Infoblatt Solare Wärmenetze Nr.21 Fragen&Antworten aus der „Online-Sprechstunde Solare Wärmenetze“

www.solare-wärmenetze.de Infoblatt Nr. 21 Im Rahmen des Projekts SolnetPlus fanden fünf „Online-Sprechstunden Solarthermie“ statt. Expert*innen aus dem Projektkreis beantworteten gezielt die Fragen kommunaler Akteur*innen – von der Integration in Wärmenetze bis zur Wirtschaftlichkeit, von ökologischen Aspekten bis zu technischen Herausforderungen. Wie können Kommunen und Stadtwerke die Integration von fluktuierendem Wärmeertrag aus Solarthermie in ihre Fernwärmenetze meistern? Der Wärmeertrag hängt stark von der Sonneneinstrahlung ab und unterliegt somit Schwankungen, beispielsweise durch vorüberziehende Wolken. Für die direkte Einspeisung in ein Wärmenetz ist dies gegenüber dem Betrieb durch fossile, konstante Grundlasterzeuger eine Neuerung, jedoch kein Problem. Voraussetzung: Die Solarthermieanlage ist technisch gut ausgelegt. Die heute im Markt aktiven Solarthermie- Anbietern verfügen über langjährige Erfahrung damit. In Deutschland gibt es bereits knapp 60 große Solarthermieanlagen, die erfolgreich in Wärmenetzen einspeisen und zeigen, dass diese Technologie zuverlässig und effektiv eingesetzt werden kann. Dennoch existieren grundlegende Unterschiede zwischen konventionellen und erneuerbaren Energiesystemen. Im Gegensatz zu Gaskesseln oder Ölkesseln können Betreiber die Leistung von erneuerbaren Energiesystemen nicht beliebig variieren. Dies erfordert eine neue Denkweise in der Betriebsführung. Größere Pufferspeicher bis hin zu großen Multifunktionswärmespeichern werden künftig eine entscheidende Rolle spielen, da sie stets eine konstante Wärmequelle bereitstellen können. Welche anderen erneuerbaren Wärmeerzeuger sind sinnvoll mit Solarthermie zu kombinieren? Grundsätzlich sind alle erneuerbaren Wärmequellen - wie Solarthermie - in Wärmenetze einbindbar. Für eine erfolgreiche Wärmewende müssen für die jeweilige Kommune alle lokal vorhandenen Wärmequellen in Betracht gezogen werden. Ein aktuelles Beispiel für eine innovative Wärmeversorgung findet sich im süddeutschen Hechingen, wo derzeit eine Neubausiedlung entsteht. Im Rahmen einer Bürgerbeteiligung wünschten die BürgerInnen sich ein Für Kommunen gewinnt die Integration erneuerbarer Energien in Wärmenetze zunehmend an Bedeutung. Zur Nutzung des Potenzials der großflächigen Solarthermie bestehen noch offene Fragen auf kommunaler Ebene. Von lokalen Rahmenbedingungen bis hin zu wirtschaftlichen und technischen Aspekten - dieses Infoblatt fasst zentrale Fragen und Antworten zusammen. SOLARTHERMIE IN WÄRMENETZEN Zentrale Fragen & Antworten aus der „Online-Sprechstunde“ Grafik: Difu/brandtwerk Wie gehen Stadtwerke mit dem fluktuierenden Wärmeertrag einer Solarthermieanlage um? Die Anlage in Bernburg (Saale) ist seit dem Jahr 2020 in Betrieb. Für eine detaillierte technische Reportage als Infoblatt (PDF) den QR-Code scannen oder zu finden unter: https://www.solare-waermenetze.de/mediathek/ wissensdatenbank-solare-waermenetze/ ERFAHRUNGSBERICHT: SOLARTHERMIE IM WÄRMENETZ Infoblatt Nr. 21 CO2-neutrales Wärmenetz. Eine Machbarkeitsstudie erarbeitete eine innovative Lösung, deren Umsetzung durch den Gemeinderat beschlossen wurde. Das Konzept fußt auf einer Kombination aus Erdwärmesonden und Solarthermie. Die geologische Besonderheit der Region, nahe des Hohenzollerngrabens, bietet optimale Voraussetzungen für die Nutzung von Erdwärme. Eine 7.000 Quadratmeter große Solarthermieanlage wird zukünftig rund zwei Drittel des jährlichen Wärmebedarfs abdecken, während ein großer Erdbeckenwärmespeicher die saisonalen Schwankungen ausgleicht und die Solarwärme in die Heizperiode speichert. Ergänzt wird das System durch 40 Erdwärmesonden und eine Wärmepumpe sowie eine zweite Wärmepumpe, die den saisonalen Wärmespeicher entlädt. So wird eine fossilfreie Wärmeerzeugung von insgesamt 95 Prozent ermöglicht. Lediglich 5 Prozent der Wärmebedarfs werden durch einen Biomethan befeuerten Gaskessel gedeckt, um eine zuverlässige Versorgung auch in Spitzenlastzeiten zu gewährleisten. Diese innovative Kombination aus erneuerbaren Energiequellen und effizienter Wärmebereitstellung zeigt, wie lokal angepasste Lösungen einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten können. In Regionen mit reichlich verfügbaren Holzhackschnitzeln können diese als attraktive Option dienen, insbesondere, wenn sie nachhaltig aus lokalen Wäldern stammen. Ein konkretes Pilotprojekt in Hennigsdorf betreibt eine Holzhackschnitzel-Anlage, die sogar Strom erzeugt. Jedoch ist zu bedenken, dass Holzhackschnitzel aufgrund begrenzter Ressourcen und steigender Nachfrage möglicherweise unwirtschaftlicher werden. Wenn Holzerzeugnisse ein Pfeiler des langfristigen Wärmekonzepts sein sollen, sollte die Kommune unbedingt mit den benachbarten Kommunen in Gesprächen abklären, inwieweit die lokalen Ressourcen für Alle reichen. Eine weitere Alternative ist der Einsatz von Großwärmepumpen, die eine externe Wärmequelle benötigen, wie beispielsweise Flüsse, Seen, Abwärme von Kläranlagen oder industrielle Abwärme. Die Verfügbarkeit von ausreichender Stromleistung und die Wirtschaftlichkeit der Strompreise sind entscheidende Faktoren bei der Nutzung von Wärmepumpen. Eine vollständige Dekarbonisierung von Gemeinden und Städten wird die Nutzung einer Vielzahl erneuerbarer Wärmequellen erfordern. Der wirtschaftlich optimale Mix hängt von den lokalen Gegebenheiten ab. Liefern Solarthermieanlagen wirtschaftlich attraktive Wärme? Die Wärmekosten belaufen sich je nach Anlage zwischen 55 und 60 Euro pro Megawattstunde, was etwa 5 bis 6 Cent pro Kilowattstunde vor Förderung entspricht. Davon gehen die Erleichterungen durch Förderung noch ab, z.B. die umfassende Förderung durch das BEW. Im Gegensatz zu anderen Energieträgern - fossile, aber auch Holzerzeugnisse - sind diese Wärmekosten für die Lebensdauer der Anlage im Voraus fest kalkulierbar. Je teurer die fossilen Energien, aber auch Holzerzeugnisse werden, desto besser wird die Wirtschaftlichkeit der Solarthermie. Ein weiteres Argument für den Einsatz von Solarthermie ist ihre dauerhafte lokale Verfügbarkeit und die damit verbundene Versorgungssicherheit. Zudem bleiben im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen die Investitionen innerhalb Deutschlands und der Region, was zur Stärkung der Wirtschaft vor Ort beiträgt. Gibt es Energieerzeugertypen, die aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen nicht sinnvoll mit solarthermischen Anlagen kombiniert werden können? Nein, grundsätzlich kann Solarthermie mit verschiedenen Technologien kombiniert werden, um eine zuverlässige und nachhaltige Wärmeversorgung über ein Wärmenetz zu gewährleisten. Die Entscheidung für den einen Technologiemix zur Wärmeversorgung fällt letzten Endes meist aus Wirtschaftlichkeitsgründen und der Flächenverfügbarkeit. Im Einfamilienhaussektor z.B. zeigt sich derzeit ein Trend hin zu Wärmepumpen in Verbindung mit Photovoltaikanlagen auf den Dächern. Für größere Systeme sind jedoch weitere Randbedingungen zu berücksichtigen. Photovoltaik erzeugt im Vergleich zu Ökologie in großen Solarthermieanlagen Zwischen und neben der Solarthermieanlage Ludwigsburg ist Raum für ökologische Vielfalt. Hier im Bild: Ein Teil des Eidechsenhabitats, das auch anderen Kleinlebewesen Lebensraum bietet - als Ausgleich für Auswirkungen anderer Bauprojekte; außerdem der rege genutzte Besuchersteg. Bild: Solites www.solare-wärmenetze.de Solarthermie auf derselben Fläche nur etwa ein Drittel bis ein Viertel der Energie in Form von Strom. Die Effizienz von Wärmepumpen hängt von der zu erreichenden Vorlauftemperatur ab, wobei höhere Temperaturen mehr Strom erfordern. Die Integration von Windstrom in Verbindung mit Wärmepumpen kann eine sinnvolle Option sein, insbesondere wenn der Windstrom kostengünstig und erneuerbar ist. Die Kombination von Photovoltaik und Wärmepumpen erfordert eine detaillierte Analyse des aktuellen Strommarktes, da Transportkosten und -gebühren die Wirtschaftlichkeit beeinflussen, insbesondere wenn die Photovoltaikanlage räumlich von der Wärmepumpe entfernt ist. Letztendlich müssen die Entscheidungen den spezifischen lokalen Gegebenheiten und der aktuellen Marktlage entsprechen. In einigen Fällen können getrennte Systeme für Strom- und Wärmeerzeugung wirtschaftlich vorteilhafter sein. Welche ökologischen Vorteile bieten Solarthermie-Freiflächenanlagen für Fernwärmenetze? In vielen Fällen wurden bisher ökologische Ausgleichsmaßnahmen von den Genehmigungsbehörden gefordert, wenn Solarthermieanlagen auf ehemaligen landwirtschaftlich genutzten Flächen installiert werden sollten. Tatsächlich ist die Fläche nach der Installation meist jedoch ökologisch wertvoller, inbesondere nach intensiver Landwirtschaftsnutzung. Anstelle von monotonen Ackerflächen entstehen Magerrasen-Flächen oder bunte Blumenwiesen. Die Beweidung mit Schafen ist eine zusätzliche Möglichkeit, um die Flächen ökologisch zu pflegen. Im Gegensatz zu Ziegen, die auf die Kollektoren klettern könnten, tragen Schafe zur Pflege der Fläche bei, ohne die Anlagen zu beschädigen. Darüber hinaus können Biotope geschaffen werden, die Lebensräume für verschiedene Tierarten bieten. Ein Beispiel hierfür ist die Integration von Lebensräumen für Zauneidechsen in Ludwigsburg, die infolge anderer Bauprojekte vertrieben wurden. Interessanterweise zeigt sich in der Praxis von laufenden Anlagen, dass die teilverschatteten Bereiche der Solarthermieanlagen unterhalb der Kollektoren im Jahresverlauf eine eigene Wertigkeit erhalten. In den vergangenen Dürresommern waren diese Bereiche grüner und vielfältiger bewachsen als die trockenen, sonnenbeschienenen Zwischenräume. Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund zunehmender Temperaturen und unvorhersehbarer Niederschläge von großem Interesse. Wichtig ist zu betonen, dass Freiflächen- Solarthermieanlagen keine Fläche „verbrauchen“ und nur minimal versiegeln - im Gegensatz zu konventionellen Bauwerken wie Heizkraftwerken. Solarthermie-Großkollektoren werden entweder aufgeständert oder mit Streifenfundamenten verankert. Trotz der technischen Natur der Anlagen sind Solarthermie-Freiflächenanlagen ökologisch vorteilhaft für die Gesamtfläche und liefern einen großen Beitrag zu einer nachhaltigen, treibhausgasneutralen Wärmeversorgung. Welche Rolle spielen große Wärmespeicher in Fernwärmesystemen mit Solarthermie? Wärmespeicher puffern Schwankungen in der Wärmeerzeugung ab. Wichtig ist: Wärmespeicher stellen nur ein Element im Gesamtsystem eines Wärmenetzes dar. Auch Wärmequellen, Netz und Abnehmer sind notwendig, um eine effiziente Wärmeversorgung sicherzustellen. Ob ein großer Wärmespeicher erforderlich ist, hängt vorrangig vom solaren Deckungsanteil, also vom Ertrag der Solarthermieanlage und dem Bedarf der Netzseite ab. Die sorgfältige Auslegung und Kombination mit anderen Wärmeerzeugern und Wärmespeichern ist dabei entscheidend: Das System muss jeweils auf die spezifischen Gegebenheiten vor Ort zugeschnitten sein. Ein Beispiel: In Leipzig entsteht derzeit die größte Solarthemieanlage Deutschlands mit einer geplanten Bruttokollektorfläche von 65.000 Quadratmetern. Die Anlage soll ca. 20 Prozent des sommerlichen Wärmebedarfs der Stadt Leipzig decken. Auf den jährlichen Wärmebedarf hochgerechnet sind das etwa zwei Prozent. Trotz der beträchtlichen Anlagengröße wird jedoch kein großer Wärmespeicher benötigt, da das Wärmenetz die Wärme zu jeder Zeit vollständig aufnimmt. Die schiere Größe der Solarthermieanlage diktiert also nicht, ob oder in welcher Größe ein Wärmespeicher vorgesehen werden muss. Vielmehr ist es der solare Kleinteilige Ökologie in Wärmekraftwerken? Möglich! Ein Blick unter die Solarkollekoren der Großanlage Lemgo zeigt: Hier ist keine Fläche versiegelt. Auch die teilverschatteten Bereiche sind ökologisch wertvoll. Bild: Solites Infoblatt Nr. 21 Deckungsanteil am Gesamtwärmebedarf: Soll der Solarertrag mehr als 15 Prozent der jährlich benötigten Wärme ausmachen, werden größere Speicher nötig. Wie findet die Kommune heraus, ob sie einen großen Wärmespeicher benötigen wird? Hilft dabei die kommunale Wärmeplanung? Grundsätzlich gilt: Ergebnis der kommunalen Wärmeplanung ist nicht die konkrete Empfehlung für eine Solarthermieanlage, einen Wärmespeicher oder andere Anlagen mit konkreten Spezifikationen, genausowenig wie deren Standorte. Stattdessen legt die Wärmeplanung lediglich fest, welche Siedlungsgebiete über ein Wärmenetz versorgt werden sollen und welche nicht. In einem weiteren Schritt muss die Kommune ermitteln, wie sie den Wärmebedarf für die Wärmenetze decken kann. Statt sofort umfassende Simulationen durchzuführen, kann zunächst eine grobe Analyse durchgeführt werden, um verschiedene Optionen für die Wärmeversorgung abzuschätzen. Hierbei werden mögliche Varianten betrachtet und grobe Kostenschätzungen der nötigen Investitionen erstellt, um ein Verständnis für die wirtschaftlich und technologisch aussichtsreichsten Ansätze zu erhalten. Dies kann durch fachkundige Beratung geschehen und erfordert in der Regel finanzielle Ressourcen. Die grobe Analyse umfasst eine Bewertung verschiedener Optionen wie Tiefengeothermie, Windenergie, oberflächennahe Geothermie und Freiflächensolarthermie. Dies ermöglicht es der Kommune, ein erstes Verständnis dafür zu entwickeln, welche Wärmeversorgungs- Optionen es wert sind, näher untersucht zu werden. Für die ausgewählten Optionen werden dann Fachpartner hinzugezogen, um detaillierte Simulationen und Entwicklungen durchzuführen. Auf diese Weise kann die Kommune besser verstehen, wie groß und kostspielig die ausgewählten Optionen tatsächlich sind, was einen schnellen Übergang von der Planung zur Realisierung ermöglicht. POTENZIAL FÜR KLIMASCHUTZ Die Online-Sprechstunden Solarthermie verdeutlichten die vielfältigen Potenziale dieser Technologie für eine nachhaltige Wärmeversorgung. Durch ihre effiziente Integration in Fernwärmenetze, ihre Versorgungssicherheit und Vielseitigkeit sowie ihre ökologischen Vorteile bietet Solarthermie eine attraktive Lösung für Kommunen und kommunale Akteure auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Wärmeversorgung. Kommunen können großflächige Solarthermieanlagen als einen vielversprechenden Baustein für die kommunale Wärmewende verstehen - im Zusammenspiel mit anderen erneuerbaren Erzeugern. IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen vom Projekt SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Solites Steinbeis Innovation gGmbh Redaktion: Deutsches Institut für Urbanistik (Difu), Paul Ratz, Solites, Anna Laura Ulrichs, Dirk Mangold Veröffentlichung: Mai 2024 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) PARTNER Beginnen Sie Ihre Wissensreise auf: https://www.solare-waermenetze.de oder starten Sie hier: FAQ zu Solarthermie in Wärmetzen 36 wesentliche Fragen und Antworten, um Kommunen und Stadtwerke zu unterstützen (Scan QR-Code) WIE GEHT ES IN IHRER KOMMUNE WEITER?

