Handbuch Genehmigung von Freiflächen-Solarthermieanlagen
HANDBUCH – GENEHMIGUNG VON FREIFLÄCHEN SOLARTHERMIEANLAGEN Hamburg, 28.05.2024 Version 1 vom 28.05.2024 Autor*innen: Felix Landsberg, Marleen Greenberg 2 Dieses Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages unter dem Förderkennzeichen 67KF0119C gefördert. Das Handbuch erhebt keinen Anspruch auf rechtliche Vollständigkeit oder Richtigkeit bezüglich der Genehmigungsverfahren, sondern dient lediglich als praxisnahe Richtschnur entlang der Flächensuche bis zur Umsetzung. INHALT 1 Einleitung ....................................................................................................................... 1 2 Vor dem Genehmigungsprozess ................................................................................... 1 2.1 Projektorganisation und Betriebsmodell ............................................................... 1 2.2 Politik und Öffentlichkeit ....................................................................................... 1 2.3 Flächensuche ....................................................................................................... 2 2.3.1 Strukturierte Flächenanalyse ........................................................................... 3 2.3.2 Flächenkonkurrenz Photovoltaik vs. Solarthermie........................................... 5 2.3.3 Vorteilhaftigkeit von solarer Nutzung ............................................................... 5 2.3.4 Finanzielle Teilhabe im Rahmen interkommunaler Konzepte ......................... 6 2.3.5 Wiedervernässung von Mooren ....................................................................... 6 2.4 Ablauf des Genehmigungsverfahrens und Meilensteine ..................................... 6 2.4.1 Genehmigung als privilegiertes Vorhaben nach §35 BauGB .......................... 7 3 Beginn des Genehmigungsprozesses ........................................................................... 8 3.1 Behördenkontakt .................................................................................................. 8 3.2 Auflagen, benötigte Gutachten und Formulare .................................................... 8 3.3 Finanzierung ......................................................................................................... 9 3.4 Kompensation .................................................................................................... 10 4 Nach der Genehmigung ............................................................................................... 10 4.1 Ausschreibung .................................................................................................... 10 5 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................. 11 1 1 EINLEITUNG Im Rahmen des Forschungsprojekts SolnetPlus wurden 2021 und 2022 über 20 Interviews mit Behörden und Projektierenden geführt, die an der Planung und Genehmigung von Freiflächen-Solarthermieanlagen beteiligt waren. Ziel der Interviews war es, den Stand der Genehmigungspraxis bundesweit aufzunehmen. Durch die hälftige Aufteilung zwischen Behörden und Projektierenden konnte der Blick auf den Genehmigungsprozess von beiden Seiten aufgenommen und analysiert werden. Die Ergebnisse der Interviews wurden in den „DIFU Berichten“ veröffentlicht und die aufgenommenen Hemmnisse so weit wie möglich mit Lösungsansätzen belegt. Die Lösungsansätze wurden in Form von Stellungnahmen an die