigkeit für speziell geschultes Fachpersonal in den entsprechenden Behörden mit Blick auf die Maßnahmenbewertung, -planung und -umsetzung sollte nicht außer Acht gelassen werden. • Ein weiterer zentraler Aspekt ist der Einbezug der aktuellen Bewirtschaftenden von Ausgleichsflächen mit ihren Fähigkeiten und technischer Ausstattung. Dies beginnt bereits bei der Konzipierung von Ausgleichsmaßnahmen, reicht über die Steuerung und Betreuung, bis hin zum Monitoring. • Die naturschutzrechtlichen Ökokonten konnten auch in Baden-Württemberg das zentrale Problems des Umsetzungsdefizits sowie der stark zeitverzögerten Umsetzung lösen. Die Zinsansprüche, die bei vorgezogenen Maßnahmen vorliegen, führen zu einer zeitnahen Umsetzung nach der Genehmigung der entsprechenden Behörde. • Zudem wurde durch die ÖKVO in Baden-Württemberg ein einheitlicher Rahmen auf Bundeslandebene für die Bewertung bestimmter Schutzgüter geschaffen, der nun auch außerhalb der ÖKVO als Orientierung dient und angewandt wird. • Die wirtschaftliche Attraktivität solcher naturschutzrechtlichen Ökokonten durch eine entsprechende Vergütung ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Dieser finanzielle Anreiz bildet einen effektiven Hebel zur Umsetzung von wichtigen Naturschutzmaßnahmen, vor allem dann, wenn sich die Ökokontomaßnahme wirtschaftlicher stärker rentiert als die vorherige Bewirtschaftungsform. 19 • Generell kann darauf verwiesen werden, dass sich bei der Umsetzung von Ökokontomaßnahmen diverse Parallelen zu Kompensationsmaßnahmen finden lassen, da diese gleichermaßen sorgfältig und fachlich kompetent geplant, gesichert, umgesetzt und langfristig erhalten werden müssen. • Der Bundesverband der Flächenagenturen in Deutschland (BFAD) hat für seine Mitglieder bereits einen Qualitätsstandard für Flächenpools festgelegt. Dieser beinhaltet folgende fünf Kernaspekte: o Naturschutzfachliche Aufwertung o Langfristige Sicherung von Flächen und Maßnahmen o Langfristige Dokumentation des Entwicklungszustandes der Poolflächen o Fachliche Abstimmung und planerische Einbindung o Hohe Qualität der Planungsleistungen Im Gegensatz zu Best-Practice stehen die Hürden und Hemmnisse der aktuellen Ökokontokonzepte, die bestmöglich adressiert werden sollten. Dies umfasst Folgendes: • In Schleswig-Holstein wird darauf hingewiesen, dass die Unteren Naturschutzbehörden die ÖkokontoVO z.T. unterschiedlich auslegen. Dies kann beispielsweise zu Abweichungen bei der Ausgestaltung von Zuschlägen für Arten- und Biotopschutz führen. Eine Vereinheitlichung des Vorgehens in einem Bundesland würde die Planungssicherheit für die Ökokontobetreiber erhöhen. Auch auf die unterschiedlichen Qualitätsstandards der Ökokonten innerhalb eines Bundeslandes wird hingewiesen und, dass eine Vereinheitlichung zusammen mit einem verpflichtenden Monitoring die Voraussetzung ist, um Defizite zu beseitigen. • Es wird darauf hingewiesen, dass Ökokontomaßnahmen als Ersatzmaßnahmen eingestuft werden und hierdurch die funktionale Kompensation nicht immer gewährleistet ist. In Schleswig-Holstein wird dies teils durch weitere Erlässe adressiert. Für Waldökokonten ist beispielsweise durch die Erlasslage konkret festgelegt, für welche Eingriffe diese genutzt werden können. • Im allgemeineren Kontext stellt weiterhin der knappe Flächenmarkt sowie das geringe Angebot an Ankaufflächen Hindernisse für die Umsetzung von Ökokontomaßnahmen dar. • Zudem ist die Bilanzierungsmethodik für das Schutzgut Landschaftsbild (welches die Funktion Erholung d

Anna Laura Ulrichs2024-08-01T14:53:18+02:00Freitag, 1. Dezember, 2023|

Solarwärmenetze aus Behördensicht

10 Wärmenetze elix Landsberg, Berater beim Hamburg-Institut hat in den ver- gangenen Wochen viel mit Bau- ämtern, unteren Naturschutzbehörden und Stadtwerken gesprochen. Mit Hilfe qualitativer Interviews versucht der Wissen schaft ler ein Bild der aktuellen Genehmigungspraxis für große Solar- thermieanlagen zu zeichnen. Die Studie des Hamburg-Instituts soll Aufschluss darüber geben, wo es bei den Geneh- migungsprozessen für große Solarther- mieanlagen in Deutschland noch hakt, was gut läuft und wie es noch besser laufen könnte. Finanziert wird die Studie aus Mitteln des Bundesumwelt- ministeriums im Projekt SolnetPlus. Noch sind die Befragungen nicht abgeschlossen. Doch erste Trends lie - ßen sich schon erkennen, verriet Lands- berg der Energiekommune: „Meist geht es in der einen oder anderen Weise um das Thema Fläche.“ Denn große Solar- thermieanlagen für die Fernwärme wer- den heute zumeist auf Freiflächen reali- siert und benötigen Platz. Im Gegensatz zu Photovoltaikprojektierern sind Fern- wärmebetreiber bei der Standortsuche für Solarkollektoren allerdings deutlich weniger flexibel. Die Anlagen können nicht allzu weit von den Wärmenetzen und den Verbrauchern entfernt gebaut werden. Andernfalls würde der Lei- tungsbau die Kosten steigern und der Netzverlust die Effizienz senken. Nach Landsbergs Erkenntnissen lief es in den bisherigen Projekten meist so, dass für ein bestimmtes Solarprojekt eine Fläche gesucht wurde. Ist ein po- tenzielles Gelände gefunden, dann lan- det der Fall bei den kommunalen Ge- nehmigungsbehörden. Zwischen Pro- jektierer und Behörde ist zu klären, ob, wie und unter welchen Auflagen eine Freiflächen-Solarthermieanlage an die- sem Standort genehmigt werden kann. Zumeist geschehe dies im Rahmen ei - nes vorhabenbezogenen Bebauungs- plans, weiß Landsberg zu berichten. Es seien aber auch Anlagen auf bereits be- stehenden Bebauungsplänen geneh - migt worden. Ferner seien im Außenbe- reich einige Anlagen auf Basis der Privi- legierung für Versorgungsinfrastruktur nach § 35 des Baugesetzbuches reali- siert worden. Welche Gutachten sind nötig? Egal auf welcher dieser Grundlagen der Genehmigungsprozess laufe, stets sei es für die zuständigen Unteren Bau- und Naturschutzbehörden ein Sprung ins kalte Wasser. „Da schwingt immer eine gewisse Unsicherheit mit, weil die Behörde es zum ersten Mal macht“, sagt Landsberg. „Es fängt damit an, welche Gutachten überhaupt einzuholen sind. Wir sind bei unseren Befragungen auf Blendgutachten gestoßen, auf Versicke- rungsgutachten, auf Umweltgutachten zu Natur- und Artenschutz, sogar auf Verkehrsgutachten wegen des Liefer- verkehrs für die ergänzende Hack- schnitzelfeuerung.“ Für diese Gutach - ten gebe es wegen der individuellen Er- fordernisse vor Ort keine Standards, so Landsberg: „Hilfreich wäre aber aus Sicht der Behörden, wenn es ein Muster gäbe, welche Gutachten nicht für jedes Projekt individuell erstellt werden müs- sen.“ Für die Mitarbeiter:innen der Äm- ter ergäben sich weitere Unsicherhei - ten, „welche Träger öffentlicher Belan- ge überhaupt zu beteiligen sind und welches Maß an Aus gleichsmaß nah - men unter welcher Art der Flächenge- staltung zu fordern ist.“ Mitunter sei es in den vom Hamburg-Institut unter - such ten Projek ten möglich gewesen, die Kollektorfel der so naturverträglich zu gestalten, dass sich kein weiterer Ausgleichsbe darf ergeben habe. Teils hätten die Anlagenbetreiber die Ämter überzeugen können, dass sie intensiv genutztes Ackerland in eine extensive Beweidung überführten. Es fehle aber eine klare Richtschnur für solche Behör- denentscheidungen, sagt Landsberg. Zwar komme es vor Ort immer auf den Einzelfall an, und deshalb sei die kommunale Planungshoheit so wichtig, betont Landsberg. Und dennoch wünschten sich viele der Befragten kla- rere Regeln und Vorgaben für den Ge- nehmigungsprozess: „Zum Beispiel wäre eine Vorgabe der Länder sinnvoll, wie Ausgleichsmaßnahmen zu quantifi- zieren sind oder welche Auflagen für die Nutzung der Flächen zwischen den Kollektorreihen sowie für deren Abstän- 4/2022Energiekommune Solarwärmenetze aus Behördensicht Wenige Kommunen haben bislang Fernwärme-Solarthermieanlagen im Stadtgebiet. Auf welche Hürden sind sie in den Genehmigungsverfahren gestoßen, wie sind sie zum Ziel gekommen und was können andere daraus lernen? Das ist Thema einer Befragung. F Foto: Guido Bröer de oder Bauhöhen gelten sollten.“ Solche Vorgaben seien größtenteils Ländersache, erklärt Landsberg. Ein Beispiel: In Schleswig-Holstein wurde für Solarparks die Vorgabe ge- macht, auf die Abstände zwischen Boden und Unterkante der Module Acht zu geben. Umweltverbände fordern hier sogar die Festsetzung einer Min- desthöhe, um Schafen zu ermöglichen darunter hindurch zu schlüpfe., In NRW hingegen bestand eine Genehmigungs- behörde aus optischen Gründen auf einer Maximalhöhe der Kollektor-Ober- kante von 2 Metern über Grund. Einen konkreten Tipp hat Felix Lands berg in dieser Situation für alle Fernwärmebetreiber und -Planungsbü- ros, die mit der Idee einer solaren Frei- flächenanlage schwanger gehen: „Spre- chen Sie sehr frühzeitig mit der Umwelt- behörde beziehungsweise der Unteren Naturschutzbehörde. Wenn man früh in den Dialog geht, kann man spätere Pro- bleme vermeiden.“ Öffentlichkeit einbinden Das gelte im Prinzip auch für die Beteili- gung der Öffentlichkeit, meint Lands - berg. Immerhin laufe diese bei Projek - ten zur Fernwärmeversorgung meist besser als mitunter bei großen Photo- voltaikparks, wo sich schon allein des - halb Widerstand rege, weil ein externer Investor eine Kommune mehr oder we- niger mit seinen Plänen überraschte. Der lei sei von Solarthermieprojekten bislang kaum bekannt, so Landsberg: „Solare Wärmenetze entstehen meist aus der Mitte der kommunalen Gesell- schaft. Der vorgelagerte Planungspro - zess findet vor Ort statt. Die Betreiber sind oft in der Kommune ansässig. Und auch die Nutznießer, die Wärmeabneh- mer, leben in der Gemeinde. Idealerwei- se gibt es sogar eine finanzielle Beteili- gung der Bürgerinnen und Bürger an den Anlagen. Sei es, dass diese genos- senschaftlich organisiert sind oder dass der finanzielle Nutzen über den Quer- verbund eines Stadt werks der Allge- meinheit zugute kommt.“ Wenn alles gut läuft, dann gibt es mit der Flächenfindung und Genehmi- gung für eine große Solarthermieanlage keine besonderen Probleme. Dennoch sind die Wissenschaftler:innen des Hamburg-Instituts mittlerweile zu der Überzeugung gekommen, dass der Pro- zess der Flächensuche insge samt vom Kopf auf die Füße gestellt werden muss, um bei der Energiewende mit der nöti- gen Geschwindigkeit voranzukommen. Landsberg: „Unser Credo lautet ,von der Fläche zum Projekt, nicht vom Projekt zur Fläche.‘“ Will heißen: Kommunen werden im Zuge der Energiewende so viele Flächen für die Energieernte aus- weisen müssen, dass ein systematisches Flächenscreening für die verschiedenen regenerativen Energien das Gebot der Stunde ist. Landsberg sagt: „Die meisten Kommunen müssen erstmal die Grund- lagen legen für den erforderlichen Ab- wä gungs prozess. Sie müssen sich fra - gen: Wieviel Energie können und müs- sen wir auf unserem Stadt- oder Gemeindegebiet erzeugen. Dafür be - darf es einer interkommunalen struktu- rierten Flächenanalyse.“ Mit diesem Begriff beschreibt Landsberg ein Vorgehen, das eigentlich sogar über die neuesten Vorgaben einer kommunalen Wärmeplanung hinaus- geht, wie sie in Baden-Würtemberg vor- exerziert wird und laut Ankündigung der Bundesregierung demnächst auch bundesweit Pflichtaufgabe werden soll: „Wärmeplanung ist sehr gut und wich- tig. Aber dabei ist auch die Sektoren- kopplung, also die Verknüpfung mit dem Strombereich zu bedenken. Es muss ein generelles Umdenken stattfin- den, wie Stadtgesellschaften mit Flä- chen umgehen.“ Guido Bröer Wärmenetze Felix Landsberg hat Genehmigungsbe- hör den und Projektierer zu Erfahrungen mit großen Solarthermieanlagen befragt. Foto: Hamburg-Institut