Anna Laura Ulrichs2024-06-25T15:13:54+02:00Freitag, 31. Mai, 2024|

Infoblatt Solare Wärmenetze Nr.20 Baden-Württemberg Solarcluster

www.solare-wärmenetze.de Infoblatt Nr. 20 Bei den solaren Wärmenetzen, also Nah- und Fernwärmenetzen, in die Solar thermieanlagen eingebunden sind, ist Baden-Württemberg Spitzenreiter unter den Bundesländern. 19 Anlagen mit über 60.000 Quadratmetern Kollektorfläche ernten im südwestlichen Bundesland thermische Solarenergie für Wärmenetze. Das ist mehr als ein Drittel der in ganz Deutschland registrierten Anlagen dieser Art. Clusterbildung über Jahrzehnte Das kommt nicht von ungefähr. Bei den solaren Wärmenetzen hat sich seit den frühen 2000er Jahren ein regionales Cluster gebildet. Neben Forschungsinstituten und innovativen Wärmenetzbetreibern umfasst es auch Hersteller. Über Jahrzehnte haben die Akteure eine stetige Unterstützung der jeweiligen Landesregierungen genossen. Hinzu kommt, dass Baden-Württemberg als erstes Bundesland bereits 2020 seine 104 größten Kommunen zu einer kommunale Wärmeplanung verpflichtet hat und zahlreiche kleinere Kommunen bei deren freiwilligen Wärmeplänen unterstützt. Der jüngste Schub bei den regenerativen Wärmenetzen, der auch die Solarthermie beflügelt, dürfte nicht zuletzt den örtlichen Diskursen um die Strategien der Wärmeversorgung als öffentlicher Daseinsvorsorge zu verdanken sein, die mit der Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung angestoßen worden sind. Erste solare Wärmenetze wurden im Ländle aber schon Anfang der 2000-er Jahre realisiert. Das waren für damalige Verhältnisse sehr anspruchsvolle Forschungs- und Demonstrationsanlagen, gefördert mit Bundesmitteln aus In Baden-Württemberg zeigt sich eine Häufung von solaren Wärmenetzen. Von frühen solarthermischen Demonstrationsanlagen über die Vorreiterrolle des Landes bei der kommunalen Wärmeplanung hat die Entwicklung inzwischen zu etlichen Solarenergiedörfern und städtischen Megawatt-Projekten geführt. SONNENCLUSTER IM „LÄNDLE“ BADEN-WÜRTTEMBERG IST BEI SOLARWÄRMENETZEN NR. 1 Seit 2013 versorgt diese Solaranlage mit rund 1100 Quadratmetern Kollektorfläche das deutsch-schweizerische Grenzdorf Büsingen. Die Anlage wurde seitdem zur vielfach nachgeahmten Blaupause für solare Wärmenetze im ländlichen Raum. Trendsetter: Büsingen Fotos: Guido Bröer Infoblatt Nr. 20 dem Programm Solarthermie 2000. Ihre Gemeinsamkeit: Es sollten in den ausgewählten, durchweg neuerrichteten Nahwärmesystemen solare Deckungsanteile von mehr als 50 Prozent erreicht werden. Dass das nur mit einer saisonalen Speicherung der Sommersonne für die dunklen Jahreszeiten möglich ist, liegt auf der Hand. Und so brachte das Programm nicht nur einen Entwicklungs schub für große Kollektorfelder, sondern wurde zugleich zur Initialzündung für verschiedene neue Typen von Großwärmespeichern. Ortsnamen aus dem Südwesten wie Neckarsulm, Crailsheim, Friedrichshafen, Eggenstein stehen bis heute in Fachkreisen für große Solarthermie. Die dortigen Pionieranlagen funktionieren ohne Ausnahme trotz einiger bei De monstrationsprojekten er wartbarer Kinderkrankheiten bis heute. So haben Monitoringprogramme an diesen Anlagen viel Erfahrungswissen gebracht, von dem die Branche heute profitiert. Der Markt tat sich schwer Gleichwohl hat sich nach diesen ersten sehr anspruchsvollen Projekten rund zehn Jahre lang in ganz Deutschland kein Markt für große Solarthermie-Systeme entwickelt. Solarthermie galt bestenfalls als exotisch, eigenwillig und teuer, während Fernwärmeversorger in Deutschland weiterhin auf Kraftwärmekopplung mit billigem Erdgas setzten. Die Wende kam erst ab Mitte der 2010-er Jahre, als das Ziel eines klimaneutralen Wärmesektors stär ker ins Bewusstsein von Politik, Öffentlichkeit und damit auch der Versorgerbranche drängte. Ein Meilenstein aus Sicht der Solarthermie war damals das Dorfwärmenetz im 1600-Einwohner-Ort Büsingen am Hochrhein. Das Bürgerenergieunternehmen Solarcomplex, das in der Bodenseeregion bereits mehrere Bioenergiedörfer auf Biogasbasis realisiert hatte, setzte hier erstmals auf die Kombination von Solarthermie mit Holzhackschnitzeln für die Wärmeversorgung. Hin ter grund war, dass Büsingen als baden-württembergische Gemeinde auf Schweizer Staatsgebiet liegt und deshalb für den Betrieb einer Biogasanlage kein Geschäftsmodell über das deutsche EEG zu realisieren gewesen wäre. Seit der Inbetriebnahme im Jahr 2013 entwickelte sich Büsingen zur Blaupause für eine ganze Reihe von auf lokale Wertschöpfung getrimmten Solardörfern – zunächst in der Bodenseeregion und dann auch anderswo. Derweil stieg auch im urbanen Raum das Interesse an der netzgebundenen Solarthermie als Baustein zur Dekarbonisierung bestehender Wärmenetze. Mit der 14.800-Quadratmeter-Kollektorfläche in Ludwigsburg-Kornwestheim (Foto Titelseite) war wiederum Baden-Württemberg seit 2020 für zwei Jahre Rekordhalter bei Solarthermieanlagen. Aktuell werden die Anlagen aber nicht nur größer, wie ein 29.000-Quadratmeter-Projekt in Bad Rappenau zeigt, sondern auch anspruchsvoller, was den prozentualen Anteil der Solardeckung betrifft. In Hechingen machen das die dortigen Stadtwerke mit Pioniergeist vor (Seite 4), indem sie für ein Neubaugebiet ein Wärmenetz mit 70 Prozent Solardeckung bauen. Dual-Use-Technik Solarthermie: Bad Rappenau Schon 2024 wird dieses Holzheizkraftwerk in Bad Rappenau durch die mit 29.000 Quadratmetern Kollektorfläche größte Flachkollektoranlage Deutschlands ergänzt. Die Anlage liefert nicht nur Fernwärme, sondern auch solare Prozesswärme für einen Futtermitteltrockner. Zugleich entlastet sie eine Biogasanlage von Aufgaben im Wärmenetz, sodass diese künftig ausschließlich Biomethan herstellen kann. Meilenstein: Crailsheim Das in mehreren Bauabschnitten ab 2003 in Betrieb genommene Vorzeigeprojekt der Stadtwerke Crailsheim markiert den Übergang von Demonstrationsanlagen zu wirtschaftlichen Solarwärmenetzen in Deutschland. Das Kollektorfeld auf einem Erdwall ermöglicht dank eines ausgeklügelten Speichersystems einen solaren Deckungsgrad von 50 Prozent und zeigt die Vereinbarkeit mit Naturschutz. www.solare-wärmenetze.de Die Energieagentur Kreis Ludwigsburg (LEA) betreut Städte und Gemeinden bei der Wärmeplanung. Raphael Gruseck, Kommunalberater der LEA, erklärt, welche Rolle große Solarthermieanlagen dabei spielen können. Was heißt kommunale Wärmeplanung? Ab diesem Jahr müssen alle Kommunen eine Wärmeplanung erstellen. Dabei wird die gesamte Kommune betrachtet, um eine klimaneutrale Wärmeversorgung sicherzustellen. Es geht weniger um einzelne Gebäude, sondern um das große Ganze: Wie kann der gesamte Ort klimaneutral mit Wärme versorgt werden. Entscheidender Schritt ist die Ermittlung, wo sich Wärmenetze eignen und in welchen Gebieten hingegen eine dezentrale Versorgung von Vorteil ist, die dann auf kurz oder lang zumeist durch Luftwärmepumpen erfolgen wird. Welchen Nutzen haben Bürger:innen von der kommunalen Wärmeplanung? Viele Gebäudeigentümer:innen denken ak tuell über ihre zukünftige Heizung nach. Durch die kommunale Wärmeplanung können Kommunen Ihren Bürger:innen Planungssicherheit bie ten, wo Wärmenetze entstehen werden und wo nicht. Welche Wärmequellen eignen sich für Wärmenetze? Je nach Kommune variieren die verfügbaren Wärmequellen. Wir betreuen beispielsweise einige Kommunen am Neckar, dort eignen sich Flusswärmepumpen sehr gut. Wo es solche Potenziale nicht gibt, ist Solarthermie neben Luftwärmepumpe und gegebenenfalls Abwärme und Geothermie eine wichtige erneuerbare Quelle für Wärmenetze. Als Energieagentur Kreis Ludwigsburg unterstützen wir viele Kommunen im Land kreis bei der Erstellung ihrer Wärmeplanung. Solare Wärme ist dabei eines der wenigen Potenziale, das bei nahezu allen Kommunen in ausreichendem Um fang vorhanden ist. Somit ist es ein wichtiges für Wärmenetze. Solarthermieanlagen werden deshalb künftig eine größere Rolle spielen. Wie groß sollte ein Kollektorfeld sein? Kleinere Solarthermieanlagen haben höhere spezifische Kosten. Für Freiflächenanlagen sind ausreichend große Wärme- oder Gebäudenetze notwendig, damit sie wirtschaftlich werden. Kleinere Anlagen können auch auf Schuldächern oder Turnhallen gebaut werden. Richtig interessant wird Solarthermie aber, wenn die Wärme im Sommer gespeichert und im Winter genutzt werden kann. Dafür sind saisonale Wärmespeicher die gute Möglichkeit. In Verbindung mit solchen Speichern können Solarthermieanlagen 50 bis 90 Prozent des Jahreswärmebedarfs abdecken. Sind große Solarthermieanlagen wettbewerbsfähig? Solarthermieanlagen liefern langfristig Wärme zu einem konstanten Preis unabhängig von der Inflationsrate. Ihre Wirtschaftlichkeit hängt von der Verfügbarkeit andere Wärmepotentiale und der Renditeerwartung des Betreibers ab. Trotz hoher Investionskosten kann Solarthermie langfristig wettbewerbsfähige Wärmepreise sichern. Bietet Biomasse nicht wesentlich mehr Versorgungssicherheit als Solarwärme? Biomasse ist begrenzt und wird für an dere Zwecke benö tigt, zum Beispiel für Hochtemperaturpro zesse oder zur stofflichen Nutzung. Für die Erzeugung von Raumwärme ist deshalb von einem geringeren Angebot und höheren Preisen auszugehen. Dagegen weist Solarthermie große Ausbaupotentiale auf und hat eine sehr hohe Flächeneffizienz. Hausbesitzer sorgen sich, mit Fernwärme ihre Unabhängigkeit zu verlieren. Die Frage ist nicht, ob man sich abhängig macht, sondern von wem. Kommunen soll ten frühzeitig Strategien für ihre Wär meversor gung entwickeln. Sie sollten darüber diskutieren, inwieweit sie die Wär meversorgung als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge betreiben – ähnlich wie sie bereits heute Wasser- oder Ab was serversorgung als kommunale Da seinsvorsorge betreiben. Solarthermieanlagen können jedenfalls langfristig stabile Preise sichern – sie verringern die Abhängigkeit von internationalen Energiemärkten mit großen Preissprüngen und sind eine gute Option für eine nachhaltige Wärmeversorgung. INTERVIEW: RAPHAEL GRUSECK Infoblatt Nr. 20 IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen vom Projekt SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Solites Steinbeis Innovation gGmbh Redaktion + Text: Guido Bröer, Solarthemen Veröffentlichung:Mai 2024 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt beim Autor und der Herausgeberin. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch Autor und Herausgeberin übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) PARTNER Die Stadtwerke Hechingen bauen für das Neubaugebiet Killberg IV ein Wärmenetz, das es in sich hat. Schon allein das Ziel, 70 Prozent des Jahreswärmebedarfs von einer Solarthermieanlage decken zu lassen, ist sportlich. Möglich macht das ein ausgeklügeltes Wärmeversorgungskonzept. Denn die im Sommer geerntete Solarenergie gilt es, bis in den Winter zu bevorraten und dann effizient zu nutzen. In einer Erddeponie wird ein Erdbecken-Wärmespeicher platziert, der 18.000 Ku bik meter Wasser fasst. Die Form des Speichers wurde dem aus der Umge bung herausragenden Erdhügel angepasst und dieser bereits seit 2020 so verdichtet, dass er den statischen Anforderungen seiner späteren Zweitnutzung als Energiespeicher gerecht werden kann. Kollektorfeld am Speicherhang Am Südhang des Speicherhügels sollen die Solarkollektoren mit 7600 Quadratmetern Bruttokollektorfläche Platz finden. So fügt sich das Kollektorfeld optisch gut in die vorhandenen Strukturen ein und spart nebenbei auch Grund fläche. Als zweite erneuerbare Wärmequelle neben der Solarthermie sieht das Energiekonzept für das Wärmenetz oberflächennahe Geothermie vor. Ein Erdsondenfeld mit 40 Sonden von jeweils 172 Meter Tiefe trägt vor allem in der Heizperiode zur Wärmeversorgung für das Neubaugebiet bei. Im Sommer wird das Erdsondenfeld mit Solarenergie rege ne riert, indem ein Teil des Rücklaufs des zu dieser Jahreszeit vollständig sonnengespeisten Wärmenetzes durch die Sonden geleitet wird. Übers Gesamtjahr gerech net, beträgt der Deckungsanteil der Erdsonden-gekoppelten Wärmepumpe 12 Prozent am Netzwärmebedarf Eine zentrale Rolle für das Zusammenspiel der Energiequellen Sonne und Geothermie spielen zwei mit Ökostrom betriebene Wärmepumpen. Sie kommen zum Einsatz, wenn im Winter die Temperatur der gespeicherten Solarwärme nicht mehr hoch genug ist, um das Netz direkt zu versorgen. Die eine Wärmepumpe mit 300 kW Heizleistung ist mit dem Erdsondenfeld gekoppelt und nutzt dessen Energie, um die Rücklauftemperatur des Wärmenetzes anzuheben. Die zweite Wär me pumpe mit 500 kW entnimmt im Winter Wärme aus dem Erdbecken-Wärmespeicher und bringt diese auf die vom Vorlauf des Netzes benötigte Temperatur von 68 Grad Celsius. Nur bei extremer Witterung sollen drei Biomethan-Spitzenlastkessel un ter stützen, die ansonsten nur als Redundanzkessel bereit stehen. Hechingen: Komplexes Wärmeversorgungssystem mit 70 Prozent Solardeckung Der Erdbecken-Wärmespeicher in Hechingen wird in eine vorhandene Erddeponie integriert. Die Bauarbeiten am Speicher sind im Frühjahr 2024 weit fortgeschritten. Foto: Stadtwerke Hechingen

Anna Laura Ulrichs2024-05-30T16:11:39+02:00Donnerstag, 30. Mai, 2024|

Klimahacks #3 Freiflächen-Solarthermie für Kommunen – Hinweise und Handlungsempfehlungen

Die Solarthermie hat sich in Deutschland zu einer wichtigen Säule der Wärmeversorgung entwickelt, insbesondere in städtischen Fernwärmenetzen und ländlichen Gemeinden. Früher wurden solche Anlagen oft nur als Ergänzung betrachtet, um den Verbrauch konventioneller Brennstoffe zu senken. Doch die Zeiten haben sich geändert. Angesichts des Ziels einer vollständig klimaneutralen Wärmeerzeugung bis 2045 müssen neue Investitionen bereits heute zur Versorgungssicherheit beitragen. Insbesondere die Energiekrise von 2022, mit ihren explodierenden Erdgaspreisen, hat das Interesse an erneuerbaren und lokalen Wärmequellen deutlich gesteigert. Fakt ist, Freiflächen-Solarthermieanlagen sind bereits seit vielen Jahren erfolgreich im Einsatz. Sie bieten nicht nur langfristig kalkulierbare Kosten pro Kilowattstunde, sondern erzeugen auch den höchsten Energieertrag pro Fläche im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien. Vor allem die Flexibilität und Vielseitigkeit der Technologie macht die Solarthermie zu einer wertvollen Komponente im Fernwärme- Mix. Um ihre Integration in Wärmenetze zu optimieren, spielen Wärmespeicher zukünftig eine immer wichtigere Rolle. Diese Speicher gleichen die fluktuierende Energieerzeugung der Solarthermie aus und verbessern gleichzeitig die Effizienz anderer Erzeuger wie Holzkessel, Wärmepumpen und Geothermieanlagen. Auch in anderen Städten und Gemeinden nehmen Freiflächen- Solarthermieprojekte an Größe und Bedeutung zu. Die Anlagen werden nicht nur größer, sondern decken auch einen immer größeren Anteil des Wärmebedarfs ab, wie beispielsweise in Lemgo, Ludwigsburg, oder Greifswald und zukünftig auch in Bad Rappenau und Leipzig. Auch die Integration von Wärmespeichern schreitet voran, wie die derzeitigen Bauvorhaben in Hechingen im Zollernalbkreis und 2 | #KLIMAHACKS: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR KOMMUNEN – HINWEISE UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN in Bracht, Nordhessen, zeigen. In Bracht baut eine Bürgerenergiegenossenschaft eine Solarthermieanlage mit einem 13.000 m2 großen Kollektorfeld und einem knapp 27.000 m3 großen Erdbecken-Wärmespeicher. Mit einer solchen Kombination soll der lokale Wärmebedarf zu einem Großteil aus erneuerbaren, emissionsfreien Quellen gedeckt werden. Die Entwicklung der Solarthermie in Deutschland zeigt deutlich, dass diese Technologie nicht nur eine nachhaltige Alternative ist, sondern auch eine Schlüsselrolle in der kommunalen Wärmeversorgung spielen kann. Um diesen Trend zu fördern, erhalten Kommunen mit dieser #Klimahacks- Ausgabe wichtige Hinweise zur Umsetzung von Freiflächen- Solarthermie. Dabei werden u.a. Themen wie die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen, verschiedene Betreibermodelle, die Suche nach Unterstützer*innen und geeigneten Flächen sowie die Vorteile und Möglichkeiten der Solarthermie in Wärmenetzen behandelt. / DIE ZUKUNFT DER FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIEANLAGEN EFFIZIENZ UND VIELSEITIGKEIT: WEITERFÜHRENDE LINKS News, Veranstaltungen, Erfahrungsberichte u.v.m. zu solaren Wärmenetzen: https://www.solare-waermenetze.de Infoblatt zur Solarthermie in Kombination mit anderen Wärmeerzeugern (SolnetPlus, 2024): https://t1p.de/i96h6 Infoblatt zur solaren Wärmeversorgung in Bracht (SolnetPlus, 2024): https://t1p.de/oqqms Kurzfilm über den Bau des Wärmespeichers in Bracht: https://t1p.de/du6j8 Informationsportal der Stadtwerke Leipzig zur Freiflächen- Solarthermieanlage: https://t1p.de/1ccyr Infos und Video des SWR zur Wärmeversorgung für Hechingen: https://t1p.de/rzqrp Das Kollektorfeld des iKWK-Systems der Stadtwerke Lemgo.

