Klimahacks #2 Kommunale Wege zur Freiflächen-Solarthermie

#KLIMAHACKS MACH DEIN PROJEKT: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE Sonderausgabe 2: Solare Wärmenetze - - - - - - - 2 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE - - - - - - / GUT VORBEREITET IST HALB GEPLANT: KOMMUNALE WÄRMEPLANUNG NUTZEN Durch die flächendeckende Einführung der bundesweiten Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung ergeben sich für Städte und Gemeinden tiefgreifende Veränderungen im Be reich der Wärmeversorgung. Bis zur Mitte des Jahres 2026 bzw. Mitte 2028 sind sie nun dazu verpflichtet, eine umfas sende Evaluierung ihrer Potenziale für die Generierung und Nutzung von Wärme aus erneuerbaren Energiequellen so wie für die effektive Nutzung von unvermeidbarer Abwärme vorzunehmen. Die flächendeckende Umsetzung der Wär meplanung schafft eine einheitliche Informationsgrundlage, die den kommunalen Akteuren eine stabile Grundlage für ihre Planungen bietet. Zum ersten Mal wird dabei eine ge zielte Analyse von Wärmenetzen vorgenommen und mit kla ren Zielen für die Dekarbonisierung versehen. Für den Um bau des Wärmeversorgungssystems ist es jedoch wichtig, dass Kommunen sich frühzeitig Gedanken zum Flächenbe darf machen und bereits vor oder zeitgleich zur Erstellung der kommunalen Wärmeplanung eine Analyse geeigneter Flächen für erneuerbare Energiegewinnung durchführen, um nachfolgende Entscheidungsprozesse hinsichtlich der Flächenausweisung im Bereich der erneuerbaren Energien zu unterstützen. Diese #Klimahacks-Sonderausgabe zum Thema Solarthermie beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle die räumliche Planung für eine erfolgreiche kommu nale Wärmewende spielt und wie Kommunen bei der Siche rung von Freiflächen für den Bau einer Solarthermieanlage vorgegangen sind. WEITERFÜHRENDE LINKS Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekabo nisierung der Wärmenetze (Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB), 2023): https://t1p.de/1tkon Standpunkt des Hamburg Instituts zum Wärmeplanungsgesetz (Hamburg Institut, 2023): https://t1p.de/ra8op Kommunale Wärmepläne in der Praxis – Eine Über sicht (Kompetenzzentrum Wärmewende (KWW), 2024): https://t1p.de/pfld7 Fragen und Antworten zum Thema Heizen (Minis terium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, 2024): https://t1p.de/65maa Solare Wärmewende – Was haben Kommunen von Sonne im Wärmenetz? (SolnetPlus, 2023): https://t1p.de/uwjbp Webinar zum erfolgreichen Einstieg in die Wärmeplanung: https://t1p.de/s9fx1 3 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE - - - - - / - - - - - - - - - - SOLARTHERMIE IN WÄRMENETZEN – FRAGEN UND ANTWORTEN Im Zuge der kommunalen Wärmeplanung müssen sich Kommunen zeitnah mit der Frage beschäf tigen, welche erneuerbaren Wärmequellen ge nutzt werden können, um die Wärmeversorgung klimafreundlicher zu gestalten. Die Nutzung von Freiflächen-Solarthermieanlagen in Wärmenetzen ist dabei eine vielversprechende und erprobte Technologie, die bereits in über 50 Kommunen deutschlandweit zum Einsatz kommt. Für eine kli maneutrale Wärmeversorgung ist es daher wich tig, dass sich kommunale Akteure die technischen und planerischen Grundlagen der Wärmebereit stellung durch erneuerbare Energien aneignen, gerade mit Blick auf die Potenzialanalyse im Zuge der kommunalen Wärmeplanung. Auf dieser Seite ist daher eine Auswahl an häufig gestellten Fragen zu Solarthermie in Wärmenetzen aufgeführt, um mögliche Wissenslücken zu füllen. INFO Im Rahmen des Projekts SolnetPlus haben die Projektpartner rund um den kommu nalen Fernwärmeverband AGFW grund legende Fragen und Antworten (FAQs) zur Umsetzung von solaren Wärmenetzen zusammengestellt. Der FAQ-Katalog bein haltet 36 wesentliche Fragen und Antworten bezüglich der Integration von Solarther mie in Wärmenetzen und ist hier abrufbar: https://t1p.de/l7n4g Wo gibt es bereits solare Nahund Fernwärme in Deutschland? Gelange hier zur Übersichtskarte: https://t1p.de/3ypxr TECHNIK SOLARTHERMIE Welche Arten von Kollektoren sind für die Einbindungen in Wärmenetze geeignet? Im Fernwärmebereich werden Flachkollektoren und Vakuumröhrenkollektoren bis zu Netztemperaturen von etwa 110 °C eingesetzt. Die entscheidenden Faktoren sind die Vor- und Rücklauftemperaturen des Wärmenetzes an der Einbindungs stelle von März bis Oktober. Die Systemtechnik spezialisierter Anbieter ist für den Einsatz in Wärmenetzen und großen Megawatt-Kollektorfeldern optimiert. Häufig kommen dabei Groß-Kollektormodule zum Einsatz, die Anschlüsse und Montage zeiten reduzieren und eine effiziente Leistung bei höheren Betriebstemperaturen bieten. Für höhere Netztemperaturen eignen sich konzentrierende Kollektoren wie Parabolrinnenkollektoren, die speziell für solare Prozesswärme und Kraftwerksan wendungen im Temperaturbereich von 100 bis 400 °C entwickelt wurden. FREIFLÄCHENENTWICKLUNG 1. Sollten Kollektorfelder nicht eher auf Gebäudedächer? Für wirtschaftliche solarthermische Wärmeerzeugung sind eine ausreichende An lagengröße (Skaleneffekt) und eine kostengünstige Montagetechnik entscheidend. Alternativen wie die Montage auf Gebäudedächern oder die Nutzung von Freiland flächen bieten sich an. Obwohl die Dachintegration von Kollektoren verbessert wurde, sind Freiflächenanlagen deutlich kostengünstiger. Die effiziente Realisie rung großer Freiflächen-Kollektorfelder ist für die Zukunft der solaren Fernwärme entscheidend, ergänzt durch die sinnvolle Nutzung geeigneter Gebäudedächer. Im Vergleich zu Photovoltaikmodulen sind Solarthermiekollektoren weniger anfällig für Verschattungen. Lokale Gegebenheiten sollten die Flächennutzungsprioritäten von Solarthermie- und Photovoltaikanlagen bestimmen. 4 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FREIFLÄCHENENTWICKLUNG 2. Wie werden Kollektorfelder auf Freiflächen errichtet? Für die Errichtung von großen Kollektorfeldern sind ge eignete Unterkonstruktionen (i. d. R. Stahl oder Alumini um) und Montagesysteme zur Aufnahme von Kollektor Großmodulen marktverfügbar. Eine Fundamentierung im Boden dient im Wesentlichen zur Aufnahme von Wind- und Schneelasten auf dem Kollektorfeld und wird meist als Rammfundamentierung (eingerammte Stahl profil-Stützen) realisiert. Lässt die Bodenbeschaffenheit keine Rammfundamentierung zu (weicher oder felsiger Boden, Deponieflächen), kann die Fundamentierung über vorgefertigte Betonfundamente erfolgen. Die Mon tage ist in beiden Fällen reversibel, d. h. die Bodenbe schaffenheit kann zu einem späteren Zeitpunkt wieder vollständig hergestellt werden. Es findet keine bzw. im Fall von Betonfundamenten nur eine geringfügige Bodenversiegelung statt. - - - - - - WIRTSCHAFTLICHKEIT Welche Wärmegestehungskosten werden erreicht? Die Kosten für die Erzeugung von Solarwärme setzen sich aus Investitions kosten, jährlichen Kosten und Jahresertrag zusammen, unter Berücksichtigung einer Lebensdauer von 25 Jahren für die Solarthermieanlage und eines indivi duellen kalkulatorischen Zinssatzes des Unternehmens. Vor Förderung können Wärmegestehungskosten im Bereich von 55-60 €/MWh erreicht werden. Diese Kosten bleiben über die Lebensdauer der Anlage weitgehend konstant, da ein erheblicher Teil auf die anfängliche Investition zurückzuführen ist. Die Investi tionskosten sind dabei stark von der Anlagengröße und den projektspezifischen Randbedingungen abhängig (z. B. Erforderlichkeit eines Wärmespeichers oder einer Technikzentrale). Festzuhalten ist, dass bei in Wärmenetzen eingebunde nen Großanlagen die Kosten wesentlich geringer sind als bei Solarthermieanla gen auf Einzelgebäuden. Solarthermie bietet somit geringe Investitionsrisiken und reduziert die Abhängigkeit von Brennstoffkosten und -verfügbarkeiten. - - - - - ERTRAG Welche solaren Deckungsanteile lassen sich erreichen? Solarthermieanlagen können durch die Anpassung von Kollektorfeld größe und Wärmespeichervolumen für verschiedene solare Deckungs anteile am jährlichen Wärmebedarf ausgelegt werden. Systeme für Vorwärmung erreichen 3-5 Prozent Deckungsanteil, während größere Kollektorflächen mit Pufferspeicher bis zu 15 Prozent Deckung über die Sommermonate ermöglichen. Anlagen mit saisonalem Wärmespeicher können sogar nahezu 100 Prozent erreichen. Der Investitionsaufwand steigt jedoch überproportional mit höheren solaren Deckungsanteilen. In Europa liegen bisherige Höchstwerte für solare Deckungsanteile in Wärmenetzen bei 50-70 Prozent. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - / 5 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FLÄCHENDECKENDE WÄRME: DIE VERBINDUNG VON RAUMPLANUNG UND SOLARTHERMIE Welche Rolle spielt die Raumplanung beim Gelingen der kommunalen Wärmewende? Konkreter: Was gilt es für Kom munen bei der räumlichen Planung von Freiflächen-Solar thermieanlagen zu beachten? Da Solarthermie in Deutsch land zunehmend an Bedeutung gewinnt und damit auch die Kulturlandschaft prägt, gewinnt diese Frage, auch im Kontext einer erfolgreichen Wärmeplanung, immer mehr an Bedeutung. Grundsätzlich gilt: Die Raumplanung in Deutschland, ba sierend auf dem Raumordnungsgesetz, strebt eine aus gewogene Entwicklung an, die soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte miteinander in Einklang bringt. Dieses Leitbild soll auch bei der Planung solarthermischer Freiflä chenanlagen berücksichtigt werden. Die Raumplanung er folgt auf den Ebenen der Länder, Landkreise und Kommu nen. Landesentwicklungsprogramme auf Landesebene und Regionalpläne auf Kreisebene sind entscheidend, um unter schiedliche Nutzungen des Raums, einschließlich Energie erzeugung, abzustimmen. Auf kommunaler Ebene werden Flächennutzungspläne und Bebauungspläne erstellt. Trotz der Bindung an übergeordnete Pläne spielt die Kom mune eine entscheidende Rolle. Regional- und Flächen nutzungspläne haben keine direkte Wirkung auf einzelne Grundstücke und bieten Investoren keine Rechtssicherheit. Das Planungsrecht für konkrete Grundstücke wird aus schließlich durch einen Bebauungsplan der Kommune ge schaffen. Die Steuerung der Flächennutzung liegt somit bei der Kommune, die verpflichtet ist, Flächen für erneuerbare Energien auszuweisen. Alternativ kann Baurecht durch Privi legierung im Außenbereich entstehen (s. § 35 BauGB; Link: https://t1p.de/36ve). Fällt eine Solaranlage nicht unter die Privilegierung, erfordert dies in der Regel ein Bebauungs planverfahren, um mögliche Beeinträchtigungen öffentli cher Belange zu verhindern, besonders bei widersprüchli chen Darstellungen im Flächennutzungsplan. Aufgrund der Wärmeerzeugung weisen Solarthermieanla gen spezifische räumliche Anforderungen auf. Die Flächen suche wird maßgeblich durch technisch-wirtschaftliche Anforderungen und die Entfernung zum Einspeisepunkt beeinflusst. Aufgrund der Wärmeverluste der Anschlusslei tungen konzentriert sich die Suche nach solarthermischen Freiflächen vornehmlich auf Gebiete in der Nähe von Wär menetzen oder Siedlungs- und Gewerbegebieten, da eine sinnvolle Anbindung nur innerhalb begrenzter Leitungslän gen realisierbar ist. Vor allem die soziale Multicodierung in Form von Parkanlagen bietet einen Ansatz, soziale Mehr werte neben der solaren Nutzung zu schaffen. Insgesamt bietet die Raumplanung einen geeigneten Rahmen, um ver schiedene räumliche Planungen miteinander in Einklang zu bringen und den Ausbau der Freiflächen-Solarthermie zu unterstützen. Quelle: Hamburg Institut Research, 2023 Blick auf die Freiflächen-Solarthermieanlage in Greifswald (Stadtwerke Greifswald GmbH) Klicke auf den Link, um noch tiefer in das Thema einzutauchen: https://t1p.de/3ght3 - - - - - - - - - - / 6 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE LEIPZIG UND FREUDENTAL Die Großstadt Leipzig mit ihrer für 2025 geplanten Freiflächen-Solarthermieanlage mit 65.000 m² Kollektorfläche und die Gemeinde Freudental im Landkreis Ludwigsburg zeigen stellvertretend, wie Kommunen bei der Flächensuche erfolgreich vorgehen können. Durch die Ausweisung eines neuen Bebauungsplans für ein als Energiestandort bezeichnetes Sondergebiet konnte die Stadt Leipzig Flächen planungsrechtlich absichern, um eine Solarthermie-Anlage in der Nähe von Wärmeverbrauchern zu realisieren. Dieser Ansatz beschleunigt das Verfahren, da der Flächennutzungsplan (FNP) im Parallelverfahren geändert wird und deshalb nicht auf die Neuaufstellung des FNP gewartet werden muss. Gleichzeitig schafft die Stadt Raum für zukünftige Entwicklungen auf der Fläche. Nicht nur planungsrechtlich, sondern auch nutzungsrechtlich wurden die entscheidenden Flächen in Leipzig über Erbpachtverträge gesichert. Bisher wurden die Flächen hauptsächlich intensiv landwirtschaftlich genutzt und wiesen eine geringe Biodiversität auf. Die geplante Installation der Solarkollektoren auf erhöhten Aufständerungen und die extensive Schafbeweidung lassen die Fläche unversiegelt und ungestört, was sich wiederum positiv auf die Biodiversität auswirken wird. Weitere Maßnahmen wie Vogelbrutgelegenheiten und Natursteinhaufen sollen ebenfalls zur ökologischen Aufwertung der Fläche beitragen. In Freudental hat der Nahwärmebetreiber Bürger Energie Neckar Enz (B.E.N.E.) eine Solarthermie-Großanlage mit 1,2 MW Leistung in Betrieb genommen. Diese Anlage versorgt das Nahwärmenetz der Gemeinde mit Solarwärme. Statt eines herkömmlichen Kollektorfelds wurde eine dreißigreihige Anordnung von einzelnen Kollektortischen mit einer Bruttokollektorfläche von jeweils rund 60 m² gewählt. Dies ermöglichte es, auch auf scheinbar unbrauchbaren Grundstücksflächen sinnvoll Solarthermie zu installieren. Die Anordnung liegt zudem in unmittelbarer Nähe zum Speicher, wodurch die Wärmeverluste über die Rohrleitungen minimiert werden. Quelle: Leipziger Stadtwerke: https://t1p.de/scgdl; Stadt Leipzig: https://t1p.de/h967z BEBAUUNGSPLAN „SONDERGEBIET ENERGIEGEWINNUNG“ DER STADT FREUDENTAL – VEREINFACHTE DARSTELLUNG Quelle: geänderte Abbildung nach Stadt Freudental, 2022 (https://t1p.de/90uyb) 7 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE STECKBRIEF ZUM NAHWÄRMENETZ IN BRACHT (STADT RAUSCHENBERG), NORDHESSEN KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE - - 1. Aufbau und Dimensionie rung des Wärmenetzes: - Betreibermodell ist eine eingetragene Ge nossenschaft. Die Hauptwärmequelle stellt eine große Freiflächen-Solarthermieanlage mit knapp 13.000 m² Kollektorfläche dar mit 70 Prozent Deckungsgrad. 25 Prozent wird über Biomasse bereitgestellt und der rest liche Bedarf durch eine Großwärmepumpe, welche ihre Primarenergie aus einem etwa 26.600 m³ großen Erdbeckenspeicher zieht. Die Wärme wird dann über ein ca. 9.700 m langes Wärmenetz verteilt. Der Betrieb der Solarthermieanlage ist für Herbst 2024 ge plant. - - - 2. Ablauf der Flächensuche: In Zusammenarbeit mit der Stadt hat ein Arbeitskreis der Genossenschaft potentielle Flächen bestimmt. Zu Beginn standen zwei Flächen zur Auswahl. Zur weiteren Analyse der Flächen mussten Probebohrungen (Erkenntnisse über die Wasserverhältnisse) und eine Kampfmittelprüfung durchgeführt werden. Für das Kollektorfeld wurde eine Fläche ausgewählt, die zum Teil in städti schem Besitz ist. Die Besitzer der übrigen Flächen signalisierten vorab Verkaufsbereit schaft zu einem festgelegten Preis. 3. Umweltrechtliche Anforderungen: Bei der Flächensuche stellte sich heraus, dass die siedlungsnahen Flächen zum größten Teil in einem Vogelschutzgebiet liegen. Trotzdem konnte eine Fläche gefunden werden, die sich außerhalb eines Vogelschutzgebietes befindet. Des Weiteren wurden Ausgleichsflächen verlangt, welche durch die Stadt frühzeitig sichergestellt wurden. 4. Arbeitsschritte für die Flächengenehmigung: Die Flächengenehmigung umfasst in Bracht in erster Linie die Änderung des Flächen nutzungsplans, eine B-Plan-Änderung sowie die Erstellung des Bebauungsplanes. - 5. Weitere Infos zum Genehmigungsprozess: Die Änderung des Flächennutzungsplans nimmt über das gesamte Vorhaben hinweg am meisten Zeit in Anspruch, da viele Gremien involviert sind. Die anfallenden Kosten werden zunächst durch die Stadt getragen und nach Realisierung des Projektes an die Genossenschaft weiterberechnet. Die nicht unwesentlichen Kosten für die Probebohrungen und die Kampfmitteluntersuchung trägt die Genossenschaft. Neben der Änderung des Flächennutzungsplanes wurden sogenannte Auszugswerte für das Solarfeld bestimmt, um die Tiefe der Rammung für die Aufständerung der Kollektoren festzulegen. Des Weiteren wurde eine Begehung durch einen Biologen beauftragt, um sicher zu stellen, dass keine seltenen Tierarten vertrieben werden oder ob Maßnahmen durchzuführen sind, um ein Brüten vor Baubeginn zu verhindern. 6. Einbindung der Zivilgesellschaft und potenzieller Wärmekunden: Zum einem wurden mehrere Informationsveranstaltungen mithilfe der Landesenergieagentur durchgeführt. Wichtige Unterstützungsarbeit leistete dabei der Lehrstuhl Solarwärme der Uni-Kassel. Des Weiteren fanden unzählige Haustürgespräche des Arbeitskreises statt. Weitere Informationen wurden über Printmedien in Form von Infobriefen verbreitet. Aktuelle Informationen zum Projektstand: https://t1p.de/4jmd6 - : : : : : : #KLIMAHACKS MACH DEIN PROJEKT: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE IMPRESSUM Diese Klimahack-Ausgabe ist eine Initiative im Rah men des Projekts SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH (Difu), Gereonstr. 18-32, 50670 Köln Autor Paul Ratz Redaktion Esther Biro Gestaltung brandtwerk Bildnachweise Titel: Bild Landschaft mit Solaranlage: ©Foto Guido Bröer Seite 2: Bild Landschaft: ©Foto von Marcin Jozwiak- auf Pexels Seite 3: Bild Technik Solarthermie: ©Foto Guido Bröer Bild Freiflächenentwicklung: ©Foto von Bill Mead auf Unsplash Seite 4: Bild Freiflächentwicklung: ©Foto Guido Bröer Bild Wirtschaftlichkeit: Bild: ©Foto von Tech Daily auf Unsplash Seite 5: Bild Kollektoren: ©Foto Stadtwerke Greifswald GmbH Gefördert durch Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages Alle Rechte vorbehalten. Köln 2024 Diese Veröffentlichung wird kostenlos abgegeben und ist nicht für den Verkauf bestimmt.

Anna Laura Ulrichs2024-06-25T15:22:21+02:00Dienstag, 12. März, 2024|

Kompensationsmaßnahmen Freiflächen-Solarthermie: Status quo und Handlungsbereiche