Maren2024-05-31T16:04:26+02:00Freitag, 1. April, 2022|

Planungs- und Genehmigungspraxis „Gut geplant ist halb genehmigt“

Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 11 www.solare-waermenetze.de Solare Freiflächenanlagen zur Wärmeversorgung gewinnen immer mehr an Bedeutung. Während die ersten Umsetzungen als Pilotprojekte stattfanden, ging der weitere Weg über die Nutzung in Energiedörfern, eingebettet in lokale Versorgungskonzepte. Seit einigen Jahren treiben auch rein wirtschaftliche Betrachtungen eine Nutzung der Großflächensolarthermie als Wärmeversorgung für Nah- und Fernwärmenetze den weiteren Ausbau voran. Mit dem Ende des Nischendaseins wachsen für die Planungen immer größerer solarthermischer Anlagen auch die Herausforderungen und Risiken im Genehmigungsprozess. Diese sollen in diesem Infoblatt adressiert werden; zudem werden Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, um eine rechtssichere Planung zu unterstützen. FLÄCHENAUSWAHL UND -PRÜFUNG Die Grundlage für einen möglichst reibungslosen Ablauf bildet die umfassende Prüfung aller Flächen im Umfeld, die für eine weitere Betrachtung in Frage kommen. Das Spannungsfeld bewegt sich dabei zwischen energiewirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Aspekten unter Einbindung der vorhandenen Strukturen und Möglichkeiten. Die einzelnen Aspekte greifen ineinander und sollten in einer Gesamtbetrachtung geprüft werden, wie in Abbildung 1 dargestellt ist. Ziel ist es, rechtzeitig mögliche Ausschlusskriterien und Konfliktpotenziale zu ermitteln und die Flächenwahl dementsprechend auszurichten. Zur Veranschaulichung, wie aufwändig die Flächensuche sein kann, eignet sich ein Projekt der Stadtwerke Radolfzell, die eine Fläche für eine Solarthermieanlage mit 1.100 m2 Kollektorfläche in Liggeringen gesucht haben. In Abbildung 2 ist zu sehen, wie viel Flächen näher geprüft werden mussten (rot), bis sich eine geeignete Fläche (blau) finden ließ, die alle Anforderungen erfüllt. PLANUNG IM UNBEPLANTEN AUßENBEREICH Da die Anlagen viel Platz beanspruchen, bietet sich in der Regel nur der (unbeplante) Außenbereich zur weiteren Flächensuche an. Im Außenbereich wird zwischen privilegierten Vorhaben wie u.a. Windkraftanlagen (§ 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BauGB) und nicht privilegierten Vorhaben unterschieden. Wird ein Vorhaben als privilegiert eingestuft, besteht keine Pflicht, für das Vorhaben einen Bebauungsplan aufzustellen. CHANCEN EINER PRIVILEGIERUNG Ein Ansatz, das Genehmigungsverfahren zu vereinfachen, liegt damit darin, das Vorhaben als privilegiertes Vorhaben zu planen. Nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 BauGB kann das der Fall sein, wenn das Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Fläche einnimmt oder einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung Bei der Projektentwicklung von Freiflächensolarthermieanlagen fehlt es bei den beteiligten Akteuren vor Ort oft an Praxiserfahrungen zum Planungsprozess, um eine rechtssichere Grundlage für die Genehmigung zu schaffen. Eine sorgfältige Herangehensweise bei der Findung geeigneter Flächen und das rechtzeitige Einbeziehen sozialer und umweltrechtlicher Themen kann den Planungsprozess unterstützen und das Risiko von unerwarteten Hürden im Genehmigungsprozess minimieren. Auch das Abwägen einer möglichen baurechtlichen Privilegierung im Außenbereich kann dabei eine Option sein. Planungs- und Genehmigungspraxis: „Gut geplant ist halb genehmigt“ Quelle: Stadtwerke Radolfzell angehört. In der Praxis bedeutet das, dass die solare Wärme zum Beispiel für die Warmwasserversorgung in Landwirtschaftsbetrieben genutzt wird oder zur Klimatisierung der Gewächshäuser. Beide Fälle finden keine Anwendung, wenn es um die Versorgung von Wärmenetzen in Siedlungs- oder Gewerbegebieten geht. Eine Privilegierung ist in diesen Fällen nur möglich, wenn das Vorhaben „der öffentlichen Versorgung mit […] Wärme […] oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient“ (§ 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB). Die Hürde ist hierbei, dass die Rechtsprechung auch für den Fall der öffentlichen Versorgung eine Ortsgebundenheit fordert. Diese ergibt sich nicht aus Wirtschaftlichkeits- oder Praktikabilitätserwägungen, die in der Regel dafür sprechen, die Distanz zwischen Erzeugung und Verbrauch möglichst gering zu halten. Die Ortsgebundenheit richtet sich eher an die geologischen oder geographischen Eigenarten eines Standorts, die einen Betrieb an anderer Stelle nicht zweckmäßig ermöglichen würden. Wesentlich ist, dass die Anlage nach ihrem Gegenstand und ihrem Wesen nur an der fraglichen Stelle betrieben werden kann. Im Einzelfall können solarthermische Anlagen diese Maßgaben durch die begrenzten Transportdistanzen von Wärme erfüllen, was rechtzeitig bei den Genehmigungsbehörden ins Gespräch gebracht werden sollte. Dieses Vorgehen konnte bei einer Solarthermieanlage mit etwa 14.800 m² in Ludwigsburg-Kornwestheim erfolgreich umgesetzt werden, wodurch die Pflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans für die Genehmigung entfiel. PLANUNG INNERHALB BESTEHENDER FLÄCHENPLANUNG Daneben ergibt sich als einfachste Planungsvariante mit der höchsten Akzeptanz die Planung innerhalb bestehender Bebauungspläne. Nutzbare Flächen sind u.a. Konversionsgebiete oder Gewerbe- und Industriegebiete. Da keine erheblichen Belastungen durch Immissionen von Solarparks ausgehen und die Rechtsprechung Photovoltaikfreiflächenanlagen schon als zulässig in Gewerbegebieten festgestellt hat, kann diese Wertung auch auf solarthermische Anlagen in Industriegebieten übertragen werden. Die Umsetzung wird in diesem Fall durch die hohen Grundstückspreise erschwert, die einen wirtschaftlichen Betrieb in Gewerbe- und Industriegebieten in der Regel nicht zulassen. SCHAFFUNG VON BAURECHT DURCH EINEN BEBAUUNGSPLAN Wenn im Bereich der Planung von der Gemeinde noch keine Sondergebiete für die Nutzung von regenerativen Energien (namentlich Sonnenenergie oder Solarthermie) festgesetzt sind und sich keine der vorher beschriebenen Gebiete eignen, muss das Baurecht für nicht privilegierte Vorhaben über die Erstellung eines neuen Bebauungsplans geschaffen werden. Das Verfahren kann bei der Gemeinde angeregt oder durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan vom Projektierer initiiert werden. Die Gemeinde hat dabei den Vorteil, dass sie anlassbezogen planen kann und keine Planungskosten tragen muss. Wollen Gemeinden die Flächennutzung frühzeitig steuern, bieten sich Festsetzungen in Flächennutzungsplänen an, die im besten Fall in ein kommunales Wärmekonzept eingebunden sind. BEACHTUNG DER UMWELTGESETZE Wenn für die Planung ein Bebauungsplan nötig ist, folgt nach § 2 Abs. 4 BauGB eine formale Umweltprüfung. Die Umweltverträglichkeitsprüfung kann entfallen, wenn die Umweltprüfung den Anforderungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung entspricht. Wenn die Umsetzung im Außenbereich ohne Bebauungsplan erfolgen soll, ist keine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig, solange keine größeren KWK- oder Heizkesselanlagen zugebaut werden sollen. Da die Anlage wasserführend ist, muss auch das Gewässer- und Bodenschutzrecht beachtet werden. Maßgeblich sind dabei die Landeswassergesetze, die eingehalten werden müssen. Dazu gehört, dass keine wassergefährdenden Stoffe austreten dürfen und bei der Nutzung von schwach wassergefährdenden Stoffen, wie Frostschutzmitteln, die Anforderungen an die Dichtigkeit, die Standsicherheit und die Leckageerkennung einzuhalten sind. Das Naturschutzrecht bzw. die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung wird im BauGB durch die Vorschriften zum Umweltschutz vorgegeben. Das Konfliktpotenzial besteht vor allem in der Flächenkonkurrenz zu anderen Nutzungen. Basis für die Konflikte sind u.a. die Bodenversiegelung und -verdichtung, der Bodenabtrag, die Verschattung von Flächen und die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Werden diese Konfliktquellen rechtzeitig adressiert, können spätere Verzögerungen vermindert werden. MAßNAHMEN ZUR KONFLIKTMINIMIERUNG – NATURSCHUTZ BEACHTEN UND BIOTOPVERBUND FÖRDERN Die ersten Weichen können bei der Auswahl der Flächen gestellt werden. Konflikte mit dem Arten- oder Habitatschutzrecht können durch einen Ausschluss naturschutzfachlich Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 