entsprechenden Planungsbehörden versandt und durch (öffentliche) Vorträge in Richtung der Projektierenden und Behörden zurückgespielt. In diesem Leitfaden sind die Erkenntnisse aus den 20 Interviews für alle Beteiligten, vor allem aber die Projektinitiator*innen zusammengefasst. Das Papier soll diese bei der Vorbereitung und Umsetzung des Genehmigungsprozesses unterstützen, insbesondere bei der Strukturierung und Vorbereitung der potenziellen inhaltlichen Anforderungen im Rahmen des Genehmigungsprozesses. Durch ein angepasstes und frühzeitig aufgesetztes Timing sollen Flaschenhälse zukünftig soweit wie möglich vermieden werden. Grundlagen zur Technik und Planung finden sich in den FAQ und der Wissensdatenbank mit zahlreichen aufbereiteten Medien rund um die Freiflächen-Solarthermie. 2 VOR DEM GENEHMIGUNGSPROZESS 2.1 Projektorganisation und Betriebsmodell Zu Beginn sollte klar sein, welches Betriebsmodell für den Standort bzw. den verfolgten Zweck das beste ist. In vielen Fällen wird die Solarthermieanlage durch die örtlichen Stadtwerke oder den örtlichen Wärmenetzbetrieb geplant, wenn schon ein Bestandsnetz vorhanden ist. Weitere Optionen bieten lokale Genossenschaften oder auch Zweckverbände. An dieser Stelle sollte auch mitgedacht bzw. geprüft werden, ob eine Kooperation mit der angrenzenden Gemeinde sinnvoll sein könnte und unter welchem Betriebsmodell sich die Kooperation mehrerer Gemeinden, je nach individueller Konstellation, am besten umsetzen lässt. In den Ausarbeitungen der dena und der Energieagentur Rheinland-Pfalz sind anschauliche Beispiele und Basiswissen zu den unterschiedlichen Betriebsmodellen zusammengefasst. In einigen bekannten Fällen wurden große Ankerkunden nicht nur als Kunden in das Projekt eingebunden, sondern bekamen auch die Möglichkeit, sich als Gesellschafter*innen finanziell zu beteiligen und mitzubestimmen. Die direkte Mitbestimmung wurde in einem Fall durch die Stellung einer Geschäftsführung je Kerngesellschafter*in sichergestellt. Sollen auch ordnungsrechtliche Instrumente, wie beispielsweise Anschlussgebote, eingebunden werden, sollte auch eine mögliche kommunale Beteiligung im Betriebsmodell frühzeitig mitgedacht werden, um diese Instrumente rechtssicher einsetzen zu können. 2.2 Politik und Öffentlichkeit Vor Beginn des Genehmigungsprozesses sollte analysiert werden, wie der öffentliche und politische Dialog bezüglich Erneuerbarer Energien bisher geführt wurde, wofür es Mehrheiten und wo es eher Bedenken gibt. Ausschlaggebend für die erfolgreiche Umsetzung der Projektidee war in einigen Fällen, dass der politische 2 Rückhalt gegeben war und dadurch Hemmnisse oder auch Bedenken bei den Behörden besser gelöst werden konnten. Um diesen Rückhalt in der Politik und Öffentlichkeit zu erlangen, kann es sinnvoll sein, das Projekt in eine langfristige Strategie einzubinden, die nachvollziehbar darstellt, welches langfristige Ziel verfolgt wird und warum dieses Projekt ein wichtiger Baustein ist. Geeignet können sein: Machbarkeitsstudien/ Transformationspläne nach BEW, Kommunale Wärmeplanung, Klimaschutzkonzepte oder Solarstrategien, die allesamt unter Beteiligung lokaler Interessenvertretungen erstellt wurden. Die Studien bzw. die Methodik und Kernergebnisse der Studien sollten dafür für die Öffentlichkeit aufbereitet und proaktiv, ggf. auch im Rahmen eines Bürger*innendialogs, kommuniziert werden. Es sollte frühzeitig transparent dargelegt werden, warum für das