Anna Laura Ulrichs2024-06-25T15:27:41+02:00Mittwoch, 29. Mai, 2024|

Handbuch Genehmigung von Freiflächen-Solarthermieanlagen

HANDBUCH – GENEHMIGUNG VON FREIFLÄCHEN SOLARTHERMIEANLAGEN Hamburg, 28.05.2024 Version 1 vom 28.05.2024 Autor*innen: Felix Landsberg, Marleen Greenberg 2 Dieses Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages unter dem Förderkennzeichen 67KF0119C gefördert. Das Handbuch erhebt keinen Anspruch auf rechtliche Vollständigkeit oder Richtigkeit bezüglich der Genehmigungsverfahren, sondern dient lediglich als praxisnahe Richtschnur entlang der Flächensuche bis zur Umsetzung. INHALT 1 Einleitung ....................................................................................................................... 1 2 Vor dem Genehmigungsprozess ................................................................................... 1 2.1 Projektorganisation und Betriebsmodell ............................................................... 1 2.2 Politik und Öffentlichkeit ....................................................................................... 1 2.3 Flächensuche ....................................................................................................... 2 2.3.1 Strukturierte Flächenanalyse ........................................................................... 3 2.3.2 Flächenkonkurrenz Photovoltaik vs. Solarthermie........................................... 5 2.3.3 Vorteilhaftigkeit von solarer Nutzung ............................................................... 5 2.3.4 Finanzielle Teilhabe im Rahmen interkommunaler Konzepte ......................... 6 2.3.5 Wiedervernässung von Mooren ....................................................................... 6 2.4 Ablauf des Genehmigungsverfahrens und Meilensteine ..................................... 6 2.4.1 Genehmigung als privilegiertes Vorhaben nach §35 BauGB .......................... 7 3 Beginn des Genehmigungsprozesses ........................................................................... 8 3.1 Behördenkontakt .................................................................................................. 8 3.2 Auflagen, benötigte Gutachten und Formulare .................................................... 8 3.3 Finanzierung ......................................................................................................... 9 3.4 Kompensation .................................................................................................... 10 4 Nach der Genehmigung ............................................................................................... 10 4.1 Ausschreibung .................................................................................................... 10 5 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................. 11 1 1 EINLEITUNG Im Rahmen des Forschungsprojekts SolnetPlus wurden 2021 und 2022 über 20 Interviews mit Behörden und Projektierenden geführt, die an der Planung und Genehmigung von Freiflächen-Solarthermieanlagen beteiligt waren. Ziel der Interviews war es, den Stand der Genehmigungspraxis bundesweit aufzunehmen. Durch die hälftige Aufteilung zwischen Behörden und Projektierenden konnte der Blick auf den Genehmigungsprozess von beiden Seiten aufgenommen und analysiert werden. Die Ergebnisse der Interviews wurden in den „DIFU Berichten“ veröffentlicht und die aufgenommenen Hemmnisse so weit wie möglich mit Lösungsansätzen belegt. Die Lösungsansätze wurden in Form von Stellungnahmen an die entsprechenden Planungsbehörden versandt und durch (öffentliche) Vorträge in Richtung der Projektierenden und Behörden zurückgespielt. In diesem Leitfaden sind die Erkenntnisse aus den 20 Interviews für alle Beteiligten, vor allem aber die Projektinitiator*innen zusammengefasst. Das Papier soll diese bei der Vorbereitung und Umsetzung des Genehmigungsprozesses unterstützen, insbesondere bei der Strukturierung und Vorbereitung der potenziellen inhaltlichen Anforderungen im Rahmen des Genehmigungsprozesses. Durch ein angepasstes und frühzeitig aufgesetztes Timing sollen Flaschenhälse zukünftig soweit wie möglich vermieden werden. Grundlagen zur Technik und Planung finden sich in den FAQ und der Wissensdatenbank mit zahlreichen aufbereiteten Medien rund um die Freiflächen-Solarthermie. 2 VOR DEM GENEHMIGUNGSPROZESS 2.1 Projektorganisation und Betriebsmodell Zu Beginn sollte klar sein, welches Betriebsmodell für den Standort bzw. den verfolgten Zweck das beste ist. In vielen Fällen wird die Solarthermieanlage durch die örtlichen Stadtwerke oder den örtlichen Wärmenetzbetrieb geplant, wenn schon ein Bestandsnetz vorhanden ist. Weitere Optionen bieten lokale Genossenschaften oder auch Zweckverbände. An dieser Stelle sollte auch mitgedacht bzw. geprüft werden, ob eine Kooperation mit der angrenzenden Gemeinde sinnvoll sein könnte und unter welchem Betriebsmodell sich die Kooperation mehrerer Gemeinden, je nach individueller Konstellation, am besten umsetzen lässt. In den Ausarbeitungen der dena und der Energieagentur Rheinland-Pfalz sind anschauliche Beispiele und Basiswissen zu den unterschiedlichen Betriebsmodellen zusammengefasst. In einigen bekannten Fällen wurden große Ankerkunden nicht nur als Kunden in das Projekt eingebunden, sondern bekamen auch die Möglichkeit, sich als Gesellschafter*innen finanziell zu beteiligen und mitzubestimmen. Die direkte Mitbestimmung wurde in einem Fall durch die Stellung einer Geschäftsführung je Kerngesellschafter*in sichergestellt. Sollen auch ordnungsrechtliche Instrumente, wie beispielsweise Anschlussgebote, eingebunden werden, sollte auch eine mögliche kommunale Beteiligung im Betriebsmodell frühzeitig mitgedacht werden, um diese Instrumente rechtssicher einsetzen zu können. 2.2 Politik und Öffentlichkeit Vor Beginn des Genehmigungsprozesses sollte analysiert werden, wie der öffentliche und politische Dialog bezüglich Erneuerbarer Energien bisher geführt wurde, wofür es Mehrheiten und wo es eher Bedenken gibt. Ausschlaggebend für die erfolgreiche Umsetzung der Projektidee war in einigen Fällen, dass der politische 2 Rückhalt gegeben war und dadurch Hemmnisse oder auch Bedenken bei den Behörden besser gelöst werden konnten. Um diesen Rückhalt in der Politik und Öffentlichkeit zu erlangen, kann es sinnvoll sein, das Projekt in eine langfristige Strategie einzubinden, die nachvollziehbar darstellt, welches langfristige Ziel verfolgt wird und warum dieses Projekt ein wichtiger Baustein ist. Geeignet können sein: Machbarkeitsstudien/ Transformationspläne nach BEW, Kommunale Wärmeplanung, Klimaschutzkonzepte oder Solarstrategien, die allesamt unter Beteiligung lokaler Interessenvertretungen erstellt wurden. Die Studien bzw. die Methodik und Kernergebnisse der Studien sollten dafür für die Öffentlichkeit aufbereitet und proaktiv, ggf. auch im Rahmen eines Bürger*innendialogs, kommuniziert werden. Es sollte frühzeitig transparent dargelegt werden, warum für das Projekt eine neue Freifläche genutzt werden muss und z.B. nicht einfach vorhandene Dachflächen genutzt werden können. Hier gilt es, die Vor- und Nachteile der Freiflächennutzung aufzubereiten und die solaren Potenziale (Solarthermie und Photovoltaik) den (zukünftigen) Bedarfen im Gemeindegebiet gegenüberzustellen. In einem Projekt wurde sich darauf geeinigt, die solarthermische Anlage in der Freifläche zu bauen und gleichzeitig möglichst viele Dächer mit Photovoltaik zu belegen. Wenn es einen breiten Konsens zur Sinnhaftigkeit des Projekts gibt, kann es der Politik leichter fallen, Flächen bereitzustellen und das Projekt während der Genehmigungsphase durch die Teilnahme an Austauschrunden auf Entscheidungsebene zu beschleunigen. Gegebenenfalls notwendige, aber unpopuläre Maßnahmen wie u.a. Baumfällungen sollten auch im Rahmen der übergeordneten Strategie nachvollziehbar erläutert werden. In einigen Projekten hatte die öffentliche Baumfällung zu Verzögerungen geführt, auch wenn Ersatzpflanzungen schon geplant waren. Im Rahmen der Gesamtstrategie sollte nicht nur der positive Effekt auf das Klima bzw. die Energieerzeugung hervorgehoben werden, sondern auch der Effekt auf die lokale Wertschöpfung. Kommunale Unternehmen können durch den kommunalen Betrieb des Netzes bzw. der Anlage profitieren. Das regionale Handwerk wie Dachdeckung, Fassadenbau, Metallbau, Tiefbau und Heizungstechnik profitiert, wenn über den Generalunternehmer einzelne Gewerke ausgeschrieben werden. Laut Aussagen in Interviews (wenn Infos vorhanden), wurden 25 % bis 50 % der Auftragssumme an lokale Firmen vergeben. Soll auch ein Biomasseheizwerk genutzt werden, kann zusätzlich der regionale Biomassemarkt profitieren. 2.3 Flächensuche Für die Standortsuche empfiehlt es sich, eine strukturierte Flächenanalyse durchzuführen und die Verwaltung, Öffentlichkeit und Politik schon bei der Standortwahl einzubeziehen. Neben dem Ort der Anlage kann im Rahmen des Prozesses auch geklärt werden, wie die Anlage bzw. die Umgebung der Anlage gestaltet werden soll. Ziel ist es, einen Flächenpool zu schaffen, der dabei unterstützt, Flächen gegeneinander abzuwägen und Ausweichoptionen bietet, falls es u.a. bei der Flächenakquise zu nicht-lösbaren Hindernissen kommt. 3 Abbildung 1: Hintergrund - strukturierte Flächenanalyse 2.3.1 Strukturierte Flächenanalyse Bei der Flächensuche gelten die übergeordneten Vorgaben des Landes (Landesentwicklungsplan - LEP, Landesraumordnungsprogramm - LROP oder Planungshilfen) und der Regionalplanung (Regionales Raumordnungsprogramm - RROP, Regionalplan - RP). Weitere Infos sind im Infoblatt Nr. 15 in der Wissensdatenbank zu finden. Besonders vorteilhaft sind Flächen, die sich schon in kommunaler Hand befinden und von der Kommune gepachtet oder gekauft werden können. Diese Flächen sollten in der Analyse besonders geprüft und die Eigentumsverhältnisse in der Abwägung zu anderen Flächen beachtet werden. Um die Projektfläche zu sichern, können vor Beginn des Genehmigungsprozesses Pacht- oder Kaufverträge mit aufschiebender Wirkung vereinbart werden. Die Fälligkeit der ersten Zahlungen ist dann an die Baugenehmigung bzw. den Baubeginn geknüpft. Falls gegeben, sollte die Konkurrenz zu landwirtschaftlichen Flächen im Prozess frühzeitig angesprochen und adressiert werden. Im Rahmen der Abwägung kann geklärt werden, ob es andere Flächen mit besserer Eignung gibt und wie die Auswirkungen für die Landwirtschaft gemeinsam minimiert werden können. Besonders die genaue Art der landwirtschaftlichen Nutzung sollte in der Abwägung aufgenommen werden. So sind Weiden und Blühwiesen anders einzuordnen als Monokulturen wie Maisfelder. Auch die Auswirkungen der Düngung von Feldern auf das Grundwasser oder anliegende Gewässer gegenüber einer solarthermischen Nutzung ohne Einträge ins Erdreich kann in der Abwägung aufgenommen werden. Die Sorgen um die Auswirkungen auf das Landschaftsbild können ebenfalls ein Kriterium bei der Standortwahl sein. In einem Projekt konnten die Bedenken durch den Besuch einer Anlage in Dänemark gemildert werden. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland eine Vielzahl an Anlagen in unterschiedlichen Regionen, die 4 gemeinsam besucht werden können, um die optische Wirkung erleben zu können. Eine Landkarte Solarthermischer Anlagen findet sich hier. Zudem kann eine Einhegung helfen, die optische Wirkung zu verringern. Außerdem können Verzögerungen im Bauleitverfahren vermieden werden, indem auch Umweltverbände umfassend an der Flächensuche beteiligt werden. Bedenken, die erst im Rahmen der förmlichen Beteiligung aufkamen und erst dann adressiert werden konnten, führten in einem Verfahren zu einer weiteren öffentlichen Auslegung inklusive der gesetzlichen Fristen und damit zu einer erheblichen Verzögerung des Zeitplans. Abbildung 2: Beispielhaftes Priorisierungsschema Die folgende Liste ist nicht abschließend, sondern je nach Vorgaben vom Land, des Landkreises / der Region, der unteren Behörden und lokalen Anforderungen und Zielsetzungen anzupassen. Positiv Kriterien (beispielhaft): • Versiegelte Flächen • Flächen in räumlicher Nähe zu Schienenwegen / Bundesautobahnen o In vielen Landesvorgaben enthalten, angelehnt an Vorgaben des EEG für PV o für Solarthermie nicht zwingend geeignet • Flächen in räumlicher Nähe zu Siedlungsbereichen / Gewerbegebieten o für Solarthermie sinnvoll • Flächen im festzulegenden Radius von Wärmenetzen o für Solarthermie sinnvoll o Radius je nach Flächengröße / Kapazität des Netzes Weiche Tabus (beispielhaft): • Landschaftsschutzgebiete • Kompensationsflächen • Biotopverbünde 5 Harte Tabus (beispielhaft): • Naturschutzgebiete • Wald • Geschütze Biotope • Schwerpunktbereiche Biotopverbünde Wie die Anlage bzw. deren Umgebung möglichst vorteilhaft gestaltetet werden soll, kann in der Analyse gemeinsam mit Verbänden, Vereinen und der Verwaltung geklärt werden. In manchen Fällen sind Lehrpfäde und Aussichtsplattformen umgesetzt – in anderen Fällen eine möglichst naturnahe Gestaltung mit Blühwiesen und Kleinhabitaten. Weitere Infos zu Gestaltungsarten, die die Biodiversität fördern, finden Sie hier. Die Art der Gestaltung (wie z.B. der Einsatz regionaler Blütenmischungen) hat in der derzeitigen Praxis allerdings nicht zwingend Einfluss darauf, wie hoch der Kompensationsbedarf ausfällt. Aus einem Projekt ist bekannt, dass durch die Änderung der Nutzungsform in Richtung der Solarthermie mit angepasster Bewirtschaftung Ökokontopunkte erwirtschaftet werden konnten. Diese Einordnung ist zum derzeitigen Stand allerdings als Einzelfall einzustufen. Bevor der Genehmigungsprozess angeschoben wird, sollte die Flächensicherung geklärt sein. So könnten Pachtverträge mit aufschiebender Wirkung aufgesetzt werden, die erst mit Baubeginn Pachtzahlungen auslösen. 