STATUS QUO UND HANDLUNGSBEREICHE – KOMPENSATIONSMAßNAHMEN FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE SOLNETPLUS – VERBREITUNG SOLARER WÄRMENETZE ALS EINE LÖSUNG FÜR DEN KOMMUNALEN KLIMASCHUTZ Hamburg, 01.12.2023 2 AUTOR:INNEN: Marleen Greenberg, Johanna Schickling, Felix Landsberg, Dr. Matthias Sandrock, Paula Möhring HIR Hamburg Institut Research gGmbH, Paul Nevermann Platz 5, 22765 Hamburg Version: Dezember 2023 Kontakt: Greenberg@hamburg-institut.com Das vorliegende Dokument entstand im Rahmen des Verbundvorhabens „SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz“. Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert (FKZ: 67KF0119C). Arbeitspaket 4: Genehmigungshemmnisse vor Ort Haftungsausschluss: Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den Autoren. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung des Fördermittelgebers wieder. Weder die Autoren noch der Fördermittelgeber übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. INHALT 1Zusammenfassung ........................................................................................................ 1 2Einleitung ....................................................................................................................... 2 3Ausgangssituation ......................................................................................................... 2 3.1BNatSchG .............................................................................................................. 2 3.2Ökokonto................................................................................................................ 4 3.2.1Unterscheidung zwischen Ökokonto nach BauGB und BNatSchG............... 5 3.2.2Ausgestaltung von naturschutzrechtlichen Ökokonten ................................. 5 3.2.3Vor- und Nachteile ........................................................................................ 6 3.3Literatur zu Kompensation und ökologischer Gestaltung von Solaranlagen ......... 8 4Handlungsbereich: kompensation innerhalb Solar-FFA ermöglichen ........................... 9 4.1Hintergrund ............................................................................................................ 9 4.2Ausgestaltung ...................................................................................................... 10 4.3Verantwortungsbereiche ...................................................................................... 12 5Handlungsbereich: Festsetzung Umsetzungsrahmen ................................................. 12 5.1Hintergrund .......................................................................................................... 12 5.2Ausgestaltung ...................................................................................................... 13 5.3Verantwortungsbereiche ...................................................................................... 15 6Handlungsbereich: Fokus auf Ökokontomaßnahmen ................................................. 16 6.1Hintergrund .......................................................................................................... 17 6.2Ausgestaltung ...................................................................................................... 17 6.3Verantwortungsbereich ........................................................................................ 20 7Danksagung ................................................................................................................. 21 8Anhang ......................................................................................................................... 21 9Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 24 1 1 ZUSAMMENFASSUNG Die allgemeine Flächenknappheit und -konkurrenz führt zu der Notwendigkeit, bestehende Systeme und Regularien zu evaluieren und zu optimieren, um diese Faktoren angemessen zu adressieren. Vor diesem Hintergrund werden in dem folgenden Handlungsleitfaden der Status quo der Ausgestaltung bzw. der Umgang mit Kompensationsmaßnahmen bei der Umsetzung von solaren Freiflächenanlagen (insbesondere Solarthermie) aufbereitet, sowie Ansatzpunkte zur Evaluation und Verbesserung aufgezeigt. Ebenfalls werden die naturschutzrechtlichen Aspekte, denen Kompensationsmaßnahmen zu Grunde liegen, thematisiert. Es werden Ansätze erläutert, wie der Naturnutzen insbesondere unter dem Aspekt stetig steigender Flächenknappheit durch effizientere und zielorientierte Ansätze ausgebaut werden könnte. Die in Rede stehenden Maßnahmen zur Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft durch solare Freiflächenanlagen im Außenbereich richten sich bundesrechtlich primär nach der sogenannten naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in den §§ 13 – 18 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Sie legen einerseits fest, welche Eingriffe einer Kompensation (Ausgleich oder Ersatz) bedürfen und in welcher Art, aber auch, unter welchen Voraussetzungen die Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen möglich ist. Die nähere Ausgestaltung derartiger Bevorratungsmaßnahmen (z.B. mittels Ökokonten) überlässt das BNatSchG indes dem Landesrecht, sodass bundesweit ein unübersichtlicher Flickenteppich aus sich im Einzelnen deutlich unterscheidenden landesrechtlichen Regelungen besteht. Die derzeitige Qualität der Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen, Bevorratung durch Ökokonten einschließend, wird nicht zuletzt aus diesem Grund vielseitig kritisiert und erfordert eine umfassende Anpassung der Rahmenbedingungen. In Anbetracht der Flächenknappheit und -konkurrenz ist mangelnde Qualität bei der Nutzung der Flächen nicht zielführend, weshalb in diesem Rahmen mit dem Ziel, das System der Kompensation besser zu gestalten, drei Ansatzpunkte näher erläutert werden. Im ersten Handlungsbereich wurde sich damit auseinandergesetzt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die komplette Beeinträchtigung durch den Eingriff innerhalb der solaren Freiflächenanlage ausgleichen. Durch eine optimierte ökologische Gestaltung sollte der Bedarf an Ausgleich so weit reduziert werden können, dass ein Ausgleich auf externen Flächen explizit nicht von Nöten ist. Der zweite Handlungsbereich thematisiert die Festsetzung des Umsetzungsrahmens für Kompensationsmaßnahmen. Dies beginnt bei einer einheitlichen Methodik zur Kompensationsumfangermittlung, umfasst klare Leitfäden zur Herangehensweise und Umsetzung von Kompensationsbedarfen (Welche Schritte sind zu beachten? Wer sind meine Ansprechpartner?) und endet bei einem qualitativ hochwertigen Monitoringsystem, welches auch fachpersonelle Kontrollen, z.B. durch Ökolog:innen, beinhaltet. Im dritten Handlungsbereich wurden Potenziale im Bereich der Evaluierung, Verbesserung und Vereinheitlichung des derzeitigen Ökokontosystems ermittelt. Es wird empfohlen, dieses Konzept eingehender darauf zu prüfen, ob es stärker in den Vordergrund gestellt und genutzt werden sollte. Das Konzept von Ökokonten wird teils kritisch diskutiert, bietet aber das Potenzial, sehr gewinnbringend für den Naturschutz zu sein und gleichzeitig Flächen in Bezug auf die ökologische Wertigkeit effektiver zu nutzen als kleinteilige Kompensationsmaßnahmen. Derzeit existiert auf Bundesebene keine Ökokontoverordnung - stattdessen haben die meisten Bundesländer spezifische (Ökokonto)Verordnungen. Eine Evaluierung und Verbesserung sollte daher auch die Prüfung einer Vereinheitlichung dieser Verordnungen auf Bundesebene beinhalten. 2 2 EINLEITUNG Die Planung von Solarthermie-Freiflächenanlagen kann durch verschiedene Hemmnisse erschwert werden, darunter auch die mangelnde Verfügbarkeit geeigneter Flächen (vgl. Infoblatt Solare Wärmenetze – „Flaschenhals Fläche“1). Verschärfend kommt hinzu, dass nicht nur für die Anlagenfläche am Standort selbst eine geeignete Fläche identifiziert werden muss, sondern auch für in der Regel erforderliche Kompensationsmaßnahmen. Das Ziel dieser Ausarbeitung ist die Erarbeitung von Handlungsansätzen zum Umgang mit Kompensationsflächen und -maßnahmen bei Solarthermie-Freiflächenanlagen. Im Folgenden werden daher die aktuellen Kompensationsregelungen und das Konzept der Ökokonten zur Kompensationsbevorratung erläutert (Ausgangssituation). Der Bedarf für die Nachjustierung des Kompensationssystem und geeignete Ansatzpunkte hierfür werden aufgezeigt. Für die unterschiedlichen beteiligten Akteure werden jeweilige Handlungsansätze vorgestellt. 3 AUSGANGSSITUATION Wenn Bauvorhaben im Außenbereich in Deutschland geplant werden, muss Kompensation mitgedacht werden. Dies schließt Solarthermie-Freiflächenanlagen ein, welche ebenfalls raum- und umweltverträglich sein müssen (vgl. Ministerium für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung und Ministerium für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein, 2021). Hierbei ist es gängige Praxis, dass separate Kompensationsflächen gefunden werden müssen, um entsprechende Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen. In Deutschland wird dies durch die §§ 13 – 18 des Bundesnaturschutzgesetztes (BNatSchG) geregelt. Was dies umfasst, wird grob in Abschnitt 3.1 paragraphenweise umrissen. In Abschnitt 3.2 werden die Grundzüge der Bevorratung von Kompensationsflächen nach § 16 Abs. 2 BNatSchG mittels naturschutzrechtlichen Ökokonten, sowie Vor- und Nachteile des Konzepts dargestellt. In Abschnitt 3.3 wird die verfügbare deutschsprachige Literatur zu Kompensation und ökologischer Gestaltung von Freiflächensolaranlagen vorgestellt. 3.1 BNatSchG Die meisten Bundesländer berufen sich bzgl. des Kompensationsbedarfs auf die §§ 13 - 18 des BNatSchG. Hierbei handelt es sich um die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, welche als Grundlage für sämtliche Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft gilt. Im Folgenden werden Kernaspekte dieser Paragrafen hervorgehoben und zusammengefasst: § 13 Allgemeiner Grundsatz • Erhebliche Beeinträchtigungen müssen vermieden werden oder ansonsten mit Maßnahmen ausgeglichen werden bzw. im Zweifelsfall mit Geld. 1 Infoblatt zum strukturierten Umgang mit Flächenhemmnissen bei Freiflächen-Solarthermie - Hamburg Institut (hamburg-institut.com) 3 § 14 Eingriffe in Natur und Landschaft • (1) Eingriffe = Veränderungen, “ […] die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können.”; • (2) Bodennutzung durch Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft kein Eingriff, soweit die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden. § 15 Verursacherpflichten; Unzulässigkeit von Eingriffen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen • (1) Verursacher muss Beeinträchtigung der Natur & Landschaft vermeiden und nicht vermeidbare Beeinträchtigungen begründen; • (2) Nicht Vermeidbares ist zu kompensieren durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Kompensation oder Ersatz gilt erst dann als erfolgt, wenn diese Maßnahmen auch wirklich den Zweck/Funktion des Ausgleichs erreicht haben; • (3) Land- und forstwirtschaftliche Belange sind zu berücksichtigen. Vorrangig sollen (wenn möglich) Entsiegelung, Wiedervernetzung von Lebensräumen oder Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen als Ausgleichsmaßnahmen in Betracht gezogen werden. Begründet ist dies darin, um zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden; • (4) Der Unterhaltungszeitraum wird von der zuständigen Behörde im Zulassungsbescheid festgelegt. Der Verursacher bzw. Nachfolger ist für Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Maßnahme verantwortlich; • (5) Wenn die Ausgleichs- /Ersatzmaßnahmen nicht in einer angemessenen Frist durchgeführt werden können und die Belange des Naturschutzes & Landschaftspflege vor dem Nutzen des Eingriffs stehen, kann der Eingriff nicht zugelassen werden; • (6) Ersatzzahlungen sind nötig, wenn eine nicht vermeidbare Beeinträchtigung weder kompensiert noch ersetzt werden kann. Die Zahlungssumme richtet sich nach den durchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Ausgleichs- bzw. Ersatzmaßnahme inkl. sämtliche Kosten der theoretischen Planung, Instandhaltung, Personal etc. Die Höhe der Ersatzzahlung ist vor dem Eingriff festzusetzen und zu zahlen; • (7) Das BMUV2 im Einvernehmen mit dem BMEL3, BMDV4, BMWI5 sowie der Zustimmung des Bundesrates ist ermächtigt, Näheres zur Kompensation von Eingriffen zu regeln. Dies betrifft vor allem Inhalt, Art und Umfang bzw. Höhe und Verfahren zur Erhebung von Ersatzzahlungen. Sollte das BMUV von seinem Recht keinen Gebrauch machen, richtet sich das zuvor genannte nach Landesrecht; • (8) Weitere Regelungen zur Handlungsmacht vom BMUV zu Kompensationsmaßnahmen. § 16 Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen • (1) Kompensations- bzw. Ersatzmaßnahmen sind als solche anzuerkennen, soweit sie den vorgesehenen Zweck/Funktion tatsächlich erfüllen, sie ohne rechtliche Verpflichtung durchgeführt, keine öffentlichen Fördermittel genutzt wurden und eine Dokumentation des Ausgangszustandes der Fläche vorhanden ist. Zudem dürfen sie Programmen und Plänen (§§ 10 und 11) nicht widersprechen; 2 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz 3 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 4 Bundesministerium für Digitales und Verkehr 5 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 4 • (2) Absatz bzgl. Bevorratung von vorgezogenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. § 17 Verfahren; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsordnungen • (1-3) Einordnung der behördlichen Genehmigungsgeber bzgl. Eingriffe; • (4) Der Verursacher des Eingriffs hat zur Beurteilung vor der Genehmigung konkrete Angaben zu Ort, Art, Umfang und zeitlichem Ablauf des Eingriffs sowie die geplanten Maßnahmen zum Ausgleich etc. inkl. Angaben zur tatsächlichen und rechtlichen Verfügbarkeit der Ausgleichsflächen anzugeben. Die zuständige Behörde kann eine Sicherheit einfordern (finanziell), um sicherzustellen, dass der Verursacher auch seine Verpflichtung nach § 15 erfüllen und umsetzen kann; • (6) Sämtliche Maßnahmen und hierfür genutzte Flächen werden in einem Kompensationsverzeichnis dokumentiert; • (9) Beendigung oder längere (>1 Jahr) Unterbrechungen des Eingriffs sind der zuständigen Behörde mitzuteilen. Die Behörde kann in dem Fall festsetzen, bis wann die Kompensation (anteilig) zu erfüllen ist; • (11) Die Landesregierung ist ermächtigt, das Verfahren genauer zu regeln und zu bestimmen (inkl. des Kompensationsverzeichnisses, welches in § 11 festgesetzt ist) und kann die Ermächtigung auf andere Landesbehörden übertragen. § 18 Verhältnis zum Baurecht • (1-3) Es wird erläutert, in welchen Fällen § des Baugesetzbuches greifen und in welchen §§ 14-17 des BNatSchG. 3.2 Ökokonto § 16 BNatSchG eröffnet die Möglichkeit, Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen zeitlich vor zu erwartenden Eingriffen vorzubereiten und durchzuführen (sog. vorgezogene Kompensationsmaßnahmen) und benennt als mögliches Mittel zu deren Bevorratung das Ökokonto. Konkret heißt dies, dass zu jedem beliebigen Zeitpunkt Maßnahmen für den Naturschutz und die Landschaftspflege von diversen Akteur:innen geplant und durchgeführt werden können, welche je nach Umfang und Biotopwert in Ökopunkte umgerechnet werden. Das Bewertungsverfahren hierzu ist – sofern vorhanden – jeweils in der Ökokontoverordnung des Landes festgelegt (ÖKVO) bzw. in einer Kompensationsverordnung, die Ökokonten mitbehandelt6. Ein potenzieller Vorteil ergibt sich durch die Bündelung von naturschutzrechtlich und landschaftspflegerisch sinnvollen Maßnahmen auf dafür geeigneten Flächen (z.B. großräumiger und/oder zusammenhängend) durchgeführt von Fachpersonal7 und einem entsprechenden Finanzierungssystem. Das Prinzip des Ökokontos erleichtert vor allem auch die meist herausfordernde Suche nach Ausgleichsflächen, die zusätzlich zur Fläche für das eigentliche Projekt gefunden werden müssen (vgl. Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen). 6 Eine Übersicht der je Bundesland vorliegenden ÖKVO oder ggf. Kompensationsverordnungen, die für Ökokontobelange genutzt werden, befindet sich im Anhang. 7 Die Durchführung durch Fachpersonal ist nicht Vorgabe, das Potenzial besteht aber durch die Übertragung auf spezialisierte Agenturen und Stiftungen für solche Vorhaben. 5 3.2.1 Unterscheidung zwischen Ökokonto nach BauGB und BNatSchG An dieser Stelle wird noch einmal hervorgehoben, dass zwischen dem bauplanungsrechtlichen und dem naturschutzrechtlichen Ökokonto unterschieden wird. Ersteres findet seine Rechtsgrundlage in § 135a Abs. 2 S. 2 Baugesetzbuch (BauGB) und wird von den für die Bauleitplanung zuständigen Gemeinden zur Bevorratung von Ausgleichsmaßnahmen im Sinne von §§ 1a Abs. 3, 200a BauGB im Hinblick auf künftige, bauleitplanbedingte Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne von § 1a Abs. 3 S.1 BauGB i.V.m. § 14 BNatSchG geführt. Demgegenüber wird das auf § 16 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. den LNaturschutzgesetzen und ggf. LVerordnungen basierende naturschutzrechtliche Ökokonto durch die unteren Naturschutzbehörden zur Bevorratung von Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen i.S.v. § 15 BNatSchG im Hinblick auf künftige, nicht bauleitplanbedingte Eingriffe im Sinne von § 14 BNatSchG verwaltet. Die maßgebliche Abgrenzungsnorm ist § 18 BNatSchG, wonach die naturschutzrechtlichen Vorschriften der §§ 14 bis 17 BNatSchG lediglich für Vorhaben im Außenbereich, für Planfeststellungsverfahren sowie für planfeststellungsersetzende Bebauungspläne unmittelbare Anwendung finden. Die Unterschiede zwischen den beiden Ökokonto-Typen sind primär formeller Natur (Rechtsgrundlage, zuständige Behörde, Begrifflichkeit für Kompensation8). In materieller Hinsicht decken sich die beiden Konten indes schon deshalb weitestgehend, weil beide der Kompensation von unvermeidbaren Eingriffen in Natur und Landschaft dienen. Ob ein zu kompensierender Eingriff in diesem Sinne vorliegt, ist in beiden Fällen nach § 14 BNatSchG zu beurteilen. Gemeinsam haben beide Ökokonto-Typen außerdem, dass es sich bei den dort verbuchten Kompensationsmaßnahmen jeweils um Maßnahmen handelt, die künftige Eingriffe kompensieren sollen. Aufgrund dieser materiellen Gemeinsamkeiten ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, Maßnahmen, die auf einem naturschutzrechtlichen Ökokonto verbucht worden sind, zur Kompensation von Eingriffen nach § 1 a Abs. 3 BauGB heranzuziehen9 (die nach originärer Zielsetzung über ein baurechtliches Ökokonto zu kompensieren wären) und umgekehrt. Die Kompensation von Eingriffen durch solare Freiflächenanlagen richtet sich im Außenbereich wie oben dargelegt nach den §§ 13 bis 17 BNatSchG, sodass der Leitfaden im Folgenden vor allem das diesem Zweck dienende naturschutzrechtliche Ökokonto in den Blick nimmt. 3.2.2 Ausgestaltung von naturschutzrechtlichen Ökokonten Während die Bedingungen für die Anerkennung von Ökokonto-Maßnahmen bundeseinheitlich in § 16 Abs. 1 BNatSchG normiert werden, erfolgen sämtliche Konkretisierungen auf Bundeslandebene (§16 Abs. 2 BNatSchG „richtet sich nach Landesrecht“) – meist in Form von sogenannten Ökokonto-Verordnungen (ÖKVO) oder Kompensationsverordnungen, die die Bevorratung von Ausgleichsflächen mitbehandeln. Die dadurch vorhandenen Unterschiede hinsichtlich der näheren Ausgestaltung von Ökokonten zwischen den Bundesländern stellen Akteur:innen vor Herausforderungen, sobald Bundesländergrenzen überschritten werden. Wesentliche Unterschiede bestehen dabei z.B. in den Vorgaben zu Quantität und Qualität von als Ökokontomaßnahmen zugelassenen Maßnahmen, der Zuständigkeit für Zulassungen, dem Umgang mit Ökokontoagenturen, und der Bilanzierungsmethodik 8 Während das Naturschutzrecht (in § 15 Abs. 2 BNatSchG) zwischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen differenziert, bedarf es dieser Unterscheidung bei der Eingriffsregelung in der Bauleitplanung nicht, da § 1 a Abs. 3 BauGB einheitlich von „Ausgleich“ spricht und § 200 a Satz 1 BauGB klarstellt, dass Ausgleichsmaßnahmen auch Ersatzmaßnahmen umfassen. Seitdem das BNatSchG den hiernach bis 2010 geltenden Vorrang von Ausgleichs- vor Ersatzmaßnahmen beseitigte, läuft es mit dem BauGB faktisch parallel. 