Projekt eine neue Freifläche genutzt werden muss und z.B. nicht einfach vorhandene Dachflächen genutzt werden können. Hier gilt es, die Vor- und Nachteile der Freiflächennutzung aufzubereiten und die solaren Potenziale (Solarthermie und Photovoltaik) den (zukünftigen) Bedarfen im Gemeindegebiet gegenüberzustellen. In einem Projekt wurde sich darauf geeinigt, die solarthermische Anlage in der Freifläche zu bauen und gleichzeitig möglichst viele Dächer mit Photovoltaik zu belegen. Wenn es einen breiten Konsens zur Sinnhaftigkeit des Projekts gibt, kann es der Politik leichter fallen, Flächen bereitzustellen und das Projekt während der Genehmigungsphase durch die Teilnahme an Austauschrunden auf Entscheidungsebene zu beschleunigen. Gegebenenfalls notwendige, aber unpopuläre Maßnahmen wie u.a. Baumfällungen sollten auch im Rahmen der übergeordneten Strategie nachvollziehbar erläutert werden. In einigen Projekten hatte die öffentliche Baumfällung zu Verzögerungen geführt, auch wenn Ersatzpflanzungen schon geplant waren. Im Rahmen der Gesamtstrategie sollte nicht nur der positive Effekt auf das Klima bzw. die Energieerzeugung hervorgehoben werden, sondern auch der Effekt auf die lokale Wertschöpfung. Kommunale Unternehmen können durch den kommunalen Betrieb des Netzes bzw. der Anlage profitieren. Das regionale Handwerk wie Dachdeckung, Fassadenbau, Metallbau, Tiefbau und Heizungstechnik profitiert, wenn über den Generalunternehmer einzelne Gewerke ausgeschrieben werden. Laut Aussagen in Interviews (wenn Infos vorhanden), wurden 25 % bis 50 % der Auftragssumme an lokale Firmen vergeben. Soll auch ein Biomasseheizwerk genutzt werden, kann zusätzlich der regionale Biomassemarkt profitieren. 2.3 Flächensuche Für die Standortsuche empfiehlt es sich, eine strukturierte Flächenanalyse durchzuführen und die Verwaltung, Öffentlichkeit und Politik schon bei der Standortwahl einzubeziehen. Neben dem Ort der Anlage kann im Rahmen des Prozesses auch geklärt werden, wie die Anlage bzw. die Umgebung der Anlage gestaltet werden soll. Ziel ist es, einen Flächenpool zu schaffen, der dabei unterstützt, Flächen gegeneinander abzuwägen und Ausweichoptionen bietet, falls es u.a. bei der Flächenakquise zu nicht-lösbaren Hindernissen kommt. 3 Abbildung 1: Hintergrund - strukturierte Flächenanalyse 2.3.1 Strukturierte Flächenanalyse Bei der Flächensuche gelten die übergeordneten Vorgaben des Landes (Landesentwicklungsplan - LEP, Landesraumordnungsprogramm - LROP oder Planungshilfen) und der Regionalplanung (Regionales Raumordnungsprogramm - RROP, Regionalplan - RP). Weitere Infos sind im Infoblatt Nr. 15 in der Wissensdatenbank zu finden. Besonders vorteilhaft sind Flächen, die sich schon in kommunaler Hand befinden und von der Kommune gepachtet oder gekauft werden können. Diese Flächen sollten in der Analyse besonders geprüft und die Eigentumsverhältnisse in der Abwägung zu anderen Flächen beachtet werden. Um die Projektfläche zu sichern, können vor Beginn des Genehmigungsprozesses Pacht- oder Kaufverträge mit aufschiebender Wirkung vereinbart werden. Die Fälligkeit der ersten Zahlungen ist dann an die Baugenehmigung bzw. den Baubeginn geknüpft. Falls gegeben, sollte die Konkurrenz zu landwirtschaftlichen Flächen im Prozess frühzeitig angesprochen und adressiert werden. Im Rahmen der Abwägung kann geklärt werden, ob es andere Flächen mit besserer Eignung gibt und wie die Auswirkungen für die Landwirtschaft gemeinsam minimiert