2.3.2 Flächenkonkurrenz Photovoltaik vs. Solarthermie Bei der Energieversorgung gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Freiflächenanlagen mit PV und Solarthermie. Die Erzeugung von Strom mit PV ist deutlich weniger auf eine räumliche Nähe zu Siedlungen angewiesen. Strom kann kostengünstig über das Stromnetz und ggf. neu zu verlegende Stromkabel über weite Strecken ohne nennenswerte Verluste übertragen werden. Solare Wärme muss hingegen in unmittelbarer Nähe von ihrem Verbrauch erzeugt werden, da Transportleitungen sehr viel teurer sind und der Transport mit höheren Verlusten einhergeht. In die planerische Abwägung ist daher einzubeziehen, dass der Ortsbezug von Solarthermie-Freiflächenanlagen (FFA) sehr hoch ist, bei PV-Anlagen hingegen gering. Der von Kommunen zu wählende Suchraum für Flächen für Solarthermie-FFA ist somit deutlich begrenzter als beim PV-FFA. Dies führt auch dazu, dass Solarthermie-Anlagen im Rahmen der Abwägung anders zu behandeln sind als PV-FFA. Insbesondere können erstere nicht auf weit entfernt liegende Flächen verwiesen werden, die für PV-FFA womöglich noch wirtschaftlich wären, nicht jedoch für Solarthermie. 2.3.3 Vorteilhaftigkeit von solarer Nutzung Nicht immer konkurriert die solare Nutzung mit Flächen, die auf eine landwirtschaftliche Nutzung zugeschnitten sind. In bestimmten Bereichen kann es durch Schadstoffe (PFC oder PAK) zu einer eingeschränkten Futter- oder Nahrungsmittelproduktion kommen. Zusätzlich können Flächen mit Bewirtschaftungseinschränkungen im Rahmen von Grundwasserschutzmaßnahmen belegt sein. Eine solare Nutzung auf diesen Flächen könnte die Einträge von Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln verringern. In Baden-Württemberg wurden diese Punkte im Dokument „Hinweise zum Ausbau von Photovoltaik-Freiflächenanlagen“ aufbereitet. Die Bereiche mit bekannten Schadstoffbelastungen könnten als „besonders geeignet“ eingeordnet werden. Solare Nutzung in Wasserschutzgebieten kann durch eine extensivere Nutzung, je nach Art der vorherigen Nutzung der Böden, als vorteilhaft eingestuft werden, wenn keine intensive Bewirtschaftung der Oberfläche stattfindet. 6 2.3.4 Finanzielle Teilhabe im Rahmen interkommunaler Konzepte Um die Akzeptanz der Projekte zu steigern, ist es von Vorteil, lokale Beteiligungsmöglichkeiten oder Ausgleiche zu schaffen – insbesondere bei Planungen, die das Gebiet mehrerer Gemeinden umfassen, räumlich auf weite Teile der Region wirken und nicht nur lokal beschränkt sind. Zu diesem Punkt gibt es aus den „Rahmenbedingungen für PV-Freiflächenanlagen“ der Energieagentur Rheinland-Pfalz anschauliche Ausführungen zu möglichen Ausgestaltungskonzepten und Hintergründen, um berechtigten Diskussionen auf Basis von Argumenten wie „eine Gemeinde erhält die Einnahmen, alle anderen sehen die Anlagen“ vorzubeugen. 2.3.5 Wiedervernässung von Mooren Um die Flächenkonkurrenz zwischen solarer Nutzung (Photovoltaik und Solarthermie) zu entschärfen, sollte der Lösungsraum an nutzbaren Flächen so weit wie möglich gefasst werden. Neben dem direkten Nutzen durch die Energieerzeugung vor Ort (Strom oder Wärme) kann das wiedervernässte Moor als Kohlenstoffsenke dienen. Neben der Information, dass Ackerflächen unter den intensiven Bewirtschaftungsformen einen ungünstigen Lebensraum darstellen, kann erläutert werden, dass Flächen, die sich zur Wiedervernässung eignen, in besonderem Maße für eine Extensivierung der Bodennutzung durch Solaranlagen geeignet sind und mit einem entsprechenden Konzept zur Wiedervernässung geplant werden sollten. Aktuelle Empfehlungen zur Umsetzung wurden u.a. vom Greifswald Moor Centrum veröffentlicht. 2.4 Ablauf des Genehmigungsverfahrens und Meilensteine In der Regel ist nach aktuellem Stand das Durchlaufen eines Bauleitplanverfahrens erforderlich. Im Rahmen des Verfahrens wird zu Beginn durch die Kommunalpolitik über den Aufstellungsbeschluss entschieden. Bei positiver Entscheidung durchläuft das Verfahren die in Abbildung 3 dargestellten Meilensteine. Sind alle Anforderungen erfüllt und Rückmeldungen ausreichend einbezogen, wird das Verfahren inhaltlich mit dem Feststellungs- bzw. Satzungsbeschluss abgeschlossen. Es folgen Formalien wie u.a. die Veröffentlichung im Internet. Wird das Projekt als privilegiertes Verfahren nach §35 BauGB eingestuft, entfällt die Notwendigkeit zur Durchführung eines Bauleitplanverfahrens, um die Baugenehmigung zu erhalten. Nach aktuellem Stand birgt die Berufung auf die Privilegierung hohe rechtliche Unsicherheit, da kein Urteilsspruch zur Auslegung der Kriterien im §35 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit solarthermischer Nutzung bekannt ist. 7 Abbildung 3: Ablauf und Meilensteine des Bauleitplanverfahrens 2.4.1 Genehmigung als privilegiertes Vorhaben nach §35 BauGB In einigen Fällen wurde die Anlage als Privilegiertes Vorhaben nach §35 Abs. 1 BauGB eingestuft und musste deshalb kein Bauleitplanverfahren durchlaufen, was mit einem nicht unerheblichen Zeitgewinn verbunden ist. Bisher gibt es keine eindeutige Rechtssprechung, ob die Privilegierung mit Berufung auf die allgemeinen gehaltenen Tatbestände für alle solarthermischen Freiflächenanlagen anzuwenden ist. In den bekannten Fällen waren weitere (bestehende) Wärmeerzeugungseinheiten der ausschlaggebende Punkt, um das Kriterium der „Ortsgebundenheit“ nach §35 Abs. 1 BauGB zu erfüllen. Ob eine Genehmigung nach §35 BauGB Abs. 1 möglich ist, kann im Projekt in Absprache mit dem Bauamt geprüft werden. Nach aktueller Einschätzung birgt die Einstufung ein Risiko, das nur durch den Weg über das Bauleitplanverfahren entschärft werden kann. 8 3 BEGINN DES GENEHMIGUNGSPROZESSES 3.1 Behördenkontakt Im ersten Schritt sollte geklärt werden, welche Behörden und Personen eingebunden werden müssen. Es wird empfohlen, zu Beginn einen Projektkreis mit allen zu beteiligenden Ämtern aufzusetzen und zu einigen Terminen auch die Politik einzuladen. Im besten Fall kann auf Behördenseite eine interne Koordination bzw. eine Ansprechperson zur Verfügung gestellt werden, die alle Anfragen sammelt und an die richtigen Stellen weiterleiten kann. Eingebunden werden können: • Klimaschutzmanagement • Stadtplanungsamt, • untere Naturschutzbehörde • Bauamt • Gemeindevertretung • Wasserschutzbehörde (je nach Lage) • Lokale Naturschutzverbände (je nach Lage) • Landwirtschaftsvertretung (je nach Fläche) • Landes- oder Regionalplanung (je nach Lage in Schutzbereichen oder Bereichen des Raumordnungsprogramms) • Straßenamt (je nach Lage bzw. Verkehrsaufkommen u.a. bei Biomasse) 3.2 Auflagen, benötigte Gutachten und Formulare Zu Beginn sollte im Projektkreis geklärt werden, welche Gutachten erforderlich sind bzw. in welchen Bereichen es noch Unsicherheiten bezüglich der Genehmigungsfähigkeit gibt. Die unten stehende Liste an Gutachten, die in den bisherigen Prozessen gefordert wurden, kann als Orientierung bzw. als Anstoß für die Diskussion dienen. Teilweise kam es zu immer mehr Nachforderungen auf Behördenseite, da man auf Nummer sicher gehen wollte. Um diese Verzögerungen zu vermeiden kann es sinnvoll sein, sich zu Beginn gemeinsam damit auseinanderzusetzen, in welchen Bereichen Bedenken bestehen, wo es wirklich ein Gutachten braucht und wann auch „technische Stellungnahmen“ reichen. In vielen Fällen konnten die Herstellerunternehmen praktische oder technische Erfahrungen einfließen lassen. Diese Erfahrungen lassen sich im Prozess deutlich schneller integrieren als die Beauftragung und Durchführung eines Gutachtens. So gab es beispielsweise in einigen Fällen Bedenken bezüglich der Blendwirkung von Modulen, woraufhin noch ein Blendgutachten hätte erstellt werden müssen. Durch den Hersteller konnte in diesem Fall nachgewiesen werden, dass von den Modulen keine erhebliche Blendwirkung ausgeht, so dass auf das standortspezifische Gutachten verzichtet werden konnte. In einigen Fällen konnte auch die Hilfestellung des KNE (Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende) zur Problemlösung beitragen. Für allgemeinere Fragestellungen zu EE-Anlagen können wertvolle Erfahrungen bezüglich derer Wirkungen auf die Umwelt bei den Herstellerunternehmen angefragt oder über das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende bezogen werden. Es bietet sich an, zu Beginn gemeinsam einen Zeitplan festzulegen, wann welche Gutachten sinnvoll erstellt und anschließend vorgestellt werden können. Nach Möglichkeit sollte diese Liste einen abschließenden Charakter haben, um zu verhindern, dass Gutachten nur nach und nach gefordert werden und ständige Nachreichungen notwendig sind. Abgesehen von Härtefällen oder Gutachten, deren Notwendigkeit sich aus 9 einer Vorprüfung ergibt, sollten alle für das Genehmigungsverfahren als relevant erachteten Gutachten parallel oder in geplanter Reihenfolge durch den Vorhabenträger erfolgen können. Liste an Gutachten bzw. Themenpunkte, deren Notwendigkeit bzw. Vorprüfung frühzeitig geklärt werden sollte (nicht abschließende Liste): • Eintragung der Baulast • Nutzung der Fläche unter und zwischen den Modulen (u.a. Blühwiesen, Schafsbeweidung) • Entwässerung der Fläche und Versickerung unter den Modulen • Wirkung (insbesondere der Speicherhöhe) auf das Landschaftsbild • Statikgutachten (insbesondere der Speicherfundamente) • Baugrundgutachten • (Auf)Klärung über Temperaturen an den Kollektoren (Insekten / Vögel) • Nutzung von Frostschutzmitteln (Auffangen, Lagern, Druckausgleich, Doppelwandsysteme Leckageerkennung) im Abgleich zur AwSV und örtlichen Vorgaben (falls Lage in Schutzbereichen) abklären • Zufahrtswege / Verkehrsgutachten (insbesondere bei Anlieferung von Biomasse) • Artenschutzgutachten (Vegetationsperioden zu beachten) • FFH Gutachten • Jagdgutachten / Wildkorridore • Schornsteinhöhe (z.B. für Biomasseheizwerk) • BimschG Anforderungen (z.B. für Biomasseheizwerk) • Blendwirkung • Brandschutz • Kampfmittelfreiheit • Aushub Gutachten (Altlasten) • Fremdleitungen • Klärung der Raumbedeutsamkeit und Vorgaben durch Regional-/Landesplanung • Archäologische Einschätzung • Landschaftspflegerischer Begleitplan (u.a. Vorgaben zur Eingrünung) • Kompensationsaufwand (Nutzung von Ökokonto oder Suche nach Kompensationsfläche) • Festlegung der Rückbauavale / Bankbürgschaft zum Rückbau der Anlage 3.3 Finanzierung Neben der Genehmigung kann auch die Finanzierung zu Hemmnissen führen, die frühzeitig in den Blick genommen werden sollten. Um den Kredit zu bekommen, muss meistens bereits eine Baugenehmigung vorliegen, um das Projektrisiko zu verringern. Um an die Genehmigung zu kommen, müssen aber meist schon Gutachten erstellt und bezahlt werden, bevor der Kredit zur Verfügung steht. Auch die Kosten des Genehmigungsprozesses können bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen auf den/die Antragssteller*in umgelegt werden. Insbesondere für Genossenschaften ist es schwierig, diese Anschubzahlungen zu stemmen und Eigenkapital für die Finanzierung aufzubringen. Eine Möglichkeit, schon vor der Kreditzusage Gutachten finanzieren zu können, sind Eintrittsgelder in die Genossenschaft oder Bürgerfonds (falls vor Ort förderfähig). Bei der Förderung ist darauf zu achten, dass die meisten Fördermittel nicht kumuliert werden dürfen. Neben der Förderung des Bundes (aktuell BEW über das BAFA) kann es sich lohnen zu prüfen, ob das Land bessere Förderkonditionen bietet oder es besondere Förderprogramme für u.a. Genossenschaften gibt. 10 3.4 Kompensation Bei Eingriffen in die Natur und die Landschaft entsteht im Regelfall Kompensationsbedarf. Der hierdurch entstehende weitere Bedarf an Flächen zur Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen auf externen Flächen kann ebenfalls ein Hemmnis darstellen, wenn die Kommune nicht bereits Flächen hierfür ausgewiesen hat oder der Ausgleich über Ökokontopunkte vorgesehen ist. Der Kompensationsbedarf wird in Deutschland zentral durch die §§ 13 – 18 im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geregelt. Dennoch ergeben sich durch Ausgestaltungen auf Bundeslandebene Unterschiede im Umfang der benötigten externen Kompensation. Beispielsweise gibt es Abweichungen, welcher Anteil an Kompensation innerhalb der Fläche der Freiflächenanlage stattfindet, und welche Maßnahmen hierbei berücksichtig werden können. Der frühzeitige Kontakt mit der unteren Naturschutzbehörde sowie die Inanspruchnahme von Fachagenturen und Institutionen für die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen bietet sich an, um Hemmnisse zu umgehen. Einen tieferen Einblick in den Umgang mit Kompensation bietet die Ausarbeitung „Handlungsansätze – Kompensationsmaßnahmen Freiflächen-Solarthermie“. 4 NACH DER GENEHMIGUNG 4.1 Ausschreibung Nach Erhalt der Baugenehmigung kann mit der Ausschreibung der Anlage begonnen werden. Auch hier sollten, wie im Genehmigungsverfahren, Fristen und formelle Vorgaben geprüft werden. Eine der wichtigsten Fragestellungen ist, ob das Projekt aufgrund des zu erwartenden Projektvolumens EU-weit ausgeschrieben werden muss und welche Fristen und Vorgaben deshalb einzuhalten sind. Aufgrund der umfänglichen Vorgaben sollte hierfür eine Vorbereitungszeit von bis zu einem halben Jahr eingeplant werden. Praktische Hinweise zur Ausschreibung und Vorgaben zur Festlegung von Ertragsgarantien liefert ein Leitfaden des AGFW. 11 5 ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Hintergrund - strukturierte Flächenanalyse ........................................................................................ 3 Abbildung 2: Beispielhaftes Priorisierungsschema ................................................................................................. 4 Abbildung 3: Ablauf und Meilensteine des Bauleitplanverfahrens .......................................................................... 7 12 KONTAKT Felix Landsberg HIR Hamburg Institut Research gGmbH Paul-Nevermann-Platz 5 22765 Hamburg Tel.: +49 (0)40-39106989-35 landsberg@hamburg-institut.com www.hamburg-institut.com