9 Vgl.: VGH Mannheim, Urt. v. 21.4.2015 – 3 S 748/13, NuR 2015, 647 = juris Rn. 71 ff. 6 hinsichtlich Ökopunkten (vgl. Internationales Institut für Wald und Holz NRW, 2010). Auch die Gutschrift und Stilllegung von Ökopunkten folgt unterschiedlichen Ansätzen und Systemen je Bundesland. Im Anhang werden die vorhandenen ÖKVO der Bundesländer aufgeführt bzw. die gesetzlichen Grundlagen für Ökokonten. Ein zu betrachtender Aspekt ist außerdem die Verantwortlichkeit für die Umsetzung der auf dem Ökokonto verbuchten Kompensationsmaßnahme. Nach dem im Umweltrecht geltenden Verursacherprinzip liegt die Verantwortlichkeit für Kompensationsmaßnahmen grundsätzlich beim Verursacher eines Eingriffs (vgl. § 15 BNatSchG), d.h. bei demjenigen, dem der Eingriff zuzurechnen ist. Bei Eingriffen durch solare Freiflächenanlagen wäre dies der Auftraggeber des ausführenden Bauunternehmens. Je nach Aufstellung des Unternehmens liegt hier allerdings nicht die Kompetenz und es ist gängig für die Umsetzung Institutionen, die auf die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen spezialisiert sind, wie z.B. Flächenagenturen (sog. Maßnahmenträger) zu beauftragen. Auch bei den – einem Eingriff grundsätzlich zeitlich vorausgehenden – Ökokontomaßnahmen liegt die Umsetzungs- und Pflegepflicht erst mal ebenfalls bei dem Verursacher des Eingriffs. Durch Zusatzverordnungen wird dies aber teils in Bundesländern differenzierter geregelt, z.B. in Schleswig-Holstein durch die AgentAnerkVO10. Auch kann teils, je nach Vertragslage, die Pflegepflicht auf den Ökokontoführer übertragen werden, wobei die hierfür entstehenden Kosten in den Verkaufspreis der Ökopunkte mit eingerechnet werden (vgl. Flächenagentur Baden-Württemberg GmbH). Zu den Vorfinanzierenden der Ökokonto-Maßnahmen zählen Kommunen und Agenturen bzw. Stiftungen, aber auch Privatpersonen und Bauunternehmen. Einige Bundesländer haben im Bereich der Ökokonten recht offene Systeme, andere verfügen über umfangreichere Regularien und Vorgaben. So wird beispielsweise in Baden-Württemberg festgesetzt, dass sich entsprechende Maßnahmen in bestimmte Wirkungsbereiche einordnen lassen müssen (ÖKVO §2 Abs.1). Auch Bayern und Schleswig-Holstein sind in der Regulierung und Umsetzung von naturschutzrechtlichen Ökokonten bereits breit aufgestellt. 3.2.3 Vor- und Nachteile Das Konzept Ökokonto birgt einige Vorteile, wird aber in vielen Punkten auch kritisiert. Im ersten Teil wird der naturschutzfachliche Nutzen von Ökokonten aufgeführt. Wie bereits oben angesprochen liegt in diesem Werkzeug das Potenzial, Maßnahmen großflächig zu planen und so den Fokus darauf zu setzen, den besten Nutzen für die Natur zu schaffen. Anderenfalls wird in der Regel nur das minimal notwendige umgesetzt, um einen konkreten Eingriff auszugleichen, was das Potenzial minimiert. Gerade in Deutschland besteht massiver Bedarf, Naturschutzflächen zu vergrößern und besser miteinander zu vernetzen (Walz, Schumacher, & Krüger, 2022). Die Probleme bei kleinen, isolierten Ökosystemen sind vielfältig, je kleiner beispielsweise die Flächen sind, desto größer sind Randeffekte und desto anfälliger sind Biotope dafür, Extremwetterereignissen nicht standzuhalten (Hitze, Dürre, Stürme etc.) (Lovejoy, et al., 1986). Dies ist gerade im Blick auf den anthropogenen Klimawandel, der diese Extreme verstärkt und häufiger macht, ein kritischer Aspekt 10 AgentAnerkVO – Agenturanerkennungsverordnung: Landesverordnung zur Anerkennung von Agenturen zur Durchführung, Unterhaltung und dauerhaften Sicherung von Kompensationsmaßnahmen. 7 (Swain, Singh, Touma, & Diffenbaugh, 2020). Ökokonten können hier eine zentrale Rolle einnehmen, denn Biotope bzw. ganze FFH-Gebiete anzuschließen und zu vernetzen erfordert oft großräumige und teils auch langfristige Planung. Weiterhin lässt sich anführen, dass die Pflege, bezogen auf die Flächengröße, auf einer großen Fläche einfacher und kostengünstiger ist als auf vielen kleinen Flächen und somit Gelder effizienter eingesetzt werden können. Abseits von Naturschutzaspekten bieten Ökokonten aber auch einen gravierenden Vorteil bei der Planung von Bauvorhaben. Gemeint ist hier die Beschleunigung des Planungsprozesses durch die Reduktion des Aufwandes für die Suche nach Kompensationsflächen oder ggf. den kompletten Wegfall der Kompensationsflächensuche (Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft). Dies ermöglicht es den Projektierenden, sich auf ihre Projekte zu fokussieren, was besonders bei der Solarthermie die schnelle Dekarbonisierung lokaler Wärmenetze unterstützen kann. Zudem kann es auch verhindern, dass Vorhabens-Ideen daran scheitern, dass keine bzw. nicht ausreichend geeignete Kompensationsflächen gefunden werden können bzw. es werden das Risiko und der Aufwand vermieden, nicht nur für den Bau der Anlage Flächen zu finden, sondern zusätzlich auch zur Kompensation. Dieser Vorteil ist besonders bei der Umsetzung von Solarthermie in der Freifläche nützlich, da bereits die Flächensuche für die Projektfläche auf Grund der besonderen Anforderungen (u.a. Nähe zu Wärmenetzen) viel Zeit und Ressourcen benötigt. Auf der anderen Seite gibt es, wie bereits erwähnt, auch einige kritische Punkte am Ökokontokonzept. Ein Kritikpunkt ist, dass Ökokonten Anreize schaffen, Eingriffe zu fördern, welche Ausgleichsmaßnahmen erfordern. Dies würde dem Grundsatz der Eingriffsregelung entgegenstehen, dessen Devise es ist, erhebliche Beeinträchtigungen durch Eingriffe stets zu vermeiden. Diese Gefahr wird explizit dann gesehen, wenn Finanzierende/Investierende der Maßnahmen auch gleichzeitig Einfluss auf die Bauplanung haben. Eine angepasste Bepreisung der Ökokonten kann diesen Entwicklungen, die nicht im Einklang mit dem Grundsatz der Eingriffsregelung stehen, entgegenwirken. Es sollte finanziell nicht attraktiver sein, auszugleichen, anstatt Beeinträchtigungen durch einen Eingriff zu vermeiden. Zudem teilen sich die verschiedenen Rollen bei naturschutzrechtlichen Ökokonten auf unterschiedliche Instanzen und Personen auf. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass ökologisch notwendige Eingriffe nicht durchgeführt werden, wenn diese nicht als Ökokontomaßnahmen angerechnet werden können. In der Praxis sollte dies aber eher die Ausnahme bilden, da einerseits Ökokontomaßnahmen generell breit aufgestellt sind und einen Großteil ökologischer Eingriffe in Ökopunkte umwandeln lassen und andererseits bei einer solchen Notwendigkeit auch das Bundesnaturschutzgesetz greift. Zusätzlich zu diesen übergeordneten Kritikpunkten gibt es auch konkrete Kritik an der Praxis zu den Ökokonten. Diese Kritik bezieht sich in einigen Fällen auf konkrete Durchführungsbeispiele von bauplanungsrechtlichen Ökokontomaßnahmen. Im Folgenden werden, mit Verweis auf die materiellen Gemeinsamkeiten beider Typen (siehe Kapitel 3.2.1), Kritikpunkte beider Ökokonto-Typen zusammengefasst. In der Vergangenheit ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Systematik der Ökopunkte nicht in jedem Fall allen Einzelaspekten ausreichend Sorge tragen kann. Bei Rabenschlag et al. (2019)11 wird beispielsweise von dem Ziel „möglichst viele anrechenbare Ökopunkte auf möglichst wenig Fläche zu generieren“ gesprochen. Ein konkretes Beispiel bietet hier der Bau des Amazon-Logistikzentrums in 11 Diese Studie führt eine Evaluation der Umsetzung baurechtlicher Ausgleichsmaßnahmen durch. 8 Mönchengladbach, bei dem mehr als die Hälfte der benötigten Ökopunkte für die Umwandlung einer Fläche zu einem Auwald von der Größe von 8 500 m2 genutzt wurde. Dies entspricht lediglich 6,5 % der Bauvorhabens-Fläche (Müller, 2019). Diese Flächenverhältnisse kommen dadurch zustande, dass die Regelungen die Gesamtwertigkeit der betreffenden Fläche bewerten und somit Flächengrößen nicht prioritär betrachtet werden. Dies befeuert unter anderem das Problem der Flächenverknappung durch Versiegelung, da mehr Fläche ver- als entsiegelt bzw. vor Versiegelung geschützt wird. In der Realität ist der Zusammenhang zwischen Eingriff und Kompensation nicht immer gegeben, obwohl dies – zumindest in einigen Bundesländern – vorgeschrieben ist (Bethge, 2004). Die räumliche Nähe zwischen Eingriff und Ausgleichsmaßnahme ist nicht unbedingt gegeben und das Ziel, die durch den Eingriff entstandene Beeinträchtigung auszugleichen, indem der Beeinträchtigungsaspekt in der Maßnahme im Vordergrund steht, findet in der Praxis nicht überall statt. Ein gutes Beispiel hierfür sind Grünbrücken zur Querung von Straßen und Autobahnen (vgl. BUND Regionalverbung Südlicher Oberrhein). Diese sollten sinnvollerweise bereits bei der Planung von Straßen mitgedacht, gebaut und finanziert werden (ganz im Sinne, die Beeinträchtigung eines Eingriffs so gut es geht direkt zu minimieren) und nicht nachträglich als Ökopunkte an komplett themenfremde Eingriffe verdingt werden, die mit dieser Maßnahme auch kaum eine angemessene Flächenkompensation erbringen können. Bei konventionellen Ausgleichsmaßnahmen beeinflusst die Größe der Eingriffsfläche den Kompensationsumfang. Schlussendlich sind diverse Kritikpunkte an der aktuellen Durchführung von Ökokonten auf ein Kontroll-/Überwachungsdefizit von übergeordneter Stelle zurückzuführen – wobei zu beachten ist, dass naturschutzrechtliche Ökokontomaßnahmen in der aktuellen Literatur weniger in der Kritik stehen als bauplanungsrechtliche. Die Studie von Rabenschlag et al. (2019) zeigt zumindest für bauplanungsrechtliche Ökokontomaßnahmen eine insgesamt etwas bessere Zielerreichung als durch konventionelle, baurechtliche Ausgleichsmaßnahmen. In diesem Sinne ist auch der positive Nutzen von naturschutzrechtlichen Ökokonten nicht zu vernachlässigen. 3.3 Literatur zu Kompensation und ökologischer Gestaltung von Solaranlagen Diverse Bundesländer/Verbände haben bereits Infoblätter bzw. Leitfäden in Bezug auf die ökologische Gestaltung von PV-FFA veröffentlicht. Beispielhaft lässt sich hier folgende Literatur nennen: • „Der naturverträgliche Ausbau der Photovoltaik. Nutzung von Solarenergie in urbanen und ländlichen Räumen, auf Dächern und in der Fläche“ Verfasser/Herausgeber: NABU Inhalt: Umweltfreundlicher Ausbau von PV-FFA inkl. Standortwahlorientierung; PV-Dachanlagen; Integrierte Formen der Landnutzung mit Photovoltaik; Netzanbindung; Solarenergie in Kombination mit Dach- und Fassadenbegrünung; Solarthermie • „Freiflächensolaranlagen – Handlungsleitfaden“ Verfasser/Herausgeber: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg Inhalt: Leitfaden zum Ausbau von Photovoltaik- und Solarthermie-Freiflächenanlagen inkl. ökologischer Aspekte bei Planung und Bau. • „Praxis-Leitfaden für die ökologische Gestaltung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen“ Kapitel: 2.4 Umweltprüfung und Eingriffsregelungen Verfasser/Herausgeber: Bayerisches Landesamt für Umwelt 9 Inhalt: Umfangreicher Leitfaden für die ökologische Gestaltung von PV-FFA inkl. gesetzlichen Rahmenbedingungen wie z.B. Umweltprüfung und Eingriffsregelung; Orientierung für die richtige Standortwahl, sowie ökologische Leitlinien für den Bau, Betrieb und Rückbau; diverse Planungshinweise in Hinsicht auf ökologische Kriterien • „Solarparks – Chancen für die Biodiversität. Erfahrungsbericht zur biologischen Vielfalt in und um Photovoltaik-Freiflächenanlagen.“ Verfasser/Herausgeber: Renews Spezial. Ausgabe 45 / Dezember 2010 Inhalt: Naturschutzfachliche Bedeutung von Solarparks inkl. Studienlage; Naturschutzfachliche Maßnahmen in Form von konkreten Anwendungsbeispielen aus bereits umgesetzten Projekten Konkrete verschriftlichte Leitfäden bzw. Umsetzungshilfen für Kompensationen sind hingegen rar und es wird größtenteils auf die Eingriffsregelung verwiesen (§§ 13 - 18 des BNatSchG). Leitfäden zur Einrichtung von Ökokonten sind ebenfalls von diversen Herausgebern vorhanden, größtenteils aber schon etwas älter. Bei den Leitfäden fällt auf, dass diese häufig Bundesländer-spezifisch sind. Beispiele hierfür sind: • “Eingriffsregelung Merkblatt 3. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in der Bauleitplanung und das “Ökokonto”.” Verfasser/Herausgeber: Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg Fachdienst Naturschutz • “Handlungsempfehlungen für ein Ökokonto. Ein Vorsorgeinstrument für die Eingriffsregelung in der Bauleitplanung.” Verfasser/Herausgeber: Bayrischer Gemeindetag • “Leitfaden: Nachhaltigkeit Stiften! Hintergrundinformationen, Erfahrungen und Empfehlungen zum “Stiftungsmodell mit Kompensationsflächenpool” für private und kommunale Grundbesitzer.” Verfasser/Herausgeber: Internationales Institut für Wald und Holz NRW 4 HANDLUNGSBEREICH: KOMPENSATION INNERHALB SOLAR-FFA ERMÖGLICHEN Die vollständige Kompensation von Solar-FFA sollte unter bestimmten Bedingungen direkt auf der Fläche ermöglicht werden. Hier gilt es gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, Komplettkompensation auf der Solar-FFA in Kombination mit einer entsprechenden ökologischen Gestaltung durchzuführen. Aktuell ist die Teilkompensation innerhalb der Solar-FFA bereits möglich. Diesen Spielraum gilt es auszuweiten, und so der Flächenknappheit entgegenzuwirken sowie der naturschutzfachlichen Wirkung der Anlagen gerecht zu werden. 4.1 Hintergrund Eine 100% Aufhebung der Kompensation (auf externen Flächen) ist zurzeit noch nicht möglich. Je nach Land und Verordnung variiert der Kompensationsfaktor. Im Bundesland Schleswig-Holstein liegt der Kompensationsfaktor beispielsweise bei 1:0,25 und durch eine optimierte ökologische Gestaltung kann der Faktor in Bezug auf naturschutzfachliche Anforderungen auf 1:0,1 abgesenkt werden (vgl. Ministerium für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung und Ministerium für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein, 2021). Es empfehlen 10 bereits ein Großteil der Bundesländer, dass so weit wie möglich innerhalb der Flächen kompensiert werden soll. Der Hauptaspekt dieser Empfehlung liegt darin, das Problem der Flächenknappheit weiter aufzulösen. Solarthermie-FFA bieten viele Möglichkeiten (ökologisch) fachgerecht gestaltet zu werden (siehe diverse Leitfäden), vor allem im Vergleich zu anderen Bauvorhaben. Die aktuellen Regelungen zur Teilkompensation innerhalb der Fläche zeigen dieses Potenzial bereits auf. Zudem fördert diese Vorgehensweise, dass bauliche Eingriffe das Ziel haben sollten, so weit wie möglich naturverträglich und somit nachhaltig zu sein, anstatt ausgleichen zu müssen. So wird es auch im Kern der Eingriffsregelung aufgeführt: „Erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind vom Verursacher vorrangig zu vermeiden.“, § 13 BNatSchG. Eine Komplettkompensation innerhalb der Solar-FFA bedeutet auch eine Beschleunigung des Bauvorhabens durch den Wegfall der zusätzlichen Flächensuche im Rahmen des Ausgleichs. 4.2 Ausgestaltung Voraussetzung für die Komplettkompensation innerhalb der Solar-FFA ist die ökologische und naturverträgliche Ausgestaltung. Die Differenz des ökologischen Beitrags der Fläche (ökologischer Beitrag der Fläche vor und nach den umgesetzten Maßnahmen), sollte bei der Beurteilung ebenfalls entsprechend einbezogen werden. Handelt es sich z.B. um eine Fläche, welche zuvor als Acker genutzt wurde, sind aufgrund der Vorbelastung weniger Konflikte aus der naturschutzfachlichen Richtung zu erwarten. Landschaftsbildliche Aspekte fallen nach der aktuellen Regelung womöglich dennoch an, können durch die teils obligatorische Eingrünung (bundesländerabhängig) aber je nach Einzelfall relativ leicht adressiert und somit ebenfalls innerhalb der Solar-FFA erfüllt werden. Vor allem Solar-FFA, die zur Flächenentsiegelung führen, sollten bei entsprechender ökologischer Ausgestaltung die Möglichkeit haben, ohne externe Kompensation umgesetzt zu werden. Auch die gesetzliche Verankerung von universell sinnvollen, ökologischen Maßnahmen sollte in Betracht gezogen werden. Bei Ackerflächen besteht bereits die Vorschrift12, diese bei der Installation von PV-FFA in Grünlandflächen umzubauen. Nach diesem Vorbild können weitere ökologisch gestalterische Maßnahmen für die Solar-FFA gesetzlich vorgeschrieben werden, die somit auch generell den Kompensationsbedarf reduzieren, da die Beeinträchtigung durch den Eingriff minimiert wird. Eingriffe innerhalb der Solar-FFA Planung mit generellem Kompensationsbedarf Um sich der Möglichkeit zu nähern, die Vollkompensation innerhalb der Eingriffsfläche durchzuführen, ist es zielführend darzustellen, welche Eingriffe innerhalb der Solar-FFA Realisierung häufig zu Ausgleichsbedarfen führen. Die “Naturschutzfachlichen Bewertungsmethoden von Freilandphotovoltaikanlagen” BfN – Skripten 247 beinhaltet hierzu sehr ausführliche Abschnitte (Herden, Rassmus, & Gharadjedaghi, 2009). Ein Teil dieser wird im Folgenden aufgelistet: • Änderung des Landschaftsbildes durch die Errichtung von Baukörpern → visuelle Wirkung und somit Beeinträchtigung des Landschaftsbildes • Versiegelung von Flächen • Überdeckung der Bodenoberfläche durch Module, wenn diese sehr nah am Boden aufgestellt sind, z. B. Verschattung, ggf. Austrocknung der Oberfläche, Erosion durch ablaufendes Wasser 12 Nach § 33 Abs. 3 EEG besteht nur ein Vergütungsanspruch für den erzeugten Strom auf Ackerlandflächen, wenn diese in Grünland umgewandelt werden. 11 • Baubedingte, nicht stoffliche Emissionen → Emission von Fahrzeugen, Staubemissionen (temporär, evtl. zu vernachlässigen) • Bodenverdichtung, Veränderung abiotischer Faktoren • Barrieren: Zerstückelung der Landschaft und von Wegenetzen • Vorhabensbedingte Pflege z. B durch Mahd, Beweidung --> führt ggf. zu Änderung des Biotops bzw. Veränderung struktureller Paramater innerhalb des Ökosystems (Landnutzungsänderung) • Von den Modulen (teils auch den Konstruktionselementen) ausgehende Emissionen (Lichtreflexe, Spiegelungen) • Vorkommen von seltenen/gefährdeten Arten (Tiere und Pflanzen). Dies betrifft womöglich auch versiegelte Flächen, da der Begriff relativ weit gefasst ist und auch Schotterflure einschließt, welche teils ökologisch wertvolle Lebensräume bilden Es sollte immer beachtet werden, dass Beeinträchtigungen sehr vorhabens- und standortspezifisch sind. So spielen bzgl. des Vorhabens beispielsweise die Effizienz beim Bau sowie die Material- und Systemwahl eine entscheidende Rolle. Standortspezifische Faktoren, die den Kompensationsbedarf direkt beeinflussen, sind die naturräumliche Lage, das Relief der Landschaft, Qualität und Art der angrenzenden Lebensräume sowie das lokale Arteninventar. Weiterhin sind die Vornutzung und Ausprägung des Lebensraumes sowie das geplante Flächenmanagement wichtige Faktoren. Ökologische Ausgestaltungen mit Kompensationswirkung In dem Papier des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung und des Ministeriums für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein „Grundsätze zur Planung von großflächigen Solar-Freiflächenanlagen im Außenbereich. Gemeinsamer Beratungserlass des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung und des Ministeriums für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung.“ wird aufgeführt, welche Maßnahmen zu der Reduzierung von Kompensation führen können (Punkt „D. Planungsempfehlungen zur Ausgestaltung der Anlagen“, ab Seite 12). Aufgeführt wird hier beispielsweise • eine kompakte Anordnung (großräumige Zäsur-Wirkungen werden vermieden), • eine maximale Größe von ca. 20 ha, • Vermeidung von Beeinträchtigungen im Sinne von § 13 BNatSchG, Gestaltung von Habitat-Strukturen zur Steigerung von Artenvielfalt, • die naturnahe Gestaltung in den Modulreihenzwischenräumen, • Umpflanzung fürs Landschaftsbild. o Obligatorische Eingrünungsmaßnahmen um Anlagen aufgrund des Landschaftsbildes können ggf. auch als Kompensationsmaßnahme in Bezug auf Eingriffe in den Naturhaushalt gezählt werden. • Aktive Kompensationsmaßnahmen auf der Fläche, wie z.B. o Kleingewässer bzw. Feuchtbiotope lassen sich sinnvoll als Ausgleich für eventuelle Austrocknung durch die Module zur Bodennähe einsetzen. o Gehölze, deren Pflanzung als Maßnahme für das Landschaftsbild durchgeführt wird, können ggf. auch als Kompensation im naturschutzfachlichen Kontext gesehen werden, wenn diese hierfür ebenfalls einen Mehrwert bringen. Die Doppelzählung einer Maßnahme ist hier also möglich. Weitere Punkte, die diskutiert werden sollten, um eine Vollkompensation auf der Eingriffsfläche zu ermöglichen, sind: 12 • Weitestgehende Vermeidung von Versiegelung → aktuell ist es bei Solar-FFA möglich, die Flächenversiegelung auf weit unter 5% zu beschränken. o Zu beachten gilt hier der zuvor aufgeführte Verweis, dass auch teils versiegelte Flächen einen ökologischen Mehrwert haben können, da dies Schotterflure miteinschließt, welche gefährdete Arten beherbergen können. • Inwiefern die Kompensation des Landschafsbildes vermieden werden kann, bzw. ob die Eingrünungsmaßnahmen innerhalb der Solar-FFA diesen Punkt ausreichend abdecken und somit externe Kompensation hierzu vermieden werden kann. • Ob Kompensationsbedarfe, die auf den temporären Bau beschränkt sind, ausgeklammert werden können, sofern das Vorhaben möglichst effizient geplant ist und Beeinträchtigungen zu 100% reversibel sind. 4.3 Verantwortungsbereiche Nationale Ebene Seitens nationaler Gesetzgebung ist es zielführend, wenn eine Klarstellung innerhalb der Bundesregelung erfolgt, damit nicht jedes Bundesland im Alleingang handeln muss und eine klare Ausrichtung aufgezeigt wird. Landesbehörde Auf Landesebene sollte die Prüfung und Anpassung der entsprechenden Verordnung erfolgen. In diesem Rahmen sollte ebenfalls dargelegt werden, unter welchen Bedingungen eine Vollkompensation innerhalb der Fläche möglich ist. Kommune Für Kommunen gestaltet sich die Durchführung einer Flächenanalyse als sinnvoll. In diesem Rahmen kann geprüft werden, welche Flächen sich für Solarthermie-Freiflächenanlagen eignen (siehe hierfür z.B. Günnewig, Johannwerner, Metzger, Kelm, & Wegner, 2022) und gleichzeitig die Möglichkeit bieten, diese Anlagen ökologisch auszugestalten. Hierdurch kann eine Priorisierung erfolgen, die dem „First come, first serve“-Prinzip entgegenwirkt. Dieses Vorgehen stellt ein proaktives, solares Flächenmanagement seitens der Kommune dar. 5 HANDLUNGSBEREICH: FESTSETZUNG UMSETZUNGSRAHMEN Um die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen zeit- und ressourceneffizient zu gestalten und gleichzeitig einen höheren naturschutzfachlichen Nutzen zu erzielen ist es wichtig, eine konkrete Herangehensweise aufzuzeigen und im gleichen Zuge Vorgänge und Regelungen zu evaluieren und auszubessern. Dies umfasst konkret die Vereinheitlichung der Bestimmung bzw. der Berechnungsmethode des Kompensationsumfangs, einen Leitfaden bzw. Verweise an Stellen/Agenturen, die durch die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen führen können, oder diese idealerweise übernehmen, um ihre Qualität sicherzustellen, sowie abschließend die Etablierung eines einheitlichen und zielführenden Monitoringsystems. 