werden können. Besonders die genaue Art der landwirtschaftlichen Nutzung sollte in der Abwägung aufgenommen werden. So sind Weiden und Blühwiesen anders einzuordnen als Monokulturen wie Maisfelder. Auch die Auswirkungen der Düngung von Feldern auf das Grundwasser oder anliegende Gewässer gegenüber einer solarthermischen Nutzung ohne Einträge ins Erdreich kann in der Abwägung aufgenommen werden. Die Sorgen um die Auswirkungen auf das Landschaftsbild können ebenfalls ein Kriterium bei der Standortwahl sein. In einem Projekt konnten die Bedenken durch den Besuch einer Anlage in Dänemark gemildert werden. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland eine Vielzahl an Anlagen in unterschiedlichen Regionen, die 4 gemeinsam besucht werden können, um die optische Wirkung erleben zu können. Eine Landkarte Solarthermischer Anlagen findet sich hier. Zudem kann eine Einhegung helfen, die optische Wirkung zu verringern. Außerdem können Verzögerungen im Bauleitverfahren vermieden werden, indem auch Umweltverbände umfassend an der Flächensuche beteiligt werden. Bedenken, die erst im Rahmen der förmlichen Beteiligung aufkamen und erst dann adressiert werden konnten, führten in einem Verfahren zu einer weiteren öffentlichen Auslegung inklusive der gesetzlichen Fristen und damit zu einer erheblichen Verzögerung des Zeitplans. Abbildung 2: Beispielhaftes Priorisierungsschema Die folgende Liste ist nicht abschließend, sondern je nach Vorgaben vom Land, des Landkreises / der Region, der unteren Behörden und lokalen Anforderungen und Zielsetzungen anzupassen. Positiv Kriterien (beispielhaft): • Versiegelte Flächen • Flächen in räumlicher Nähe zu Schienenwegen / Bundesautobahnen o In vielen Landesvorgaben enthalten, angelehnt an Vorgaben des EEG für PV o für Solarthermie nicht zwingend geeignet • Flächen in räumlicher Nähe zu Siedlungsbereichen / Gewerbegebieten o für Solarthermie sinnvoll • Flächen im festzulegenden Radius von Wärmenetzen o für Solarthermie sinnvoll o Radius je nach Flächengröße / Kapazität des Netzes Weiche Tabus (beispielhaft): • Landschaftsschutzgebiete • Kompensationsflächen • Biotopverbünde 5 Harte Tabus (beispielhaft): • Naturschutzgebiete • Wald • Geschütze Biotope • Schwerpunktbereiche Biotopverbünde Wie die Anlage bzw. deren Umgebung möglichst vorteilhaft gestaltetet werden soll, kann in der Analyse gemeinsam mit Verbänden, Vereinen und der Verwaltung geklärt werden. In manchen Fällen sind Lehrpfäde und Aussichtsplattformen umgesetzt – in anderen Fällen eine möglichst naturnahe Gestaltung mit Blühwiesen und Kleinhabitaten. Weitere Infos zu Gestaltungsarten, die die Biodiversität fördern, finden Sie hier. Die Art der Gestaltung (wie z.B. der Einsatz regionaler Blütenmischungen) hat in der derzeitigen Praxis allerdings nicht zwingend Einfluss darauf, wie hoch der Kompensationsbedarf ausfällt. Aus einem Projekt ist bekannt, dass durch die Änderung der Nutzungsform in Richtung der Solarthermie mit angepasster Bewirtschaftung Ökokontopunkte erwirtschaftet werden konnten. Diese Einordnung ist zum derzeitigen Stand allerdings als Einzelfall einzustufen. Bevor der Genehmigungsprozess angeschoben wird, sollte die Flächensicherung geklärt sein. So könnten Pachtverträge mit aufschiebender Wirkung aufgesetzt werden, die erst mit Baubeginn Pachtzahlungen auslösen. 