Anna Laura Ulrichs2024-05-31T16:00:37+02:00Dienstag, 28. Mai, 2024|

Infoblatt Solare Wärmenetze Nr.19 Marktstatus 2024

www.solare-wärmenetze.de Infoblatt Nr. 19 2024 werden die Rekorde purzeln im Bereich der netzgebundenen großen Solarthermieanlagen für Fernwärmenetze. Die bislang größten Solarthermieanlagen Deutschlands in Greifswald (18.800 m2 Kollektorfläche, in Betrieb seit 2022) und Ludwigsburg (14.800 m2, 2020) werden ihre Spitzenpositionen ver lie ren. Denn im Frühjahr und Sommer 2024 entsteht in Bad Rappenau eine Solarthermieanlage mit rund 29.000 m2 Bruttokollektorfläche. Und in Leip zig, wo seit März 2024 gebaut wird, sollen es bis zur Inbetriebnahme Ende 2025 sogar etwa 65.000 m2 werden. Das Wachstumstempo ist beachtlich. Im Mai 2024 sind nach der laufenden Erhebung des Steinbeis-Forschungsinstituts Solites 58 Solarthermieanlagen mit gut 163.000 m2 Bruttokollektorfläche in Wärmenetzen in Betrieb. Das entspricht einer Wärmeleistung von 114 Megawatt (MW). 13 weitere Kollektorfelder mit 107 MW befinden sich im Bau oder in konkreter Planung. Solare Leuchttürme Darunter sind einige sehr interessante Leuchtturmprojekte – nicht nur in punc to Anlagengröße. Beispielsweise wird die bereits erwähnte Anlage in Bad Rappenau dort nicht nur das Fernwärmenetz versorgen, sondern auch industrielle Prozesswärme liefern. Im Sommer, wenn die Solarerträge besonders Der Bestand an großen Solarthermieanlagen in Fernwärmenetzen ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Aktuell sind 58 Anlagen in Betrieb. Die gesamte Kollektorfläche könnte sich bis Ende 2025 angesichts der aktuell in Bau und Planung befindlichen Projekte fast verdoppeln. MEHR SONNE IN WÄRMENETZEN GROSSE SOLARTHERMIE AUF WACHSTUMSKURS Der Markt für Solarthermieanlagen in Wärmenetzen hat sich in den letzten Jahren beschleunigt – wenngleich noch nicht verstetigt. Die weitere Entwicklung hängt unter anderem von der Genehmigungsgeschwindigkeit ab. Marktprognose: Starkes Wachstum ist möglich Alle Fotos: Guido Bröer Infoblatt Nr. 19 hoch sind, aber der Wärmebedarf in Netz um ein Vielfaches geringer ist als im Winter, wird diese Anlage bis zu 3 MW Wärmeleistung direkt an einen Futtermitteltrockner abgeben. Auch nachts kann die Trocknungsanlage Tierfutter beispielsweise aus Möhren oder Luzer ne mit Solarenergie produzieren. Denn die überschüssige So lar ernte des Ta ges lässt sich in einem 8.000 m3 Fernwärmewasser fassenden Wärmespeicher bunkern. Im Verbund mit Biogasanlagen und einem Holzheizwerk sowie einer Photovoltaikfreiflächenanlage hilft die Solarthermie in Bad Rappenau sogar, lagerfähige Energiepotenziale vom Sommer in den Winter zu verschieben. Als Energiespeichermedium dienen dann gewissermaßen Altholz und Biomethan in Erdgasqualität (wie das funktioniert, erklärt Infoblatt Nr. 18 aus dieser Reihe: tinyurl.com/Solarthermiebadrappenau). 70 Prozent Solarwärme Ebenfalls ein Novum in Deutschland stellt das solare Wärmenetz der Bürgerenergiegenossenschaft Solarwärme Bracht eG dar. Dieses Dorf nördlich von Marburg wird sich nach Fertigstellung der in Bau befindlichen Anlagen übers Jahr zu etwa 70 Prozent mit Solarwärme versorgen können. Die Energie, die von rund 13.000 m2 Solarkollektorfläche im Sommer geerntet, aber von den rund 200 Abnehmern größtenteils nicht direkt verbraucht wird, wandert in einen Erdbecken-Wärmespeicher. Dieser in den Untergrund gegrabene, mit Spezialfolie ausgekleidete und mit einer wärmedämmenden Deckelkonstruktion nach oben isolierte Speicher fasst 26.600 Kubikmeter Fernwärmewasser. Darin kann die Solarenergie bis in die kalten Wintermonate verwahrt werden. Hinzu kommt in dem Brachter System als Innovation der besondere Einsatz von zwei Wärmepumpen. Sie sollen Energie aus dem Speicher entnehmen, wenn dessen Temperatur im Winter nicht mehr ausreicht, um das Netz direkt zu versorgen. Die elektrischen Wärmepumpen nutzen Energiemengen mit geringer Temperatur aus dem unteren Bereich des 14 Meter tiefen Speicherbeckens. Damit helfen sie indirekt, den Wirkungsgrad der Solarkollektoren zu verbessern. Denn diese werden über den Rücklauf des Solarkreises aus dem unteren Speicherbereich mit den durch die Wärmepumpen abgesenkten Temperaturen beschickt. Die Sonnenfänger können auf dem geringeren Temperaturniveau noch effizienter arbeiten, weil sie weniger Energie an die Umgebung abstrahlen. Mehrere Speicher kombiniert Eine noch andere Strategie verfolgen auch die Stadtwerke Hechingen mit ihrem für ein großes Neubaugebiet geplanten Wärmenetz. Zwar ist auch hier ein solarer Deckungsgrad von rund 70 Prozent geplant, und es spielt wiederum ein Erdbeckenwärmespeicher die zentrale Rolle. Hinzu kommt allerdings neben einer Wärmepumpe ein Erdsondenspeicherfeld, das geothermische Energie nutzbar machen und das durch Solarenergie regeneriert werden soll. Diese Beispiele zeigen, dass große, fernwärmegekoppelte Solarthermieanlagen zunehmend tragende Aufgaben in CO2-neutralen und sektorenkoppelnden Energiesystemen übernehmen. Prognosen für die kommenden Jahre sehen deshalb einen weiterhin wachsenden Bedarf für große Solarthermieanlagen. Diese werden aus Kostengründen zu meist auf Freiflächen installiert. Der Trend wird verstärkt durch die wachsende Bedeutung der Fernwärmeversorgung in Deutschland. Sie hat kaum jemals ein so hohes Ansehen genossen wie in jüngster Zeit. Mit der Verpflichtung für alle Kommunen, sich in Form einer kommunalen Wärmeplanung mit der künftigen klimaneutralen Wärmeversorgung auf ihrem jeweiligen Gebiet auseinanderzusetzen, bleiben als skalierbare Optionen im Grunde nur zwei strategische Wege: Fernwärme Solare Wärmenetze in Deutschland 58 große Solarthermieanlagen in Wärmenetzen verteilen sich über Deutschland. 70 Prozent Solarwärme www.solare-wärmenetze.de Magdalena Berberich, stellvertretende Leiterin des Steinbeis-Forschungsinstituts Solites, ordnet den aktuellen Marktstatus der großen Solarthermie ein und gibt einen Ausblick. Steckt die Solarthermie für Wärmenetze noch in den Kinderschuhen, da nur ein sehr kleiner Teil der bestehenden Wärmenetze sie nutzt? Die Solarthermie für Wärmenetze, also großflächige Kollektortypen wie Flachkollektoren und Vakuumröhrenkollektoren, ist eine ausgereifte Technologie. Sie wur de bereits vielfach von Stadtwerken und anderen Wärmenetzbetreibern erprobt. Diese Betreiber, die bereits Erfahrungen mit dieser Technologie haben, wissen, dass sie gut funktioniert. Die Technologie wurde erprobt, vermessen und bewiesen. Die zahlreichen positive Beispiele zeigen, dass Solarthermie in weiteren Wärmenetzen eingesetzt werden kann. Was wir jetzt noch brauchen, ist die Umsetzung großer Anlagen in größerer Stückzahl und Dimensionierung als bisher. Dafür müssen die Informationen natürlich in den Markt gelangen. In welcher Größe sind Solar thermiean lagen für Wärmenetze sinnvoll? Wir sprechen von Großanlagen ab etwa 500 Quadratmetern Kollektorfläche. In Deutschland wird jetzt eine Anlage mit rund 65.000 Quadratmetern gebaut – in Leipzig. Das sind die Größenordnungen, die wir aktuell sehen. Früher wurden eher kleinere Anlagen mit einer Fläche von 1000, 2000 oder 5000 Quadratmetern gebaut, da die Technologie noch erprobt werden musste und das Vertrauen in sie noch nicht so groß war. Jetzt sehen wir jedoch, dass sich der Markt vermehrt zu Großanlagen bewegt, die andere Dimensionen haben. Wie groß ist der Beitrag, den eine Solarthermie-Anlagen in einem Wärmenetz leisten kann? Das kann sehr unterschiedlich sein. Für ein einzelnes Wärmenetz kann die Solarthermie einen kleinen Anteil an der Wärmeversorgung bereitstellen, zum Beispiel etwa 5 Prozent, ohne dass eine große Speicherkapazität erforderlich ist. Ab etwa 15 Prozent oder 20 Prozent wird jedoch eine Wärmespeicherung notwendig, also ein ausreichend großes Speichervolumen, um die Solarwärme effizient in das Gesamtsystem zu integrieren. Es ist wichtig, diese Technologie nicht isoliert zu betrachten, sondern zusammen mit Wärmespeichern und anderen Wärmeerzeugern, die eben falls zur Wärmeversorgung beitragen. Kann man auch noch größere Deck ungs anteile erreichen? Ja, es ist möglich, einen großen und so gar den überwiegenden Anteil der Wärmeversorgung in einem Wärmenetz mit Solarthermie zu decken. Dafür sind viel größere Langzeit-Wärmespeicher notwendig. Und es ist eine umfassende Betrachtung der Systemintegration erforderlich, wobei So lar thermie, Wärmespei cher und ande re Tech no logien kombiniert wer den, um ein Wärmenetz mit sehr hohen Solaranteilen zu erreichen. Auch dafür gibt es bereits gute Beispiele. Wie wirtschaftlich ist die Solarthermie für die Wärmeversorgung? Die Solarthermie ist eine Technologie mit hoher Anfangsinvestition und dann über Jahrzehnte gleichbleibenden und daher planbaren Kosten. Die Kosten liegen bei etwa 55 bis 60 Euro pro Megawattstunde, wovon die Förderung noch ab geht. Allerdings hängt der tatsächliche Preis, zu dem die Wärme an die Kunden verkauft wird, nicht nur von den solaren Wärmegestehungskosten ab, sondern es spielen verschiedene Faktoren hinein, wie zum Beispiel die mit der Solarthermie kombinierten Technologien, Abwärmepotenziale vor Ort oder die Netzstruktur insgesamt. Diese Faktoren können den Preis günstiger oder teurer machen. Wird die Solarthermie für Wärmenetze zum Selbstläufer, oder bleibt es für die Branche ein eher schwieriges Geschäft? Jedes Projekt ist eine Herausforderung und erfordert oft eine lange Entwicklungszeit, bevor es umgesetzt wird. Manchmal werden Projekte geplant, aber dann doch nicht realisiert. Das gilt für viele Technologien – und auch für die Solarthermie. Aktuell sind in Deutschland etwa 160.000 m2 Solarthermie-Kollektoren in Wärmenetzen installiert. In den nächsten 3 bis 4 Jahren werden voraussichtlich weitere 500.000 Quadratmeter hinzukommen. Die Solarthermie für Wärmenetze wird also deutliche Fortschritte machen. Und das Potenzial ist riesig. INTERVIEW: MAGDALENA BERBERICH Infoblatt Nr. 19 IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen vom Projekt SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Solites Steinbeis Innovation gGmbh Redaktion + Text: Guido Bröer, Solarthemen Veröffentlichung:Mai 2024 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt beim Autor und der Herausgeberin. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch Autor und Herausgeberin übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) PARTNER als zentrale Lösung und Wärmepumpen als dezentrale Lösung. Dies sind die beiden Schlüsseltechnologien für den Über gang zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung. Anspruchsvolle Ziele Auf dem sogenannten Fernwärmegipfel 2023 wurden von Vertreter:innen der Bundesregierung, der Wärmenetzbranche, der Kommunen und weiterer Inter essengruppen anspruchsvolle Ziele ge setzt: • Verdreifachung der an Fern- und Nahwärmenetze angeschlossenen Gebäu de bis 2045 • mittelfristig An schluss von mindestens 100.000 Gebäuden pro Jahr • durchschnittlicher Anteil von 50 Prozent erneuerbarer Energien und un vermeidbarer Abwärme in Wärmenetzen bis 2030. Setzt man diese Ziele ins Verhältnis zu den 4.100 Fernwärmesystemen mit 34.000 Kilometer Leitungen, die heute 140 Terawattstunden Wärme liefern und 14 Prozent des Wärmebedarfs im deutschen Gebäudesektor decken, dann ist klar: Der Ausbaubedarf für Fernwärmeerzeugungsanlagen, die erneuerbare Energien nutzen, ist in den bestehenden Netzen enorm. Hinzu kommt eine gesetzliche Vorgabe für neue Netze: Laut Wärmeplanungsgesetz müssen ab dem 1. März 2025 mindestens 65 Prozent der in neue Wärmenetze eingespeisten Energie aus Abwärme stammen oder erneuerbar sein. Wirtschaftliche Lösung Große Solarfelder haben dabei gute Chancen, in vielen Fällen zum Mittel der Wahl zu werden. Über die Lebensdauer bieten sie nach Angaben des Fernwärmeverbandes AGFW stabile Wärmegestehungskosten von 50-60 Euro pro Megawattstunde vor einer etwaigen Förderung. Dabei fördert das 2022 gestartete Bundesförderprogramm für effiziente Wärmenetze (BEW) den Umbau zu erneuerbaren Wärmequellen mit 40 Prozent der Investitionskosten. Hinzu kommt der BEW-Betriebskostenzuschuss, der Solarthermieanlagen für Wärmenetze wirtschaftlich attrak tiv machen. Nachdem 2024 in Meldorf (Schleswig-Holstein) der erste kommerzielle Erdbecken-Wärmespeicher mit 43.000 Kubikmetern Fassungsvermögen in Betrieb gegangen ist, sind mittlerweile in Deutschland etwa in Dutzend ähnlicher Speicherprojekte in Planung. Gebaut wird bereits im hessischen Bracht (Foto) und in Hechingen (Baden-Württemberg). In diesen beiden Projekten soll die Sonne mithilfe der Speicher jeweils 70 Prozent des jährilichen Wärmebedarfs decken. Jetzt kommen die großen Speicher