5.1 Hintergrund 13 Es wird bemängelt, dass Ausgleichsmaßnahmen nicht zu einem tatsächlichen Ausgleich führen bzw. deren Qualität mangelhaft ist (NDR, 2022). Die gesetzliche Vorgabe, naturschutzfachlichen Ausgleich zu schaffen, ist keineswegs zielführend, wenn dieser nur auf dem Papier passiert, aber schlussendlich nicht umgesetzt wird. Es ist nicht flächeneffizient, wenn Flächen für Kompensationsmaßnahmen markiert und für weitere Nutzungsformen blockiert werden, aber teils keinen naturschutzfachlichen Nutzen haben bzw. jahrelange Verzögerungen der Umsetzung folgen. Mögliche Gründe für diese Problematik umfassen u.a. fehlendes Fachwissen sowie fehlende Priorisierung seitens des Vorhabensträgers (welcher schlussendlich die Verantwortung für die Kompensation trägt) sowie das Fehlen eines Monitoringsystems, welches abseits von behördlichen Kontrollen existiert. Letzteres ist vielerorts durch Fachpersonal- und Ressourcenmangel nicht konsequent durchführbar, zum Teil liegt ihnen aber auch kein konkretes System zugrunde oder die Vorgaben variieren abhängig von der zuständigen Behörde. Ferner ist es nicht nachvollziehbar, warum die gleiche Beeinträchtigung durch einen Eingriff in unterschiedlichen Bundesländern zu unterschiedlichen Kompensationsumfängen führt, wie es derzeit der Fall ist (Internationales Institut für Wald und Holz NRW, 2010). Der Kompensationsumfang sollte gut begründet sein und bedarf aufgrund der gleichen Wirkweise in den Bundesländern keiner unterschiedlichen Bewertungsmethodik. Im Rahmen der „Anpassung der Flächenkulisse für PV-Freiflächenanalagen im EEG vor dem Hintergrund erhöhter Zubauziele“ (Günnewig, Johannwerner, Metzger, Kelm, & Wegner, 2022), welches im Auftrag des UBA verfasst wurde, wird sich ebenfalls für Schritte Richtung Vereinheitlichung ausgesprochen. Hier wird ausgeführt: “Die Aufnahme von Kriterien zur naturverträglichen Gestaltung im EEG würde den gegebenen Abstraktionsgrad der Bestimmungen deutlich reduzieren. Eine daran gebundene Verpflichtung der Standortkommune müsste flankiert werden über die zuständigen Naturschutzbehörden. Am Ende wäre die Umsetzung durch das stromabnehmende Energieunternehmen zu prüfen. Vorzuziehen wäre stattdessen, das naturschutzrechtliche Instrumentarium der Eingriffsregelung im Hinblick auf eine einheitlichere Verfahrensweise z. B. bzgl. des Umgangs mit Kompensationsleistungen zu adressieren. Damit hätte man sowohl das EEG-Regime als auch die PPA-Anlagen gleichermaßen im Blick.“ Mit Blick auf die Solarthermie scheint es sinnvoll, dem Ansatz des UBA zu folgen. Flächenkonzepte für FFA zur Nutzung solarer Energie sollten nicht über die Vermarkungskonzepte (EEG) gesteuert werden, sondern im Rahmen von Regelungen, die sich auf die bauliche Art und Auswirkung der Anlage beziehen – wie es im Rahmen der Eingriffsregelung der Fall ist. 5.2 Ausgestaltung Bestimmung Kompensationsumfang Es gibt bereits mehrere standardisierte Berechnungsmethoden zur Bestimmung von Kompensationsumfängen. Diese gilt es zu evaluieren und entweder a) eine Methode zu priorisieren und diese aufgrund von Bewährtheit und guter Begründbarkeit als Standard festzulegen, oder b) eine neue Methode als Standard festzulegen, die in Form des Best-Practice Ansatzes auf den bestehenden Methoden beruht. Die 2021 vom BfN veröffentlichte „Entwicklung eines Bewertungsmodells zum Landschaftsbild beim Stromnetzbau“ zeigt auf, wie eine solche Evaluation aussieht und wie eine bundesweit einheitliche Herangehensweise geschaffen werden kann. Bekannte, standardisierte 14 Berechnungsmethoden sind z.B. das Osnabrücker Modell (Landkreis Osnabrück, 1997), oder das Warendorfer Modell (Kreis Warendorf UNB, 2021). Umsetzung Ausgleichsmaßnahmen Abseits von diversen rechtlichen Bestimmungen zur Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen, sollte auch die Qualität und die Sinnhaftigkeit der Maßnahme im Fokus stehen. So gilt es zu bedenken, welche Beeinträchtigungen mit welcher naturschutz- oder landschaftsfachlichen Folge innerhalb der Solar-FFA anfallen und mit welcher Maßnahme diese sinnvoll ausgeglichen werden kann. Zwei Beispiele solcher Schlussfolgerungen, die innerhalb von Solar-FFA auftreten können, befinden sich in Tabelle 1. Um Sinnhaftigkeit, Qualität und rechtliche Bestimmungen zu erfüllen, bietet sich der Verweis auf einen entsprechenden Leitfaden zu Beginn des Projektes an und/oder der Verweis auf etablierte Maßnahmenträger, die diese Arbeit übernehmen. Bayern beispielsweise hat aktuell einen ausführlichen Handlungsleitfaden Qualitätsmanagement Kompensation (Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU), 2021), der sich um die Umsetzung von Maßnahmen dreht und auch Best-Practice-Beispiele enthält. Zudem sollten sich gängige Probleme bei der Wahl von Kompensationsflächen bzw. -maßnahmen bewusst gemacht werden, um diese proaktiv zu adressieren und Lösungswege aufzuzeigen. Beispiele für solche Probleme sind (Herden, Rassmus, & Gharadjedaghi, 2009): • Zu geringe Flächengröße für die angestrebte Maßnahme → Lebensgemeinschaften/Ökosystem kann sich nicht vollständig/typisch ausbilden. • Fehlende Habitatkontinuität verstärkt durch zu kurze zeitliche Vertragsbindung (dadurch wird die Habitatkontinuität auch perspektivisch nicht behoben). • Oft fehlen seltene und gefährdete Arten, welche einen direkten Effekt auf den “High Nature Value” haben. • Das Fehlen von Lebensraumverknüpfung bei vielen isolierten Einzelflächen. Beeinträchtigender Eingriff Mögliche Folge Sinnvolle Ausgleichsmaßnahme Module sehr bodennah Beschattung, evtl. Austrocknung Schaffung eines Feuchtbiotops/ Kleingewässers Umzäunung des Gebietes Abhängig von Landschaftsstruktur kann es zu einer Zerschneidung von vernetzten Habitaten kommen Vernetzung von Habitaten durch Korridore mit passenden, dem Lebensraumtyp entsprechenden Vernetzungselementen 15 Tabelle 1: Beispiele für Ausgleichsmaßnahmen entsprechend der Art der Beeinträchtigung im Kontext von Solar-FFA Monitoringsystem Die Studie von Rabenschlag et al. (2019), in deren Rahmen die Evaluierung von baurechtlichen Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt wurde, bietet Orientierungspunkte, wie ein zielführendes Monitoringsystem für Ausgleichsmaßnahmen ausgestaltet werden kann. Diese Studie empfiehlt das Monitoring von Flächen im Zusammenspiel mit einer „engmaschigen Flächenbetreuung in Sinne eines adaptiven Managements“ zu etablieren. Diese Herangehensweise ermöglicht eine frühe und wirkungsvolle Anpassung, sollten sich Maßnahmen nicht wie gewünscht entwickeln. Auch wird in der Studie betont, dass über die rein inhaltliche Erfassung hinaus Kontrollen von Fachpersonal (z.B. Ökolog:innen) notwendig sind und bei entsprechender Zustandsbewertung Sanktionen ausgesprochen werden. Desweiteren spricht sie sich dafür aus, dass diese Daten auf einer Plattform öffentlich zugänglich gemacht werden, so dass auch z.B. durch Verbände nachvollzogen werden kann, ob Ausgleichsverpflichtungen nachgekommen wurde. Die obengenannten Aspekte für ein sinnvolles Monitoringsystem wurden zum Teil ebenfalls von befragten Flächenagenturen aufgeführt. Weiteres Zudem sollte an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass der Ansatz der Realkompensation, welcher in Bundesländern wie beispielsweise Schleswig-Holstein durch entsprechende Agenturen bereits gut funktioniert, weiterhin gegenüber dem Ansatz der Ersatzgeldzahlung favorisiert werden sollte. Die Gefahr, die hierbei gesehen wird, ist, dass Ersatzgeldzahlungen nicht für eine umfangreiche Finanzierung gleichwertiger Kompensationsmaßnahmen ausreichen, da hierbei die dauerhafte (> 25 Jahre) Flächensicherung (Grunderwerb) sowie die Kosten für Personal, Verwaltung, und Herstellungs-, Entwicklungs- und Unterhaltungsmaßnahmen für mind. 25 Jahre berücksichtigt werden muss. 5.3 Verantwortungsbereiche Nationale Ebene Es sollte näher geprüft werden, ob eine einheitliche Herangehensweise an die Bestimmung des Kompensationsumfanges auf Basis bundesländerübergreifender Berechnungsmethoden auf nationaler Ebene umsetzbar und sinnvoll ist. Für ein einheitliches Monitoringsystem könnte ein Rahmen in Form von Mindestvoraussetzungen und -anforderungen festgelegt werden, um einen bundesweiten Qualitätsstandard zu garantieren. Beeinträchtigender Eingriff Mögliche Folge Sinnvolle Ausgleichsmaßnahme Module sehr bodennah Beschattung, evtl. Austrocknung Schaffung eines Feuchtbiotops/ Kleingewässers Umzäunung des Gebietes Abhängig von Landschaftsstruktur kann es zu einer Zerschneidung von vernetzten Habitaten kommen Vernetzung von Habitaten durch Korridore mit passenden, dem Lebensraumtyp entsprechenden Vernetzungselementen 16 Landesbehörde Auf Landesebene sollte die Evaluierung und ggf. Ausbesserung von Vorgängen und Regelungen bzgl. der Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen erfolgen. Dies umfasst auch und vor allem die Weiterentwicklung und Umsetzung eines effektiven und zielführenden Monitoringsystems (innerhalb festgelegter nationaler Rahmenbedingungen bzgl. der Ansprüche und des Qualitätsniveaus für ein Monitoringsystem). Aufgrund dieser Prozesse sollte auch die Erstellung bzw. Beauftragung entsprechender Leitfäden erfolgen, die diese Ergebnisse für die praktische Anwendung dokumentieren und zugänglich machen. Kommune Gerade bei der Anleitung der Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen können Kommunen eine zentrale Rolle einnehmen, indem sie von vornherein alle relevanten Informationen und Hinweise bzw. die entsprechenden Verweise transparent sichtbar machen (z.B. auf ihrer Homepage), oder diese Informationen bei Projektanfragen standardmäßig und unabhängig davon, ob dies konkret angefragt wurde, mitliefern um sicherzustellen, dass relevante Aspekte inkl. einer gewissen Qualität von Anfang an mitgedacht werden. In einem solchen Informationspool sollten auch etwaige Besonderheiten der Kommune dargestellt werden. Außerdem, ob es z.B. schon ausgewiesene Kompensationsflächen gibt , oder ob Ökokontomaßnahmen innerhalb der Kommune umgesetzt sind, bei denen der Kauf von Ökopunkten noch möglich ist. Auch die Empfehlung, auf einen etablierten Maßnahmenträger für Ausgleichsmaßnahmen zurückzugreifen, sollten die Kommunen zentral platzieren und dabei auf die entsprechenden, lokalen Institutionen verweisen. Projektierende Die Inanspruchnahme von empfohlenen Leitfäden und Hilfestellungen sowie die enge Zusammenarbeit und der Austausch mit der Kommune helfen bei einer effizienten und qualitativ hochwertigen Umsetzung. Zudem ist die Zusammenarbeit mit entsprechenden Agenturen zu empfehlen, da die Bereitstellung von Realkompensationen in Bundesländern wie z.B. Schleswig-Holstein mit Hilfe von gut aufgestellten Agenturen bereits gut funktioniert. Hierdurch werden sämtliche Aspekte, wie die dauerhafte Flächensicherung, Herstellungs-, Entwicklungs- und Unterhaltungsmaßnahmen sowie Personal- und Verwaltungskosten für mind. 25 Jahre mit abgedeckt. 6 HANDLUNGSBEREICH: FOKUS AUF ÖKOKONTOMAßNAHMEN Die Nutzung des Ökokonto-Konzeptes sollte für Solar-FFA gestärkt werden, bei welchen eine Komplettkompensation innerhalb der Fläche nicht realisierbar ist. Um Synergien zu fördern und Rahmenbedingungen für eine einheitliche Qualität zu schaffen, sollten übergeordnete Instrumente auf Bundesebene näher geprüft werden, welche zu einer Vereinheitlichung bzw. Angleichung der Vorgaben auf Bundeslandebene führen könnten. Diese übergeordneten Ansätze sollten vor allem qualitative Rahmenbedingungen schaffen, während auf Bundeslandebene weiterhin länderspezifische Besonderheiten (z.B. vorhandenen Ökosysteme) berücksichtigt und geregelt werden können. 17 6.1 Hintergrund Wie bereits in 3.2 angeführt, wird an der aktuellen Handhabung von Kompensation laufend Kritik geübt, vor allem bezogen auf die Umsetzung und das Monitoring solcher Maßnahmen (Bronner & Flohr, 2015; Wonneberger, 2021). Es gilt zu schauen, wie die lokalisierten Problematiken angegangen und behoben werden können. Die Vereinheitlichung der ÖKVO kann zur Optimierung der Planungsprozesse führen und für eine gewisse Transparenz sorgen. Zudem besteht derzeit eine stetig wachsende Nachfrage an (naturschutzfachlichen) Ökopunkten, deren Trend keinen Abbruch vermuten lässt13. Auf dieser Grundlage appellieren wir, die Chancen von Ökokontomaßnahmen zu nutzen und bekannte Problematiken proaktiv anzugehen und auszubessern. Ein weiterer Vorteil von Ökokontomaßnahmen ist, dass der durch die Kompensationsflächensuche entstehende Druck genommen wird. Gerade Solar-FFA bieten sich für die Nutzung von Ökopunkten zur Kompensation an, da bestimmte Kritikpunkte an Ökokonten systematisch bereits wegfallen. So trifft hier zum Beispiel die generelle (großräumige) Flächenversiegelung durch Bauvorhaben nicht zu, die normalerweise bei der Nutzung von Ökopunkten nicht genügend berücksichtigt wird. 6.2 Ausgestaltung Die Schwachpunkte innerhalb der aktuell existierenden Systeme14 können durch eine umfangreiche Evaluierung und anschließende Ausbesserung und Neustrukturierung des Ökokontokonzeptes inkl. Einfluss von Best-Practice Erfahrungen aus unterschiedlichen Bundesländern adressiert werden. Diese Evaluierung umfasst ebenfalls eine aktive Befragung und Beteiligung von betroffenen Akteur:innen. Da diese Überarbeitung der bestehenden Konzepte weitverbreitete Problematiken adressieren soll und gleichzeitig Best-Practice Erfahrungen mit einbeziehen kann, sollte sich hierdurch ein Konzept ergeben, das in entsprechend verallgemeinerter Form auf Bundesebene gehoben werden kann und hierdurch wiederum eine klare Rahmenbedingung für alle Bundesländer schafft. Diese ÖKVO sollte unterscheiden zwischen festen Rahmenbedingungen, die zur Garantie eines gewissen Qualitätsniveaus notwendig sind, und Best-Practice-Empfehlungen, die den Freiraum lassen bundeslandspezifische Besonderheiten der vorhandenen Ökosysteme und Strukturen zu berücksichtigen. Der Ansatz der Evaluierung von bestehenden ÖKVO bietet die Grundlage für eine praxisorientierte Anpassung und sollte somit zu einer Verbesserung der Konzepte in vielen Bundesländern führen. Der Fokus sollte auf den bereits lokalisierten Problematiken liegen, namentlich der fehlenden bzw. qualitativ unbefriedigenden Umsetzung und dem Mangel an einem effektiven Monitoringsystem. Abseits davon sollte auch geklärt werden, wie mit dem Erhaltungszeitraum von Ökokontomaßnahmen umgegangen wird. Derzeit haben solche Maßnahmen einen festgelegten (Mindest-)Zeitraum, wie lange diese erhalten bleiben müssen. Gleichzeitig verfallen einmal erworbene Ökopunkte nicht, auch wenn der beeinträchtigende Eingriff erhalten bleibt, während die Ökokontomaßnahme ggf. nicht mehr existiert bzw. zumindest nicht mehr rechtlich verpflichtet ist, bestehen zu bleiben. 13 Aussage im Rahmen dieses Leitfadens befragter Agenturen. 14 Diese Systeme können abseits der ÖKVO auch noch angrenzende Verordnungen und Richtlinien enthalten, die zur Anwendung und Ausgestaltung von Ökokonten und Ökokontomaßnahmen notwendig bzw. strukturgebend sind. Zudem beinhalten diese Systeme auch diverse Akteur:innen, die im Themenkomplex Ökokonten zu verordnen sind und durch eine übergeordnete Ökokontoverordnung betroffen wären. 18 Entscheidend bei der Fokussierung auf Ökokontokonzepte ist, dass Ökokontoflächen in der Flächenplanung von Kommunen bereits Raum erhalten. Zusätzlich zu Flächen im Kommunalbesitz gibt es den Aspekt, dass das Angebot von Ökopunkten durch privat angelegte Ökokontomaßnahmen ergänzt wird. Hierzu führt vor allem der finanzielle Anreiz – vor allem dort, wo z.B. landwirtschaftlich Flächen nicht mehr besonders wirtschaftlich sind. Zudem ist auch bei der Umsetzung von Ökokontomaßnahmen – genau wie bei der Umsetzung von klassischen Ausgleichsmaßnahmen – die Übertragung an etablierte Maßnahmenträger zu empfehlen und anzuvisieren, um ein hohes Maß an Qualität und eine zielführende Umsetzung und Pflege zu garantieren. Die Befragung von Agenturen mit Schwerpunkt bzw. Spezialisierung auf Ökokontomaßnahmen ergab folgende Best-Practice Ansätze: • Die Abwicklung von Ökokontomaßnahmen läuft in Schleswig-Holstein insgesamt gut und bietet so die Grundlage für Best-Practice Empfehlungen. Die ÖKVO ist hier gut etabliert, anerkannt und rechtliche Unklarheiten wurden bereits mithilfe weiterer Erlässe konkretisiert. Ein Beispiel ist die geregelte Einbindung von Ökopunkten in die Bauleitplanung. Zusammen mit der zusätzlichen Vollzugshilfe zu ÖKVO (2017) ermöglicht dies die Realkompensation von vielen, großen Infrastrukturvorhaben. Die hierfür notwendigen hohen Flächenbedarfe lassen sich durch vorausschauende Planung und in Kooperation mit entsprechenden Institutionen (z.B. der Landgesellschaft) lösen. Außerdem ist es in Schleswig-Holstein durch die AgentAnerkVO inzwischen möglich, dass Vorhabensträger die genehmigungsrechtliche Verantwortung für die Kompensation – sprich die Kompensationsverpflichtung – auf eine anerkannte Agentur (nach AgentAnerkVO) übertragen. • Ein weiterer, wichtiger Aspekt ist die eindeutige Klärung der Dauer der Pflege- und Unterhaltungsverpflichtung. • Auch die Notwendigkeit für speziell geschultes Fachpersonal in den entsprechenden Behörden mit Blick auf die Maßnahmenbewertung, -planung und -umsetzung sollte nicht außer Acht gelassen werden. • Ein weiterer zentraler Aspekt ist der Einbezug der aktuellen Bewirtschaftenden von Ausgleichsflächen mit ihren Fähigkeiten und technischer Ausstattung. Dies beginnt bereits bei der Konzipierung von Ausgleichsmaßnahmen, reicht über die Steuerung und Betreuung, bis hin zum Monitoring. • Die naturschutzrechtlichen Ökokonten konnten auch in Baden-Württemberg das zentrale Problems des Umsetzungsdefizits sowie der stark zeitverzögerten Umsetzung lösen. Die Zinsansprüche, die bei vorgezogenen Maßnahmen vorliegen, führen zu einer zeitnahen Umsetzung nach der Genehmigung der entsprechenden Behörde. • Zudem wurde durch die ÖKVO in Baden-Württemberg ein einheitlicher Rahmen auf Bundeslandebene für die Bewertung bestimmter Schutzgüter geschaffen, der nun auch außerhalb der ÖKVO als Orientierung dient und angewandt wird. • Die wirtschaftliche Attraktivität solcher naturschutzrechtlichen Ökokonten durch eine entsprechende Vergütung ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Dieser finanzielle Anreiz bildet einen effektiven Hebel zur Umsetzung von wichtigen Naturschutzmaßnahmen, vor allem dann, wenn sich die Ökokontomaßnahme wirtschaftlicher stärker rentiert als die vorherige Bewirtschaftungsform. 19 • Generell kann darauf verwiesen werden, dass sich bei der Umsetzung von Ökokontomaßnahmen diverse Parallelen zu Kompensationsmaßnahmen finden lassen, da diese gleichermaßen sorgfältig und fachlich kompetent geplant, gesichert, umgesetzt und langfristig erhalten werden müssen. • Der Bundesverband der Flächenagenturen in Deutschland (BFAD) hat für seine Mitglieder bereits einen Qualitätsstandard für Flächenpools festgelegt. Dieser beinhaltet folgende fünf Kernaspekte: o Naturschutzfachliche Aufwertung o Langfristige Sicherung von Flächen und Maßnahmen o Langfristige Dokumentation des Entwicklungszustandes der Poolflächen o Fachliche Abstimmung und planerische Einbindung o Hohe Qualität der Planungsleistungen Im Gegensatz zu Best-Practice stehen die Hürden und Hemmnisse der aktuellen Ökokontokonzepte, die bestmöglich adressiert werden sollten. Dies umfasst Folgendes: • In Schleswig-Holstein wird darauf hingewiesen, dass die Unteren Naturschutzbehörden die ÖkokontoVO z.T. unterschiedlich auslegen. Dies kann beispielsweise zu Abweichungen bei der Ausgestaltung von Zuschlägen für Arten- und Biotopschutz führen. Eine Vereinheitlichung des Vorgehens in einem Bundesland würde die Planungssicherheit für die Ökokontobetreiber erhöhen. Auch auf die unterschiedlichen Qualitätsstandards der Ökokonten innerhalb eines Bundeslandes wird hingewiesen und, dass eine Vereinheitlichung zusammen mit einem verpflichtenden Monitoring die Voraussetzung ist, um Defizite zu beseitigen. • Es wird darauf hingewiesen, dass Ökokontomaßnahmen als Ersatzmaßnahmen eingestuft werden und hierdurch die funktionale Kompensation nicht immer gewährleistet ist. In Schleswig-Holstein wird dies teils durch weitere Erlässe adressiert. Für Waldökokonten ist beispielsweise durch die Erlasslage konkret festgelegt, für welche Eingriffe diese genutzt werden können. • Im allgemeineren Kontext stellt weiterhin der knappe Flächenmarkt sowie das geringe Angebot an Ankaufflächen Hindernisse für die Umsetzung von Ökokontomaßnahmen dar. • Zudem ist die Bilanzierungsmethodik für das Schutzgut Landschaftsbild (welches die Funktion Erholung d