2.3.2 Flächenkonkurrenz Photovoltaik vs. Solarthermie Bei der Energieversorgung gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Freiflächenanlagen mit PV und Solarthermie. Die Erzeugung von Strom mit PV ist deutlich weniger auf eine räumliche Nähe zu Siedlungen angewiesen. Strom kann kostengünstig über das Stromnetz und ggf. neu zu verlegende Stromkabel über weite Strecken ohne nennenswerte Verluste übertragen werden. Solare Wärme muss hingegen in unmittelbarer Nähe von ihrem Verbrauch erzeugt werden, da Transportleitungen sehr viel teurer sind und der Transport mit höheren Verlusten einhergeht. In die planerische Abwägung ist daher einzubeziehen, dass der Ortsbezug von Solarthermie-Freiflächenanlagen (FFA) sehr hoch ist, bei PV-Anlagen hingegen gering. Der von Kommunen zu wählende Suchraum für Flächen für Solarthermie-FFA ist somit deutlich begrenzter als beim PV-FFA. Dies führt auch dazu, dass Solarthermie-Anlagen im Rahmen der Abwägung anders zu behandeln sind als PV-FFA. Insbesondere können erstere nicht auf weit entfernt liegende Flächen verwiesen werden, die für PV-FFA womöglich noch wirtschaftlich wären, nicht jedoch für Solarthermie. 2.3.3 Vorteilhaftigkeit von solarer Nutzung Nicht immer konkurriert die solare Nutzung mit Flächen, die auf eine landwirtschaftliche Nutzung zugeschnitten sind. In bestimmten Bereichen kann es durch Schadstoffe (PFC oder PAK) zu einer eingeschränkten Futter- oder Nahrungsmittelproduktion kommen. Zusätzlich können Flächen mit Bewirtschaftungseinschränkungen im Rahmen von Grundwasserschutzmaßnahmen belegt sein. Eine solare Nutzung auf diesen Flächen könnte die Einträge von Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln verringern. In Baden-Württemberg wurden diese Punkte im Dokument „Hinweise zum Ausbau von Photovoltaik-Freiflächenanlagen“ aufbereitet. Die Bereiche mit bekannten Schadstoffbelastungen könnten als „besonders geeignet“ eingeordnet werden. Solare Nutzung in Wasserschutzgebieten kann durch eine extensivere Nutzung, je nach Art der vorherigen Nutzung der Böden, als vorteilhaft eingestuft werden, wenn keine intensive Bewirtschaftung der Oberfläche stattfindet. 6 2.3.4 Finanzielle Teilhabe im Rahmen interkommunaler Konzepte Um die Akzeptanz der Projekte zu steigern, ist es von Vorteil, lokale Beteiligungsmöglichkeiten oder Ausgleiche zu schaffen – insbesondere bei Planungen, die das Gebiet mehrerer Gemeinden umfassen, räumlich auf weite Teile der Region wirken und nicht nur lokal beschränkt sind. Zu diesem Punkt gibt es aus den „Rahmenbedingungen für PV-Freiflächenanlagen“ der Energieagentur Rheinland-Pfalz anschauliche Ausführungen zu möglichen Ausgestaltungskonzepten und Hintergründen, um berechtigten Diskussionen auf Basis von Argumenten wie „eine Gemeinde erhält die Einnahmen, alle anderen sehen die Anlagen“ vorzubeugen. 2.3.5 Wiedervernässung von Mooren Um die Flächenkonkurrenz zwischen solarer Nutzung (Photovoltaik und Solarthermie) zu entschärfen, sollte der Lösungsraum an nutzbaren Flächen so weit wie möglich gefasst werden. Neben dem direkten Nutzen durch die Energieerzeugung vor Ort (Strom oder Wärme) kann das wiedervernässte Moor als Kohlenstoffsenke dienen. Neben der Information, dass Ackerflächen unter den intensiven Bewirtschaftungsformen einen ungünstigen Lebensraum darstellen, kann erläutert werden, dass Flächen, die sich zur Wiedervernässung eignen, in besonderem Maße für eine Extensivierung der Bodennutzung durch Solaranlagen geeignet sind und mit einem entsprechenden Konzept zur Wiedervernässung geplant werden sollten. Aktuelle Empfehlungen zur Umsetzung wurden u.a. vom Greifswald Moor Centrum veröffentlicht. 