Anna Laura Ulrichs2024-05-30T15:20:57+02:00Montag, 27. Mai, 2024|

Infoblatt Solare Wärmenetze Nr.18 Bad Rappenau Solarbooster

Foto: Guido Bröer www.solare-wärmenetze.de Infoblatt Nr. 18 So also duftet Baldrian! Dazu das stete meditative Rieseln des faserigen Beruhigungskrauts vom Förderband der Trock nungsanlage. Ein passender Ort für ein Mittagsschläfchen? – Nein, denn das rege Treiben auf dem Werksgelän - de der Bauer-Gruppe verhindert jedes Eindämmern. Es lärmen nicht nur die Sortier- und Schredderanlagen. Zwischen den drei Kuppeln einer Biogasanlage und dem Kesselgebäude des Altholzheizwerks erstreckt sich die betrieb same Baustelle einer neuen Lagerhalle. Überall sind Radlader und schwere Last wagen unterwegs. Aufpassen heißt es wegen der ständigen An- und Ablieferung biogener Wertstoffe. Ob Altholz aus der Sperrmüllsammlung, Grünschnitt von kommunalen Bauhöfen, Essensreste aus der umliegenden Gastronomie, Luzerne und Futtermöhren vom eigenen Acker – vieles, was sich unter dem Begriff Biomasse zusammenfassen lässt, nimmt den Weg über das bauersche Betriebsgelände vor den Toren Bad Rappenaus. All das wird gesammelt, sortiert, aufbereitet, verarbeitet, veredelt, weiterverkauft. Typische Bauer-Produkte sind Kompost, Rin den mulch, Blumenerde, Holzhackschnitzel diverser Körnungen, und Bestandteile getrockneten Tierfutters. Verschiedene Energiequellen Was sich nicht für den Verkauf weiterverarbeiten lässt, das wird zu Energie gemacht. In der Biogasanlage entsteht In Bad Rappenau setzt der private Fernwärmebetreiber künftig auf Solarenergie. Sein Motto: Biomasse ist zu wertvoll, um sie unnötig zu verheizen. Dank einer 29.000 Quadratmeter großen Solarthermieanlage können Biogasanlagen und ein Altholzheizwerk künftig effizienter arbeiten und höherwertige Produkte liefern, während die Solaranlage im Sommer das Fernwärmenetz und einen Futtertrockner versorgt. BIO-HEIZWERK MIT SOLARBOOSTER SOLARTHERMIE ZEIGT IN BAD RAPPENAU IHR MULTITALENT In Bad Rappenau entsteht das größte Flachkollektorfeld Deutschlands. Die Wahl fiel auf Solarkollektoren der Marke Savosolar vom finnischen Hersteller Meriaura. Größte Flachkollektoranlage Deutschlands Foto: Savosolar Infoblatt Nr. 18 aus Großküchenabfällen und Lebensmittelresten ganzjährig Strom und Fernwärme. Das Holzheizwerk, in dem ge ring belastetes Altholz verbrannt wird, trägt im Winter die Hauptlast der Fernwärmeversorgung für zurzeit etwa 200 Anschlüsse in Bad Rappenau und umlie genden Kommunen. Das Netz erweitert die Bauer Holzenergie Gmbh & Co. KG Jahr für Jahr mit eigener Planungsabteilung und eigenen Bautrupps. Kein Holz mehr im Sommer Zwar hat die Wärmeerzeugungskapazität der Anlagen durchaus noch weitere Reserven. Und dennoch bereiten die Gründer Bernd und Manfred Bauer einen radikalen Wandel für die Energieerzeugung ihrer Firmengruppe vor, in der mittlerweile auch die nächste Generation mit zusammen sechs Söhnen und Töchtern aktiv ist. Manfred Bauer fasst den Zukunftsplan so zusammen: „Im Sommer wird bei uns künftig kein Biogas mehr verbraucht und kein Holz mehr verbrannt. Wir müssen im Sommer die Sonne nehmen, wenn sie reichlich scheint.“ Möglich machen soll dies eine Solarthermieanlage mit 1.809 Großflächen-Solarkollektoren der Mar ke Savo solar. Zusammen haben sie eine Bruttokollektorfläche von 28.871 Quadratmeter. Das sind rund 10.000 Quadratmeter mehr als die bislang größte deutsche Solarthermieanlage bei den Stadtwerken Greifswald misst. Um genug Energie für mehrere verregnete Tage zu speichern, wird auf dem Firmengelände zugleich ein 8.000 Kubikmeter fassender druckloser Wärmespeicher ge baut. Durch die Lage des Stahltanks am höchsten Punkt des Fernwärmenetzes und durch seine ei ge ne Bauhöhe kann der Speicher zu gleich die Druckhaltung des Netzes auf 2,5 bar übernehmen. Solarfeld und Speicher sind eine feine Lösung für den Sommer und die Übergangsjahreszeiten. Dann lässt sich mit Solarwärme auch der Bandtrockner betreiben. Der trocknet – sofern nicht ausnahmsweise eine Ladung Baldrian be stellt ist – vor allem Tierfutter: Luzer ne, Möhren und allerlei andere Leckereien für Vierbeiner vom Kaninchen bis zum Reitpferd. Mit 3 Megawatt (MW) verbraucht der Trockner im Sommer mehr Wärme als das gesamte 20 Kilometer lange Fernwärmenetz. Das nimmt im Sommer etwa 2 MW auf; im Winter steigt sein Bedarf allerdings auf bis zu 12 MW. Deshalb lautet das Hauptthema der Energiewende in Manfred Bauers Augen: „Wie bekomme ich die Energie vom Sommer in den Winter. Wir brauchen etwas für die Dunkelflaute!“ Sonne für den Winter Indirekt leistet auch für dieses Problem die Solaranlage einen Lösungsbeitrag. Solarthermiefeld mit Photovoltaik-Nischen Um auf dem solarthermischen Kollektorfeld (grün) die Großflächenkollektoren effizient zu längeren Strings verbinden zu können und dennoch die verfügbare Fläche optimal auszunutzen, werden die dreieckigen Restflächen am nordwestlichen Rand mit Photovoltaikmodulen belegt (violett). Der mit der Solarwärme weitgehend zeitgleich anfallende Solarstrom kann für die Pumpen im Betriebsgebäude (rot) genutzt werden. Grafik: Martin Grün Dieser Baldrianhaufen wurde für einen Kunden aus der Pharmaziebranche mit Energie aus dem Holzheizwerk getrocknet. Künftig sollen bis zu 3 MW Trocknungsenergie aus der Solarthermieanlage abgezweigt werden. Die Trocknung vor allem von Tierfutter ist ein wichtiges Standbein des Familienunternehmens. Solaranlage liefert Fernwärme und industrielle Prozesswärme Foto: Guido Bröer www.solare-wärmenetze.de Manfred Bauer, zusammen mit seinem Bruder Bernd Ge schäfts führender Gesellschafter der Bauer-Firmengruppe, betreibt das Fernwärmenetz in Bad Rappenau bislang ausschließlich mit Bioenergie. Mit einem ehrgeizigen Investitionsplan wollen die Brüder die Fernwärme teilweise auf Solarenergie umstellen und dadurch ihre wertvollen Biomassepotenziale vielseitiger und nachhaltiger nutzbar machen. Manfred Bauer erläutert die Hintergründe des Plans. Hier auf Ihrem Werksgelände sieht man Biomasse in allen Varianten. Dabei soll es nicht bleiben. Was haben Sie vor? Die Biomasse ist bei uns ein wichtiger Bestandteil der Energieerzeugung und war die tragende Säule der letzten 15 Jahre für unser Fernwärmenetz. Jetzt möchten wir es aber in Richtung Brennstoffneutralität transformieren. Wir werden im Jahr 2024 eine große Freiflächen-Solarthermieanlage in Betrieb nehmen. Dazu bauen wir jetzt auch einen großen Wärmespeicher, der die Solarwärme aufnimmt. Er soll außerdem im Winter als Puffer dienen, um günstigen Strom aus Überschusszeiten in Wärme umwandeln zu können. Denn perspektivisch planen wir in weiteren Schritten eine Power-to-Heat-Anlage, und vielleicht werden wir auch eine Groß wärme pumpe als Flusswasserwärmepumpe einsetzen. Sie und Ihr Bruder sind seit vielen Jahren erfolgreiche Biomasseunternehmer. Nun setzen Sie aber auf ganz andere erneuerbare Energien. Wie kommen Sie dazu? Wir finden Biomasse natürlich toll. Und wenn wir Deutschland mit Biomasse zu nahezu 100 Prozent energetisch versorgen könnten, wären wir glücklich. Leider wissen wir aber, dass wir nur ungefähr 20 Prozent unserer Energie mit Biomasse decken können. Schon in unserem eigenen Betrieb zeigt sich heute ein gewisses Ungleichgewicht: Wir versorgen unser Fernwärmenetz zu 100 Prozent mit Biomasse. Aber unser Einzugsgebiet für die Biomasse ist deutlich größer als unser Versorgungsgebiet. Daran erkennt man: Nachhaltig geht es nur, wenn wir möglichst viel Sonne einsetzen und den Rest, wenn die Sonne nicht scheint, mit Biomasse machen. Welche wirtschaftliche Perspektive verbinden Sie damit? Wir haben dann mehr Holz übrig aus dem Sommer. Daraus ergibt sich ein unternehmerischer Spielraum: Mit gleichem Holzeinzugsgebiet können wir mehr Kunden mit Wärme versorgen, weil wir das im Sommer nicht verbrauchte Holz im Winter nutzen können. Wir können dadurch deutlich mehr Immobilien CO2-neutral mit Wärme versorgen, ohne dass wir unsere Holzbezugsquellen ausweiten müssen. Wie hoch wird der Solaranteil sein? Die Solarthermie soll in dem Ausbauschritt, den wir 2026 erreichen, ungefähr 30 bis 40 Prozent unserer verkauften Wärme bereitstellen. Mittelfristig wollen wir die Temperaturen in unserem Netz, das jetzt Vorlauftemperaturen von 90 Grad hat und einen Rücklauf von 60 Grad, auf 80/50 Grad absenken, denn das ermöglicht uns eine effizientere Nutzung der solarthermischen Anlage und somit noch höhere Solaranteile. Welche Rolle spielt für Ihre Pläne die Stadt Bad Rappenau? Wichtig ist, dass die Kommune dem ganzen offen gegenübersteht. Da geht es um Leitungsrechte, da geht es um den Anschluss von kommunalen Gebäuden. Den Rest, die Akquise, den Ausbau, die Finanzierung, das regeln wir dann als privatwirtschaftliches Unternehmen. Aber sehr wichtig ist, dass die Stadt das Ganze wohlwollend begleitet. Für Ihre nachhaltigen Visionen stemmen Sie gerade Millioneninvestitionen. Wie sicher sind Sie, dass am Ende eine schwar ze Zahl steht? Wir gehen davon aus, dass der Invest sich rechnet. Aber natürlich ist auch eine gewisse Bereitschaft notwendig, auf neue Techniken zu setzen und auch in die Zukunft zu blicken. Wir werden die Energieversorgung in der Zukunft nicht so regeln können, wie wir es die letzten zehn Jahre gemacht haben. Wenn wir CO2-neutral werden wollen und müssen, dann geht es ohne die Sonne nicht. Da ist eine der einfachsten Maßnahmen, die im Sommer benötigte Wärme über Solarthermie zu gewinnen. INTERVIEW: MANFRED BAUER Foto: Guidio Bröer Infoblatt Nr. 18 IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen vom Projekt SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Solites Steinbeis Innovation gGmbh Text und Fotos: Guido Bröer, Solarthemen Veröffentlichung:Mai 2024 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt beim Autor und der Herausgeberin. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch Autor und Herausgeberin übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) PARTNER Denn jede Tonne Holz, die im Sommer nicht im Heizwerk verbrannt werden muss, lässt sich lagern und steht somit zusätzlich für den Winter zur Verfügung. Biogas-Veredelung Etwas komplizierter ist es bei der Biogasanlage, deren Abwärme bislang eben falls für das Fernwärmenetz nutzbar ist. Damit soll es künftig aber vorbei sein. Zwar lassen sich Küchenabfälle schlecht lagern und die Bakterien im Fermenter lassen sich auch nicht so einfach aus- und einschalten wie der Holzkessel. Deshalb muss die Biogasanlage auch künftig im ganzen Jahr weiterlaufen. Doch ihr Output, das Biogas, wird ab 2025 völlig anders verwertet. Es wird nicht mehr direkt verstromt in Blockheizkraftwerken; deren Abwär me entfällt also für die Fernwärme. Vielmehr soll sämtliches Biogas auf Erdgasqualität aufbereitet und ins öffentliche Gasnetz eingespeist werden, das über große Spei cherkapa zi täten verfügt. Doch damit nicht genug: Statt das bei der Gasreinigung abgespaltene CO2 wie üblich in die Atmosphäre entweichen zu lassen, soll es aufgefangen und in einer Methanisierungsanlage unter Zugabe von Was serstoff zu weiterem Biomethan verarbeitet werden. Der Wasserstoff wird dafür per Elektrolyse gewon nen. Da es im Bauer-Werk bald keine Bio gas-BHKW mehr gibt, soll Strom aus Photovoltaik (PV) die Elektrolyseure versorgen. Außer der Solarthermieanlage ist deshalb auf einem weiteren Acker eine Freiflä chen-PV-An la ge ge plant. Schon jetzt sind fast alle Hallendächer mit PV-Modulen belegt. Sie liefern unter anderem Strom für die zunehmend elektrifizierte Bauer-Fahrzeugflotte vom Dienst-Pkw bis hin zu bislang drei elektrischen 42-Tonner-Lkw. Gelebte Sektorenkopplung Wärme – Strom – Verkehr: Wer ein ge leb tes Beispiel für die vielbeschworene Sektorenkopplung kennenlernen will – und was die Solarthermie damit zu tun hat –, der komme nach Bad Rappenau. Bislang wurde Biogas aus Küchenabfällen und Grünschnitt in Bauers Biomasse-Technologiepark klassisch verstromt und die Abwärme wurde für das Fernwärmenetz und zur Futtermitteltrocknung genutzt. Künftig soll aber sämtliches Biogas auf Erdgasqualität aufbereitet und als Biomethan ins Gasnetz eingespeist werden. Dadurch wird der wertvolle Energieträger speicherbar. Doch auch das bei der Gasaufbereitung frei werdende CO2 soll nicht einfach in die Atmosphäre entweichen. Mithilfe „grünen“ Wasserstoffs soll es methanisiert werden. Biogas – zu wertvoll zum direkten Verheizen Foto: Guido Bröer

Anna Laura Ulrichs2024-05-24T14:21:14+02:00Freitag, 24. Mai, 2024|

Solarthermie als Teamplayer: Kollektoren passen in fast jeden Fernwärme-Mix

www.solare-wärmenetze.de Infoblatt Nr. 17 Bis vor wenigen Jahren galten innovative Wärmeerzeuger wie Wärmepumpen, So lar thermie-Kollektorfelder und Power-to-Heat-Anlagen für die Fernwärme bestenfalls als Fuel-Saver. Deren Megawattstundenpreis hatte zwar wettbewerbsfähig zu sein, aber ihre Einsatzbereitschaft und Berechenbarkeit spielte für die Versorgungssicherheit keine primäre Rolle, weil es ja stets fossile Backup-Aggregate gab. 100 Prozent CO2-freie Wärme Doch die Planungsmaximen der Fernwärmeversorger haben sich gewandelt. Im Lichte einer bis spätestens 2045 zu 100 Prozent klimaneutralen Wärmeerzeugung muss jede Investition in neue, langlebige Wärmeerzeugungskapazitäten bereits heute ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können. Das gilt auch für eine von Natur aus fluktuierende Energiequelle wie die Solarthermie. Einen zusätzlichen Schub hat diese Sichtweise durch die Energiekrise des Jahres 2022 mit explodierenden Erdgaspreisen erfahren. Stadtwerke, die in diesen Zeiten bereits eine Solarthermieanlage im Portfolio hatten, konnten sich über jede Megawattstunde freuen, die aus den Röhren- oder Flachkollektoren in ihre Netze strömte. Und bei den anderen Versorgern hat die Erdgasknappheit das Interesse an Solarwärme und anderen erneuerbaren Energien Ob in Verbindung mit Erdgas-BHKW, Holzkesssel, Wärmepumpe oder sogar Geothermie – Solarthermie bewährt sich in der Fernwärme im Zusammenspiel mit sehr unterschiedlichen Energieerzeugern und Speichern. Eine Solarthermieanlage übernimmt dabei verlässlich verschiedene Aufgaben im System. Beispiel Lemgo: Solarthermie mit Wärmepumpen und KWK Die Stadtwerke Lemgo zeigen, wie vielfältig ein moderner Fernwärme-Energiemix sein kann. Das Solarthermiefeld ar beitet zusammen mit Großwärmepumpen und Blockheizkraftwerken, die sich teils im grauen Betriebsgebäude im Hintergrund befinden. Eine Wärmepumpe mit 1 MW Leistung nutzt die Temperaturen des Flusses Bega, eine weitere die Restwär me aus dem Abwasser der benachbarten Kläranlage. SOLARTHERMIE ALS TEAMPLAYER KOLLEKTOREN PASSEN IN FAST JEDEN FERNWÄRME-MIX Infoblatt Nr. 17 deutlich gesteigert. Um allerdings im Zusammenspiel zu harmonieren, muss die Solarthermie „teamfähig“ sein. Solarthermie bringt Sicherheit Große Solarthermieanlagen seien eine schon seit vielen Jahren ausgereifte Technik, sagt Dirk Mangold, Leiter des Steinbeis-Forschungsinstituts Solites: „Die Solarthermie ist ein normaler Teil eines zukünftig emissionsfreien Erzeugerparks – mit einigen Vorteilen.“ Dazu gehört für den Wissenschaftler nicht nur, dass die Kosten einer solaren Kilowattstunde ab dem Zeitpunkt der Investition über Jahrzehnte im Voraus berechenbar und sicher sind. Vielmehr sei Solarwärme völlig emissionsfrei und erziele zudem den höchsten Energieertrag auf der Aufstellfläche im Vergleich zu allen anderen erneuerbaren Energien. Bei sehr kleinen solaren Deckungsanteilen werde die Solarwärme immer im Wärmenetz aufgenommen. Bei Anteilen ab rund 5 Prozent werde ein Wärmespeicher notwendig, so Mangold, wenn keine solar erzeugten Megawattstunden verschenkt werden sollten. Dieser Wärmespeicher gleiche den entsprechend der Sonneneinstrahlung fluktuierenden Solarertrag für das Wärmenetz aus. Ob das ein kleiner Pufferspeicher zur Abfederung von Erzeugungsspitzen sei, ein multifunktionaler Mehrtagesspeicher oder gar ein saisonaler Wärmespeicher, spiele für die Regelbarkeit der Solarthermieanlage zunächst mal keine Rolle. Vielmehr profitiere nicht nur die Kollektoranlage vom Speicher, betont Mangold: „Ein Wärmespeicher, der als zentrales Systemelement auch anderen Erzeugern wie Holzkessel, Wärmepumpen, Geothermieund Power-to-Heat-Anlagen dient, verbessert gleichzeitig deren Betriebseffizienz und damit die Wirtschaftlichkeit der gesamten Erzeugung. Ist die multifunktionale Nutzung des Wärmespeichers umfangreich, muss dessen Volumen im Vergleich zu einem reinen solaren Wärmespeicher gegebenenfalls erhöht werden. Durch Systemsimulationen kann das wirtschaftliche Optimum zwischen Speichergröße und Speicherkosten gefunden werden. Solche Simulationen sind auf jeden Fall notwendig, wenn ein saisonaler Wärmespeicher eingesetzt werden soll.” 70 Prozent Solardeckung 2024 sind in Deutschland mehrere saisonale Erdbecken-Wärmespeicher im Bau, die einen solaren Deckungs anteil bis zu 70 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs ermöglichen. Dazu trägt auch die geschickte Kombination der Solarthermie mit anderen Erzeugern bei. Im hessischen Dorf Bracht sollen zwei Wärmepumpen mit zusammen 1,2 MW die im unteren Bereich des Speichers enthaltene Restenergie unter Einsatz von Ökostrom auf ein höheres Temperaturniveau veredeln. Damit he - ben sie auch den Wirkungsgrad der Solarkollektoren, in dem diese mit nied- Das Anlagenschema des in Bau befindlichen Wärmenetzes in Bracht, Ortsteil der Stadt Rauschenberg, könnte zur Blaupause einer weitgehend solaren Dorfwärmeversorgung werden. Der Erdbecken-Wärmespeicher ermöglicht einen 70-prozentigen sola ren Deckungsgrad. Dass die Temperaturschichtung im Speicher mittels Wärme - pum pen verbessert wird, bringt der Solarthermieanlage dabei hohe Wirkungsgrade. Bracht: 70 % Solarthermie dank Saisonalspeicher + Wärmepumpe Für die Systemeinbindung einer Solarthermieanlage und das Zusammenspiel mit den anderen Wärmeerzeugern spielt der Speicher oft eine zentrale Rolle. Hier in Bernburg sorgen 150 m3 Speichervolumen dafür, dass die Solarthermieanlage mit den Blockheizkraftwerken harmoniert. Und er puffert die Solarleistung, die im Sommer mittags oft höher ist als die aktuelle Last im Fernwärmenetz. Pufferspeicher – Moderator zwischen verschiedenen Erzeugern Grafik: Uni Kassel www.solare-wärmenetze.de Jens Kühne, Bereichsleiter Erzeugung, Sektorkopplung & Speicher beim Fernwärmeverband AGFW, erklärt, wie in Fernwärmesystemen das Zusammenspiel von Solarthermie mit anderen nachhaltigen Energiequellen gelingt. Es gibt jetzt in Deutschland fast 60 große Solarthermieanlagen in der Fernwärme. Ist eine solche Anlage für Netzbetreiber noch eine Exotin im Erzeugerpark? Solarthermie ist in das ganz normale Portfolio eingegangen, das man sich als Netzbetreiber anschaut, wenn man Erzeugungsleistung hinzubauen möchte. Was macht Solarthermie für ein Stadt - werk dennoch zu etwas Besonderem? Besonders ist die Kostenstabilität. Man weiß von vornherein, wie hoch die Gestehungskosten der Energie in Zukunft sein werden – unabhängig davon, wie sich die Energiemärkte verhalten. Aber besonders ist auch, dass die Solarenergie nicht regel- und steuerbar ist. Das muss natürlich berücksichtigt werden. Und man muss auch die Gegebenheiten vor Ort in die Überlegungen einbeziehen. An welche Gegebenheiten denken Sie? Vor allem die Flächenverfügbarkeiten. Es müssen Genehmigungen erteilt werden. Man muss zusammen mit Umwelt- und Naturschutz schauen, dass auf technisch geeigneten Flächen auch tatsächlich eine Solaranlage gebaut werden kann. Wie kommen andere Erzeugungseinheiten im Netz mit der Solarthermie klar? Die einzelnen Anlagen sollten sich natürlich nicht „kannibalisieren“. Die Gefahr besteht im Sommer und in den Übergangsjahreszeiten, wenn die Solarthermie am meisten leisten kann. Wo eine Müll ver bren nungsanlage oder Industrieabwärme bereits einen Großteil der Sommerlast abdeckt, harmoniert das nicht so gut mit Solarthermie. Bei einer Geothermieanlage könnte es ähnlich sein. Anson - sten sehe ich kaum Einschränkungen. Aprilwetter: Hohe Sonneneinstrahlung wech selt mit dunklen Wolken. Dann drückt eine große Solaranlage starke Lastwechsel ins Netz. Muss sich der übrige Erzeugerpark darauf einstellen? Der übrige Anlagenpark muss sich nicht sehr darauf einstellen, wenn man die richtigen Vorkehrungen trifft. Wenn man zum Beispiel einen kleinen Zwischenspeicher einbaut, der die untertägigen Schwankungen ausgleichen kann, dann geht das recht gut. Dann werden solche Schwankungen in Megawattstärke nicht direkt ins Netz übergeben. Ansonsten sind aber auch größere Speicher sehr zu empfehlen, um die Fluktuation der Solarenergie tageweise auszugleichen. Muss die Solarthermie quasi ihren Speicher ins System mitbringen? Oder haben Wärmenetzbetreiber heutzutage ohnehin den Speicher auf dem Schirm, der dann zugleich den Einsatz einer Solarthermieanlage begünstigt? Viele haben den Speicher schon auf dem Schirm, um beispielsweise die KWKAnlagen stromgeführt fahren zu können. Aber mit einer Solarthermieanlage werden die Speicher um so wichtiger. Wer noch keinen Speicher hat, denkt den spätestens mit der Solarthermieanlage mit. Betrachtet ein Fernwärmebetreiber die Solarthermie vor allem als Fuel Saver? Ja. Aber sie kann auch zusätzliche Funktionen erfüllen. Beispielsweise kann sie eine Boosterfunktion übernehmen. Das müssen Sie erklären! Ich ersetze nicht einen anderen Wärmeerzeuger, sondern ich versuche in Netzbereichen, die weit von den im Sommer betriebenen Erzeugern weg liegen, durch die Solarther mieanlage samt Speicher eine Temperatursteigerung zu erreichen. Ist denn die Solarthermie für eine so tragende Rolle ausreichend berechenbar? Eine Solarthermieanlage, ein Gaskessel und ein Speicher könnten sich im Bundle als Netzbooster durchaus gut ergänzen. Kann man eine Solarthermieanlage in - zwi schen „von der Stange“ bestellen? Jedenfalls eher als vor fünf Jahren. Man kann mittlerweile auf standardisierte Produkte zurückgreifen und auch auf ein größeres Spektrum von Dienstleistungen. Die Hersteller haben sich weiterentwickelt. Sie bringen immer mehr Eigenleistung und Erfahrung in die Planung ein. Wie läuft der Erfahrungsaustausch dazu innerhalb der Versorgerbranche? Wir können als AGFW recht gute Unterstützung liefern und auch andere Verbände tun ihr Mögliches. Die Branche ist recht stark vernetzt, so dass man sich tatsächlich vor- und nach einer Solarinvestition gut austauschen kann. INTERVIEW: JENS KÜHNE Infoblatt Nr. 17 IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen vom Projekt SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Solites Steinbeis Innovation gGmbh Text und Fotos: Guido Bröer, Solarthemen Veröffentlichung: März 2024 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt beim Autor und der Herausgeberin. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch Autor und Herausgeberin übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) PARTNER rigen Rücklauftemperaturen arbeiten können. Außerdem hilft die Wärmepumpe, das Speichervolumen besser auszunutzen. Der Stromverbrauch der Wärmepumpe soll dabei nur 8 Prozent der Gesamtenergie ausmachen. Maximal ein Viertel des Jahresbedarfs sollen Holzkessel beisteuern. 70 Prozent Solarwärme sind auch das Ziel für ein Neubaugebiet der Stadt Hechingen. Auch hier sollen neben der großen So lar thermieanlage ein Erdbecken- Wär mepeicher sowie Wärmepumpen wirken. Zu sätz lich kommt oberflächennahe Geothermie aus einem Erdsondenfeld zum Einsatz, das über die Wärmepumpen ans Netz ange bun den ist. In He chingen werden die Erdsonden im Sommer mit dem Solarwärmeüberschuss auch regeneriert, sodass das Erdreich als weiterer Wärmespeicher wirkt. Das erhöht die Ausnutzung der Solarenergie weiter. Verschiedene Erzeugerparks Erzeugerparks mit Solarthermiekomponente werden immer vielfältiger. Fast schon ein Klassiker der ländlichen Ener giewende sind Dorfwärmenetze mit Holzfeuerungen, in denen eine Solarthermieanlage auf die vollständige Deckung des sommerlichen Wärmebedarfs ausgelegt wird. Seit rund 10 Jahren entstehen solche Anlagen in Deutschland. Dörfer wie Büsingen, Mengsberg oder Hallerndorf decken so seit Jahren ein Fünftel ihres Jahres- Wärmebedarfs von der Sonne. Weitaus komplexer ist der Erzeugerpark der Stadtwerke Greifswald, die aktuell die mit rund 18.700 Quadratmetern Kollektorfläche größte Solarthermieanlage Deutschlands betreiben. Die Anlage ist Teil eines sogenannten innovativen KWK-Systems (iKWK), zu dem auch ein Blockheizkraftwerk und ein Elektrodenkessel gehören. Letztere sollen es ermöglichen, den in der Region reichlich vorhandenen Windstrom bei Stromnetzengpässen sinnvoll zu nutzen. Die Greifswalder Fernwärme verfügt über weitere Blockheizkraftwerke, Kesselanlagen und eine große Luftwärmepumpe. Ihr Zwischenziel von 35 Prozent CO2-freier Fernwärmeerzeugung wollen die Stadtwerke erreichen, wenn bald der 5.500-Kubikmeter-Speicher in Be - trieb geht, der eine zentrale Rolle spielt. Heutzutage sind Solarthermieanlagen selbst in Fernwärmenetzen, die auf eine Grundlastversorgung aus Müllverbrennungsanlagen oder Industrieabwärme basieren, für Expert:innen nicht mehr undenkbar. Dirk Mangold erklärt, wa - rum: „Zum einen, weil beim Ausbau der Wärmenetze weitere erneuerbare Er - zeu gungskapazitäten gebraucht werden. Zum anderen, weil Multifunktionswärmespeicher ein Nebeneinander durchaus ermöglichen können.“ Deutschlands zurzeit größte Solarthermieanlage in Greifswald ist Teil eines komplexen Erzeugerparks mit BHKWs, Gaskesseln, Wärmepumpe, Elektrodenkessel und Speicher. Greifswald: Erzeugungsmix in der Transformation