11 Abbildung 1: Bausteine des Flächenscreenings (Quelle: Solites) hochwertiger Flächen in der Flächensuche weitgehend vermieden werden. In weniger strengen Kategorien wie dem Landschaftsschutz oder der Erhaltung von Naturparks sind Befreiungen von den jeweiligen Schutzgebietsverordnungen möglich und sollten daher nicht von vornherein als Ausschlusskriterium den Suchraum einschränken. Damit es in den späteren Beteiligungsverfahren nicht zu unerwarteten Einsprüchen kommt, sollten lokale Verbände, die die Kulturlandschaft vor Ort am besten kennen, und die Öffentlichkeit so früh wie möglich mit einbezogen werden. Über die Erstellung eines ökologischen Gesamtkonzepts im Zuge des landschaftspflegerischen Begleitplans kann das Ziel, ein ökologisches Gesamtkonzept im Projekt zu integrieren, festgehalten werden. Die Ziele sind dabei u.a., einen optimalen Biotopverbund zu erhalten und in die Umgebung einzubinden, in dem Wanderkorridore erhalten bleiben, die Biodiversität von Flora und Fauna erhöht wird und Biotoptypen bzw. Lebensräume für Leit- und Zielarten gezielt geschaffen und gefördert werden. Wenn die Fläche vorher für die intensive Ackerlandwirtschaft genutzt wurde, ist durch den Bau einer solarthermischen Anlage mit Begrünung zwischen den Kollektoren und Bepflanzung an den Rändern sogar ein positiver Effekt auf die Biotope möglich, wenn sich das ökologische Konzept in den Kontext des natürlichen Landschaftsraums in der Umgebung einfügt. ANPASSUNG DER PLANUNG AN UMGEBENDE LANDSCHAFT Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds können durch die Flächenwahl und die Struktur innerhalb der Fläche vermindert werden. Bei der Flächenwahl bieten sich Tallagen und Senken an, um Sichtachsen zu erhalten. Genauso können Vegetationsstrukturen wie Waldränder und vorhandene oder neue gepflanzte Hecken genutzt werden, um die optische Fernwirkung zu mindern. Gibt es in der Umgebung keine Strukturen, die einen optischen Schutz ermöglichen, sollte umso mehr darauf geachtet werden, dass sich die Struktur der Anlage in die Umgebung einfügt. Im ersten Ansatz muss die Anlage dazu in Teilabschnitte untergliedert werden, um die ausgedehnte Struktur aufzubrechen, die sich in der Regel nicht die umgebende kleinteilige Kulturlandschaft einfügt. Die Parzellengröße sollte sich dabei an der umgebenden Strukturgröße orientieren. Durch die Nutzung von teils natürlichen Elementen wie Hecken oder Wasserflächen kann eine natürlich wirkende Unterteilung geschaffen werden und die optische Störwirkung vermindert werden. Anzustreben ist dabei ein Anteil von 25 -50 % zwischen den Modulflächen und den Randfeldern. BÜRGERBETEILIGUNG Zur Realisierung des Vorhabens ist es wichtig, dass auch die lokale Bevölkerung einen Mehrwert in dem Projekt sieht. Neben den Gewerbesteuereinnahmen für die Gemeinde gibt es durch eine geeignete Wahl der Betriebsgesellschaft die Möglichkeit, die lokale Wertschöpfung zu fördern. Dazu bietet sich der Betrieb durch die örtlichen Stadtwerke an oder die Gründung einer Energiegenossenschaft, die den späteren Betrieb übernimmt. Förderlich ist auch eine direkte finanzielle Beteiligungsmöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger am Projekt, die sich zum Beispiel bei der Neugründung einer Energiegenossenschaft umsetzen lässt. www.solare-waermenetze.de FAZIT Die grundlegende Frage zur Planung der Genehmigung ist, ob es sich bei dem Vorhaben um ein privilegiertes Vorhaben handelt. Sofern dies von den lokal zuständigen Behörden verneint wird, ist ein Bebauungsplan erforderlich. Gibt es keinen bestehenden Bebauungsplan mit Festsetzungen für regenerative Energien im Planungsgebiet, bietet sich ein vorhabenbezogener Bebauungsplan an, um Rechtssicherheit für den Genehmigungsprozess zu schaffen. In jedem Fall sind ein angepasstes und durchdachtes ökologisches Begleitkonzept sowie eine finanzielle Beteiligungsmöglichkeit unter frühzeitigem Einbezug der lokalen Akteure Schlüsselelemente, um einen reibungslosen Genehmigungsprozess zu fördern. Abbildung 2: Flächensuche in Liggeringen (Quelle: Stadtwerke Radolfzell) Gefördert durch: www.solare-waermenetze.de Energiekommune IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen von Solnet 4.0, einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Vorhaben zur Marktbereitung für solare Wärmenetze. Die Projektpartner sind das Steinbeis Forschungsinstitut Solites, der Fernwärmeverband AGFW, das Hamburg Institut sowie die Herausgeber der Zeitschrift Energiekommune. Herausgeber: HIR Hamburg Institut Research gGmbH Redaktion: Dr. Matthias Sandrock, Felix Landsberg Veröffentlichung: 2020 Haftungsausschluss: Das dieser Publikation zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter dem Förderkennzeichen 03EGB0002A gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieses Dokuments liegt bei den AutorInnen. Weder der Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 11 Im Gespräch: Andreas Reinhardt, Geschäftsführer der Stadtwerke Radolfzell Wo lagen für Ihr Nahwärmeprojekt inkl. Solarthermieanlage in Liggeringen die größten Hemmnisse im Genehmigungsprozess? Die größten Hemmnisse haben wir im Bebauungsplanverfahren durch den Anlagenstandort in einem Landschaftsschutzgebiet erfahren. Die eine Seite war dabei die Fläche des Bauprojekts an sich – die andere Seite sind die erforderlichen Ausgleichsflächen, die geschaffen werden mussten. Neben der eigentlichen Fläche für die Solarthermieanlage und Heizzentrale auch Ausgleichsflächen mit einer gleichwertigen Bodenstruktur zu finden, war eine Herausforderung. Diese Ausgleichsflächen sollte man schon im Vorfeld bei der Planung mitdenken. Welche Verbesserungen im Genehmigungsprozess wünschen Sie sich aufgrund Ihrer Erfahrung aus dem Projekt? Dass die Bearbeitungszeit im Genehmigungsprozess in einer analogen Welt etwas länger dauert, ist sicherlich nachvollziehbar. Ich kann mir vorstellen, dass über Cloud-Dienste in Zukunft sogenannte Mehrfachfertigungen der Dokumente entbehrlich sind und dass man der Genehmigungsbehörde über einen digitalen Zugang die Unterlagen bereitstellen kann. In unserem Fall mussten wir permanent unheimlich viele Anlagen bedrucken, kopieren und in einer Mehrfachfertigung ausliefern. Ich denke, das ist in der heutigen Zeit nicht mehr Stand der Technik. Es gibt in der digitalen Welt von heute bessere Möglichkeiten, die Planungsprozesse effizienter und somit die Projekte schneller zur Ausführung bringen. Auf welche Art und Weise wurde die Öffentlichkeit einbezogen und wie wurde es angenommen? Man muss die Öffentlichkeit von der Sinnhaftigkeit des Projekts überzeugen. Dazu haben wir verschiedene Mittel eingesetzt, unter anderem 10 Infoveranstaltungen vor Baubeginn, sodass jeder Bürger sich umfassend informieren konnte. Im Zusammenhang mit dem Nahwärmenetz haben wir auch die Themen Glasfaseranbindung, Erneuerung der Hausanschlüsse, Erneuerung der Straßenbeleuchtung, der Gehsteige und der Fahrbahn mitkommuniziert, sodass insgesamt der Mehrfachnutzen deutlich wurde. Entscheidend war auch, dass wir bei zwei Exkursionen mit unserem eigenen Stadtbusbetrieb ca. 50 Familien an bestehenden Anlagen gezeigt haben, wie so ein Projekt in der Realität aussieht. Daneben ist das persönliche Gespräch bei der Bestandsaufnahme ein entscheidender Faktor. Dort hat man Gelegenheit, im Face-to-Face-Kontakt die positiven Argumente ausführlich zu erläutern, was bei Infoveranstaltungen im großen Rahmen deutlich schwieriger ist. Hilfreich ist auch der Verweis auf den Beitrag zum ökologischen Umbau der Wärmenutzung – weg von alten Ölkesseln und hin zu modernen umweltfreundlichen Technologien. Durch die Glasfaseranbindung ergeben sich zusätzlich Standortvorteile für Gewerbebetriebe und erhöhte Grundstückswerte für Eigentümer sowie Vorteile in der alltäglichen Nutzung, z.B. für das Home-Office. Was würden Sie anderen Kommunen und Stadtwerken raten, wenn sie in ihrem Umfeld ein ähnliches Projekt entwickeln wollen? Im Grundsatz ist es zu Beginn wichtig, Überzeugung bei den betroffenen Bürgern zu schaffen. Das geht u.a. über wirtschaftliche Argumente, also einen persönlichen monetären Vorteil für die Beteiligten. Zusätzlich empfiehlt sich eine frühzeitige Klärung der Grundstücksfrage nicht nur für das Baufeld, sondern auch für die Ausgleichsflächen, die man im Rahmen des Genehmigungsprozesses benötigt. „Die Öffentlichkeit frühzeitig von dem Projekt überzeugen“