2.4 Ablauf des Genehmigungsverfahrens und Meilensteine In der Regel ist nach aktuellem Stand das Durchlaufen eines Bauleitplanverfahrens erforderlich. Im Rahmen des Verfahrens wird zu Beginn durch die Kommunalpolitik über den Aufstellungsbeschluss entschieden. Bei positiver Entscheidung durchläuft das Verfahren die in Abbildung 3 dargestellten Meilensteine. Sind alle Anforderungen erfüllt und Rückmeldungen ausreichend einbezogen, wird das Verfahren inhaltlich mit dem Feststellungs- bzw. Satzungsbeschluss abgeschlossen. Es folgen Formalien wie u.a. die Veröffentlichung im Internet. Wird das Projekt als privilegiertes Verfahren nach §35 BauGB eingestuft, entfällt die Notwendigkeit zur Durchführung eines Bauleitplanverfahrens, um die Baugenehmigung zu erhalten. Nach aktuellem Stand birgt die Berufung auf die Privilegierung hohe rechtliche Unsicherheit, da kein Urteilsspruch zur Auslegung der Kriterien im §35 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit solarthermischer Nutzung bekannt ist. 7 Abbildung 3: Ablauf und Meilensteine des Bauleitplanverfahrens 2.4.1 Genehmigung als privilegiertes Vorhaben nach §35 BauGB In einigen Fällen wurde die Anlage als Privilegiertes Vorhaben nach §35 Abs. 1 BauGB eingestuft und musste deshalb kein Bauleitplanverfahren durchlaufen, was mit einem nicht unerheblichen Zeitgewinn verbunden ist. Bisher gibt es keine eindeutige Rechtssprechung, ob die Privilegierung mit Berufung auf die allgemeinen gehaltenen Tatbestände für alle solarthermischen Freiflächenanlagen anzuwenden ist. In den bekannten Fällen waren weitere (bestehende) Wärmeerzeugungseinheiten der ausschlaggebende Punkt, um das Kriterium der „Ortsgebundenheit“ nach §35 Abs. 1 BauGB zu erfüllen. Ob eine Genehmigung nach §35 BauGB Abs. 1 möglich ist, kann im Projekt in Absprache mit dem Bauamt geprüft werden. Nach aktueller Einschätzung birgt die Einstufung ein Risiko, das nur durch den Weg über das Bauleitplanverfahren entschärft werden kann. 8 3 BEGINN DES GENEHMIGUNGSPROZESSES 3.1 Behördenkontakt Im ersten Schritt sollte geklärt werden, welche Behörden und Personen eingebunden werden müssen. Es wird empfohlen, zu Beginn einen Projektkreis mit allen zu beteiligenden Ämtern aufzusetzen und zu einigen Terminen auch die Politik einzuladen. Im besten Fall kann auf Behördenseite eine interne Koordination bzw. eine Ansprechperson zur Verfügung gestellt werden, die alle Anfragen sammelt und an die richtigen Stellen weiterleiten kann. Eingebunden werden können: • Klimaschutzmanagement • Stadtplanungsamt, • untere Naturschutzbehörde • Bauamt • Gemeindevertretung • Wasserschutzbehörde (je nach Lage) • Lokale Naturschutzverbände (je nach Lage) • Landwirtschaftsvertretung (je nach Fläche) • Landes- oder Regionalplanung (je nach Lage in Schutzbereichen oder Bereichen des Raumordnungsprogramms) • Straßenamt (je nach Lage bzw. Verkehrsaufkommen u.a. bei Biomasse) 3.2 Auflagen, benötigte Gutachten und Formulare Zu Beginn sollte im Projektkreis geklärt werden, welche Gutachten erforderlich sind bzw. in welchen Bereichen es noch Unsicherheiten bezüglich der Genehmigungsfähigkeit gibt. Die unten stehende Liste an Gutachten, die in den bisherigen Prozessen gefordert wurden, kann als Orientierung bzw. als Anstoß für die Diskussion dienen. Teilweise kam es zu immer mehr Nachforderungen auf Behördenseite, da man auf Nummer sicher gehen wollte. Um diese