Anna Laura Ulrichs2024-08-01T14:53:18+02:00Freitag, 1. Dezember, 2023|

Wir brauchen Platz! Solarthermie in der Raumplanung

Infoblatt Nr. 15 www.solare-waermenetze.de Wir brauchen Platz! Solarthermie in der Raumplanung In 2023 wurde die Raumplanung im Rahmen der Novelle des BauGB in Bezug auf Ausbau von Solaranlagen Gegenstand breiter fachlicher Diskussionen. Der Fokus der Debatte lag allerdings auf der Umsetzung von Photovoltaikanlagen. Solarthermieanlagen unterscheiden sich in der räumlichen Wirkung kaum von Photovoltaikanlagen, haben aber auf Grund der Direkterzeugung von Wärme ganz andere räumliche Anforderungen, um eine technisch und wirtschaftlich sinnvolle Umsetzung zu erreichen. Die Nähe zu Wärmenetzen ist essenziell und muss in der Flächenanalyse und den Instrumenten der Raumplanung entsprechend adressiert werden ZIELE DER RAUMPLANUNG Die Raumplanung bildet in Deutschland die Grundlage für alle räumlichen Entwicklungen und fußt auf einem eigens dafür geschaffenen Gesetz – das Raumordnungsgesetz. Diesem Gesetz nach ist der Gesamtraum Deutschlands anhand von Raumordnungsplänen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern. Schwerpunkte sind dabei unter anderem die Abstimmung unterschiedlicher räumlicher Anforderungen aufeinander, deren Konflikte auszugleichen und Vorsorge für Nutzungen und Funktionen des Raums zu treffen. Das Leitbild dieser Abstimmung bildet eine Planung, die soziale und wirtschaftliche Ansprüche an einen Raum mit den ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer ausgewogenen Ordnung mit gleichwertigen Lebensverhältnissen in den Teilräumen führt. Neben den unterschiedlichen Interessen wie z.B. Wirtschaftsentwicklung vs. Entwicklung naturnaher Räume sollen somit auch geografische oder demografische Unterschiede zwischen Stadt und Land adressiert und im gesamträumlichen Verhältnis zueinander betrachtet werden. Wie dieses Leitbild in die Planung von solarthermischen Freiflächenanlagen wirkt, wird im Folgenden beschrieben. RAUMPLANUNG Die Raumplanung findet auf den folgenden Ebenen statt, die jeweils eigene ihrem Raumbezug angepasste Detailgrade umfassen: • Länder • Landkreise • Kommunen Auf Ebene der Länder werden Landesentwicklungsprogramme (LEP) oder auch Landesraumentwicklungsprogramme entwickelt. Ziel ist es, auf dieser Ebene unterschiedliche Nutzungen des Raums, wie u. a. Tourismus, Infrastruktur, Landwirtschaft und Energieerzeugung, mitei- Solare Freiflächenanlagen werden zunehmend zum Teil der Kulturlandschaft in Deutschland. Unter welchen Rahmenbedingungen deren räumliche Planung abläuft und wo Hemmnisse und Lösungen für den beschleunigten Ausbau der Solarthermie liegen, wird in diesem Infoblatt näher beleuchtet. Wir brauchen Platz! Solarthermie in der Raumplanung Foto: Guido Broeer nander in Einklang zu bringen. Nach Raumordnungsgesetz ist dabei den räumlichen Erfordernissen für eine kostengünstige, sichere und umweltverträgliche Energieversorgung einschließlich des Ausbaus von Energienetzen Rechnung zu tragen. Wie genau dieses Erfordernis umgesetzt wird, kann durchaus unterschiedlich ausfallen. Die Ausformulierung findet meist im Rahmen von Grundsätzen und Zielen der Raumplanung statt. Ziele der Raumordnung sind verbindliche Vorgaben, die abschließend abgewogen sind und keinen Ermessensspielraum bieten. Sie betreffen die Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums . Unter den Grundsätzen der Raumplanung sind die Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen aufgeführt. In der darunter folgenden Ebene konkretisieren die Landkreise die Vorgaben in ihrem Teilraum im Rahmen des Regionalplans und beziehen Regionalitäten ein. Während die Landesplanung meist nur textliche Festsetzungen enthält, werden in der Regionalplanung auch grafische Planungsvorgaben festgehalten, die die Vorgaben des Landesprogramms konkretisieren und differenzieren. Auf dieser Ebene werden unter anderem die Flächen für die Windenergienutzung in Form von Vorranggebieten ausgewiesen. Durch eine entsprechende Festsetzung kann eine Ausschlusswirkung festgelegt werden, die eine Umsetzung von z. B. Windenergie außerhalb dieser Gebiete ausschließt, da die Flächen bereits über die Vorranggebiete ausreichend gesichert wurden. Auf der letzten Ebene folgen der Flächennutzungsplan und der Bebauungsplan, die beide von der Kommune aufgestellt werden. Der Flächennutzungsplan ist für das gesamte Gemeindegebiet gültig und ist als vorbereitender Bauleitplan zu verstehen, der die städtebauliche Entwicklung abbildet. Im Bebauungsplan, auch verbindlicher Bauleitplan genannt, sind die Vorgaben des Flächennutzungsplans zu beachten. Innerhalb des Bebauungsplans wird Baurecht geschaffen und das Vorhaben konkretisiert. Die Gemeinde hat darüber die Möglichkeit, die zugelassenen Nutzungen festzuschreiben. Die Wirkweise der unterschiedlichen Ebene erfolgt kaskadenweise, was bedeutet, dass jeder Bebauungsplan im Aufstellungsverfahren den Vorgaben der Landes- und der Regionalentwicklung entsprechen muss. Das bedeutet: Soll eine Nutzung im Bebauungsplan festgeschrieben werden, die nicht im Flächennutzungsplan schon vorgesehen ist, muss der FNP geändert oder fortgeschrieben werden. Die Rolle der Kommune ist – trotz der Bindung an die übergeordneten Pläne - immens wichtig: Regional- und Flächennutzungspläne sind nämlich nicht grundstücksscharf und haben für Investoren und Projektierende keinerlei rechtliche Wirkung. Insbesondere folgt aus ihnen kein Baurecht für konkrete Grundstücke. Das Planungsrecht für konkrete Grundstücke kommt nur durch einen Bebauungsplan zustande – welcher durch die Kommune aufgestellt wird. Damit liegt die Steuerung der tatsächlichen Flächennutzung bei der Kommune: Sie darf und muss die Flächen für erneuerbare Energien ausweisen. Alternativ zu einem Bebauungsplan kann Baurecht durch Privilegierung im Außenbereich entstehen: Im Rahmen der Privilegierung von Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie nach §35 BauGB im 200m Streifen entlang von Schienenwegen und Darstellung des Bebauungsplans der neuen Freiflächensolarthermieanlage in Leipzig inkl. der Darstellung der Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft in den Randbereichen. Die Anlage ist mit 6,5 Hektar derzeit größte solarthermische Anlage in Deutschland. © seecon Ingenieure GmbH 2c 69 4 72 77c 71a 76b 67 1 77a 144 2 76a 10 13 75 17 170 4 15 169 1a 7 71 76 1 70 3 157 12 3 5 2a 71b 77b 155 156 2 69a 2b 1 74 6 151 150 68 8 72a 2b 11 77 Blaufichtenweg traße Gerhard-Ellrodt-Straße Lausner Weg Miltenberger Straße Aschaffenburger Straße Lausner Weg Gerhard-Ellrodt-Straße 200/b 16 824 201/b 29 750 839 859 3 825 43 239 829 859/a 37 239 206/5 53 239 1 823 1456 204 34 750 838 7 824 206/7 837/29 2 205 822 12 824 54 239 24 750 3 821 750/f 33 837 1 820 33 750 2 861 3 201 6 199 239/64 6 824 49 239 37 750 199/b 39 239 837/27 51 239 883 4 199 1006 28 750 859/b 860 1 825 4 206 70 239 62 239 158 837/28 35 750 26 750 750/g 36 239 36 750 837/31 2 823 2 825 11 824 38 239 7 123 1 822 4 201 2 821 6 206 824 44 34 1 821 31 750 153 3 206 5 824 207 827 3 239/41 205/a 1 205 239/71 32 750 2 826 4 123 2 822 23 750 35 239 2 201 159 1 206 239/40 30 750 52 239 861/a 204/b 1 826 857 65 239 3 123 200/a 25 750 27 750 123.9 123.9 123.9 123.8 123.7 123.4 123.0 122.7 122.7 122.8 122.9 122.6 122.7 122.8 123.1 123.4 123.3 123.2 123.0 122.9 122.6 122.5 122.6 122.6 122.7 122.8 122.7 122.7 122.5 122.5 122.3 122.3 122.5 122.5 122.7 122.5 122.2 122.0 121.9 122.0 122.2 122.1 121.6 121.6 121.9 122.6 122.9 122.9 122.3 121.8 121.5 121.4 121.8 121.6 121.2 121.4 121.5 121.9 122.5 122.8 123.1 123.7 123.5 123.3 122.7 123.1 122.8 122.4 122.1 122.1 122.1 121.87 121.87 121.65 121.84 121.77 123.03 123.09 122.95 122.86 123.87 122.71 122.80 122.90 123.30 123.25 123.13 123.70 D.124.32 D.124.37 D.124.16 D.123.90 D.123.62 D.123.42 394,5 266,5 182,5 178,5 25,0 25,0 5,0 5,0 5,0 5,0 A3 A3 A3 A3 A3 8,0 8,0 8,0 3,0 3,0 3,0 5,0 10,0 10,0 5,0 202,0 78,0 182,0 3,0 3,0 5,0 3,0 1,5 5,5 1,5 3,0 3,0 50,5 33,5 1,0 1,0 3,5 1,0 6,0 6,0 3,5 3,0 3,0 6,5 20,0 20,0 243,5 42,5 50,0 3,0 8,5 8,0 8,5 3,0 r. Ba M1 M4 M3 A5 A6 M6 M2 A7 (a) GH max. 8,00 m A8 (A) M5 Wendehammer für Feuerwehr A2 A1 A2 A1 A1 A1 A1 G1 (Wartungsweg) G2 (Feuerwehrzufahrt) M2 MS MS Ausleitungsstrang MS MS Ausleitungsstrang SO Solarthermie GRZ 0,6 (b) OKKollektormax. 3,5 m UKKollektormind. 0,8 m G3 (Betriebszufahrt) A2 MS A3 A3 A3 A2 A2 A1 A8 (C) A8 (B) A8 (D) A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 G4 GAS MS Ausleitungsstrang M5 M5 M5 MS MS MS 110 kV MS FW 21,0 NS FW M4 M4 P:\4504_B-Plan_Solarthermie_Lausen\01_SuL_B-Plan Solarthermie_Lausen\02_Bearbeitung\3_Zeichnungen\a_AutoCAD\1_BPL\2_Entwurf\4504_BP_PLZ.dwg Bearbeiter: Susanne.kunsch Plotdatum: 2022-04-13 Format: 297x420 Gemeinsam | Zukunft | Planen Spinnereistraße 7, Halle 14 seecon Ingenieure GmbH D - 04179 Leipzig Projekt Planinhalt Bauherr Planer Teil A: Planzeichnung Maßstab 1 : 2.000 Leipzig, 13.04.2022 Bebauungsplan Nr. 459 "Energiestandort Lausen" - Entwurf Stadt Leipzig, Stadtplanungsamt und Leipziger Stadtwerke GmbH 27.04.2022 Infoblatt Nr. 15 Autobahnen, entfällt die Pflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans. Dies ist nach der Novelle des BauGB in 2023 eindeutig geregelt. Das Vorhaben ist zulässig, wenn keine öffentlichen Belange entgegenstehen. Fallen solare Anlagen nicht unter den Privilegierungstatbestand, ist in der Regel ein Bebauungsplanverfahren notwendig, da keine öffentlichen Belange beeinträchtigt werden dürfen, was bei widersprechenden Darstellungen im Flächennutzungsplan der Fall ist. BESONDERE ANFORDERUNGEN DER SOLARTHERMIE In der räumlichen Wirkung sind Photovoltaik- und Solarthermieanlagen sehr ähnlich einzuordnen – bei den räumlichen und planerischen Anforderungen ist die Solarthermie jedoch deutlich differenzierter zu betrachten. Da in der Anlage Wärme erzeugt wird, muss diese über Wärmenetze in Richtung der Wärmesenken wie z.B. Wohngebäude verteilt werden. Da die Leitungslängen für den Wärmetransport über ein Wärmeträgermedium auf Grund der Transportverluste und kostenaufwändigen Leitungsverlegung begrenzt sind, sollten solarthermische Anlagen immer möglichst nah an den Wärmsenken gebaut werden. Meist sind dies Wärmenetze in dicht bebauten Wohn- oder Siedlungsgebieten. Durch die Nähe zu Wohn- und Gewerbebereichen steigt allerdings auch der Druck auf die Fläche, da sich diese Bereiche in der Regel auch sehr gut zur Erweiterung der Wohn- oder Gewerbegebiete eignen oder zur Naherholung dienen oder zukünftig dienen sollen. Die räumlichen Vorbelastungen in diesen Bereichen sind meistens nicht so ausgeprägt wie bei den Gunstflächen für Photovoltaikanlagen entlang von Schienenwegen oder Autobahnen. Die Flächenermittlung für solarthermische Anlagen ist daher so früh wie möglich durchzuführen, um unter den genannten Kriterien geeignete Flächen zu sichern und nicht anderweitig zu beplanen. Ein Ansatz, die unterschiedlichen Anforderungen an eine unbeplante Fläche in Siedlungsnähe für die solarthermische Nutzung möglichst miteinander in Einklang zu bringen, bietet die soziale Multicodierung. Ziel des Ansatzes ist es, ein Konzept zu entwickeln, dass neben der solaren Nutzung einen sozialen Mehrwert für die Menschen in den anliegenden urbanen Bereichen schafft. So kann neben dem Solarthermiefeld z.B. ein angrenzender Bürger*innenpark auf dem gleichen Grundstück angelegt werden, um Flächen zur Naherholung zu bieten. Durch den Bau von solaren Nachbarschaftsgewächshäusern kann auch die Fläche direkt unter den Modulen von Anwohner*innen bewirtschaftet und nach individuellen Wünschen gestaltet werden. LANDESERLASSE & LANDESENTWICKLUNGSPLÄNE In einigen Bundesländern gibt es neben den Vorgaben des LEP auch Erlässe seitens der Landesplanungsbehörden, die geltenden Vorgaben für die Solarflächenplanung zusammenfassen und festschreiben. In vielen Bundesländern wurden das Potenzial und auch die Herausforderungen für die Solarthermie bereits erkannt und durch entsprechende Vorgaben den Hemmnissen begegnet. Diese sind meist als Grundsätze formuliert, um den Kommunen eine Orientierung zur räumlichen Einordnung von solarthermischen Anlagen in Abwägungsprozessen an die Hand zu geben. Ein oft formulierter Grundsatz lautet, dass solarthermische Anlagen in der Nähe zu Wärmesenken errichtet werden sollten unter Beschreibung der oben gennannten Herausforderungen der Solarthermie in Bezug auf die Netzanbindung. Konkreter wird es, wenn von „Gunstflächen“ oder „Positivbereichen“ des Suchraums gesprochen wird. Durch Festschreibung dieses Kriteriums soll der Auswww. solare-waermenetze.de Große Solarthermieanlagen bieten zwischen und unter den Kollektoren Raum für erhöhte Biodiversität, die sich recht schnell einstellt. Eingebettet in ein ökologisches (Freiflächen-)Konzept können die Kollektorfelder Teil von positiv wahrgenommenen und gerne genutzten Erholungsflächen sein. Solarthermieanlage in Lemgo, Nordrhein-Westfalen, Foto: Solites bau von solaren Anlagen möglichst in Bereichen umgesetzt werden, die als räumlich vorbelastet eingestuft werden und geringere räumlicher Widerstände aufweisen als Bereiche ohne Vorbelastung. Oft orientieren sich diese Kriterien für Solaranlagen an den Vorgaben des EEG, das den Ausbau der Photovoltaik fördert und durch die Förderbedingungen auch eine räumliche Steuerungsfunktion einnimmt. Eine Übernahme der Kriterien des EEG kann in Teilen zu einer redundanten Steuerung führen, die sich stark an den Steuerungsvorgaben des Photovoltaikausbaus orientiert. Vorgaben eines Gunstbereichs in den Korridoren entlang von Bahnschienen oder Autobahnen (analog zum EEG) sind dem solarthermischen Ausbau meist nicht dienlich, da sich Autobahnen und Schienenwege nur in seltenen Fällen in direkter Nähe zu größeren Siedlungsbereichen und damit potenziellen solarthermischen Wärmenetzen befinden. Im Rahmen der Erkenntnisse aus Projekt Solnetplus wird daher empfohlen sich bei den Kriterien vom EEG zu lösen und insbesondere Kriterien für die solarthermische Planung zu entwickeln. Ein Gunstbereich, der in manchen Landesentwicklungsprogrammen beschrieben ist, ist der Nahbereich um Gewerbe- und Industriegebiete. In diesen Bereichen sind solare Umsetzungen aufgrund der räumlichen Vorbelastung durch u. a. große Gewerbehallen priorisiert umzusetzen. Da sich Gewerbegebiete teils in der Nähe von den (potenziellen) Wärmenetzgebieten bzw. Wärmesenken befinden, kann dieses Positivkriterium beim Abwägungsprozess zur Umsetzung von solarthermischen Anlagen ausbaufördernd wirken. Jedoch weisen nicht alle Gewerbegebiete zwingend Wärmenetzpotenzial im Umfeld auf. Somit kann dieses Kriterium im Einzelfall hilfreich sein, Kai Jerma ist Projektmanager bei der IB.SH und unter anderem Ansprechpartner für die Schnittstelle zwischen Raumplanung, Technik und Wirtschaftlichkeit solarer Freiflächenprojekte in Schleswig Holstein seitens der IB.SH Welche Rückmeldungen haben Sie in Schleswig-Holstein zum Solar-Freiflächenanlagen- Erlass (Hilfestellung für Kommunen) von den Kommunen bekommen? Kai Jerma: Die bisherigen Rückmeldungen fielen unterschiedlich und teils eher verhalten aus. In manchen Kommunen wurde der Planungserlass als weitere Hürde in der planerischen Gestaltung aufgefasst. Hier werden wir noch einmal in den Dialog gehen, um das Verständnis zu schärfen: Denn es handelt sich nicht um ein Pflichtenheft für die Kommune, sondern vielmehr um Spielregeln für die Planung. Wir wollen vor allem Hilfestellung für die Flächenbewertung geben. Die Kriterien bieten eine fundierte Grundlage, um vor Ort kommunale Standortkonzepte zu erarbeiten. Wie sehen die weiteren Planungen aus? 2023 ist eine Evaluierung des Planungserlasses vorgesehen, um die Erfahrungen der ersten zwei Jahre auszuwerten. Was wir jetzt schon sehen, ist dass die Trennung zwischen Photovoltaik- und solarthermischen Anlagen noch klarer herausgearbeitet werden sollte. Insbesondere der Solarthermie wollen wir mehr Aufmerksamkeit und Raum verschaffen – sowohl im Planungserlass als auch in der schleswig-holsteinischen Flächenkulisse. Im Rahmen der verpflichtenden Wärmeplanung gilt es alle verfügbaren lokalen Potenziale so gut wie möglich zu nutzen, um den Wärmesektor zu dekarbonisieren und die Wärmepreise so weit wie möglich von globalen Unsicherheiten zu entkoppeln. Schleswig- Holstein bietet besonders gute Voraussetzungen, um die Transformation über Wärmenetze voranzutreiben. Empfehlen Sie anderen Ländern ein ähnliches Vorgehen? Ja. Auch wenn die Auswertung noch aussteht, ist nach bisherigem Stand das Aufsetzen einer Planungshilfe auf Landesebene auf jeden Fall zu empfehlen. Wie schon erwähnt, ist es elementar, den Unterschied zwischen Solarthermie und Photovoltaik zu betonen. Neben den besonderen räumlichen Anforderungen der Solarthermie ist auch der Nutzen vor Ort durch eine lokale Versorgung in solaren Wärmenetzen ganz anders einzuschätzen als bei der Photovoltaik. Um Vorbehalten vorzubeugen, sollte von Anfang an deutlich kommuniziert werden, dass es sich um eine Planungshilfe handelt, die Kommunen als Chance für eine proaktive Energieflächenplanung dienen soll. „PLANUNGSHILFE UND CHANCE FÜR DIE KOMMUNEN“ Infoblatt Nr. 15 IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen vom Projekt SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: HIR Hamburg Institut Research gGmbh Redaktion: Felix Landsberg, Hamburg Institut Anna Ulrichs, Solites Veröffentlichung: September 2023 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) Partner bietet aber keine allgemeingültigen Lösungsansatz, um den Ausbau solarthermischer Anlagen zu beschleunigen. HEMMNISSE BEKANNT, LÖSUNGEN VORHANDEN Der Ansatz und die Ziele der Raumplanung bilden einen geeigneten Rahmen, um nachhaltig und interessenverträglich verschiedene räumliche Planungen miteinander in Einklang zu bringen oder möglichst konfliktarm zu planen. Auf Grund der besonderen räumlichen Anforderungen der Solarthermie sind im Suchprozess Kriterien wie die nötige Nähe zu Wärmesenken frühzeitig zu berücksichtigen. Lösungsansätze konnten im Projekt SolnetPlus sowohl auf Seiten der Projektierenden als auch auf Seiten der Behörden identifiziert werden. • Berücksichtigung der besonderen Anforderungen der Solarthermie in den raumplanerischen Vorgaben auf Landes- und Regionalebene • Erstellung einer strukturierten Flächenanalyse in Kooperation zwischen Wärmenetzbetreiber und Kommune • Kommunale Ausweisung von Flächen zur solaren Nutzung auf Basis einer strukturierten Flächenanalyse • Ermittlung und Einordnung des solaren Gesamtpotenzials im Rahmen einer Solarstrategie Die Flächensuche für ein solarthermisches Projekt sollte mit ausreichend Vorlauf und Kapazitäten für Abstimmungsprozesse im Rahmen einer strukturierten Flächenanalyse durchgeführt werden. Um den Lösungsraum zu erweitern, sollten Mehrfachnutzungen der Flächen von Anfang an mitgedacht werden – insbesondere in der siedlungsnahen Bereichen, die sich technisch besonders gut für die Umsetzung solarthermischer Anlagen eignen. Planungsbehörden können den Ausbau und den Flächenfindungsprozess durch Vorgaben zu den besonderen räumlichen Anforderungen solarthermischer Anlagen in den Raumordnungsprogrammen unterstützen, damit diese in den Abwägungsprozessen vor Ort berücksichtigt werden.