Julian Kuntze2023-08-18T09:59:02+02:00Dienstag, 1. Dezember, 2020|

Verbesserung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen – Thüringer Klimagesetz

Solar district heating Instruments for policy and legal framework Entwurf zum Thüringer Klimagesetz Dieses Projekt wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der europäischen Union gefördert (Förderkennzeichen 691624). Gegenstand: Rechtliche Rahmenbedingungen Beschreibung: Entwicklung eines Gesetzentwurfs durch die Thüringer Landesregierung zum “Thüringer Klimagesetz” Datum: 14.05.2018 Autor: Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz Dokumentendownload: www.solar-district-heating.eu/en/knowledge-database/ Zusammenfassung der Maßnahme Region: Thüringen, Deutschland (A-Region) Kurzbeschreibung der Maßnahme: Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) hat einen Gesetzentwurf zum “Thüringer Gesetz zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels - ThürKlimaG” erarbeitet, welcher von der Landesregierung beschlossen und an den Landtag zur weiteren Diskussion und Beschlussfindung übergeben wurde. Ausgangssituation Entsprechend den Zielen des Koalitionsvertrages strebt Thüringen an bis 2040 seinen Energiebedarf bilanziell durch einen Mix aus 100% regenerativen Energien selbst decken zu können. Nicht nur im Stromsektor, auch im Wärmebereich sind erhebliche Anstrengungen notwendig, um dieses Ziel zu erreichen. Der verstärkte Um- und Ausbau der Fernwärme und die Einbeziehung erneuerbarer Energien wie der Solarthermie werden hierbei einen erheblichen Beitrag leisten. Das Thüringer Klimagesetz kann einen Rahmen für die Klima- und Energiepolitik des Landes Thüringen bilden. Aus diesem Grund hat das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) einen Gesetzentwurf zum “Thüringer Gesetz zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels - ThürKlimaG” erarbeitet, welcher im Dezember 2017 von der Landesregierung beschlossen wurde. Im Januar 2018 wurde der Gesetzentwurf an den Landtag, welchem die Gesetzgebungskompetenz obliegt, zur weiteren Diskussion und Beschlussfindung übergeben. Der Gesetzentwurf des Thüringer Klimagesetzes sieht Abbaukorridore für den Ausstoß von Treibhausgasen und damit konkrete Anhaltspunkte für eine Umgestaltung der Energieversorgung Thüringens vor. Auf diese Weise soll auf regionaler Ebene ein Beitrag zum Erreichen der globalen Klimaziele geleistet werden, wobei die Potentiale der Wärmeversorgung mittels Wärmenetzen genutzt werden sollen. Solar district heating Instruments for policy and legal framework Entwurf zum Thüringer Klimagesetz Dieses Projekt wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der europäischen Union gefördert (Förderkennzeichen 691624). Ein erster Entwurf des Gesetzes wurde Ende März 2017 im Kabinett beraten. Im Rahmen der zweiten Kabinettsberatung im Dezember 2017 wurde der Gesetzentwurf beschlossen. Seit Januar 2018 wird der Gesetzentwurf im Landtag beraten. Ziele Das Klimagesetz kann einen Rahmen für die Klima- und Energiepolitik des Landes bilden. Neben den Abbaukorridoren für den Ausstoß von Treibhausgasen sowie den Zielen für die Umgestaltung des Energiesystems auf bilanziell 100% erneuerbare Energien bis 2040 soll das Gesetz auch weitere Eckpunkte beinhalten, wobei die Themen Wärmeversorgung bzw. Wärmenetze konkret adressiert werden: Im Gesetzentwurf zum Thüringer Klimagesetz ist vorgesehen, dass Gemeinden mit Unterstützung der Landesregierung Wärmeanalysen bzw. Wärmekonzepte zu erarbeiten können. Landkreise und Gemeinden können darüber hinaus Klimaschutzstrategien erstellen bzw. fortschreiben, die ebenfalls Aspekte der Wärmeversorgung beinhalten könnten. Die Klimaschutzstrategien sollen insbesondere beschreiben, wie Treibhausgaseinsparungen erzielt und die Nutzung erneuerbarer Energien ausgebaut werden kann. Die Wärmeanalysen der Gemeinden sollten eine Beschreibung vorhandener Wärmequellen und –senken beinhalten. Die Wärmekonzepte sollten Maßnahmen für die Reduzierung der lokalen Wärmebedarfe sowie für den Ausbau der erneuerbaren Energien beinhalten. Diese Konzepte können eine gute Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung von konkreten Projekten vor Ort bilden. Darüber hinaus sind Fernwärmeversorgungsunternehmen verpflichtet, ein Konzept für ihr Wärmenetz zu entwickeln, welches auf die Umstellung des Wärmeversorgungssystem auf 100% erneuerbare Energien bis 2040 ausgerichtet ist und Durchführungsschritte zur Zielerreichung beinhaltet. Die Konzepte müssen mindestens alle zehn Jahre überarbeitet werden. Zudem müssen Fernwärmeversorgungsunternehmen Produkt- und Umweltinformationen, wie den Anteil der erneuerbaren Energien, CO2-Emissionen und Primärenergiefaktor der Fernwärme, auf der Internetseite Ihres Unternehmens oder an anderer geeigneter Stelle veröffentlichen. Abbildung 1: Treibhausgasabbaukorridore im Entwurf des Thüringer Klimagesetzes Solar district heating Instruments for policy and legal framework Entwurf zum Thüringer Klimagesetz Dieses Projekt wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der europäischen Union gefördert (Förderkennzeichen 691624). Mit Blick auf einen klimaneutralen Gebäudebestand sollen zudem Gebäudeeigentümer unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen und sonstigen persönlichen Verhältnisse, ab 2030 einen Mindestanteil von 25% erneuerbarer Energien zur Deckung des Wärme- bzw. Kältebedarfs Ihres Gebäudes sicherstellen. Alternativ zur dezentralen Einbindung erneuerbarer Energien kann auch ein Anschluss an ein Wärmenetz mit ebenfalls einem Mindestanteil von 25% erneuerbarer Energien erfolgen oder es können individuelle Sanierungsfahrpläne, Gebäudeenergiechecks, Energiebedarfsausweise, zertifizierte Umweltmanagement- und Energiemanagementsysteme oder Energieaudits erarbeitet bzw. vorgenommen werden. Mit den beschriebenen Schritten sollen nicht nur Energieeinsparungen und eine Steigerung der Energieeffizienz im Wärmeversorgungsbereich, sondern auch konkret eine Steigerung des Einsatzes erneuerbarer Energien in Wärmenetzen erreicht werden. Maßnahmen und Aktivitäten Der Gesetzentwurf zum Thüringer Klimagesetz beinhaltet auch die Entwicklung einer Integrierten Energieund Klimaschutzstrategie (IEKS). Diese Strategie soll konkrete Maßnahmen und Aktivitäten beinhalten, deren Umsetzung hilft, die im Gesetz verankerten Klimaschutzziele zu erreichen. Im Klimagesetz selbst sollen nur wenige konkrete Maßnahmen verankert werden, da der Weg zur Erreichung der genannten Ziele nicht im Detail vorgegeben werden soll. Auf diese Weise kann Raum für Diskussionen und verschiedene, flexible Lösungen entstehen. In einem breit angelegten Beteiligungsprozess erhielten interessierte gesellschaftliche Gruppen und Verbände, wie die kommunalen Spitzenverbände, die Wirtschaft oder die Naturschutzverbände sowie Bürgerinnen und Bürger von März bis November 2017 die Möglichkeit, gemeinsam mit der Landesregierung diese IEKS zu erarbeiten. Konkret möchte sich die Landesregierung im Zusammenhang mit dem Klimagesetz verpflichten, andere öffentliche Stellen bei Klimaschutzaktivitäten zu unterstützen. Künftige politische Entscheidungen werden ausschlaggebend dafür sein, ob und in welchem Umfang dazu finanzielle Unterstützung bereitgestellt werden kann. Hürden und Möglichkeiten Mit der Festlegung von Treibhausgasminderungszielen im Gesetzentwurf zum Thüringer Klimagesetz kann ein regulatorischer Rahmen für die Umgestaltung des regionalen Energieversorgungssystems geschaffen Solar district heating Instruments for policy and legal framework Entwurf zum Thüringer Klimagesetz Dieses Projekt wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der europäischen Union gefördert (Förderkennzeichen 691624). werden. Darüber hinaus kann durch den speziellen Fokus des Klimagesetzes u.a. auf den Wärmesektor die Bedeutung von Wärmenetzen mit erneuerbaren Energien für eine Wärmewende hervorgehoben werden. Gemeinden, Fernwärmeversorgungsunternehmen und Gebäudeeigentürmer sollen in Thüringen als direkte Akteure der Energiewende in eine Umgestaltung des Energieversorgungssystems einbezogen werden, sodass eine Steigerung des Anteils der Erneuerbaren Energien am Wärmeversorgungssystem auch über Wärmenetze erzielt werden kann. Wärme- und Klimakonzepte sollen eine Umsetzung konkreter Projekte anregen. Der Gesetzentwurf zum Thüringer Klimagesetz wurde an den Thüringer Landtag übergeben, wo er vor einer abschließenden Abstimmung derzeit diskutiert wird. In diesem Prozess können Änderungen am Gesetzentwurf vorgenommen werden. Im Rahmen der Abstimmung des Landtags über den Gesetzentwurf kann gegebenenfalls eine Ablehnung dieses Entwurfs erfolgen. Ergebnisse Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) hat einen Gesetzentwurf zum “Thüringer Gesetz zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels - ThürKlimaG” erarbeitet, welcher von der Landesregierung beschlossen und an den Landtag zur weiteren Diskussion und Beschlussfindung übergeben wurde. In diesem Factsheet werden nur die für die solare Nah- und Fernwärme relevanten Aspekte dargestellt. Darüber hinaus berücksichtigt der Gesetzentwurf zum Thüringer Klimagesetz auch weitere Inhalte, z.B. die Themen nachhaltige Mobilität und Klimaanpassung Gewonnene Erkenntnisse Der Gesetzentwurf zum Thüringer Klimagesetz wurde dem Landtag für eine weitere Diskussion und Beschlussfindung übergeben und kann einen starken Rahmen für die Klima- und Energiepolitik des Landes bilden. Die Umsetzung eines Klimagesetzes ist eine Maßnahme mit Langzeitwirkung. Doch auch die Entwicklung eines Klimagesetzes ist arbeits- und zeitintensiv und letztlich abhängig von den politischen Entscheidungen des Landtags. ┘ Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. ┌