Verzögerungen zu vermeiden kann es sinnvoll sein, sich zu Beginn gemeinsam damit auseinanderzusetzen, in welchen Bereichen Bedenken bestehen, wo es wirklich ein Gutachten braucht und wann auch „technische Stellungnahmen“ reichen. In vielen Fällen konnten die Herstellerunternehmen praktische oder technische Erfahrungen einfließen lassen. Diese Erfahrungen lassen sich im Prozess deutlich schneller integrieren als die Beauftragung und Durchführung eines Gutachtens. So gab es beispielsweise in einigen Fällen Bedenken bezüglich der Blendwirkung von Modulen, woraufhin noch ein Blendgutachten hätte erstellt werden müssen. Durch den Hersteller konnte in diesem Fall nachgewiesen werden, dass von den Modulen keine erhebliche Blendwirkung ausgeht, so dass auf das standortspezifische Gutachten verzichtet werden konnte. In einigen Fällen konnte auch die Hilfestellung des KNE (Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende) zur Problemlösung beitragen. Für allgemeinere Fragestellungen zu EE-Anlagen können wertvolle Erfahrungen bezüglich derer Wirkungen auf die Umwelt bei den Herstellerunternehmen angefragt oder über das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende bezogen werden. Es bietet sich an, zu Beginn gemeinsam einen Zeitplan festzulegen, wann welche Gutachten sinnvoll erstellt und anschließend vorgestellt werden können. Nach Möglichkeit sollte diese Liste einen abschließenden Charakter haben, um zu verhindern, dass Gutachten nur nach und nach gefordert werden und ständige Nachreichungen notwendig sind. Abgesehen von Härtefällen oder Gutachten, deren Notwendigkeit sich aus 9 einer Vorprüfung ergibt, sollten alle für das Genehmigungsverfahren als relevant erachteten Gutachten parallel oder in geplanter Reihenfolge durch den Vorhabenträger erfolgen können. Liste an Gutachten bzw. Themenpunkte, deren Notwendigkeit bzw. Vorprüfung frühzeitig geklärt werden sollte (nicht abschließende Liste): • Eintragung der Baulast • Nutzung der Fläche unter und zwischen den Modulen (u.a. Blühwiesen, Schafsbeweidung) • Entwässerung der Fläche und Versickerung unter den Modulen • Wirkung (insbesondere der Speicherhöhe) auf das Landschaftsbild • Statikgutachten (insbesondere der Speicherfundamente) • Baugrundgutachten • (Auf)Klärung über Temperaturen an den Kollektoren (Insekten / Vögel) • Nutzung von Frostschutzmitteln (Auffangen, Lagern, Druckausgleich, Doppelwandsysteme Leckageerkennung) im Abgleich zur AwSV und örtlichen Vorgaben (falls Lage in Schutzbereichen) abklären • Zufahrtswege / Verkehrsgutachten (insbesondere bei Anlieferung von Biomasse) • Artenschutzgutachten (Vegetationsperioden zu beachten) • FFH Gutachten • Jagdgutachten / Wildkorridore • Schornsteinhöhe (z.B. für Biomasseheizwerk) • BimschG Anforderungen (z.B. für Biomasseheizwerk) • Blendwirkung • Brandschutz • Kampfmittelfreiheit • Aushub Gutachten (Altlasten) • Fremdleitungen • Klärung der Raumbedeutsamkeit und Vorgaben durch Regional-/Landesplanung • Archäologische Einschätzung • Landschaftspflegerischer Begleitplan (u.a. Vorgaben zur Eingrünung) • Kompensationsaufwand (Nutzung von Ökokonto oder Suche nach Kompensationsfläche) • Festlegung der Rückbauavale / Bankbürgschaft zum Rückbau der Anlage 3.3 Finanzierung Neben der Genehmigung kann auch die Finanzierung zu Hemmnissen führen, die frühzeitig in den Blick genommen werden sollten. Um den Kredit zu bekommen, muss meistens bereits eine Baugenehmigung vorliegen, um das