Anna Laura Ulrichs2023-10-09T15:33:13+02:00Freitag, 22. September, 2023|

Klimahacks #1 Freiflächen-Solarthermie für die Wärmewende

WÄRMENETZE FÜR DIE WÄRMEWENDE Wärme macht mehr als 50 Prozent des gesamten Endener gieverbrauchs in Deutschland aus. Die Anteile erneuerba rer Energien im Wärmesektor stiegen in den letzten Jahren zwar an, mit 17,4 Prozent im Jahr 2022 ist mit Blick auf die erklärte Wärmewende aber noch viel zu tun. Vor allem die Fernwärmeerzeugung ist immer noch fossil geprägt. Erneu erbare Energien machten 2021 einen Anteil von lediglich 22 Prozent aus (dena, 2023). Die Dekarbonisierung der Fern wärme stellt also einen zentralen Baustein für eine erfolgrei che Wärme- bzw. Energiewende dar. Mit dem Bundesgesetz zur kommunalen Wärmeplanung und der GEG-Novelle (Ge bäudeenergiegesetz) zur Förderung des klimafreundlichen Heizens ab 2024 stehen zwei wichtige politische Instrumen te zum Gelingen der Wärmewende in den Startlöchern. Bei der Umsetzung dieser Aufgabe nehmen Kommunen eine zentrale Rolle ein. Je nach lokalen Rahmenbedingungen steht ihnen eine Vielzahl an erprobten und technisch aus gereiften Optionen zur Verfügung. Für Fernwärmenetze, die vor allem in dicht besiedelten Gebieten ihr Vorteile ausspie len, kommen verschiedene erneuerbare Energiequellen in Frage, z.B. Großwärmepumpen, Geothermie oder Solarther mie. Solare Wärmenetze, die mittels Freiflächen-Solarther mieanlagen Wärme aus der Sonnenstrahlung gewinnen, fin den in den letzten Jahren immer mehr Anwendung. Durch diese Art der erneuerbaren Energieerzeugung leisten sie einen großen Beitrag zur Wärmewende und damit auch zur Klimaneutralität bis 2045. / - 2 | #KLIMAHACKS: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR DIE WÄRMEWENDE Deutschland weit - gibt es in 14 von 16 Bundesländern Solarthermieanlagen für Wärmenetze Solare Wärmenetze sind eine erprobte und marktverfügbare Technologie über 50 Fernwärme-Solarthermieanlagen sind mittlerweile im Betrieb – Tendenz steigend - - - - - 100 % emissionsfrei und erneuerbar über 50 % solare Deckungsanteile sind realisierbar in Kombination mit saisonalen Speichern SOLARES WÄRMENETZ - WAS IST DAS EIGENTLICH? Klick auf den Link für mehr Infos https://t1p.de/1ypq0 WEITERFÜHRENDE LINKS News, Veranstaltungen, Erfahrungsberichte u.v.m. zu solaren Wärmenetze: https://www.solare-waermenetze.de/ Wie gelingt die Dekarbonisierung der Fernwärme? – Impulspapier der Deutsche Energie-Agentur (dena), Stand Juni 2023: https://t1p.de/j6u3h Wie funktioniert ein solares Wärmenetz? (AGFW, 2022): https://y2u.be/My4zBuhYHn0 Was ist ein Wärmenetz? (Agentur für Erneuer bare Energien (AEE), 2022): https://y2u.be/DNfWynbxwiA SOLARTHERMIE – THINK BIG 3 | #KLIMAHACKS: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR DIE WÄRMEWENDE In Deutschland versorgen bereits über 50 Solarthermiean lagen städtische Fernwärmenetze, Solarenergiedörfer oder Quartiere mit erneuerbarer Wärme – teilweise bereits seit vielen Jahren. 2022 war in diesem Zusammenhang ein Re kordjahr, da hierzulande mehr Solarthermieanlagen in Be trieb gingen als je zuvor. Vor allem ein Trend zeichnet sich in diesem Zusammenhang ab: Die Anlagen werden größer. Die Vorteile für Kommunen liegen auf der Hand, da neben dem wichtigen Beitrag zum Klimaschutz auch wirtschaftli che Aspekte eine Rolle spielen. Weil die Sonne verlässlich scheint und dafür keine Rechnung schickt, wird auch etwas für die Versorgungssicherheit getan und für stabile Ener giepreise. - - - - - Im Jahr 2022 sind gleich zwei Großanlagen in Betrieb ge gangen: Mit 13 Megawatt (MW) Leistung steht in Greifswald die derzeit größte deutsche Freiflächen-Solarthermieanla ge und in der alten Hansestadt Lemgo hat die mit 6 MW drittgrößte Anlage ihren Betrieb aufgenommen. Weitere - - Großanlagen befinden sich derzeit in der Planungs- und Genehmigungsphase, wie etwa die Anlage in Leipzig, die ab 2025 41 MW Leistung erbringen und damit ganzjährig etwa zwei Prozent des Gesamtwärmeverbrauchs von Leip zig erzeugen soll. In den Sommermonaten soll der Anteil dann rund 20 Prozent des Leipziger Fernwärmebedarfs ab decken. - - Auch beim solaren Deckungsanteil rücken die Kommunen in neue Sphären vor. Initiiert durch eine Bürgerenergiege nossenschaft soll in der nordhessischen Ortschaft Bracht eine Anlage mit einem 13.000 Quadratmeter großen Kol lektorfeld und einem knapp 27.000 Kubikmeter großen Erd becken-Wärmespeicher entstehen. Durch die Kombination von Solarthermieanlage und Wärmespeicher soll ein sola rer Deckungsanteil von fast 70 Prozent erreicht werden. Zwei Drittel der gesamten Wärme, die das Dorf benötigt, sollen also zukünftig von der Sonne lokal und emissionsfrei bereitgestellt werden. / - - - - SOLARE WÄRMENETZE IN DEUTSCHLAND – EINE ÜBERSICHT Klick auf den Link für die Detailansicht: https://t1p.de/3ypxr SOLARTHERMIE IN WÄRMENETZEN … 1. trägt als lokale und erneuerbare Energiequelle zur Versorgungssicherheit bei 2. stärkt langfristig die lokale Wertschöpfung und fördert die Identifikation von Wärmekund*innen 3. garantiert stabile Wärmekosten zwischen 40-70 €/MWh, vor Förderung 4. sorgt für Sicherheit bei den Verbraucher*innen, da Wärmekosten Jahrzehnte im Voraus berechenbar sind 5. kommt für verschiedene Betriebsmodelle in Frage: Genossenschaft, Stadtwerke etc. > https://t1p.de/ad58y 6. ist mit einer ökologischen Aufwertung der Flächen kombinierbar > https://t1p.de/q7583 - - - - - - - - - - - - - DARUM GEHT ES: 4 | #KLIMAHACKS: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR DIE WÄRMEWENDE In manchen Bundesländern (u.a. Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein) gibt es sie bereits, für alle Bundeslän der soll sie zeitnah kommen – die kommunale Wärmepla nung. Im Ergebnis erhalten Kommunen einen Fahrplan mit dem Ziel, nachhaltige Wärmeversorgungssysteme zu ent wickeln, die auf erneuerbaren Energien und ggf. Abwärme basieren. Solarthermie-Großanlagen können dabei eine wichtige Rolle spielen – sofern entsprechende siedlungsna he Freiflächen zur Energie- bzw. Wärmegewinnung ausge wiesen sind, die in ein Wärmenetz integriert werden können. Weil große Solarthermieanlagen auf eine direkte räumliche Anbindung an ein Wärmenetz angewiesen sind, stellt der Flächenbedarf die wohl größte Herausforderung dar. Die se Anlagen müssen in der Nähe von Wärmesenken, also Verbrauchern, installiert werden. Im Gegensatz zu Strom kann Wärme nicht über große Entfernungen transportiert werden, da dies zu hohen Energieverlusten und Kosten führen würde. Dachflächen sind nur begrenzt als Alternati ve geeignet, da die Kosten für die Installation auf Dächern höher sind als für große Freiflächenanlagen. Dadurch sind auch die Kosten für die produzierte Wärme höher. Die Suche nach geeigneten Flächen für solche Anlagen erfordert eine frühzeitige und sorgfältige Planung und Berücksichtigung verschiedener Faktoren. Insbesondere an siedlungsnahen Standorten steht die fehlende Verfügbarkeit von Flächen jedoch oft dem schnellen Ausbau von Freiflächen-Solarther mie entgegen. Entscheidend ist, dass Kommunen proaktiv geeignete Energiegewinnflächen suchen, identifizieren und anschließend für die Nutzung von Solarthermie reser vieren. In diesem Zusammenhang kann die kommunale Wärmeplanung als Instrument für die Planung und Auswei sung von Flächen für die Energiegewinnung genutzt wer den. Mit dieser Klimahack-Ausgabe sollen Kommunen und kommunale Akteure daher einen Überblick erhalten, was eine Kommune in Bezug auf die Flächenproblematik vorbe reitend unternehmen kann. Darüber hinaus vermittelt diese Ausgabe eine Vorstellung von den wichtigsten Schritten bei einer Projektentwicklung, zum Beispiel welche Genehmi gungen und Gutachten einzuholen und welche Akteure vor Ort einzubinden sind. / - - - FLÄCHENEFFIZIENZ VON ERNEUERBAREN ENERGIEN Photovoltaik 100 – 150 kWh/a je m2 Modul 50 – 75 kWh/a je m2 Boden Biomasse 4 – 5 kWh/a je m2 Boden Solarthermie* * bei ca. 15 % solarem Deckungsanteil am jähr lichen Gesamtwärmebedarf 400 – 500 kWh/a je m2 Modul 200 – 250 kWh/a je m2 Boden - bis zu 3,5 x effizienter je Fläche als Photovoltaik bis zu 50 x effizienter je Fläche als Biomasse FLÄCHENEFFIZIENZ VON ERNEUERBAREN ENERGIEN Erneuerbare Energiegewinnung, egal ob Strom oder Wärme, braucht entsprechende Flächen. Aber wie flächeneffizient arbeiten erneuerbare Energien? Bei einem Blick auf die Flächeneffizienz fällt auf, dass die Solarthermie im Vergleich zur Photovoltaik oder Biomasse effizienter arbeitet. Das liegt vor allem am hohen Wirkungsgrad solarthermischer Anlagen, die etwa die Hälfte der einstrahlenden Energie in nutzbare Wärme umwandeln können. Auf die Fläche bezogen arbeitet eine Solarthermieanlage etwa 3,5-mal effizienter als Photovoltaik. Im Vergleich mit Biomasse ist der Flächeneffizienzvorteil noch größer: Entsprechend der Herkunft der Biomasse ist er zwischen 20-mal (z.B. bei Kurzumtriebsgehölzen und -gräsern) bis 50-mal (z.B. bei Biogas) so groß. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Wärme gewinnung über Solarthermie eine sehr effiziente Flächennutzung darstellt. Für die Entscheidungs findung spielen aber noch weitere Faktoren wie Wirtschaftlichkeit, Umweltauswirkungen und spezi fische Anwendungsanforderungen eine wichtige Rolle. Eine integrierte Betrachtung verschiedener Faktoren ermöglicht eine umfassendere Bewertung der Energieerzeugungstechnologien. ES - - - - - - - - - - - - - - - - - FOKUS KOMMUNALE WÄRMEPLANUNG 5 | #KLIMAHACKS: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR DIE WÄRMEWENDE Das Wichtigste vorneweg: Ein kommunaler Wärmeplan ist als Fahrplan bzw. strategische Grundlage zu verstehen, der die Kommunen auf dem Weg zu einer erfolgreichen Wär mewende kontinuierlich begleitet und bei der Entschei dungsfindung unterstützt. Der kommunale Wärmeplan er möglicht es, den zukünftigen Wärmebedarf einer Kommune mit einer auf erneuerbaren Energiequellen basierenden Wärmeversorgungsinfrastruktur abzustimmen. Dadurch wird für alle Beteiligten eine sichere Planung und Investi tion gewährleistet. Darüber hinaus erhält die kommunale Bauleitplanung wichtige Erkenntnisse über den zu sichern den Flächenbedarf für die künftige Wärmeversorgung. Das verdeutlicht noch einmal, wie wichtig eine frühzeitige Flä chensuche sowie -sicherung ist. Die Umstellung auf klimafreundliche Wärme erfordert eine drastische Reduzierung des Wärmebedarfs in den Gebäu den. Es ist jedoch offensichtlich, dass auch in Zukunft noch erhebliche Mengen an Energie für Raumwärme, Warmwas ser und Prozesswärme benötigt werden. Um den Gebäude bestand klimaneutral zu machen, muss also nach und nach der Großteil dieser Energie aus verschiedenen erneuer baren Energie- und Abwärmequellen gewonnen werden. Aufgrund der begrenzten Transportmöglichkeiten von Wär me im Vergleich zu Strom ist es wichtig, diesen Transfor mationsprozess unter Berücksichtigung der lokalen Gege benheiten zu gestalten. Dabei spielen die Kommunen eine zentrale Rolle. Jede Kommune entwickelt in ihrem kom munalen Wärmeplan einen individuellen Weg hin zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung, der die örtlichen Gege benheiten bestmöglich berücksichtigt. Ein solcher Plan ist immer in einen fortlaufenden Prozess eingebettet: Er dient als strategische Grundlage, um konkrete Entwicklungspfa de zu identifizieren und die Kommune zukunftsfähig in Be zug auf die Wärmeversorgung zu machen. / - - ABLAUF DER KOMMUNALEN WÄREMPLANUNG Klicke hier für mehr Infos: https://t1p.de/yiomr KOMMUNALE WÄRMEPLANUNG Kurzgutachten Kommunale Wärmeplanung (UBA, 2022): https://t1p.de/dmmsj Handlungsleitfaden: Kommunale Wärmeplanung der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH (KEA-BW) (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirt schaft, 2020): https://t1p.de/dqf8s Leitfaden Kommunale Wärmeplanung (Klima schutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN), 2022): https://t1p.de/x8njb Kompetenzzentrum Kommunale Wärmeplanung (KWW): https://www.kww-halle.de/ ROADMAP 6 | #KLIMAHACKS: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR DIE WÄRMEWENDE WO SIND DIE FLÄCHEN? • Identifiziere geeignete Energiegewinnflächen noch vor der eigentlichen Projekt entwicklung - • Flächenanalyse durchführen durch Betrachtung des Flächennutzungsplans sowie der planerischen Vorgaben auf Landes- und Regionalebene, mit dem Ziel auf Basis dieser Bestandsaufnahme eine Priorisierung potentieller Flächen für erneuerbare Energiegewinnung vorzunehmen • Die Durchführung einer kommunalen Wärmeplanung liefert wertvolle Erkennt nisse zur Planung und Ausweisung von Flächen für die Energiegewinnung sowie zu den Potenzialen einzubindender erneuerbarer Energiequellen wie beispiels weise Solarthermie unter Berücksichtigung von Ausschlusskriterien - - • Tipp: starte mit der Flächenanalyse bereits in Vorbereitung auf die Kommunale Wärmeplanung, um nachfolgende Entscheidungsprozesse mit Blick auf die Flächenausweisung im Sinne der Solarthermie zu unterstützen • Literaturtipp: Flaschenhals Fläche – Flächenhemmnissen durch Flächenanalyse strukturiert begegnen (Solites, 2022): https://t1p.de/5b4zs WAS GIBT’S DENN SCHON? • Prüfe bereits erstellte Karten und Darstellungen auf für die Wärmepla nung und insb. für die solare Fernwärme relevante Aspekte, die im Zuge anderer Maßnahmen, z.B. für die Stadtplanung oder im Zuge eines Klima schutzkonzepts, bereits erstellt wurden - - • Ein Klimaschutzkonzept enthält beispielsweise Angaben zu den Klima schutzzielen. Es zeigt die technisch und wirtschaftlich umsetzbaren Einsparpotenziale auf und benennt konkrete Handlungsfelder, wie etwa Wärme- und Kältenutzung - - - BEI DEN NACHBARN FRAGEN Abhängig von der Kommunengröße bietet es sich an Kontakt zu benachbarten Kommunen aufzunehmen, um eine inter kommunale Flächenanalyse zu initiieren. Folgende Synergien können sich daraus ergeben: - • Erfassung von Randbereichen, da Flächen unabhängig von Gemeindegrenzen betrachtet werden • Reduzierung des Aufwands und damit auch der Kosten für die einzelnen Kommunen • Mehr Flächen zur Abwägung stehen zur Verfügung WANN BEI WEM MELDEN? Binde bestimmte Akteure sowohl intern als auch extern frühzeitig in die Planung mit ein, um Unterstützung und poten tielle Interessenskonflikte berücksichtigen zu können, vor allem mit Blick auf die Ausarbeitung von Lösungsansätzen: Phase – Projektidee • Unterstützer*innen innerhalb der Kommunalverwaltung und -politik finden: z.B. Umwelt-, Klimaschutz-, Stadtplanungs- und Bauamt, Beschaffungs- und Wirtschaftsdezernat, (Ober-)-Bürgermeister*in, Kämmerer/Kämmerin, Gemeinderatsmitglieder und -fraktionen etc.) • Regionale oder Landes-Energieagenturen kontaktieren, um Erfahrungen aus dem Land oder dem Landkreis oder der Region einzubinden • Bürgerschaft und insbesondere lokale Klima-Initiativen und Umweltvereine informieren, um Akzeptanz und Unterstützung über die Notwendigkeit von Energiegewinnflächen in der Kommune zu schaffen Phase – Flächenanalyse • Kontaktiere die verschiedenen (lokalen) Naturschutz- und Umweltverbände – weil sie zum Teil auch be- und verhindern können! Phase – Flächenakquise • Nimm frühzeitig den Kontakt zu Landwirtschaftsverbänden auf, um über geeignete Flächen in den Dialog zu treten Phase – Projektplanung • Trete auf der Suche nach dem passenden Betriebskonzept mit potentiellen Betreibern in Kontakt, z.B. Stadtwerke, kommu nale Eigenbetriebe oder lokale/regionale Bürgerenergiegenossenschaften als Errichter und/oder Betreiber der Anlage Phase – Projektumsetzung • Weitere lokale Akteure wie z. B. Handwerksbetriebe, Banken, Hochschulen, wissenschaftliche Institute etc. können bei der Projektumsetzung unterstützen 7 | #KLIMAHACKS: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR DIE WÄRMEWENDE WORAUF NOCH WARTEN? • Im Rahmen der Kommunalrichtlinie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) wird die Erstellung eines kommunalen Wärmeplans für Kommunen und kommunale Zusammenschlüsse gefördert: https://t1p.de/rnd5q Bezuschusst werden: - Ausgaben für fachkundige externe Dienstleister*innen zur Planerstellung, und/oder Organisation und Durch führung der Beteiligung von Akteur*innen sowie begleitende Öffentlichkeitsarbeit - - Wichtig: Gesetzliche verpflichtend durchzuführende Maßnahmen sind von der Förderung ausgeschlossen. Sofern jedoch Kommunen - zum Beispiel aufgrund ihrer Größe - rechtlich (noch) nicht zu einer Wärmeplanung verpflichtet sind, ist eine Förderung über die Kommunalrichtlinie möglich • Bundesförderprogramm effiziente Wärmenetze (BEW): https://t1p.de/68o10 - Direkte Förderung von 40 Prozent der Planungs- und Investitionskosten für eine Solarthermieanlage für Wärmenetze - Förderung von 50 Prozent der Kosten für die Erstellung einer Machbarkeitsstudie • Ausschreibungen der „innovativen Kraft-Wärme-Kopplung“ für Investoren/Betreiber: https://t1p.de/y889y WO GIBT’S BEREITS ERFAHRUNGEN? • Die Gemeinde Hallerndorf in Oberfranken betreibt seit über fünf Jahren ein Wärmenetz mit Sonne und Holz – ein Erfahrungsbericht: https://t1p.de/twl1x • Die Stadtwerke Bernburg an der Saale teilen ihre Erfahrungen mit dem Betrieb einer Fernwärme-Solaranlage: https://t1p.de/fj16p • Für die Stadtwerke Lemgo betreibt der Fernwärmeverband AGFW einen Blog mit Videos und Einträgen zum Bau der im Oktober 2022 fertiggestellten Solarthermie anlage: https://t1p.de/orkq4 - SONST NOCH WAS? • Diese Wissensdatenbank enthält vertiefende Informationen zu solaren Wärmenetzen, z.B. Infoblätter zu aktuellen Themen, Erfahrungsberichte und Videos von Solarthermie-Anlagen und mehr: https://t1p.de/lqy1a • Mit dem Berechnungstool „ScenoCalc Fernwärme (SCFW)“ kann der solare Nutzwärmeertrag von in Wärmenetze eingebundenen Solarthermie anlagen grob dimensioniert werden: https://www.scfw.de/ - #KLIMAHACKS MACH DEIN PROJEKT: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR DIE WÄRMEWENDE IMPRESSUM Diese Klimahack-Ausgabe ist eine Initiative im Rah men des Projekts SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. - Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH (Difu), Gereonstr. 18-32, 50670 Köln Autor: Paul Ratz Redaktion: Guido Bröer (Solarthemen), Anna Ulrichs (Solites) Gestaltung: brandtwerk Bildnachweise: Titel: Bild Landschaft mit Solaranlage: ©Guido Bröer Seite 2: Grafik: ©Solites Seite 6: Bild Lupe: ©Foto von Markus Winkler auf Unsplash Bild Telefonanruf: ©Foto von David Hahn auf Unsplash Seite 7: Bild Daumen hoch: ©Foto Sincerely Media auf Unsplash Gefördert durch: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages Alle Rechte vorbehalten. Köln 2023 Diese Veröffentlichung wird kostenlos abgegeben und ist nicht für den Verkauf bestimmt. Herausgeber Autor Redaktion Gestaltung Bildnachweise durch