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Dienstag, 1. Mai, 2018|

Verbesserung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen – Thüringer Solarrechner

Solar district heating Instruments for policy and legal framework Entwicklung einer webbasierten Software Dieses Projekt wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der europäischen Union gefördert (Förderkennzeichen 691624). Gegenstand: Thüringer Solarrechner Beschreibung: Entwicklung einer webbasierten Software “Thüringer Solarrechner” Datum: 14.05.2018 Autor: Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) Dokumentendownload: www.solar-district-heating.eu/ Zusammenfassung der Maßnahme Region: Thüringen, Deutschland (A-Region) Beteiligte Partner: Thüringer Energie- und GreenTech Agentur (ThEGA), Geoplex GIS GmbH Kurzbeschreibung der Maßnahme: Entwicklung einer webbasierten Software, “Thüringer Solarrechner” Ausgangssituation Entsprechend den Zielen des Koalitionsvertrages strebt Thüringen an, bis 2040 seinen Energiebedarf bilanziell durch einen Mix aus 100% regenerativen Energien selbst decken zu können. Nicht nur im Stromsektor, auch im Wärmebereich sind erhebliche Anstrengungen notwendig, um dieses Ziel zu erreichen. Der verstärkte Um- und Ausbau der Fernwärme und die Einbeziehung erneuerbarer Energien wie der Solarthermie werden hierbei einen erheblichen Beitrag leisten. Eine Untersuchung des regionalen Wärmeversorgungssystems, das unter anderem von Wärmenetzen geprägt ist, hat gezeigt, dass die Potentiale der Biomasse in Thüringen nahezu erschöpft sind – jene der Solarthermie jedoch unzureichend genutzt werden. Derzeit ist in Thüringen eine solarthermische Pilotanlage die in ein Wärmenetz integriert ist in Jena-Pößneck in Betrieb, während andere solare Nah- und Fernwärmeprojekte konzeptioniert und verschiedene Machbarkeitsstudien zur Integration erneuerbarer Energien in die Wärmeversorgung mit Wärmenetzen erarbeitet werden. Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) verfolgt verschiedene Aktivitäten um die Marktbereitung erneuerbarer Energien und solarer Nah- und Fernwärme zu unterstützen, z.B. mit der Entwicklung des Thüringer Solarrechners, einer webbasierten Software, durch die Geoplex GIS GmbH. Solar district heating Instruments for policy and legal framework Entwicklung einer webbasierten Software Dieses Projekt wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der europäischen Union gefördert (Förderkennzeichen 691624). Ziele Die solare Strom- und Wärmeproduktion in Thüringen soll gesteigert werden. Aus diesem Grund wird der Thüringer Solarrechner entwickelt, der verschiedenen Nutzergruppen bei der Identifizierung von Potentialen für die Nutzung der Solarenergie dienen soll. Konkret können mit Hilfe des Thüringer Solarrechners mögliche Flächen für die Installation von Solarthermiekollektoren oder Photovoltaikmodulen identifiziert werden. Grundlage für die Ermittlung solcher Potentiale sind wirtschaftliche Betrachtungen und eine Ermittlung des Solarertrages für jede Dach- und Freifläche in Thüringen. Diese Berechnungen basieren auf den Daten der jeweils jüngsten Laserscanbefliegung Thüringens im Auftrag des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation (TLVermGeo). Im Hinblick auf die Solarthermie können mit Hilfe des Thüringer Solarrechner nicht nur für Dachflächen, sondern auch für Freiflächen Wirtschaftlichkeits- und Ertragsberechnungen durchgeführt werden. Freiflächen können manuell über die Einzeichnung eines Polygons für eine Betrachtung ausgewählt werden. Die Belegung dieser Flächen mit Solarthermiekollektoren erfolgt automatisch, kann jedoch manuell angepasst werden. So können einzelne Module der Fläche zugefügt oder entfernt werden. Auch eine Verschiebung der Module ist möglich. Zudem kann der Kollektortyp (Flachkollektor oder Vakuumröhrenkollektor) für die Belegung der Fläche ausgewählt werden. Anschließend werden der Solarertrag und die Investitionskosten berechnet und die Ergebnisse können ausgedruckt und als PDF-Dokument abgerufen werden. Auf Grund seines umfangreichen Funktionsumfangs (Berechnungen für Solarthermie oder Photovoltaik auf Dach- oder Freiflächen) richtet sich der Thüringer Solarrechner auch an verschiedene Zielgruppen: Insbesondere mit der Bewertung von Dachflächen für die Nutzung von Solarthermie oder Photovoltaik richtet sich der Thüringer Solarrechner an private Gebäudeeigentümer, Unternehmen, die öffentliche Hand und Wohnungsbauunternehmen. Die Bewertung von Freiflächen zur Nutzung von Solarthermie oder Photovoltaik ist in erster Linie für Stadtwerke, Genossenschaften, Planungs- und Projektierungsunternehmen, Betreiber von Gewerbegebieten und andere Unternehmen mit geeigneten nicht betriebsnotwendigen Flächen konzipiert. Maßnahmen und Aktivitäten Der Thüringer Solarrechner wird etwa Ende Mai 2018 nutzungsfähig sein. Derzeit wird eine Beta-Version automatisiert und manuell geprüft. Es wurde ein umfangreiches Konzept zur Öffentlichkeitsarbeit für Mai und Juni 2018 in Kooperation mit der Thüringer Energie- und GreenTech Agentur (ThEGA) entwickelt, das darauf abzielt, potentielle Nutzer und Multiplikatoren über die Entwicklung des Thüringer Solarrechners zu informieren. Dieses Konzept beinhaltet Solar district heating Instruments for policy and legal framework Entwicklung einer webbasierten Software Dieses Projekt wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der europäischen Union gefördert (Förderkennzeichen 691624). zum Beispiel die Durchführung von Informationsveranstaltungen und Workshops, das Drucken von Flyern und Broschüren sowie die Präsentation des Thüringer Solarrechners online und auf Messen. Darüber hinaus wurde das Konzept des Thüringer Solarrechners bereits bei zwei SDHp2m-Veranstaltungen im Januar und Februar 2018 vorgestellt und soll auch bei weiteren SDHp2m-Veranstaltungen im Jahr 2018 eine Rolle spielen. Hürden und Möglichkeiten Die Etablierung eines kostenlosen webbasierten Softwaretools zur Identifizierung von Flächen für die Installation von großen Solarthermieanlagen kann bei der Nutzung der existierenden Solarthermiepotentiale in Thüringen hilfreich sein. Dazu ist es notwendig, potentielle Nutzer und Multiplikatoren über die Veröffentlichung des Thüringer Solarrechners und dessen Nutzungsmöglichkeiten zu informieren. Zudemm ist es wichtig, Akteure bei der Nutzung des Thüringer Solarrechners zu unterstützen. Aus diesem Grund wird der Thüringer Solarrechner mit der Servicestelle Solar bei der Thüringer Energie- und GreenTech Agency (ThEGA) verknüpft, die praktische Unterstützung z.B. für Kommunen, Bürger und Unternehmen bei der Identifizierung von Flächen für die Nutzung von Solarthermie und Photovoltaik und zu Finanzierungs- und Betreibermodellen anbietet. Ergebnisse Der Thüringer Solarrechner befindet sich derzeit in der Testphase und wird voraussichtlich Ende 2018 veröffentlicht. Der Thüringer Solarrechner wird künftig abrufbar sein unter: www.solarrechner-thueringen.de Gewonnene Erkenntnisse Die Rückmeldung Thüringer Akteure zum Thüringer Solarrechner war bisher ausschließlich positiv. ┘ Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. ┌

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Dienstag, 1. Mai, 2018|

Verbesserung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen – Energie und Klimaschutzstrategie in Thüringen