Projektrisiko zu verringern. Um an die Genehmigung zu kommen, müssen aber meist schon Gutachten erstellt und bezahlt werden, bevor der Kredit zur Verfügung steht. Auch die Kosten des Genehmigungsprozesses können bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen auf den/die Antragssteller*in umgelegt werden. Insbesondere für Genossenschaften ist es schwierig, diese Anschubzahlungen zu stemmen und Eigenkapital für die Finanzierung aufzubringen. Eine Möglichkeit, schon vor der Kreditzusage Gutachten finanzieren zu können, sind Eintrittsgelder in die Genossenschaft oder Bürgerfonds (falls vor Ort förderfähig). Bei der Förderung ist darauf zu achten, dass die meisten Fördermittel nicht kumuliert werden dürfen. Neben der Förderung des Bundes (aktuell BEW über das BAFA) kann es sich lohnen zu prüfen, ob das Land bessere Förderkonditionen bietet oder es besondere Förderprogramme für u.a. Genossenschaften gibt. 10 3.4 Kompensation Bei Eingriffen in die Natur und die Landschaft entsteht im Regelfall Kompensationsbedarf. Der hierdurch entstehende weitere Bedarf an Flächen zur Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen auf externen Flächen kann ebenfalls ein Hemmnis darstellen, wenn die Kommune nicht bereits Flächen hierfür ausgewiesen hat oder der Ausgleich über Ökokontopunkte vorgesehen ist. Der Kompensationsbedarf wird in Deutschland zentral durch die §§ 13 – 18 im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geregelt. Dennoch ergeben sich durch Ausgestaltungen auf Bundeslandebene Unterschiede im Umfang der benötigten externen Kompensation. Beispielsweise gibt es Abweichungen, welcher Anteil an Kompensation innerhalb der Fläche der Freiflächenanlage stattfindet, und welche Maßnahmen hierbei berücksichtig werden können. Der frühzeitige Kontakt mit der unteren Naturschutzbehörde sowie die Inanspruchnahme von Fachagenturen und Institutionen für die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen bietet sich an, um Hemmnisse zu umgehen. Einen tieferen Einblick in den Umgang mit Kompensation bietet die Ausarbeitung „Handlungsansätze – Kompensationsmaßnahmen Freiflächen-Solarthermie“. 4 NACH DER GENEHMIGUNG 4.1 Ausschreibung Nach Erhalt der Baugenehmigung kann mit der Ausschreibung der Anlage begonnen werden. Auch hier sollten, wie im Genehmigungsverfahren, Fristen und formelle Vorgaben geprüft werden. Eine der wichtigsten Fragestellungen ist, ob das Projekt aufgrund des zu erwartenden Projektvolumens EU-weit ausgeschrieben werden muss und welche Fristen und Vorgaben deshalb einzuhalten sind. Aufgrund der umfänglichen Vorgaben sollte hierfür eine Vorbereitungszeit von bis zu einem halben Jahr eingeplant werden. Praktische Hinweise zur Ausschreibung und Vorgaben zur Festlegung von Ertragsgarantien liefert ein Leitfaden des AGFW. 11 5 ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Hintergrund - strukturierte Flächenanalyse ........................................................................................ 3 Abbildung 2: Beispielhaftes Priorisierungsschema ................................................................................................. 4 Abbildung 3: Ablauf und Meilensteine des Bauleitplanverfahrens .......................................................................... 7 12 KONTAKT Felix Landsberg HIR Hamburg Institut Research gGmbH Paul-Nevermann-Platz 5 22765 Hamburg Tel.: +49 (0)40-39106989-35 landsberg@hamburg-institut.com www.hamburg-institut.com