Anna Laura Ulrichs2024-06-25T15:23:02+02:00Montag, 31. Juli, 2023|

Solardorf mit Erfahrung: Hallerndorf heizt seit 5 Jahren mit Sonne und Holz

www.solare-wärmenetze.de Auf Google Maps ist die Heizzentrale am Ortsrand von Hallerndorf mit der So larkollektor-Wiese in Fußballfeldgröße nicht zu übersehen. Besuchende müssen aber erst unmittelbar davor stehen, um die Anlage zu entdecken. Büsche, Bäume und eine Kurve der wenig befahrenen Landstraße versperren die Sicht vom Ort aus. So unscheinbar hätte man sich ein Energieprojekt nicht vorgestellt, das 5 Jahre nach seiner bundesweit beachteten Inbetriebnahme aktueller ist denn je. BETREIBERIN IN DER NÄHE Rebecca Schneider ist auf leisen Reifen gekommen. Das Elektroauto, mit dem grünen Schriftzug der Naturstrom AG hat sie vor der holzverkleideten Heizzentrale geparkt. Seine Wärmenetzprojekte koordiniert das in Düsseldorf ansässige Ökoenergie-Unternehmen aus seiner Filiale im nur sieben Kilometer von Hallerndorf entfernten Eggolsheim. Von dort bis Hallerndorf fährt Rebecca Schneider 10 Minuten mit dem E-Mobil. Allzu oft muss die In der fränkischen 4200-Einwohner-Gemeinde Hallerndorf betreibt die Naturstrom AG seit Ende 2016 ein Wärmenetz. Das Fazit von Betreiber-Unternehmen und Kommune fällt sehr zufrieden aus. Mit den Jahren hat der Öko-Energieversorger Betriebserfahrungen gesammelt, in die er hier offen Einblick gewährt. Hallerndorf legt Wert auf Nachhaltigkeit Die Heizzentrale in Hallerndorf zeigt schon von außen Naturverbundenheit. Hallerndorf war eines der ersten Dörfer in Deutschland, die sich für eine zentrale Beheizung mittels Sonne und Holz entschieden haben. Mit der Betreiberin, der Naturstrom AG, deren Wärmeabteilung im nahe gelegenen Eggolsheim ihren Sitz hat, fand die Kommune den passenden Partner. SOLARDORF MIT ERFAHRUNG HALLERNDORF HEIZT SEIT 5 JAHREN MIT SONNE UND HOLZ Alle Fotos: Guido Bröer Betriebsleiterin der Wärmeprojekte von Naturstrom diesen Weg allerdings nicht fahren. Sie überwacht die Anlage am Computer. Die Ingenieurin öffnet die Eingangstür zur Heizzentrale: Drinnen ein komplexes Szenario aus Rohren, Kesseln, Pumpen – ein Eldorado für Fernwärmetechniker:innen. Im Zentrum dominieren vier verschieden große rot-graue Heizkessel den Raum. Und doch ist es an diesem Hochsommertag morgens um 10 Uhr im Gebäude nicht viel wärmer als draußen. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Im Sommerbetrieb bleiben die Kessel in der Regel ausgeschaltet. Dann versorgt allein die Solarthermieanlage das Wärmenetz mit derzeit 112 angeschlossenen Gebäuden. SOLARKOLLEKTOR-WIESE Die Vakuumröhren-Kollektoren mit etwa 1300 Quadratmetern Kollektorfl äche sind in 11 Reihen auf einer Wiese unmittelbar neben dem Heizhaus angeordnet. Energie, die nicht unmittelbar im Netz gebraucht wird, wandert zunächst in einen 85 Kubikmeter fassenden zylinderförmigen Speicher. Nachdem am Abend die Sonne untergegangen ist, übernimmt der Speicher die Versorgung. Und es gibt einen weiteren Speicher im Heizhaus. Der speichert nicht Wärme, sondern Strom und ist nicht größer als eine Waschmaschine. Es handelt sich um eine Lithium-Ionen- Batterie, die mit der Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gebäudes gekoppelt ist. Sie dient vor allem der Notstromversorgung. Der Großteil des Stroms aus der 26 Kilowatt starken Photovoltaikanlage wird für den Eigenstrombedarf der Heizzentrale genutzt. Den meisten Strom benötigen hier die großen, im Dauerbetrieb laufenden Pumpen. KONTROLLZENTRUM Direkt gegenüber dem Notstromspeicher hängt ein großer Monitor an der Wand. Rebecca Schneider kann auf diesem Display sämtliche Betriebsdaten der Anlage ablesen. Auf einem Schaubild sind alle Elemente des Netzes verzeichnet. So lassen sich die Wärmefl üsse innerhalb der Heizzentrale und hinüber ins Dorf erkennen und erklären. Hallerndorf wird über zwei separat zu steuernde Fernwärmetrassen mit zusammen etwa sechs Kilometer Länge versorgt. Der eine Fernwärmestrang versorgt das Kerndorf samt der öffentlichen Gebäude – unter anderem Schulzentrum und Kindergarten. Der zweite wurde eigens für ein Neubaugebiet eingerichtet. In dem hat die Gemeinde die Grundstücke gleich mit Fernwärmeanschluss verkauft. In den Neubauten ist der Dämmstandard der Gebäude höher, so dass die Fernwärme mit geringeren Vorlauftemperaturen betrieben werden kann als im Rest des Ortskerns, wo viele Altbauten zu versorgen sind. Sind in der Fernwärmeleitung für das Neubaugebiet 70/50 (Vorlauf/ Rücklauf) Grad Celsius das Maß der Dinge, so läuft die Hauptleitung in der Regel auf einem höheren Temperaturniveau von 76/55 Grad. Typ: Ländliche Fernwärmeversorgung auf Basis von Holzhackschnitzeln und Solarthermie. Netz: Zwei Stränge, zusammen 6 km Solarkollektoren: CPC-Vakuumröhrenkollektoren Hersteller: Ritter XL Solar Bruttokollektorfl äche: 1304 m2 Aufstellfl ächefl äche: 2400 m2 Montage: Bodenrammung Wärmeträger: Fernwärme-Wasser Solarspeicher: 85 m3 Solarertrag pro Jahr 560.000 kWh Solar-Deckungsgrad 20 Prozent des Gesamtwärmebedarfs Kesselanlagen: Vier Hackschnitzelkessel, 1 x 550 kW, 1 x 360 kW, 2 x 155 kW Inbetriebnahme: 2016 TECHNISCHE DATEN Die Solarkollektoren sind das Highlight der Hallerndorfer Dorfwärme. Die Vakuumröhrenkollektoren, die in den fünf Betriebsjahren stets störungsfrei liefen, bringen dank der Vakuumisolierung auch im Frühjahr und Herbst gute Erträge. Das Highlight der solaren Dorfwärmeversorgung www.solare-wärmenetze.de TEMPERATUR-SPREIZUNG Die Vakuumröhrenkollektoren haben mit diesem Temperaturniveau keinerlei Probleme. Sie könnten sogar Temperaturen über 100 Grad liefern. Und dennoch: Je niedriger die Vorlauftemperaturen und je größer die sogenannte Spreizung zwischen Vor- und Rücklauftemperatur, desto effi zienter lässt sich das System betreiben. Ist dieser Teil der Systemoptimierung für jeden Fernwärmebetreiber eine heikle Aufgabe, so ist sie für den Betreiber eines „solaren“ Wärmenetzes gewissermaßen die Königsdisziplin. Denn je niedriger das Temperaturniveau insbesondere im Rücklauf der Fernwärme, desto höher ist der Wirkungsrad der Kollektoren und umso mehr Brennstoff kann die Solaranlage ersetzen. Das benötigte Temperaturniveau im Netz ist allerdings von den einzelnen Gebäuden und auch vom Verbrauchsverhalten der angeschlossenen Wärmekunden abhängig. Dabei begrenzt das schwächste Glied in der Kette die Möglichkeiten zur Effi zienzsteigerung: Denn auch im Gebäude mit dem schlechtesten Heizsystem oder dem ungünstigsten Verbrauchsverhalten haben Fernwärmekunden Anspruch auf warme Räume und eine heiße Dusche. Das gilt auch, wenn dieses Gebäude am letzten Ende der Wärmeleitung läge. Verbesserungen lassen sich somit kaum durch Drehen an den Stellschrauben in der Heizzentrale erzielen, sondern fast ausschließlich über individuelle Beratung der Gebäudeeigentümer:innen bzw. Bewohner:innen. Auch das gehört zu den Aufgaben von Rebecca Schneider. Sie schaut sich die Verbräuche der einzelnen Kund:innen und Kunden deshalb regelmäßig an. Bei statistischen Auffälligkeiten könne man aktiv mit den Leuten reden, sagt die Betreibsleiterin: „Aber wir stehen dabei noch am Anfang.“ Individuelle Beratungsarbeit sei nämlich sehr aufwändig. „Wir lassen deshalb hier in Hallerndorf gerade die Anschlüsse im Rahmen einer Bachelorarbeit untersuchen. Die Studentin schaut sich jeden einzelnen Anschluss an. Die Daten dafür sind aus den letzten fünf Jahren vorhanden“, sagt Schneider. Im nächsten Schritt könne die Naturstrom AG dann überlegen, wie man auf die Kunden zugehe. Neben individuellen Beratungen sei eine der Ideen, für die Haushalte eine Belohnung für eine individuell besonders hohe Spreizung zwischen Vor- und Rücklauf eines Gebäudes auszuloben. In den ersten fünf Betriebsjahren der Hallerndorfer Dorfversorgung konzentrierte sich die Naturstrom AG aber zunächst auf Verbesserungen innerhalb der Heizzentrale. Der große 550-kW-Holzkessel links hat zwei der zunächst vier kleineren mit jeweils 155 kW ersetzt. Das hat für zusätzliche Heizleistung gesorgt und das System insgesamt fl exibler und noch weniger störanfällig gemacht. Gewachsener Heizkesselpark mit verschiedenen Leistungen Da Holzhackschnitzel kein uniformer Brennstoff sind, sondern in der Beschaffenheit mehr oder weniger variieren, ist die Fördetechnik nicht trivial. Gelegentlich kann es in den Verteilungen zu Blockaden kommen, die sich aber zumeist leicht von den teilzeitbeschäftigten Hausmeistern vor Ort beheben lassen. Brennstoff-Verteilung: Hier kann es mal hakeln UMBAU DER KESSELFLOTTE Während die Zahl der Fernwärmeanschlüsse von rund 60 bei Inbetriebnahme 2016 auf inzwischen 112 gewachsen ist, hat Naturstrom im Jahr 2019 zwei kleinere Kessel von jeweils 155 kW Heizleistung durch einen größeren mit 550 kW ersetzt. Neben dem Neuen besteht der Kesselpark nunmehr aus zwei weiteren 155-kWKesseln und einem mittelgroßen mit 360 kW, die alle bereits seit 5 Jahren ihren Dienst tun. Wer genau hinschaut, erkennt die zwischenzeitige Umstellung noch an einer kleinen Unregelmäßigkeit in der hölzernen Außenwand des Gebäudes: Wo einst zwei kleine Löcher für die Abgasrohre der 155-kWBrenner waren, ist per Stichsäge Platz geschaffen worden für ein größeres. „Mit dem Kesseltausch haben wir nicht nur die maximale Heizleistung erhöht. Der Neue läuft auch deutlich robuster und damit wartungsärmer“, berichtet Betriebsleiterin Schneider. Apropos Wartung: Bei einer Holzhackschnitzelanlage müsse während der Kessel-Laufzeiten in der Heizperiode doch regelmäßig nach dem Rechten geschaut werden, erläutert Schneider. Sie zieht den Vergleich mit den genormten und deshalb weniger störanfälligen Holzpellets, die Naturstrom in einigen kleineren Netzen und in größeren Wohnobjekten verbrennt: „Hackschnitzel sind günstiger im Einkauf, aber aufwändiger im Betrieb.“ In Hallerndorf beschäftigt das Unternehmen dafür zwei technisch versierte Rentner auf Minijob-Basis. Deren Routineaufgabe ist unter anderem die manuelle Entleerung der stählernen Aschetonnen. Deren äußere Form ähnelt typischen rollbaren Haushaltsmülltonnen. Die Asche wird in einem Absetzcontainer auf dem Außengelände zwischengelagert, der, wenn er voll ist, von einem Entsorgungsunternehmen ausgetauscht wird. Gesondert zu sammeln und zu entsorgen sind die noch feineren Stäube, die Elektrofi lter dem Rauchgas entziehen. Die Rauchgasreinigung sorgt dafür, dass es auch bei ungünstigen Windrichtungen im Ort nicht nach Lagerfeuer riecht. Beschwerden wegen Geruchsbelästigung habe es noch nie gegeben, weiß Rebecca Schneider zu berichten. HOLZZUFUHR KANN HAKELN Mitunter müssen sich die örtlichen Heizwärter neben der Asche-Entsorgung auch der Zufuhr des Brennstoffs widmen. Jeder der vier Kessel wird in Hallerndorf über ein separates System von Förderschnecken aus dem Holzbunker mit Hackschnitzeln versorgt. Und dabei kann es zum Stau kommen. „Es kommt leider immer wieder vor, dass ein längerer Spreißel eine Blockade erzeugt“, sagt Schneider. Was Dieser große Monitor im Heizhaus zeigt Naturstrom-Bereichsleiterin Rebecca Schneider jederzeit, was mit der Anlage los ist. Dasselbe Bild sieht sie auf dem PC im Büro, wo sie normalerweise alle Wärmeversorgungen des Unternehmens fernüberwacht. Der große Bildschirm bewährt sich gelegentlich auch, um Besuchergruppen die Funktionsweise der Anlage zu veranschaulichen. Kontrollmonitor im Heizhaus Im Sommer ist ausreichend Zeit für Wartungsarbeiten und Reparaturen an Kesseln und Fördertechnik. Denn während der Sommermonate heizt die Sonne in Hallerndorf. Die Kessel werden in der warmen Jahreszeit nur als Reserve gebraucht und stehen normalerweise monatelang still. Im Sommer ist Zeit für Wartungsarbeiten www.solare-wärmenetze.de in Bayern „Spreißel“ heißt, kennt man im Norden Deutschlands als Holzsplitter oder -span. Aufgabe des diensthabenden Heizwerkers sei es dann, das sperrige, oft faserige Holzstück über eine Revisionsöffnung zu entfernen. In der Regel sei das aber kein großes Problem. HOLZQUALITÄTEN Lästiger sei es, wenn unten im Holzbunker einzelne Förderschnecken kein Material mehr bekämen, obwohl der Bunker noch gut gefüllt sei. Auch dieses Problem hat mit der Qualität der Hackschnitzel zu tun: Wenn zu viel loser Staub oder auch zu viel schlecht gehackte faserige Bestandteile enthalten sind, dann rutscht der Brennstoff im Bunker weniger gleichmäßig und nicht so verlässlich nach. Im Extremfall können sich über den Entnahmeeinrichtungen hölzerne Gewölbe bilden, die von den Mitarbeitern von außen mit langen Lanzen zum Einsturz gebracht werden müssen. GLEICHMÄSSIGE QUALITÄT Je gleichmäßiger das Holz dank möglichst scharfer Messer zerhackt wurde, desto weniger Ärger macht später das Hackgut. In Hallerndorf werden Hackschnitzel der Klasse G 30 verwendet. Diese Bezeichnung für die Stückigkeit beziehungsweise die Korngröße der Hauptfraktion des Hackgutes bezieht sich auf eine noch sehr gebräuchliche österreichische Norm, die mittlerweile aber durch eine europaweite Norm abgelöst wurde. G 30 entspricht weitgehend der neuen, europaweiten Bezeichnung P16. Die Qualität wird am Häcksler eingestellt und durch den Einsatz passender Siebe gewährleistet. In puncto Hackgut habe man in fünf Betriebsjahren in Hallerndorf bereits einiges an Erfahrungen sammeln können, berichtet die Betriebsleiterin. Anfangs habe Naturstrom fertige Hackschnitzel anliefern lassen; doch mit dessen Qualität war man nicht so zufrieden. Und so ordern die Einkäufer der Naturstrom AG mittlerweile ganze Lastwagenladungen mit Stämmen zum Hallerndorfer Heizhaus. Die lagern hinter dem Gebäude. Der Betreiber hat sogar eigens eine Lagerfl äche dafür neu bauen lassen. Schneider erklärt: „Den Lagerplatz haben wir eingerichtet, um nicht so sehr von Preisschwankungen abhängig zu sein.“ GEHACKT WIRD VOR ORT Nun kommt nach Bedarf ein Lohnunternehmer, der mit einem mobilen Häcksler aus den Stämmen vor Ort Hackschnitzel herstellt. Im Winter muss der Ortstermin im Abstand von 10 Tagen bis zwei Wochen stattfi nden. Bei Bedarf wird der Dienstleister ein paar Tage vorher angerufen. Bei dessen Auswahl sei man durchaus wählerisch, verrät Rebecca Schneider. „Es gibt mehrere Dienstleister, die wir nutzen. Wir haben aber unseren Favoriten, der stets gute Qualität geliefert hat.“ Das könne unter anderem mit dem materialschonenden Materialaustrag per Förderband zu tun haben, über den die vorzugsweise verwendete Häckselmaschine verfüge. Das Förderband gilt als materialschonender im Vergleich zum herkömmlichen Gebläseaustrag. Und ohnehin spart das Hacken vor Ort gegenüber der Fertig-Anlieferung mindestens einen Umladevorgang, der das empfi ndliche Hackgut belasten könnte. THEMA RESTFEUCHTE Ein weiteres Thema ist die Restfeuchte des Holzes, die für die in Hallerndorf verwendeten Kesseltypen optimalerweise bei 30 bis 35 Prozent liegt. Ist das Im Sommer gibt es für die Betreuer der Anlage nicht viel zu tun. Die wichtigste Aufgabe ist das Mähen des Grases zwischen den Kollektorreihen. Dies aber nicht zu oft, um auf dem Gelände des Kollektorfeldes eine vielfältige Flora und Fauna zu fördern.. Weil die Pfähle der Kollektorgestelle in den Boden gerammt wurden, wird durch die Anlage kaum Fläche versiegelt. Natur zwischen den Kollektoren Hackgut zu feucht, kann das ebenfalls zu Komplikationen in den Förderanlagen führen. Vor allem aber würde dies die Kesselleistung und die Energieausbeute verringern. Um den Wassergehalt zu verdampfen, müsste ein Teil des im Holz enthaltenen Brennwertes geopfert werden. Mit dem eingekauften Stammholz, das im Freien gelagert wird, sei man bislang bezüglich der Restfeuchte gut gefahren, berichtet Rebecca Schnei der. So offen die Ingenieurin, die das Hallerndorfer Projekt von Anfang an begleitet hat, über die Betriebserfahrungen mit der Anlage spricht, so wenig kommt die augenfällige Besonderheit der Anlage, das große Solarthermiefeld, zunächst in ihrem Bericht vor. Erstaunlich – liefert doch die Solarthermie rund 20 Prozent des gesamten Jahres-Wärmebedarfs. Und während der Sommermonate deckt sie den Wärmebedarf im Netz vollständig ab, so dass die Heizkessel allenfalls während einer extremen Schlechtwetterperiode einspringen müssten. Doch dass die Expertin darüber wenig Worte verliert, ist offenbar ein gutes Zeichen, denn: „Die Anlage läuft einfach von Anfang an reibungslos. Mit dem Kollektorfeld haben wir nichts zu tun gehabt.“ KAUM KINDERKRANKHEITEN Die einzige Kinderkrankheit äußerte sich seinerzeit auf akustische Art und wurde vom Hersteller Ritter XL Solar längst behoben. Im Bereich der Ausdehnungsgefäße hatte es in den Anfangsjahren mitunter laut geknallt, wenn die Solaranlage an schönen Som- Das Wärmenetz wurde von der Gemeinde von Beginn an kräftig beworben und das Projekt im Sinne der Wärmewende unterstützt. Im Interview spricht Bürgermeister Gerhard Bauer über die Erfahrungen mit dem innovativen System. Hallerndorf war eine der ersten Kommunen in Deutschland, die sich für die Versorgung durch ein Wärmenetz auf Basis von Biomasse und Solarthermie entschieden haben. Würden Sie diese Entscheidung heute wieder so treffen? Gerhard Bauer: Es war ja ein Pioniervorhaben, das auch schon mehrfach ausgezeichnet wurde. Bei einem weiteren Vorhaben dieser Art würde man nicht alles nochmal exakt so machen. Man lernt ja aus solchen Pionierprojekten. Die Technik hat sich weiterentwickelt und sicherlich kann man Optimierungen vornehmen. Vielleicht würden wir uns inzwischen als Kommune sogar überlegen, ein solches Projekt selbst oder in einer Genossenschaft zu verwirklichen. Grundsätzlich aber haben wir keine schlechten Erfahrungen gemacht. Bislang ist ja nur ein Teil der Gemeinde per Wärmenetz erschlossen. Denken Sie über eine Erweiterung nach? Dazu gab es bereits Gespräche. Das bestehende Wärmenetz ist leider laut Betreiber jedoch aus technischen Gründen nicht erweiterbar. Allenfalls könnte man das Bestandsnetz begrenzt nachverdichten. Für eine wesentliche Erweiterung des Netzes müsse man jedoch ein neues Wärmenetz und Heizhaus in Erwägung ziehen. Ist das Wärmenetz bei den Hallerndorfer Bürgerinnen und Bürgern noch ein großes Thema oder ist es so selbstverständlich, dass man nicht mehr drüber redet? Das Wärmenetz ist seit Ende 2016 in Betrieb. Von daher ist es kein hochpräsentes Thema mehr. Gerade in der jetzigen Zeit mit explodierenden Rohstoffpreisen und Energiewende kommt das Thema Wärmenetz aber immer wieder mal auf den Tisch. Wie sieht‘s mit der Zufriedenheit der Nutzer und Nutzerinnen aus? Nach meiner Wahrnehmung sind die Nutzerinnen und Nutzer zufrieden. Es läuft gut. Nur ganz am Anfang gab es kleine Problemchen, die aber schnell gelöst wurden. Manche Hausbesitzer nutzen Fernwärme, der Nachbar hat noch seine Ölheizung. Wie unterschiedlich erlebt Hallerndorf die Energiepreisexplosion seit Beginn des Ukraine-Krieges? Auch die Preise für Holzhackschnitzel sind ja explodiert. Daher sind Preissteigerungen auch bei der Fernwärme zu erwarten. Preissteigerungen sorgen in allen Bereichen allgemein für eine gewisse Unzufriedenheit. Die Unsicherheit auf den Märkten und die Volatilität in den Preisen für fossile und auch für erneuerbare Energien sorgen bei den Menschen für viele Fragen auf, die es gerade in diesen Zeiten keine Antworten gibt. Immerhin spart die große Solarthermieanlage Brennstoff ein, sodass die Preissteigerung weniger hoch ausfallen dürfte als ohne Solar-Anteil? Das schon, aber das wird nicht so stark wahrgenommen. Denn im Winter läuft die Anlage weitgehend über Holzhackschnitzel, die massiv teurer geworden sind. Und diese Kosten werde natürlich auch hier weitergegeben. Letztendlich wird es auch hier mit Preissteigerungen enden - wenn auch in einem „geringeren“ Rahmen. BÜRGERMEISTER GERHARD BAUER: „ES LÄUFT GUT“ Foto: Gemeinde Hallerndorf: www.solare-wärmenetze.de mertagen in Stagnation ging. Wer sich in dem Moment im Heizhaus aufhielt, habe einen ziemlichen Schreck bekommen, erinnert sich Rebecca Schneider. Rolf Meißner, Leiter Forschung und Entwicklung beim Solaranlagen-Hersteller Ritter, bestätigt dies und erklärt: „Dampfgeräusche sind im Zusammenhang mit der Stagnation des Kollektorkreislaufs ein großes Thema. Dafür kann es eine Vielzahl von Gründen geben. In Hallerndorf hatten wir die Diffusoren, die für eine Entspannung des Dampfes und dessen Kondensation sorgen, – in durchaus guter Absicht – zu groß dimensioniert. Dadurch kam es dort zu plötzlichen Druckabfällen, die diese Geräusche verursachten.“ Problem erkannt, Problem gebannt: Seitdem Ritter die Diffusoren gegen kleinere ausgetauscht habe, sei es mit den Geräuschen vorbei, bestätigt Betriebsleiterin Schneider. Und bei den neueren Anlagen setzt Ritter XL seit einigen Jahren auf ein patentiertes Verfahren zur automatischen Druckabsenkung im Stagnationsfall. Das geschieht bereits im Kollektorfeld. Dank der Druckabsenkung entlade sich das Kollektorfeld bereits bei einer Siedetemperatur vom 100 bis maximal 115 Grad Celsius in die Auffangbehälter, erläutert Meißner. Geräusche durch Dampfschläge und ähnliches seien so mit quasi ausgeschlossen. SPEICHER OPTIMIERBAR? Weniger erfolgreich tüfteln die Naturstrom- Expert:innen bislang an einem Steuerungsproblem im Zusammenhang mit dem 85 Kubikmeter großen Pufferspeicher. Dieser wird über einen Wärmetauscher von der Solaranlage mit Wärme beladen. Das Problem: In bestimmten Konstellationen an schönen Tagen schaltet der Speicher die Solaranlage vorzeitig ab, obwohl seine Kapazitätsgrenze noch nicht erreicht ist. Einige Prozent an wertvoller Solarwärme gingen dadurch wohl verloren, schätzt die Betriebsleiterin. Die Ursache haben die Techniker: innen in einem Lochblech ausgemacht, dass in den 10 Meter hohen Speicher waagerecht eingezogen ist, um unerwünschte Konvektionsströme zu unterbinden. Der Nachteil des Lochblechs scheint zu sein, dass bei hoher Sonneneinstrahlung dadurch die Wärme nicht schnell genug nach oben steigen kann. Der Speicher, der seinerzeit von einem anderen Anbieter als die eigentliche Solaranlage konzipiert und geliefert worden sei, erreiche unten, wo die Energie der Solaranlage eingespeist werde, früher seine Maximaltemperatur als in der Mitte. Das allerdings sei in der Steuerung nicht Nachdem die Naturstrom AG anfangs fertige Hackschnitzel gekauft hatte, beschafft sie jetzt Rundholz und lässt es von einem Dienstleister vor Ort hacken und sieben. Das hat vor allem Qualitätsgründe. Holzlagerplatz in der Nähe des Hackschnitzel-Bunkers Der Schrank im Hintergrund beherbergt den Plattenwärmetauscher. Hier wird die Energie aus dem Solarfeld an das Fernwärmenetz übergegeben. Im Vordergrund zu sehen sind zwei Reserve-Aschetonnen Wärmetauscher im Schrank IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen vom Projekt SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Solites Steinbeis Innovation gGmbh Redaktion: Guido Bröer, Solarthemen Veröffentlichung: April 2023 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) PARTNER vorgesehen, und es führe zum unerwünschten Abschalten der Anlage. Geht eine Solarthermieanlage einmal in Stagnation, fährt der Solarkreislauf normalerweise nicht am gleichen Tag, sondern erst am kommenden Morgen wieder an. Eine optimale Lösung des Problems scheint es nicht zu geben, denn ein Komplettumbau des Speichers wäre schon aus fi nanziellen Gründen völlig unangemessen. Aktuell wird daher überlegt, wie man die Konsequenzen des Konstruktionsfehlers in der Pionieranlage mildern kann. Möglicherweise werde man die Anschlüsse der Solareinspeisung höher legen, über das kritische Lochblech, erklärt Schneider. Damit würde man allerdings die nutzbare Kapazität des Speichers deutlich verringern. POSITIVES FAZIT Schneiders Konsequenz: Beim nächsten Mal würde Naturstrom eine solche Anlage, zumindest den kompletten Solarteil einschließlich Speicher, wohl eher aus einer Hand schlüsselfertig konzipieren und bauen lassen. An ihrer grundsätzlich positiven Bewertung der Hallerndorfer Solaranlage ändert dieser Wermutstropfen allerdings nichts. Schneider sagt: „Die Solarthermieanlage, mit der wir noch nicht einmal Fläche versiegeln, weil sie in den Boden gerammt ist, erachte ich als sehr, sehr sinnvoll. Es ist wichtig, den wertvollen Rohstoff Holz einzusparen. Und es würde mir persönlich in der Seele weh tun, wenn wir im Sommer bei 30 Grad Außentemperatur die Kessel laufen lassen müssten.“ Nach ihrer Solarthermieanlage in Hallerndorf betreibt die Naturstrom AG inzwischen in Moosach bei München und in Markt Erlbach, nicht weit von Hallerndorf weitere solare Wärmenetze. Die Pumpen der beiden Fernwärme- Heizkreise sind jeweils doppelet ausgelegt. Der linke Strang mit den kleineren roten Pumpen versorgt das Neubaugebiet. Mit den grauen Pumpen rechts wird das Hauptnetz des Dorfes beschickt. Doppelte Sicherheit