Solar district heating Instruments for policy and legal framework Integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie Dieses Projekt wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der europäischen Union gefördert (Förderkennzeichen 691624). Gegenstand: Integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie Beschreibung: Entwicklung eines Entwurfs zur “Integrierten Energie- und Klimaschutzstrategie ” Datum: 14.05.2018 Autor: Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz Dokumentendownload: www.solar-district-heating.eu/en/knowledge-database/ Zusammenfassung der Maßnahme Region: Thüringen, Deutschland (A-Region) Kurzbeschreibung der Maßnahme: Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) koordiniert die Erarbeitung einer Integrierten Energie- und Klimaschutzstrategie. Ausgangssituation Entsprechend den Zielen des Koalitionsvertrages strebt Thüringen an bis 2040 seinen Energiebedarf bilanziell durch einen Mix aus 100% regenerativen Energien selbst decken zu können. Nicht nur im Stromsektor, auch im Wärmebereich sind erhebliche Anstrengungen notwendig, um dieses Ziel zu erreichen. Der verstärkte Um- und Ausbau der Fernwärme und die Einbeziehung erneuerbarer Energien wie der Solarthermie werden hierbei einen erheblichen Beitrag leisten. Einen rechtlichen Rahmen für die umfassende Klima- und Energiepolitik des Landes Thüringen soll das Klimagesetz schaffen. Ein Gesetzentwurf, der im Dezember 2017 von der Landesregierung beschlossen wurde, wurde im Januar 2018 dem Landtag zur weiteren Diskussion und abschließenden Beschlussfindung vorgelegt. Der Gesetzentwurf sieht die Entwicklung einer Integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie (IEKS) durch die Landesregierung vor. Diese soll konkrete Maßnahmen und Wege aufzeigen, die im Klimagesetz verankerten Klimaschutzziele zu erreichen. Ziele Unter Beteiligung der Öffentlichkeit wurde in einem breit angelegten Dialogprozess ein Maßnahmenkatalog 4.0 als Basis für die Erarbeitung der IEKS für Thüringen entwickelt. Solar district heating Instruments for policy and legal framework Integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie Dieses Projekt wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der europäischen Union gefördert (Förderkennzeichen 691624). Grundlage für die öffentliche Diskussion stellte eine Studie des Leipziger Instituts für Energie dar, welches ausgehend von möglichen Minderungspotentialen die Bereiche darstellt, in welchen Treibhausgasemissionen eingespart werden können. Dabei wurden für die IEKS die Handlungsfelder Energieversorgung, Wirtschaft, Verkehr, Gebäude, Private Haushalte, Landnutzung/Landwirtschaft sowie Öffentliche Hand fokussiert. Im gesamten Dialogprozess wurden konkrete Maßnahmen für die genannten Handlungsfelder ausgearbeitet und als Maßnahmenkatalog 4.0 zusammengefasst, welche als IEKS durch die Landesregierung beschlossen und künftig regelmäßig fortgeschrieben werden soll. Maßnahmen und Aktivitäten In einem breit angelegten Beteiligungsprozess erhielten von März bis November 2017 interessierte gesellschaftliche Gruppen und Verbände, wie die kommunalen Spitzenverbände, die Wirtschaft oder die Naturschutzverbände, sowie Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit gemeinsam mit der Landesregierung die IEKS zu erarbeiten. Die Ausarbeitung des Maßnahmenkatalogs 4.0 zur Integrierten Energie- und Klimaschutzstrategie erfolgte in mehreren Stufen. Ausgehend von einem wissenschaftlichen Gutachten, welches durch das Leipziger Institut für Energie erstellt wurde, wurde auch der Maßnahmenkatalog 1.0 erarbeitet. Dieser wurde in einer ersten Workshop-Reihe mit Experten z.B. aus Verbänden, Wirtschaft und Forschung im März 2017 diskutiert und zu einem Maßnahmenkatalog 2.0 zusammengefasst. Anschließend wurden die Bürger aufgefordert, den aus den Ergebnissen der Workshop-Reihe entwickelte Maßnahmenkatalog 2.0 online zu kommentieren und zu bewerten. Eine Bewertung und Kommentierung konnte auch im Klima- Pavillon des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz im Rahmen der Landesgartenschau in Apolda erfolgen. Darüber hinaus fanden auch Zielgruppen-Workshops zum Maßnahmenkatalog 2.0 statt. Die Ergebnisse dieses Beteiligungsprozesses wurden im Maßnahmenkatalog 3.0 berücksichtigt, welcher abschließend in einer zweiten Workshop-Reihe nochmals mit Experten z.B. aus Verbänden, Wirtschaft und Forschung besprochen wurde. Im Januar 2018 wurde aus diesem Ergebnissen der Maßnahmenkatalog 4.0 erstellt, der nun als Basis für die Erarbeitung eines ersten Entwurfs der Integrierten Energie- und Klimaschutzstrategie dient. Solar district heating Instruments for policy and legal framework Integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie Dieses Projekt wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der europäischen Union gefördert (Förderkennzeichen 691624). Abbildung 1: Darstellung des Wegs zur Energie- und Klimaschutzstrategie - Ablauf des Dialogprozesses Inhaltlich befasst sich der Maßnahmenkatalog 4.0 zum Handlungsfeld Energieversorgung mit neun Maßnahmen. Grundlage dafür bildet die erwähnte Studie des Leipzig Instituts für Energie, welche u.a. die Notwendigkeit der weitgehenden Umstellung bestehender Fernwärmenetze auf erneuerbare Energien zur Erreichung der Ziele zur Minderung der Treibhausgasemissionen betont. So werden unter anderem die Themen „Erstellung von Konzepten zur CO2-neutralen Wärmeversorgung für öffentliche Wärmenetze und transparente Produktinformationen der Wärmeversorgung“ und „Unterstützung des Ausbaus von lokalen Wärmenetzen auf Basis erneuerbarer Energien“ diskutiert. Auch die Etablierung eines „Pilotprojekts zur Umstellung von vorhandenen heißen Wärmenetzen auf kalte Wärmenetze (low-ex)“ ist im aktuellen Maßnahmenkatalog vorgesehen. Darüber hinaus werden auch die „Fortführung und Weiterentwicklung von Programmen zur Förderung der Solarenergienutzung vor Ort“ und die „Bereitstellung landeseigener Flächen zur Nutzung erneuerbarer Energien“ aufgeführt. Eine Zusammenstellung aller Maßnahmen in Form von Steckbriefen ist online unter https://klimastrategiethueringen. de/ieks/de/home/informieren abrufbar. Solar district heating Instruments for policy and legal framework Integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie Dieses Projekt wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der europäischen Union gefördert (Förderkennzeichen 691624). Hürden und Möglichkeiten Im Rahmen des Beteiligungsprozesses zur IEKS hatten interessierte Akteure die Möglichkeit, ihre Sichtweisen einzubringen. Auf diese Weise konnten für Thüringen passende Maßnahmen entwickelt werden, welche der Umgestaltung des Energiesystems auch im Wärmebereich dienen. Auch kann über einen Beteiligungsprozess die Akzeptanz gegenüber der regionalen Energie- und Klimapolitik gesteigert werden. Ergebnisse Unter Koordinierung des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) wurde der Maßnahmenkatalog 4.0 von IFOK GmbH und dem Leipziger Institut für Energie GmbH als Basis für die Erarbeitung der Integrierten Energie- und Klimaschutzstrategie entwickelt. In diesem Factsheet werden nur die für die solare Nah- und Fernwärme relevanten Inhalte der Aktivitäten in diesem Bereich dargestellt. Die Maßnahmenkataloge beinhalten jedoch auch andere Aspekte, wie z.B. Mobilität, Industrie und Haushalte. Gewonnene Erkenntnisse Der Entwurf der Integrierten Energie- und Klimaschutzstrategie kann gemeinsam mit dem Thüringer Klimagesetz einen starken Rahmen für Klimaschutz auf regionaler Ebene bilden. Darüber hinaus stellt er eine Langzeitmaßnahme mit vielen praktischen Ansätzen dar. Die Erarbeitung einer Integrierten Energieund Klimaschutzstrategie, deren Ergebnis von der guten Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort profitieren kann, ist jedoch zeit- und arbeitsintensiv. Letztlich wird der Landtag den Entwurf der Integrierten Energie- und Klimaschutzstrategie diskutieren und darüber abstimmen. ┘ Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. ┌

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Dienstag, 1. Mai, 2018|

Rahmenbedingungen Hamburg

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Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Sonntag, 1. Januar, 2017|