Anna Laura Ulrichs2024-04-01T15:28:59+02:00Montag, 1. April, 2024|

Genossenschaftliche Solarwärme-Versorgung in Bracht

www.solare-wärmenetze.de Infoblatt Nr. 16 „Wir wollen hier eine Blaupause schaffen für andere Kommunen, die auch in diese Richtung denken“, sagt Helgo Schütze, Vorstandsmitglied der Genossenschaft Solarwärme Bracht eG. Er muss laut sprechen beim Ortstermin. Seine Stimme konkurriert mit dem Lärm von vier großen Baggern, einem Bulldozer und einer Rüttelwalze im Hintergrund. Etwa 14 Meter tief haben sie sich hineingegraben in den roten Sandstein Nordhessens. In der Grube, die die Form einer kopfstehenden Pyramide bereits erkennen läßt und aus der mal ein Erdbecken-Wärmespeicher wer den soll, füh ren sie ihr Baggerballet auf. Eine Szene wie bei Bob dem Baumeister: „Können wir das schaffen? – Yo, wir schaffen das!“ Das Motto der Trickfilm-Kinderstars Bob, Baggi, Buddel und Co., scheint auch für die Brachter Energiegenoss:innen zu gelten. Ja, wir schaffen eine 100-prozentig er neu erbare Wärmeversorgung für un ser 900-Einwohner-Dorf, sagten sich auf der Gründungsversammlung im Juli 2021 die damals 61 Mitglieder der Solar wärme Bracht eG. Und damit nicht ge nug: Wir schaffen es auch, 70 Prozent der gesamten Wärme direkt aus Solarstrahlung zu gewinnen. Eine solche so la re Deckungsrate im Wärmenetz dürfte zurzeit Weltrekord sein. Den Rest liefern Wärmepumpen und ein Holzkessel. Erfolgsfaktor Anschlussquote Um das Projekt, für das erste Ideen bereits im Jahr 2013 entwickelt wurden, Wirklichkeit werden zu lassen, mussten allerdings weit mehr als die 61 Gründungsmitglieder für einen Anschluss an das Wärmenetz in spe begeistert werden. Mindestens 130 Hausanschlüsse sollten es schon sein, besser wären 200, hatten Experten der Uni Kassel in einer Machbarkeitsstudie errechnet. Sonst wäre ein solches Netz nicht wirtschaftlich zu betreiben. Viel Klinkenputzen, etliche Informationsveranstaltungen, ein Appell des Bürgermeisters der Stadt Rauschenberg, zu der Bracht gehört, im Gemeindeblatt, und wohl auch eine Energiekrise im Jahr 2022 mögen ihren Teil zum Erreichen des Ziels beigetragen haben. Denn mittlerweile zählt die Genossenschaft fast 200 Mitglieder, die ihre 177 Gebäude an die Fernwärme anschließen lassen wollen. „Das ist eine Anschlussquote von etwa 60 Prozent“, freut sich Schütze. „Und wir gehen davon aus, dass noch der eine oder andere hinzukommen wird, wenn wir beim Netzausbau sind.“ Mit 6000 Euro ist man als Hausbesitzer dabei. Diese einmalige Anschlussgebühr ist zugleich Eintrittskarte zur Nach den ersten Bioenergiedörfern Anfang der 2000-er Jahre sind inzwischen zahlreiche Wärmenetze vor allem in ländlichen Regionen genossenschaftlich organisiert. Ein halbes Dutzend setzt dabei auch auf die Solarthermie als Energiequelle. Ein besonderes Leuchtturmprojekt entsteht im hessischen Dorf Bracht. GENOSSEN SPEICHERN DIE SONNE GEMEINSCHAFTLICHE SOLARWÄRME-VERSORGUNG Foto: Guido Bröer Infoblatt Nr. 16 Genossenschaft. Hinzu kommen beim Anschluss an das Wärmenetz noch Kosten für die Entsorgung der alten Heizung und der Öltanks. Ein neuer Heizkessel oder eine Wärmepumpe wäre allemal deutlich teurer. Das ist ein gutes Argument für das Wärmenetz. Und auch mit einer erwartbaren Preisstabilität der Wärme über Jahrzehnte punktet die Genossenschaft bei den Brachtern. Der kalkulierte Wärmepreis liegt bei 16,5 Cent pro Kilowattstunde. „Das er schien anfangs als relativ hoch. Inzwischen hat sich das durch die jüngste Energiekrise relativiert und der Preis ist akzeptiert“, sagt Schütze. „Unser Wärmepreis wird sehr, sehr stabil sein. Natürlich wird er auch leicht steigen, denn wir haben ja auch einige laufende Kosten. Die sind aber vergleichsweise ge ring.“ Für die Zukunft gerüstet Die Debatte um das „Heizungsgesetz“ im Jahr 2023 bescherte den Anschlusswerbern in Bracht ein weiteres Argument. Mit 70 Prozent Solarenergie und 100 Prozent erneuerbaren Energien im Netz weiß man sich als Energiegenosse auf der sicheren Seite, was künftige Auflagen betrifft. In Zentrum der Brachter Dorfwärme versorgung steht der Erdbecken-Wärmespeicher, für den aktuell so emsig gebaggert wird. Sein Inhalt von 26.600 Kubikmetern wird im Sommer mit Solarenergie auf etwa 90 Grad Celsius aufgeheizt. Dieser Energievorrat soll reichen, um damit über den Winter die angeschlossenen Gebäude weitgehend zu beheizen. Dass diese Technologie funktioniert und wirtschaftlich kon kur renz fähig ist, haben vor allem Energiegenossenschaften in Dänemark bewiesen. Und dennoch betritt Bracht damit an einigen Stellen technisches Neuland. Die Genossenschaft fühlt sich dabei gut beraten von Spezialisten der Universität Kassel. Das Team um Professor Klaus Vajen begleitet sie seit 2018. Die Wissenschaftler:innen wiesen in aufwendigen Simulationsrechnungen nach, dass eine zentrale Wärmeversorgung für das Dorf mit 70 Prozent Solaranteil machbar ist. Das Konzept, für das die örtliche Genossenschaft – gefördert vom Land Hessen – eine 16-Millionen-Euro-Investition stemmt, soll obendrein preiswerter sein als die zum Vergleich berechnete Alternative. Diese hätte nämlich bedeutet, alle Gebäude über einen Um stel lungszeitraum von 20 Jahren mit Wärmepumpen auszurüsten. Im Fernwärmenetz werden stattdessen künftig nur zwei große Wärmepumpen mit zusammen 1,2 MW arbeiten, und das auf innovative Weise. Im Ge gen satz zu üblichen Systemen bedienen sie sich nicht bei einer Wärmequelle wie Umgebungsluft oder Flusswasser. Vielmehr entnehmen sie Restwärme aus dem Wärmespeicher, wenn dieser sich im Winter deutlich abgekühlt hat. Die Wärmepumpe hebt die Energie auf ein höheres Temperaturniveau und speist sie in einen Pufferspeicher ein. Das Anlagenschema des Wärmenetzes im Dorf Bracht: Ein Erdbecken-Wärmespeicher ermöglicht 70 Prozent solaren Deckungsgrad. Eine Wärmepumpe hebt das Temperaturniveau vor allem in der zweiten Winterhälfte. Zugleich ermöglicht sie der Solarthermieanlage dabei hohe Wirkungsgrade. Die Nachheizung erfolgt bei Bedarf über Holzkessel, so dass die Wärmepumpe stets im idealen Effizienzbereich arbeiten kann. 70 % Solarthermie dank Saisonalspeicher und Wärmepumpe Helgo Schütze und seine Mitstreiter:innen in Vorstand und Aufsichtsrat der Solarwärme Bracht eG haben sich einiges aufgeladen. Seit Jahren steckt viel Freizeit im Dorfwärmeprojekt. Von Machbarkeitstudien über Fördergeldakquise und Verhandlungen mit Behörden bis zur Überzeugungsarbeit bei potenziellen Anschlußnehmern im Dorf werden viele Talente gebraucht, um ein Bürger-Wärmenetz zu realisieren. Das Wärmenetz in Bracht lebt vom Ehrenamt Grafik: Universität Kassel Foto: Guido Bröer www.solare-wärmenetze.de Dadurch können gleich mehrere Ef fek te erzielt werden. Zum einem kann auch in den Wintermonaten noch Solarenergie aus dem Speicher genutzt werden, wenn dessen Temperatur längst nicht mehr ausreichen würde, um das Netz mit seiner Vorlauftemperatur von 85 Grad direkt zu beschicken. Wärmepumpe steigert Effizienz Ein schöner Nebeneffekt ist, dass die Solarkollektoren dank der Wärmepum pe noch effizienter arbeiten können. Die Wärmepumpe entzieht nämlich vorzugsweise dem unteren, ohnehin kühleren Bereich des Speichers Energie. Indem diese Schicht weiter abgekühlt wird, sinkt auch die Rücklauftemperatur im Solarkreislauf. Wenn bei den Solarkollektoren kühleres Wasser ankommt, sinkt deren Arbeitstemperatur. Das er höht insgesamt den Solargewinn, denn je geringer die Temperatur eines Sonnenkollektors, desto geringer ist sein Ener gieverlust an die Umgebung. Außer dem kann der Solarkreislauf so auch bei geringer Sonneneinstrahlung und tiefen Außentemperaturen bereits stabil laufen und Energie ernten. Obendrein spart der Wärmepumpeneinsatz Baukosten. Schütze erklärt: „Der Trick ist: Wir nutzen den Speicher im Winter als Energiequelle für die Wärmepumpe. Damit können wir ihn kleiner bauen. Die Investitionskosten sinken, und wir benö tigen viel weniger Fläche.“ In dieser Hinsicht betreten die Brachter bei der Konstruktion ihres Erdbeckenspeichers ohnehin Neuland. Ein Zeichen dafür sind die kratzenden Geräusche der Baggerschaufeln, die zurzeit aus der Baugrube schallen. Wurden nämlich die dänischen Vorbilder allesamt in lockerem Kies und Sand gegraben, so beißen sich die Bagger schau feln in Nordhessen durch recht feste Sandsteinschichten. Das ist zwar mühsam, hat aber aus Sicht der Genossenschaft einen entscheidenden Vorteil. Die Böschungen können in dem festen Untergrund deutlich steiler angelegt werden als in lockerem Material. Die Hangneigung beträgt 29,5 Grad statt der üblichen 26 Grad. „Dadurch sparen wir Platz und Geld“, sagt Schütze. Er erklärt, dass das gleiche Volumen in einem flaBenjamin Dannemann von der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) erwartet eine Zunahme von Bürgerenergiegesellschaften, als Wärmenetzbetreiber. Wie häufig gibt es Genossenschaften im regenerativen Wärmesektor? In Deutschland gibt es schon etwas mehr als 200 Wärmenetzgenossenschaften, und das auch schon länger. Viele sogenannte Bioenergiedörfer nutzen die Wärme aus einer Biogasanlagen. Mittlerweile werden aber verstärkt auch andere Wärmequellen wie Solarthermie und Wärmepumpen eingesetzt. Sind Planung und Betrieb eines Wärmenetzes nicht zu komplex für eine ehrenamtlich geführte Genossenschaft? Es hat auf jeden Fall andere Dimensionen als die vielen genossenschaftlichen Photovoltaikprojekte. Das Investitionsvolumen ist größer, der Planungsvorlauf langwieriger. Die Mitglieder für einen Anschluss zu motivieren ist ein hoher Aufwand. Gleichwohl bietet gerade dieses ehrenamtliche Engagement Vorteile besonders im ländlichen Raum. Overheadkosten wären sonst vielleicht gar nicht zu stemmen. Hier bietet das genossenschaftliche Modell eine gute Möglichkeit, dies hinzukriegen. Natürlich kommt es dann für die Ehrenamtler darauf an, mit der Kommune, mit Planungsbüros und vielleicht auch mit der örtlichen Genossenschaftsbank gut zusammenzuarbeiten und sich professionelle Unterstützung zu holen. Besteht nicht die Gefahr, dass bei einer Energiegenossenschaft nach der Gründergeneration das Engagement erlischt, weil niemand die Arbeit machen will? Im Gegenteil höre ich von Wärmeenergiegenossenschaften oft, dass ein Ort, nachdem es dort eine erneuerbare Wärmeversorgung gibt, attraktiver wird für jüngere Familien und das Engagement im Dorf insgesamt steigt. Ein Wärmenetz ist auch eine Investition in die Zukunft. Eine Sorge vieler Hausbesitzer ist, dass sie sich durch den Anschluss an ein Wärmenetz abhängig machen. In einer Genossenschaft, der es ja nicht auf die Rendite ankommt, sondern auf die Versorgung ihrer Mitglieder zu einem vernünftigen Preis, können sie mitreden. Als Mitglied kann ich den Wärmepreis mitbestimmen. Ich bin natürlich da ran interessiert, einen möglichst ge rin gen Wärmepreis zu bezahlen. Auf der anderen Seite sehe ich aber auch, dass die Genossenschaft wirtschaftlich existieren muss. Durch die demokratische Organisation wächst nicht nur die Akzeptanz, sondern auch das positive Verständnis für das Netz. Bringt die verpflichtende kommunale Wärmeplanung Chancen für Genossenschaften? Wo es bereits Wärmenetzgenossenschaften gibt, werden diese sicherlich im Zuge der kommunalen Wärmeplanung berücksichtigt. Wo das noch nicht der Fall ist, da bietet sich durch die Wärmeplanung die Gelegenheit, zu schauen, wo Wärmenetze möglich sind. Und das bietet auch die Chance, die Menschen mitzunehmen und sie überhaupt erstmal darüber zu informieren, dass es so etwas gibt wie eine genossenschaftliche Wärmeversorgung. Jetzt kommt es darauf an, diese Möglichkeit in der Wärmeplanung auch zu berücksichtigen. INTERVIEW: BENJAMIN DANNEMANN, DGRV Foto: DGRV Infoblatt Nr. 16 IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen des Projekts SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Solites Steinbeis Innovation gGmbh Text und Fotos: Guido Bröer, Solarthemen Veröffentlichung:März 2024 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt beim Autor und der Herausgeberin. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch Autor und Herausgeberin übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) Partner cheren Becken einen wesentlich größeren Deckel erfordert hätte. Dieses aufwendige, teure Bauteil wird „nur“ 70 mal 70 Meter messen. Es besteht aus mehreren, insgesamt 40 Zentimeter dicken Dämmschichten zwischen zwei Kunststoff-Membranen. Das Konstrukt muss die Wär meverluste minimieren und dabei zugleich verlässlich An samm lungen von Regenwasser vermeiden sowie diffundiertes Wasser aus der Dämmung nach außen abführen. Dabei muss die Abdeckung übers Jahr einen Hub von rund 20 Zentimetern aushalten. Den bewirkt das unterschiedliche Volumen des im Sommer 90 Grad heißen und am Ende der Heizperiode unter 30 Grad abgekühlten Speicherinhalts. Zur Sicherheit bohren Bevor man sich auf die kompakte, steile Bauform des Speichers festgelegt hat, ließ die Genossenschaft mehrere Er kun dungsbohrungen ins Erdreich treiben, um sich der Stabilität des Untergrundes wirklich sicher zu sein. Solche technischen Fragen bieten immer wieder Herausforderungen für die Ehrenamtlichen, aber sie bereiten ihnen keine ernsthaften Sorgen. Ganz im Gegensatz zu manchen Anforderungen, mit denen sie sich im Verlauf der Jahre immer wieder aus verschiedenen Amtsstuben konfrontiert sahen, lässt Helgo Schütze durchblicken. So wird sich die Fertigstellung des Netzes vermutlich um eine ganze Heizperiode verzögern, weil eine überaschende Auflage vom Land Hessen als Förder mit tel- geber die Genossen im vergangenen Jahr zwang, eine zeitraubende euro pa wei te Ausschreibung zu machen. Harmlos ist dagegen eine kurzfristige Forderung der Naturschutzbehörde, die indirekt aus dieser Verzögerung resultiert und die jetzt in Form von Holzpfählen mit bunten Flatterbändern den Bauplatz der späteren Heizzentrale ziert. Die waren als Vogelscheuchen alle zehn Meter auf der Fläche einzurammen, weil die Bauarbeiten jetzt in die Brutsaison der Feldlerche fallen. Dass auf der Fläche längst der Mutterboden abgeschoben wurde, so dass sich dort kaum eine Lerche ihrem Brutgeschäft widmen wird, ficht schließlich einen amtlichen Naturschützer nicht an. Solche Geschichten und andere Er fah rungsschätze aus 11 Jahren „Blaupause Solarenergiedorf“ sind in einem minutiös geführten Tagebuch nachzulesen, das die Solarwärme Bracht eG auf ihrer Internetseite präsentiert: www.solarwaerme-bracht.de 1,2 Kilometer lang ist die Verbindungsleitung von der Energiezentrale zum Hauptdorf. Die Fernwärmerohre werden jetzt auf den geraden Passagen oberirdisch geschweißt und später per Kran in einen noch auszuhebenden Graben gelegt. Fernwärmeleitung zum Hauptdorf Foto: Guido Bröer