Anna Laura Ulrichs2023-04-04T12:36:22+02:00Dienstag, 4. April, 2023|

Bernburg zapft Sonne – Erfahrungen mit einer Fernwärme-Solaranlage

www.solare-wärmenetze.de Infoblatt Nr. 13 ¬ Andreas Höhne sieht alles. Eine impo- sante Wand aus einem Dutzend Bild- schirmen verschafft dem Dispatcher in der Leitwarte der Stadtwerke Bern- burg den Überblick über alle relevanten Betriebsdaten und Vorkommnisse im Wärmenetz der industriell geprägten 33.000-Einwohner-Stadt in Sachsen- Anhalt. Neben technischen Daten zu Verbrauch und Erzeugung laufen bei Höhne und seinen Kollegen auch die Bilder diverser Überwachungskame- ras auf, die auf dem Betriebsgelände verteilt sind. Unter anderem verschaf- fen ihnen die Monitore einen perfekten Überblick über das große Solarkollek- torfeld mit 8603 Quadratmeter Brutto- kollektorfläche. Die Stadtwerke Bern- burg betreiben es seit 2020 direkt neben ihrem traditionsreichen Heizkraftwerk. Doch die Monitore der Kameraüber- wachung sind nur ein Randaspekt von Höhnes Job in der Leitwarte. Wesent- licher sind für ihn die Daten, die er über andere Bildschirme eingespielt bekommt. Messwerte liefern einer- seits unzählige Sensoren, die über die Erzeugungsanlagen und das Fern- wärmenetz verteilt sind. Anderseits laufen in der Leitwarte auch externe Datenströme auf, beispielsweise Wet- terdaten und aktuelle Kurse von der Strombörse. Die Börsenstrompreise spielen für den Job in der Leitwarte mittlerweile sogar eine recht große Rolle. Schließlich geht es darum, die Laufzeiten der Blockheizkraftwerke Die Stadtwerke Bernburg haben zwei Jahre Betriebserfahrungen mit ihrer großen Solarthermieanlage. Sie besteht aus Flachkollektoren mit 8603 m2 Bruttokollektorfläche und einer Nennleistung von 5,55 Mega- watt. In dem Fernwärmenetz mit 30 Kilometer Länge und 315 Anschlüssen stellt die Solaranlage im Sommer tagsüber oft die Gesamtleistung des Netzes. Die Leitwarte Die Bernburger Stadtwerke setzen bei der Steuerung der einzelnen Erzeu- gungseinheiten und Speicher weitge- hend auf menschlichen Sachverstand, nicht auf Algorithmen. Für die Dispatcher in der Leitwarte wie Andreas Höhne ist mit der Solarthermie eine Erzeugungs- einheit hinzugekommen, deren Leistung mit dem Wetter schwankt. Je besser Leistung und Tagesertrag antizipiert werden, desto größer der Nutzen für das Fernwärmenetz. BernBurg zapft Sonne ErfahrungEn mit EinEr fErnwärmE-SolaranlagE Alle Fotos: Guido Bröer Infoblatt Nr. 13 ¬ optimal zu planen und zu steuern. Eine andere wesentliche Datenquelle ist der Wetterdienst. Wieviel Wärme in Bern- burg benötigt wird, das war zwar schon immer eine Frage der Außentempera- turen. Seit aber die Solarthermiean- lage Teil des Netzes ist, hat das Thema Wetter für Höhne und seine Kollegen in der Leitwarte eine ganz neue Bedeu- tung bekommen. Jetzt geht es auch um solche Werte wie Sonnenscheindauer und Strahlungsintensität. Denn „Solar first“ ist jetzt das Leit- motiv für die Fernwärme. Indem sie der Solarthermieanlage Vorrang vor den anderen Erzeugungseinheiten geben, sorgen die Dispatcher dafür, dass mög- lichst viele der Kilowattstunden, die die Sonne kostenlos vom Himmel strahlen lässt, tatsächlich im Netz genutzt wer- den können. Und dabei verlässt sich Andreas Höhne nicht allein auf seine Monitore, sondern er setzt auch auf den gesun- den Menschenverstand: „Klar: Neben der Strombörse gehört der Wetterbe- richt für morgen zu unserem Pflicht- programm. Aber meine Devise heißt: Immer auch aus dem Fenster schauen.“ UmDenken in Der Leitwarte Seit die Solarthermieanlage im Dienst ist, mussten die Techniker in der Leit- warte grundsätzlich umdenken: Früher konnten sie alle Erzeugungseinheiten, die einzelnen BHKW und Heizkessel sowie die Wärmespeicher im zentralen Heizkraftwerk, nach Bedarf per Knopf- druck hoch- oder herunterfahren. Seit zwei Jahren aber haben sie es in Form der Solarwärme mit einem fluktuie- renden Energieträger zu tun. Denn nur was je nach Wetter, Tages- und Jah- reszeit vorn auf die Solarkollektoren Das Schaubild zeigt den Tagesverlauf des Solarthermiesystems im Netz der Stadtwerke Bernburg an einem sonni- gen Sommertag (23. Juni 2022). Es ist gut zu sehen, wie die Solaranlage wäh- rend des gesamten Tages mit fast 100 Grad Celsius in den Vorlauf des Fernwär- menetzes einspeist und wie der Puffer- speicher die Solareinspeisung bis in die späten Abendstunden verlängert. Energieverläufe an einem beispielhaften Sommertag In Bernburg befinden sich die beiden Solarthermiefelder in idealer Nähe zum Heizkraftwerk. Früher wurde auf der Fläche Kohle für die damaligen Kohlekessel gelagert. Seit Umstellung des Kraftwerks auf Gas lag das Gelände brach. www.solare-wärmenetze.deeinstrahlt, kann hinten aus dem Wär- metauscher herauskommen. Um die neue, von schwankender Solarstrahlung abhängige Erzeugungs- einheit optimal in das Netz einzubin- den, haben die Stadtwerke zusammen mit dem Ingenierbüro EEB Enerko einen Katalog von Betriebsfahrweisen erar- beitet (siehe Seite 5). Teils geschieht der Wechsel zwischen den Betriebszu- ständen automatisiert, teils steuern ihn die Mitarbeiter der Leitwarte manuell. GoLDrichtiGe entscheiDUnG „Mittlerweile ist das unseren Leuten aber in Fleisch und Blut übergegan- gen“, sagt Heiko Zimmermann, Haupt- abteilungsleiter Energieerzeugung und Fernwärme bei den Stadtwerken Bern- burg. Er hat Planung, Bau und Betrieb der Solaranlage von Anfang an mitge- staltet und ist absolut überzeugt von dieser Investition (siehe Interview Seite 7): „Die Entscheidung war gold- richtig. Wir würden das jederzeit wie- der genauso machen. Wir sehen hier eine Anlage, die seit zwei Jahren funk- tioniert, und deshalb ist auch die Stim- mung gut.“ Zimmermann sieht in der Solarther- mieanlage auch ein Vorbild für andere Stadtwerke. Aber, so betont er, die Auslegung und die Betriebsweisen der Bernburger Anlage ließen sich nicht ohne weiteres auf beliebige andere Wärmeversorger übertragen: „Es sind immer die individuellen Bedingungen des jeweiligen Netzes gefragt.“ In Bernburg war es seinerzeit die verfügbare Fläche, an der sich die Planung orientierte. Eine ehemalige Lagerfläche für Kohle stand direkt neben dem zentralen Heizkraftwerk zur Verfügung. Sie lag seit langem unge- nutzt, bevor jemand auf die Idee kam, hier eine Solarthermieanlage zu errich- ten. Die Fläche gehörte bereits den Stadtwerken, eine Genehmigung für die Solarthermieanlage zu bekommen, war aufgrund der vorherigen Nutzung kein Problem. soLarLeistUnG: 5,55 mw Der frühere dänische Solarhersteller Arcon-Sunmark, damals Weltmarkt- führer bei großen Solarthermieanla- gen, brachte auf der vorgegebenen Aufstellfläche 632 Kollektoren mit 8603 Quadratmetern Bruttokollektorflä- che unter. Die beiden Kollektorfel- der haben eine solare Nennleistung von 5,55 Megawatt. Der mehr als drei Meter hohe Plattenwärmetauscher kann eine Leistung von 5 MW ans Netz übergeben. Das geht deutlich über die Grundlast von 2 bis 3 MW hinaus, die das Fern- wärmenetz in Bernburg bei niedrigem Bedarf im Sommer braucht. Schon Wärmetauscher extrahoch Größenvergleich: Heiko Zimmermann, selbst 1,85 Meter groß, prä sentiert den mehr als 3 Meter hohen aluminium- verkleideten 5-MW-Plattenwärmetau- scher. Über diesen ist die Solarthermie- anlage mit der Fernwärme gekoppelt. Die große Bauhöhe sorgt für eine gute Temperaturspreizung und somit eine hohe Effizienz der Wärmeübergabe sowie der ganzen Solarthermieanlage. solarkollektoren: 632 Großflächen-Flachkollektoren Arcon Sunmark HT-SolarBoost 35/10 Bruttokollektorfläche: 8603 m 2 Aperturfläche: 7935 m2 Aufstellflächefläche: 16.000 m 2 installierte Leistung: 5550 kWp montage: zumeist Bodenrammung, teils auf Betonfundamenten Ausrichtung und Neigung: Süd, 35 Grad geneigt Wärmeträger: Wasser-Glycol-Gemisch Plattenwärmetauscher: Danfoss Sondex 5 MW netzeinspeisung: Je nach Betriebsbe- dingungen über Vor- oder Rücklauf Prognose Jahresertrag: 2,28 GWh Gemessene Jahreserträge: 2,35 GWh (1. Betriebsjahr) 3,44 GWh (2. Betriebsjahr Jan.-Okt.) spezifische Jahreserträge: 410 kWh/kWp (Prognose) 423 kWh/kWp 1. Betriebsjahr 620 kWh/kWp 2. Betriebsjahr (bis Okt) techniSche Daten Infoblatt Nr. 13 ¬ deshalb wurde ein Pufferspeicher mit 150 Kubikmetern Fassungsvermögen gebaut. „Größer ging es nicht“, sagt Zimmermann. Will heißen: Bei einem Volumen von 150 Kubikmetern setzen die Transportmöglichkeiten die Grenze für einen vormontierten Tank. Hät- ten die Planer und Planerinnen mehr Speichervolumen gewollt, so hätte man zwei Speicher benötigt. Oder man hätte den Behälter vor Ort zusammen- schweißen müssen, wie es bei größe- ren Fernwärmespeichern durchaus üblich ist. Mit Hilfe des Solarspeichers kön- nen die Dispatcher in der Leitwarte die solare Energieernte des Tages zum Verbrauch am Abend verschie- ben (Grafik Seite 2). Zum anderen puf- fert der Speicher die Schwankungen des Solarangebots ab und sorgt dafür, dass der Wechsel von Sonnenschein und Wolken mit den daraus folgenden Lastschwankungen das Netz und die Flexibilität der anderen Erzeuger nicht überfordert. Insbesondere am Morgen, wenn die Solarthermieanlage bei noch schwacher Einstrahlung anfährt, hilft der Speicher, einen unerwünschten Taktbetrieb der BHKW zu vermeiden. soLarthermie erste GeiGe Im Konzert der verschiedenen Erzeu- gungseinheiten spielt die Solarther- mieanlage nun gewissermaßen die erste Geige. Obwohl sie nur etwa 5 Prozent des Jahresenergiebedarfs des Netzes beiträgt, haben sich die ande- ren Elemente des „Orchesters“ an ihr zu orientieren. Neben der Solarthermie konzertieren fünf Blockheizkraftwerke mit jeweils 2 MW thermischer Leistung; eines davon ist ein Biomethan-BHKW. 632 Großflächen-Flachkollektoren bilden die Wärmequelle der Solarthermieanlage. Die Montagesysteme sind größtenteils in den Boden gerammt. Eine Flächenversiegelung findet somit quasi nicht statt Kollektoren in Reih und Glied Weil die Solarthermieanlage zeitweise mehr Leistung bringt, als das Fernwär- menetz insgesamt benötigt, aber auch um Leistungsschwankungen der sola- ren Erzeugung auszugleichen, ist auf der Sekundärseite des Solarwärmetau- schers ein 150 m3 großer Pufferspeicher zwischengeschaltet. Er dient auch dazu, die Energie der Sonne vom Tag in den Abend hinein zu verschieben. Die Leit- warte achtet darauf, dass dieser Spei- cher stets zum kommenden Morgen wie- der leer ist. In den meisten Betriebsmodi spielt er ein Rolle. Der Solar-Pufferspeicher spielt eine zentrale Rolle www.solare-wärmenetze.deFür die Solarthermieanlage haben die Stadtwerke Bern- burg zusammen mit dem pla- nenden Ingenieurbüro und dem Anlagenhersteller einen Kata- log verschiedener Betriebs- modi entwickelt. Eine Auswahl: Vorwärmen des Solarsystems Die erste Zeit, nachdem die Startbe- dingungen erreicht sind, verstreicht mit dem Vorwärmen des Systems. Das Medium wird auf der Primärseite umge- wälzt. Nach einer bestimmten Zeit, je nach Sonneneinstrahlung, ist der Primärkreislauf auf eine Temperatur erwärmt, die am Eingang zur Primärseite des Tauschers z.B. 79 °C beträgt (Soll- wert veränderbar). Die Betriebsbedin- gungen für die Sekundärseite sind jetzt erfüllt und die Anlage startet dann im Modus Rücklauftemperaturanhebung. Rücklauftemperaturanhebung Die Solarstation heizt die Rücklauftem- peratur des Netzes auf. Wenn die Son- neneinstrahlung gering ist, die Tempe- ratur jedoch beispielsweise über 79 °C liegt, wird die Rücklauftemperatur vor den BHKWs mit der Sonnenwärme auf maximal 70 °C erhöht. Dieser Betriebs- modus ist nur verfügbar, wenn der Wär- meverbrauch der Stadt höher ist als die aus der Sonneneinstrahlung berechnete Sonnenenergie. Das System schaltet automatisch auf die Funktion „Vorwär- men für Hochtemperatur-Betrieb (HT)“ um, wenn die Rücklauftemperatur über 70 ° C steigt oder wenn die Solarleis- tung höher ist als die Leistung des Fern- wärme-Rücklaufs. Dabei sind die Soll- Temperaturwerte veränderbar. Vorwärmen zum HT-Betrieb Um dem Speicher die geforderte Soll- vorlauftemperatur des Fernwärme- werks zuzuführen, wird die Solarstation vor dem Laden des Speichers im Hoch- temperatur-Betrieb vorgewärmt. Wenn die Sonneneinstrahlung hoch genug ist, zirkuliert die Primärpumpe das Medium nur durch die Sonnenkollektoren bis die aktuelle Sollvorlauftemperatur, bei- spielsweise 88 ° C, erreicht ist. Hochtemperatur (HT) – solo Nachdem die Primärseite auf eine bestimmte Temperatur aufgeheizt wur- de, kann die Solarstation mit dem Laden des Speichers mit der Sollvorlauftempe- ratur des Fernwärmewerks beginnen. Die Entladungseinheit vom Speicher zum Netz ist dann nicht in Betrieb. Hochtemperatur – Parallel Ähnlich wie im vorherigen Modus liefert die Solarstation auf Sollvorlauftempera- tur des Heizwerks Energie an den Spei- cher. Gleichzeitig liefert die Speicher- Entladestation Wasser mit der gleichen Temperatur des Heizwerks ans Netz. Speicherentladung Wenn die Solarstation keine Wärme erzeugt, kann die Entladestation dem Netz Medium mit Sollvorlauftemperatur des Fernwärmewerks zuführen. Frostschutz Kollektorfeld Auf der Primärseite der Solarwärme- anlage zirkuliert eine Propylenglykol- Mischung. Die Mischung sorgt für eine Frostsicherung bis -14 °C. Dies ist ein Kompromiss zwischen Frosteigenschaf- ten und thermischen Eigenschaften. Ein zusätzliches Frostsicherungsprogramm startet bei noch tieferen Temperaturen. Die Frostsicherungsfunktion ist in zwei Betriebsarten möglich: a) Frostsicherung ohne Wärmezufuhr von der Sekundärseite: Dabei wird das Medium über ein Bypassventil am Wär- metauscher vorbei durch das Kollektor- feld gepumpt. Aufgrund der unterirdisch verlegten Rohre lässt sich so die Wärme des Erdreichs nutzen b) Frostsicherung mit Wärmezufuhr von der Sekundärseite: In der zweiten Stufe können bei Extremfrost geringe Energie- mengen aus der Sekundärseite über den Wärmetauscher ins Kollektorfeld und den Speicher geleitet werden. Nachtkühlung Falls in extremen Schönwetterperioden mehr Solarenergie geerntet wird als das Netz insgesamt benötigt, kann die Leit- warte nachts die Restwärme aus dem Solarspeicher über das Kollektorfeld an die Umgebung abgeben, um eine Über- hitzung am Folgetag zu vermeiden. Automatischer Siedeschutz Um zu hohe Temperaturen in den Solar- kollektoren und auf der Sekundärseite des Tauschers zu verhindern, gibt es auf Primär- und Sekundärseite eine Siede- sicherungsfunktion. Die Drehzahl der Pumpen wird bei drohender Überhit- zung zunächst bis zum Maximum hoch- gefahren. Kann die Solarwärmeanlage die Wärme immer noch nicht komplett abführen, unterbrechen ein Failsafe- Ventil und ein Siedethermostat bei 120° C die Zufuhr zur Solarwärme- und der Hy- draulikeinheit und das Kollektorfeld ent- leert sich in einen Glycol-Speichertank. BetrieBSmoDi Der Solarthermieanlage Hydraulikschema am Beispiel HT-Betrieb: So sieht es aus, wenn die Solarther- mieanlage im Hochtemperaturbetrieb Wärme an den Vorlauf des Fernwärmenet- zes liefert. (Grafik: Arcon-Sunmark) Infoblatt Nr. 13 ¬ Ferner sind drei Spitzenlast-Kessel mit jeweils 7,5 MW Teil des Heizkraft- werks. Die Kessel könnten neben Gas zur Not auch mit Heizöl gefeuert wer- den. Der Öltank fasst allerdings nur 180 Kubikmeter, was im Winter gerade ein- mal für 2 Tage reichen würde, schätzt Zimmermann. Die Dirigenten, alias Dispatcher, haben zwar ihre Notenblätter in Form der definierten Betriebsfahrweisen, aber sie interpretieren diese doch individuell anhand ihrer langjährigen Erfahrung. Zimmermann legt als Chef der Erzeugungssparte Wert darauf, dass das Fernwärmenetz in Bern- burg – gerade was Wetter und Strom- preis betrifft – nicht von Algorithmen gesteuert wird, sondern von mitden- kenden Menschen. JahrespLan übererfüLLt 2,28 Gigawattstunden (GWh) sollte die Solarthermieanlage laut Ertragsprog- nose des Herstellers pro Jahr bringen. Im ersten vollständigen Betriebsjahr 2021 hat die Anlage ihr Soll bereits leicht übertroffen und erreichte 2,35 GWh. Für das noch nicht abgeschlossene Jahr 2022 zeigt der Zähler aber bereits im Oktober 3,44 GWh. Der Rekordwert sei einerseits dem sehr sonnigen Som- mer zuzuschreiben, erläutert Zimmer- mann. Zum anderen sei dies allerdings auch der Erfolg einer neuen Regelstra- tegie: Habe man die Anlage früher das ganze Jahr auf einem Temperatursoll- wert von 95 Grad arbeiten lassen, so lasse man sie inzwischen während der kühleren neun Monate, in denen auch die fossilen Erzeuger in Betrieb sind, nur noch maximal 90 Grad produzieren. Die Solarenergie wird dem Vorlauf der Fernwärme im zentralen Heizhaus bei- gemischt. Durch die Absenkung um 5 Grad arbeite die Solarthermie sehr viel effizienter. 95 Grad muss die Anlage nun nur noch in den Sommermonaten liefern, wenn sie über weite Strecken der einzige Erzeuger im Netz ist. ZentraLe einspeisUnG Durch die Lage des Kollektorfeldes unmittelbar neben dem zentralen Heiz- werk kann die Leitzentrale die Solar- Während das Kollektor- feld intern unterirdisch ver rohrt ist, sind Vor- und Rücklauf zwischen dem Wärmetauscher dem Speicher oberirdisch ver- legt. Die Rohre sind nach dem Stand der Technik mit Mineralwolle gedämmt und außen mit Aluminium kaschiert. Die flexiblen, edelstahl- ummantelten, gebogenen Ver bindungs schläuche zwischen den Kollektoren sind seit Jahrzehnten ein leicht erkennbares Mar- kenzeichen des einstigen dänischen Marktführers Arcon-Sunmark. Falls sich in der Solar- thermieanlage im Stag- nationsfall Dampf bildet, wird die Wasser-Glykol- Mischung verdrängt. Die- ser Behälter würde die Flüssigkeit dann aufneh- men. Der Stagnationsfall ist aber in der Bernbur- ger Anlage bislang in zwei Betriebsjahren nie eingetreten. Die Pumpengruppe hinter dem Wärmetauscher bil- det eine kompakte Einheit. Alle Elemente der Wärme- übergabestation finden Platz in einem Gebäude, in dem früher die Verdichter- einheit für einen Gasspei- cher untergebracht war. Im Gegensatz zu den Fern- wärmepumpen ist die Solarkreispumpe nicht redundant vorhanden. Sollte sie mal ausfallen, wäre die Solaranlage bis zur Reparatur oder Beschaffung einer Ersatz- pumpe lahm gelegt. Aber es entstünde dadurch kein Versorgungsausfall im Bernburger Netz. www.solare-wärmenetze.deHeiko Zimmermann, Haupt- abteilungsleiter Energieer- zeugung und Fernwärme der Stadtwerke Bernburg hat das Solarthermieprojekt von Anfang an begleitet. Im Inter- view zieht er ein Fazit nach zwei Betriebsjahren. Wie beurteilen Sie die Entscheidung für diese Solarthermieanlagen nach zwei Jahren Betriebserfahrung? Wir beurteilen die damalige Entschei- dung im Nachhinein durchweg als sehr positiv - auch ohne dass wir große Vor- erfahrungen hatten. Die Zusammenar- beit mit der errichtenden Firma Arcon- Sunmark und dem Planungsbüro Enerko waren sehr hilfestellend. Wir hatten umfassende optimale technische Erläu- terungen, die dazu geführt haben, dass wir die Anlage so betreiben können, wie es von Anfang an gedacht war. Hatten Sie in den zwei Jahren Ausfall- zeiten? Die Anlage hat zu 100 Prozent funktio- niert; sie ist nie ausgefallen. Denn die Abstimmung der technischen Eigen- schaften ist optimal gelaufen. Mit dem nachgeschalteten Fernwärmenetz haben wir stets eine Abnahme für die Wärme, Auch dank der Speicher können wir die Anlage stets so betreiben, dass wir keine Ausfallzeiten haben. Die Son- nenbedingungen in Bernburg sind gut. Sie sorgen dafür, dass wir gute Erträge haben und damit fossile Energien erset- zen können. Was leistet die Anlage an einem sonni- gen Tag wie heute? An einem so schönen Sommertag kön- nen wir mit einem Gesamtertrag von 30.000 Kilowattstunden rechnen. Das ist etwa 75 Prozent der sommerlichen Fern- wärmeabnahme des nachgelagerten Netzes. Wir haben auch in Sommer noch eine relativ hohe Abnahme durch einige Altenheime und ein Krankenhaus. In den Sonnenstunden deckt die Solaranlage den Bedarf dann komplett. Die Lücke, um das Netz 24 Stunden in Betrieb zu halten, übernehmen unsere BHKW. Welchen Deckungsanteil bringt die Solarthermie anteilig übers Jahr? Wir haben drei Fernwärmenetze in Bernburg. Im großen Netz, in das die Solarthermieanlage einspeist, erreicht sie einen solaren Deckungsanteil von etwa 5 Prozent – etwa 2,4 Millionen Kilowattstunden. Wie gehen Ihre Kollegen mit einer Anlage um, die je nach Wetterlage mal Energie liefert und mal nicht? Zunächst haben wir einige Aufklärungs - arbeit leisten müssen mit den Kollegen in der Leitstelle, um in den Alltag der Bedienung zu kommen. Es hat natürlich eine Weile gebraucht, bis die Kollegen im Tagesgeschäft eine 100-prozentige Sicherheit mit der Anlage entwickelt haben. Aber das ging doch ziemlich schnell. Die Kollegen haben ja mit Fern- wärme über 20 Jahre Erfahrung und sie haben sich der Herausforderung gestellt. Deshalb konnten sie schnell mit den neuen Gegebenheiten umgehen. Wie ist der Energiemix übers Jahr? Wir haben etwa 75 Prozent BHKW- Anteil. In den Wintermonaten, wenn wir eine höhere Vorlauftemperatur und mehr Leistung brauchen, kommen 20 Prozent über Spitzenlastkessel hinzu. Und 5 Prozent übernimmt die Solarther- mieanlage - vor allem im Sommer. Was ist das Interesse der Stadtwerke? Unser Anspruch war schon immer Fern- wärmenetze so effizient und ökologisch wie möglich zu betreiben. Damit war die Solarthermieanlage für uns ein wich- tiger Meilenstein, den wir frühzeitig erreichen wollten, ohne damals viele Erfahrungen mit anderen Stadtwerken teilen zu können. Wir sind mehr oder weniger durch die Aufklärungsarbeit der dänischen Herstellerfirma zu dem Thema gekommen. Wir wussten durch eine Tochterfirma unserer Stadtwerke, die Photovoltaikanlagen betreibt, dass Bernburg einen sehr guten Standort für die Sonnenenergienutzung hat. Des- halb war die Grundsatzentscheidung für diese Solarthermieanlage sehr schnell getroffen. 2018 haben wir uns erstmalig damit befasst, 2019 konnten wir mit dem Bau beginnen und Mitte 2020 haben wir die Anlage in Betrieb genommen. Sie lie- fert genau das, was uns im Vorfeld ver- sprochen wurde. Was hören Sie von Ihren Kunden zu dem Thema? Die Kunden haben es sehr positiv auf- genommen. Gerade im Neukundenbe- reich ist es wichtig, dass die Fernwärme einen Beitrag dazu leistet, die Auflagen des Gebäudeenergiegesetzes zu erfül- len. Darum ist es für uns wichtig, in die Erneuerbaren Energien zu gehen, was wir hier mit einer großen Freiflächen- solarthermieanlage im ersten Schritt gemacht haben. Damit ist für uns der Weg offen, die Fernwärme noch ökolo- gischer und wirtschaftlicher zu machen und damit die Kunden in der Fernwärme zu halten. • Das Interview mit Heiko Zimmermann können Sie hier auch als Video schauen. interview: heiko zimmermann Infoblatt Nr. 13 ¬ impressUm Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen vom Projekt SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Solites Steinbeis Innovation gGmbh Text und Fotos: Guido Bröer, Solarthemen Veröffentlichung: Oktober 2022 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt beim Autor und der Herausgeberin. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch Autor und Herausgeberin übernehmen Verantwor- tung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. ¬ unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) partner energie über den Solarspeicher direkt in den zentralen Verteiler einspeisen, an den auch die weiteren vier jeweils 100 m3 großen Pufferspeicher für die KWK-Anlagen angeschlossen sind. Das eröffnet der Leitzentrale viele Möglichkeiten. Im Winter, wenn die Sonneneinstrahlung geringer ist, kann die Solarwärme auch in den Rück- lauf der BHKW fließen. Damit können die Kollektoren auch in der dunkleren Jahreszeit noch effizient arbeiten und einen signifikanten Beitrag zur Wärme- versorgung leisten. Rücklaufeinspei- sung ist eine der Betriebsweisen, wel- che die Anlage aber auch im Sommer jeden Morgen durchläuft, bevor ihre Energieerzeugung für den Hochtempe- raturbetrieb ausreicht. Unsicherheit war Gestern Bevor sie sich Gedanken über solche Feinjustierungen im System machen konnten, mussten die Expert:innen der Stadtwerke Bernburg zunächst für sich selbst einige grundlegende Fragen zur neuen Technologie klären, das gibt Heiko Zimmermann offen zu: „Es waren vor allem die technischen Aspekte, bei denen wir eine gewisse Unsicherheit spürten. Vor allem die Frage, ob die Anlage die erforderlichen Temperatur- niveaus wirklich konstant liefern kann, hat uns beschäftigt.“ Nach zwei Jahren Betriebserfah- rung hat er längst einen grünen Haken an das Thema gemacht. Jetzt geht es für den Hauptabteilungsleiter der Bernburger Fernwärme schon um die nächsten Investitionsvorhaben. primärenerGiefaktor Aktuell können die Stadtwerke Bern- burg dank ihres hohen KWK-Anteils, eines Biomethan-BHKWs und der Solarthermieanlage Fernwärme mit einem Primärenergiefaktor von 0,27 an ihre Kunden liefern. Der Regene- rativanteil beträgt dabei 26 Prozent. Für Heiko Zimmermann ist das Ende der Fahnenstange damit noch nicht erreicht. Im Gegenteil nennt er die Solarthermieanlage einen „ersten Schritt“. Den jedenfalls würde er jeder- zeit wieder so gehen. Wo früher Kohle lagerte, haben die Stadtwerke Bernburg jetzt eine Blüh- wiese zwischen den Kollektoren einge- sät. Das Gras wird nur zweimal im Jahr gemäht, um der Natur eine möglichst ungestörte Entfaltung zu ermöglichen. Natur zwischen den Kollektoren

Anna Laura Ulrichs2024-04-01T15:18:55+02:00Samstag, 1. Oktober, 2022|
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