Handlungsempfehlungen – Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg

1 SolnetBW – Solare Wärmenetze Baden-Württemberg Vorhaben BWE 13027 im Baden-Württemberg Programm BWPLUS Politische Handlungsempfehlungen zur Förderung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg Ansprechpartner: Dr. Matthias Sandrock, Christian Maaß HIR Hamburg Institut Research gGmbH Paul-Nevermann-Platz 5 21129 Hamburg sandrock@hamburg-institut.com 2 Mit ihrem Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) verfolgt die Landesregierung Baden-Württembergs ehrgeizige Ziele: Bis 2050 will das Land gegenüber 2010 50% des Energieverbrauchs einsparen, 80% der Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen und die energiebedingten Treibhausgasemissionen um 90% senken. Das IEKK räumt dabei der Solarthermie und speziell den solaren Wärmenetzen einen hohen Stellenwert ein. Der Einsatz der Solarthermie verringert dabei gleichzeitig die Abhängigkeit von Kohle, Öl- und Erdgasimporten und schafft durch verminderten Brennstoffeinsatz eine langfristige Kostenstabilität, die für Verbraucher und Kommunen besonders wichtig ist. Für eine kostengünstige Integration der Solarthermie in den Wärmemarkt sind Wärmenetze besonders geeignet. So können großflächige solarthermische Anlagen in Verbindung mit Wärmenetzen wesentlich kostengünstiger Wärme bereitstellen als dezentrale Einzellösungen auf Ebene der Gebäude. Mit Hilfe großer zentraler Wärmespeicher im Fernwärmesystem kann die Solarwärme auch über längere Zeiträume gespeichert werden und es können hohe solare Deckungsraten am Wärmebedarf erzielt werden. Das Beispiel Dänemark zeigt, welche Potenziale solare Wärmenetze für die künftige Energieversorgung bieten. Dort kommen solarthermische Anlagen im Megawatt-Bereich vielerorts bereits zum Einsatz und liefern zu wettbewerbsfähigen Kosten erneuerbare und emissionsfreie Wärme für die kommunale Versorgung. Die erforderlichen großen Kollektorfelder werden hier auf Freiflächen installiert. Das SolnetBW1-Verbundvorhaben zielt auf eine umfassende Marktbereitung für solare Wärmenetze in Baden-Württemberg ab. Die im Vorhaben erarbeitete Studie Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg - Grundlagen | Potenziale | Strategien beleuchtet die Möglichkeiten und Erfordernisse einer vermehrten Nutzung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg. Neben einer umfassenden Projektstudie wurden u.a. zwei praxisnahe Leitfäden im Rahmen des Projekts zum Thema Solare Wärmenetze in Baden-Württemberg veröffentlicht. Im Ergebnis lassen sich folgende wesentliche Schlussfolgerungen aus dem Projekt ziehen:  Für die Umsetzung der Energiewende, die langfristige Kostenstabilität und die Verbesserung der Versorgungssicherheit ist die Solarthermie ein unverzichtbarer Baustein in der künftigen Energieversorgung.  Die solare Nah- und Fernwärme ist heute technisch ausgereift und am Markt verfügbar.  Es gibt zahlreiche technische Integrationsmöglichkeiten für die großflächige Solarthermie in Wärmenetze. Technische Hemmnisse für eine Realisierung bestehen nur in wenigen Fällen.  Ökonomisch konkurrenzfähige Wärmegestehungskosten gegenüber fossiler Wärmeerzeugung können insbesondere bei großen Anlagen (> 1 MWth), Freilandaufstellung und solaren Deckungsanteilen bis etwa 20% erreicht werden.  Der bestehende Rechtsrahmen ist bisher kein wesentlicher Treiber für die Marktausweitung solarer Wärmenetze. Anreize zur Investition bestehen jedoch durch eine attraktive öffentliche Förderung.  Es sind noch auf verschiedenen Ebenen Anstrengungen erforderlich, um der solaren Nah- und Fernwärme in Baden-Württemberg zum Marktdurchbruch zu verhelfen. 1 SolnetBW ist ein Verbundvorhaben zum Thema solare Wärmenetze, das im Rahmen des Förderprogramms BWPLUS mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft durch den beim Karlsruher Institut für Technologie eingerichteten Projektträger gefördert wird. http://solar-district-heating.eu/bw/Startseite.aspx 3 Im Folgenden werden einige politische Handlungsempfehlungen formuliert, die aus Sicht des Projektkonsortiums geeignet sind, die Marktausweitung solarer Wärmenetze maßgeblich zu befördern. 1. Landesweite Informations- und Beratungsaktivitäten Die Verstärkung der Informations- und Beratungsaktivitäten ist eine wichtige Grundlage, um Investitionen in die solare Nah- und Fernwärme zu ermöglichen. Trotz des derzeit rasanten Marktwachstums dieser Technologie in Dänemark sind die Möglichkeiten der netzgebundenen Solarthermie in Deutschland oft noch unbekannt. Ziel der Informations- und Beratungsaktivitäten sollte es sein, bei den potenziellen Akteuren ein nachhaltiges Interesse zu wecken und die künftigen Marktchancen zu vermitteln. Die Voraussetzungen für eine wachsende Bedeutung der solaren Nah- und Fernwärme sind dabei gegeben. Es setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass ein langfristig klimaneutraler Gebäudebestand durch energetische Sanierung der Gebäude allein nicht erreicht werden kann, sondern zunehmend erneuerbare Energien in die Wärmeversorgung integriert werden müssen. Auch die derzeit sehr große Abhängigkeit von den Energieimporten fossiler Energieträger in der Wärmeversorgung ist ein starker Treiber für neue Versorgungsstrategien auf Basis erneuerbarer Energien. Hier bietet die netzgebundene Solarthermie eine ökologisch und ökonomisch vorteilhafte Option. Derzeit überwiegt jedoch noch bei vielen Akteuren die Unkenntnis oder Skepsis über die technischen und ökonomischen Vorteile der solaren Nah- und Fernwärme. Gerade Akteure mit einer gewissen Offenheit für neue Technologien haben jedoch in der Vergangenheit oft Erfahrungen mit der Solarthermie gesammelt, die heute noch deren Bewertung prägen und für eine Hinwendung zu solarer Nah- und Fernwärme sogar hinderlich sein können. Dies betrifft sowohl Anlagen im privaten Bereich, als auch die Installation von Solarthermieanlagen durch Wärmeversorgungsunternehmen. Diese meist kleinen Anlagen weisen gegenüber großen netzgebundenen Anlagen bis zu 5-fach höhere Wärmegestehungskosten auf. Eine wesentliche Kernbotschaft in den Informations- und Beratungsaktivitäten sollte also darin bestehen, dass mit der solaren Nah- und Fernwärme eine effiziente technische Nutzung der Sonnenenergie möglich ist, die mit den bisherigen Kleinanlagen nicht vergleichbar ist. Auch die für Verbraucher und Unternehmen mit der Nutzung der Solarthermie verbundene langfristige Kostenstabilität sollte eine wichtige Kernbotschaft sein. Im Rahmen der Anbahnung möglicher Projekte hat sich zudem gezeigt, dass zur Planung und Genehmigung solarer Wärmenetze sowie auch in Bezug auf die Förderung und Finanzierung derartiger Anlagen Informationsbedarf bei den Akteuren vor Ort besteht. Auch die Schulung von technischen Planern könnte die Marktausweitung befördern. Die im Land bereits vorhandenen Beratungs- und Förderstrukturen sollten dabei berücksichtigt und verstetigt werden. Die in diesem Jahr neu in Kraft gesetzte Förderung von Wärmenetzen sowie der regionalen Projektanbahnung und das Kompetenzzentrum Wärmenetze bei der KEA sind dafür sehr gute Anknüpfungspunkte. 4 2. Standortscreening für konkrete Projekte Für die Markteinführung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg ist es erforderlich, konkrete Projekte zu realisieren, die die technische Machbarkeit und ökonomische Umsetzbarkeit dieser Technologie belegen. Grundsätzlich kommen zur Realisierung von Anlagen sowohl neu zu errichtende Wärmenetze in Betracht, wie auch die Integration der Solarthermie in ein bestehendes Wärmenetz. Beide Anwendungsfälle sollten parallel verfolgt werden. Neue Wärmenetze kommen derzeit vor allem in eher ländlichen oder kleineren Gemeinden zur Anwendung und werden oft durch die Bürger vor Ort vorangetrieben. Wirtschaftlich vorteilhaft für die Umsetzung dieser Anlagen in eher ländlichen Strukturen sind die grundsätzlich bessere Verfügbarkeit von Freiflächen zur Aufstellung eines Kollektorfeldes, die eher niedrigen Grundstückskosten, sowie die spezifisch deutlich geringeren Rohrnetzverlegekosten gegenüber einem städtischen Umfeld. Zudem kann die Planung der Netzinfrastruktur von Beginn an auf den zu deckenden Bedarf optimal angepasst und für die Integration der Solarthermie optimiert werden. Auch bei der Umsetzung von städtischen Quartierskonzepten kommt grundsätzlich die Neu-errichtung eines Wärmenetzes in Betracht, wenngleich hier die Investitionskosten insbesondere durch den Tiefbau höher sind. Gegenüber der Neu-Errichtung von Wärmenetzen ist die Integration der Solarthermie in bestehende Wärmenetze in Bezug auf die Standortfaktoren und die Ansprache möglicher Akteure recht unterschiedlich. In diesen Fällen sind die Wärmenetzinfrastruktur, die Erzeugungsanlagen und die Wärmeabnehmer bereits vorhanden. Notwendige Investitionen beziehen sich somit nur auf die Erweiterung des Erzeugungsportfolios durch die Solarthermie und die technische Einbindung in das bestehende System. Eine aufwändige Gewinnung der Wärmekunden ist damit nicht notwendig. Vorteilhaft für die Planung der Solaranlage bei bestehenden Netzen ist zudem die Kenntnis des realen sommerlichen Lastverlaufs an Wärme. So kann die Anlage dem tatsächlichen Bedarf optimal angepasst werden. Besonders geeignet erscheint die Integration der Solarthermie in Netze, deren sommerliche Wärmeerzeugung auf biogenen Festbrennstoffen oder Gas- bzw. Ölkesseln ohne Kraft-Wärme-Kopplung basiert. Allerdings werden auch bestehende KWK-Anlagen vor dem Hintergrund der stark gefallenen Erlöse des KWK-Stroms insbesondere im Sommer zunehmend außer Betrieb genommen, sodass die Solarwärme hier als eine mögliche Erzeugungsoption in Frage kommt. Um die möglichen Standorte in Baden-Württemberg zu ermitteln, die für die Errichtung eines Wärmenetzes mit einem größeren Anteil Solarthermie an der Energieerzeugung besonderes gute Voraussetzungen aufweisen, sollen die Standorte nach topografischen, technischen, ökonomischen und politischen Kriterien ausgewertet werden. Nach der Recherche der erforderlichen Informationen sollen mögliche Standorte nach den obigen Kriterien bewertet werden. Ziel ist es, mögliche Standorte mit besonders erfolgversprechenden Rahmenbedingungen aufzufinden und potenzielle Initiatoren vor Ort durch Kommunikationsmaßnahmen zu adressieren. 5 3. Flächenbereitstellung und Flächenplanung Eine große Herausforderung liegt im Flächenbedarf der großen Solarthermieanlagen – gerade weil sie in der Nähe zu den Wärmesenken, also den Verbrauchern installiert werden müssen. Anders als Strom kann Wärme nicht über weite Strecken transportiert werden, da die Energieverluste und die spezifischen Kosten deutlich höher liegen. Insbesondere in den urbanen Siedlungsgebieten ist die Nutzungskonkurrenz bei vorhandenen Freiflächen groß. Flächen werden für den Wohnungsbau, Gewerbeansiedlungen oder die Landwirtschaft benötigt. Auch für den Landschafts- und Naturschutz müssen entsprechende Flächen vorgehalten werden. Die Bereitstellung von Freiflächen für solarthermische Anlagen ist vor dem Hintergrund der dargestellten Flächenkonkurrenzen eine anspruchsvolle planerische Aufgabe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Energiegewinnung grundsätzlich Raumbedarf beansprucht. Dies wird bei der Ablösung der heutigen Energieversorgungsstruktur mit dem Import von Öl, Gas und Kohle durch die Versorgung auf Basis erneuerbarer Energiequellen ein zunehmend wichtigeres Kriterium werden. Gegenüber der heute vorherrschenden Wärmegewinnung durch Biomasse hat die Solarthermie hierbei eine deutlich höhere Flächeneffizienz in der Landnutzung und auch die Biodiversität auf der Fläche kann bei einem entsprechenden Nutzungskonzept vorteilhaft beeinflusst werden. Die Montage der Kollektoren auf Dachflächen stellt ökonomisch nur bedingt eine Alternative dar, da die Kosten für die Installation auf Dächern deutlich höher sind als die für große Freiflächenanlagen. Somit weist auch die produzierte Wärme höhere Kosten auf und die Wettbewerbsfähigkeit zu fossiler Wärmeerzeugung ist oft nicht gegeben. Daher gilt es bei der Umsetzung von Projekten, geeignete Flächen auch für die Solarthermie zu identifizieren, Flächenkonkurrenzen abzuwägen und Synergien z.B. mit dem Naturschutz und der Landwirtschaft herauszuarbeiten. Die Erarbeitung eines integrierten ökologischen Nutzungskonzepts (wie im Projekt Crailsheim) bei der Inanspruchnahme von Flächen kann die Akzeptanz vor Ort deutlich erhöhen. Eine öffentliche Unterstützung solcher Konzepte wäre hilfreich. Um eine geregelte Steuerung und Sicherung geeigneter Flächen für die Wärmeerzeugung zu gewährleisten, sollten die Instrumente des Landesplanungsrechts genutzt und ggfls. weiter entwickelt werden. Geeignete Möglichkeiten der raumplanerischen Behandlung von Gebieten für die Freiflächen-Solarthermie sind unter Beteiligung der relevanten Interessensgruppen zu entwickeln und zu prüfen. Durch eine entsprechende landesgesetzliche Kompetenzzuweisung sollten den zuständigen Planungsträgern die erforderlichen Mittel für eine vorausschauende Flächenplanung an die Hand gegeben werden. Daneben sollte eine Klärung auf Bundesebene herbeigeführt werden, ob solarthermische Freiflächenanlagen im Gegensatz zu Photovoltaikanlagen im Außenbereich auch wegen der erforderlichen Nähe zum Verbraucher nach § 35 BauGB privilegiert sind. 6 4. Kommunale Wärmeplanung Perspektivisch wäre zudem die Einführung verbindlicher Instrumente der kommunalen Wärmeplanung sinnvoll und könnte den Ausbau der Wärmenetzinfrastruktur im Land befördern. Dieser würde mittelbar auch die grundlegenden Entwicklungschancen für die solare Nah- und Fernwärme verbessern. Trotz der bestehenden Investitionsförderung für Wärmenetze findet ein Ausbau der Fernwärme-versorgung in Baden-Württemberg (wie auch in den anderen Bundesländern) nur in sehr eingeschränktem Maß statt. Zwar haben die Verbesserungen zur Wärmenetzförderung im KWKG und in den Förderprogrammen der KfW zu einer gewissen Marktbelebung geführt, jedoch steht hier die Verdichtung der bestehenden Netze im Mittelpunkt, nur selten die Erschließung neuer Gebiete durch Wärmenetze. Um die Fernwärme dort auszubauen, wo es volkswirtschaftlich, sozial und ökologisch sinnvoll ist, ist wäre? eine strategische Planung erforderlich. Ziel eines solchen Planungsprozesses ist die Identifizierung und die Umsetzung der lokal jeweils günstigsten Strategie für die langfristige Wärmeversorgung der Kommune. Der Ausbau von Wärmenetzen ist dabei eine Schlüsselstrategie, mit der eine kostengünstige Integration erneuerbaren Energien ermöglicht werden kann. Diese planerische Aufgabe muss eng verzahnt werden mit der Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäude sowie der Stadtplanung insgesamt und kann nur auf örtlicher Ebene bewältigt werden. Eine langfristig orientierte kommunale Wärmeplanung kann dabei eine wertvolle Grundlage für den Ausbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung liefern und ermöglicht weitreichende Möglichkeiten, Maßnahmen und Interessen zu koordinieren, sowie Wärmeerzeugung und Bedarfe konzeptionell abzustimmen. Auch Konzepte zur Quartierssanierung können dabei hilfreich sein. Ein wesentliches Hemmnis beim Ausbau der Wärme-Infrastruktur sind zudem die hohen Investitionskosten im Vergleich zu dezentralen Erzeugungstechnologien. Diese Investitionen müssen über einen längeren Zeitraum durch die Wärmeerlöse refinanziert werden. Mit der Erstellung von kommunalen oder regionalen Wärmeplänen auch für den Gebäudebestand könnten Instrumente geschaffen werden, die eine hinreichende Investitionssicherheit nach sich ziehen. Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von lokalen Wärmekonzepten ist eine valide Datengrundlage. Um die Kommunen in die Lage zu versetzen, die in ihrem Gebiet anfallenden Wärmebedarfe und –quellen systematisch und qualifiziert zu erfassen, sowie Prognosen für die Bedarfsentwicklung zu erarbeiten, sollten die Versorgungsunternehmen verpflichtet werden, die hierfür erforderlichen Daten bereit zu stellen. Darüber hinaus sollten den Kommunen praxisorientierte Planungswerkzeuge für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt werden. 7 5. Verbesserung des Rechts- und Förderrahmens für solare Wärmenetze Um die Markteinführung der solaren Wärmenetze einzuleiten, wäre es sinnvoll, auch den rechtlichen Rahmen weiter zu entwickeln. Ziel sollte es sein, sowohl den Ausbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung insgesamt zu befördern als auch den Anteil der Solarthermie bei der Wärmebereitstellung zu erhöhen. Derzeit existiert bei den vorhandenen energiewirtschaftlich-ordnungsrechtlichen Regelungsinstrumenten kein wirksamer Treiber, der die Integration der Solarthermie in die leitungsgebundene Wärmeversorgung fördert. Um den Regulierungsrahmen im Hinblick auf eine verstärkte Nutzung solarer Wärme zu optimieren, sollten auch die Veränderung und Ergänzung verschiedener bestehender Regularien in Betracht gezogen werden. Schließlich ist es auch erforderlich, bei einem angestrebten Ausbau der Fernwärmeversorgung die Akzeptanz der Verbraucher zu erreichen und die Wettbewerbsfähigkeit der Fernwärme gegenüber der dezentralen Objektversorgung nicht zu beeinträchtigen. In Bezug auf die Markentwicklung solarer Wärmenetze sind auf der Ebene des bundespolitischen Rahmens insbesondere das KWKG und darüber hinaus die Fortentwicklung des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes relevant. Hierbei ist zu beachten, dass die meisten dieser gesetzlichen Regelungen das Bundesrecht betreffen (z.B. EnEV, EEWärmeG, KWKG) und vom Land Baden-Württemberg nur mittelbar - etwa durch Initiativen im Bundesrat und seinen Ausschüssen - zu beeinflussen sind. Einige Punkte können jedoch auch vom Land selbst im Rahmen der eigenen Gesetzgebungs-kompetenz z.B. bei der Novellierung des EWärmeG Baden-Württemberg oder im Rahmen einer erweiterten Kompetenzzuweisung des Landes für die Kommunen im Planungsrecht umgesetzt werden. Bisher steht der Ausbau der Fernwärme-Infrastruktur in Deutschland, der gute Voraussetzungen für die kostengünstige Integration Erneuerbarer Energien bieten würde, nicht im Fokus der bundesdeutschen Wärmepolitik und erfährt nur wenig Unterstützung. Im Gegensatz dazu wurde im Nachbarland Dänemark auf der Grundlage einer langfristig orientierten nationalen Wärmestrategie die Fernwärme sehr weitreichend ausgebaut und kann dort vorteilhaft eingesetzt werden. Der in den letzten Jahren zu verzeichnende sehr starke Marktzuwachs der solaren Fernwärme in Dänemark ist zu großen Teilen auch auf den dort vorliegenden staatlichen Regulierungsrahmen und die darauf fußenden strukturellen Rahmenbedingungen zurück zu führen. Mit Blick auf die positiven dänischen Erfahrungen sollten auch die energiepolitischen Möglichkeiten der Besteuerung von Brennstoffen zur Lenkung von Investitionen näher geprüft werden. Gerade bei den derzeit niedrigen Brennstoffpreisen bei Erdgas und Heizöl ist die Umsteuerung auf Erneuerbare Energien eine große Herausforderung. Eine Verschiebung des Kostengefüges zulasten fossiler Brennstoffe würde sowohl den Umstieg auf Erneuerbare Energien als auch Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz deutlich befördern. Die möglichen Maßnahmen sollten im Rahmen einer breit angelegten ökologischen Steuerreform mit dem Ziel einer für die Bürger aufkommensneutralen Finanzierung weiter entwickelt werden. Auch die Investitionsförderung für solare Wärmenetze sollte im Hinblick auf eine rasche Markterschließung weiter optimiert werden. Das neue Wärmenetz-Förderprogramm des Landes Baden-Württemberg ist dabei sehr zu begrüßen. Im Hinblick auf hohe solare Deckungsraten sollte die Bundesförderung für Wärmespeicher verbessert werden. Während Wärmespeicher im Zusammenhang mit (auch fossilen) KWK-Anlagen nach dem KWKG mit bis zu 10 Mio. Euro gefördert werden, beträgt die maximale Förderhöhe bei Wärmespeichern, die mit Erneuerbaren Energien gespeist werden nur 1 Mio. Euro (KfW-Programm 271). Gerade bei solaren Wärmenetzen mit hohen Deckungsraten und in Kombination mit Technologien zur Strom-Wärme-Sektorkopplung sind jedoch großvolumige Wärmespeicher mit entsprechend hohen Investitionen notwendig.

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Donnerstag, 1. September, 2016|
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