Anna Laura Ulrichs2024-04-01T15:53:20+02:00Freitag, 15. März, 2024|

Klimahacks #2 Kommunale Wege zur Freiflächen-Solarthermie

#KLIMAHACKS MACH DEIN PROJEKT: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE Sonderausgabe 2: Solare Wärmenetze - - - - - - - 2 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE - - - - - - / GUT VORBEREITET IST HALB GEPLANT: KOMMUNALE WÄRMEPLANUNG NUTZEN Durch die flächendeckende Einführung der bundesweiten Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung ergeben sich für Städte und Gemeinden tiefgreifende Veränderungen im Be reich der Wärmeversorgung. Bis zur Mitte des Jahres 2026 bzw. Mitte 2028 sind sie nun dazu verpflichtet, eine umfas sende Evaluierung ihrer Potenziale für die Generierung und Nutzung von Wärme aus erneuerbaren Energiequellen so wie für die effektive Nutzung von unvermeidbarer Abwärme vorzunehmen. Die flächendeckende Umsetzung der Wär meplanung schafft eine einheitliche Informationsgrundlage, die den kommunalen Akteuren eine stabile Grundlage für ihre Planungen bietet. Zum ersten Mal wird dabei eine ge zielte Analyse von Wärmenetzen vorgenommen und mit kla ren Zielen für die Dekarbonisierung versehen. Für den Um bau des Wärmeversorgungssystems ist es jedoch wichtig, dass Kommunen sich frühzeitig Gedanken zum Flächenbe darf machen und bereits vor oder zeitgleich zur Erstellung der kommunalen Wärmeplanung eine Analyse geeigneter Flächen für erneuerbare Energiegewinnung durchführen, um nachfolgende Entscheidungsprozesse hinsichtlich der Flächenausweisung im Bereich der erneuerbaren Energien zu unterstützen. Diese #Klimahacks-Sonderausgabe zum Thema Solarthermie beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle die räumliche Planung für eine erfolgreiche kommu nale Wärmewende spielt und wie Kommunen bei der Siche rung von Freiflächen für den Bau einer Solarthermieanlage vorgegangen sind. WEITERFÜHRENDE LINKS Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekabo nisierung der Wärmenetze (Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB), 2023): https://t1p.de/1tkon Standpunkt des Hamburg Instituts zum Wärmeplanungsgesetz (Hamburg Institut, 2023): https://t1p.de/ra8op Kommunale Wärmepläne in der Praxis – Eine Über sicht (Kompetenzzentrum Wärmewende (KWW), 2024): https://t1p.de/pfld7 Fragen und Antworten zum Thema Heizen (Minis terium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, 2024): https://t1p.de/65maa Solare Wärmewende – Was haben Kommunen von Sonne im Wärmenetz? (SolnetPlus, 2023): https://t1p.de/uwjbp Webinar zum erfolgreichen Einstieg in die Wärmeplanung: https://t1p.de/s9fx1 3 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE - - - - - / - - - - - - - - - - SOLARTHERMIE IN WÄRMENETZEN – FRAGEN UND ANTWORTEN Im Zuge der kommunalen Wärmeplanung müssen sich Kommunen zeitnah mit der Frage beschäf tigen, welche erneuerbaren Wärmequellen ge nutzt werden können, um die Wärmeversorgung klimafreundlicher zu gestalten. Die Nutzung von Freiflächen-Solarthermieanlagen in Wärmenetzen ist dabei eine vielversprechende und erprobte Technologie, die bereits in über 50 Kommunen deutschlandweit zum Einsatz kommt. Für eine kli maneutrale Wärmeversorgung ist es daher wich tig, dass sich kommunale Akteure die technischen und planerischen Grundlagen der Wärmebereit stellung durch erneuerbare Energien aneignen, gerade mit Blick auf die Potenzialanalyse im Zuge der kommunalen Wärmeplanung. Auf dieser Seite ist daher eine Auswahl an häufig gestellten Fragen zu Solarthermie in Wärmenetzen aufgeführt, um mögliche Wissenslücken zu füllen. INFO Im Rahmen des Projekts SolnetPlus haben die Projektpartner rund um den kommu nalen Fernwärmeverband AGFW grund legende Fragen und Antworten (FAQs) zur Umsetzung von solaren Wärmenetzen zusammengestellt. Der FAQ-Katalog bein haltet 36 wesentliche Fragen und Antworten bezüglich der Integration von Solarther mie in Wärmenetzen und ist hier abrufbar: https://t1p.de/l7n4g Wo gibt es bereits solare Nahund Fernwärme in Deutschland? Gelange hier zur Übersichtskarte: https://t1p.de/3ypxr TECHNIK SOLARTHERMIE Welche Arten von Kollektoren sind für die Einbindungen in Wärmenetze geeignet? Im Fernwärmebereich werden Flachkollektoren und Vakuumröhrenkollektoren bis zu Netztemperaturen von etwa 110 °C eingesetzt. Die entscheidenden Faktoren sind die Vor- und Rücklauftemperaturen des Wärmenetzes an der Einbindungs stelle von März bis Oktober. Die Systemtechnik spezialisierter Anbieter ist für den Einsatz in Wärmenetzen und großen Megawatt-Kollektorfeldern optimiert. Häufig kommen dabei Groß-Kollektormodule zum Einsatz, die Anschlüsse und Montage zeiten reduzieren und eine effiziente Leistung bei höheren Betriebstemperaturen bieten. Für höhere Netztemperaturen eignen sich konzentrierende Kollektoren wie Parabolrinnenkollektoren, die speziell für solare Prozesswärme und Kraftwerksan wendungen im Temperaturbereich von 100 bis 400 °C entwickelt wurden. FREIFLÄCHENENTWICKLUNG 1. Sollten Kollektorfelder nicht eher auf Gebäudedächer? Für wirtschaftliche solarthermische Wärmeerzeugung sind eine ausreichende An lagengröße (Skaleneffekt) und eine kostengünstige Montagetechnik entscheidend. Alternativen wie die Montage auf Gebäudedächern oder die Nutzung von Freiland flächen bieten sich an. Obwohl die Dachintegration von Kollektoren verbessert wurde, sind Freiflächenanlagen deutlich kostengünstiger. Die effiziente Realisie rung großer Freiflächen-Kollektorfelder ist für die Zukunft der solaren Fernwärme entscheidend, ergänzt durch die sinnvolle Nutzung geeigneter Gebäudedächer. Im Vergleich zu Photovoltaikmodulen sind Solarthermiekollektoren weniger anfällig für Verschattungen. Lokale Gegebenheiten sollten die Flächennutzungsprioritäten von Solarthermie- und Photovoltaikanlagen bestimmen. 4 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FREIFLÄCHENENTWICKLUNG 2. Wie werden Kollektorfelder auf Freiflächen errichtet? Für die Errichtung von großen Kollektorfeldern sind ge eignete Unterkonstruktionen (i. d. R. Stahl oder Alumini um) und Montagesysteme zur Aufnahme von Kollektor Großmodulen marktverfügbar. Eine Fundamentierung im Boden dient im Wesentlichen zur Aufnahme von Wind- und Schneelasten auf dem Kollektorfeld und wird meist als Rammfundamentierung (eingerammte Stahl profil-Stützen) realisiert. Lässt die Bodenbeschaffenheit keine Rammfundamentierung zu (weicher oder felsiger Boden, Deponieflächen), kann die Fundamentierung über vorgefertigte Betonfundamente erfolgen. Die Mon tage ist in beiden Fällen reversibel, d. h. die Bodenbe schaffenheit kann zu einem späteren Zeitpunkt wieder vollständig hergestellt werden. Es findet keine bzw. im Fall von Betonfundamenten nur eine geringfügige Bodenversiegelung statt. - - - - - - WIRTSCHAFTLICHKEIT Welche Wärmegestehungskosten werden erreicht? Die Kosten für die Erzeugung von Solarwärme setzen sich aus Investitions kosten, jährlichen Kosten und Jahresertrag zusammen, unter Berücksichtigung einer Lebensdauer von 25 Jahren für die Solarthermieanlage und eines indivi duellen kalkulatorischen Zinssatzes des Unternehmens. Vor Förderung können Wärmegestehungskosten im Bereich von 55-60 €/MWh erreicht werden. Diese Kosten bleiben über die Lebensdauer der Anlage weitgehend konstant, da ein erheblicher Teil auf die anfängliche Investition zurückzuführen ist. Die Investi tionskosten sind dabei stark von der Anlagengröße und den projektspezifischen Randbedingungen abhängig (z. B. Erforderlichkeit eines Wärmespeichers oder einer Technikzentrale). Festzuhalten ist, dass bei in Wärmenetzen eingebunde nen Großanlagen die Kosten wesentlich geringer sind als bei Solarthermieanla gen auf Einzelgebäuden. Solarthermie bietet somit geringe Investitionsrisiken und reduziert die Abhängigkeit von Brennstoffkosten und -verfügbarkeiten. - - - - - ERTRAG Welche solaren Deckungsanteile lassen sich erreichen? Solarthermieanlagen können durch die Anpassung von Kollektorfeld größe und Wärmespeichervolumen für verschiedene solare Deckungs anteile am jährlichen Wärmebedarf ausgelegt werden. Systeme für Vorwärmung erreichen 3-5 Prozent Deckungsanteil, während größere Kollektorflächen mit Pufferspeicher bis zu 15 Prozent Deckung über die Sommermonate ermöglichen. Anlagen mit saisonalem Wärmespeicher können sogar nahezu 100 Prozent erreichen. Der Investitionsaufwand steigt jedoch überproportional mit höheren solaren Deckungsanteilen. In Europa liegen bisherige Höchstwerte für solare Deckungsanteile in Wärmenetzen bei 50-70 Prozent. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - / 5 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FLÄCHENDECKENDE WÄRME: DIE VERBINDUNG VON RAUMPLANUNG UND SOLARTHERMIE Welche Rolle spielt die Raumplanung beim Gelingen der kommunalen Wärmewende? Konkreter: Was gilt es für Kom munen bei der räumlichen Planung von Freiflächen-Solar thermieanlagen zu beachten? Da Solarthermie in Deutsch land zunehmend an Bedeutung gewinnt und damit auch die Kulturlandschaft prägt, gewinnt diese Frage, auch im Kontext einer erfolgreichen Wärmeplanung, immer mehr an Bedeutung. Grundsätzlich gilt: Die Raumplanung in Deutschland, ba sierend auf dem Raumordnungsgesetz, strebt eine aus gewogene Entwicklung an, die soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte miteinander in Einklang bringt. Dieses Leitbild soll auch bei der Planung solarthermischer Freiflä chenanlagen berücksichtigt werden. Die Raumplanung er folgt auf den Ebenen der Länder, Landkreise und Kommu nen. Landesentwicklungsprogramme auf Landesebene und Regionalpläne auf Kreisebene sind entscheidend, um unter schiedliche Nutzungen des Raums, einschließlich Energie erzeugung, abzustimmen. Auf kommunaler Ebene werden Flächennutzungspläne und Bebauungspläne erstellt. Trotz der Bindung an übergeordnete Pläne spielt die Kom mune eine entscheidende Rolle. Regional- und Flächen nutzungspläne haben keine direkte Wirkung auf einzelne Grundstücke und bieten Investoren keine Rechtssicherheit. Das Planungsrecht für konkrete Grundstücke wird aus schließlich durch einen Bebauungsplan der Kommune ge schaffen. Die Steuerung der Flächennutzung liegt somit bei der Kommune, die verpflichtet ist, Flächen für erneuerbare Energien auszuweisen. Alternativ kann Baurecht durch Privi legierung im Außenbereich entstehen (s. § 35 BauGB; Link: https://t1p.de/36ve). Fällt eine Solaranlage nicht unter die Privilegierung, erfordert dies in der Regel ein Bebauungs planverfahren, um mögliche Beeinträchtigungen öffentli cher Belange zu verhindern, besonders bei widersprüchli chen Darstellungen im Flächennutzungsplan. Aufgrund der Wärmeerzeugung weisen Solarthermieanla gen spezifische räumliche Anforderungen auf. Die Flächen suche wird maßgeblich durch technisch-wirtschaftliche Anforderungen und die Entfernung zum Einspeisepunkt beeinflusst. Aufgrund der Wärmeverluste der Anschlusslei tungen konzentriert sich die Suche nach solarthermischen Freiflächen vornehmlich auf Gebiete in der Nähe von Wär menetzen oder Siedlungs- und Gewerbegebieten, da eine sinnvolle Anbindung nur innerhalb begrenzter Leitungslän gen realisierbar ist. Vor allem die soziale Multicodierung in Form von Parkanlagen bietet einen Ansatz, soziale Mehr werte neben der solaren Nutzung zu schaffen. Insgesamt bietet die Raumplanung einen geeigneten Rahmen, um ver schiedene räumliche Planungen miteinander in Einklang zu bringen und den Ausbau der Freiflächen-Solarthermie zu unterstützen. Quelle: Hamburg Institut Research, 2023 Blick auf die Freiflächen-Solarthermieanlage in Greifswald (Stadtwerke Greifswald GmbH) Klicke auf den Link, um noch tiefer in das Thema einzutauchen: https://t1p.de/3ght3 - - - - - - - - - - / 6 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE LEIPZIG UND FREUDENTAL Die Großstadt Leipzig mit ihrer für 2025 geplanten Freiflächen-Solarthermieanlage mit 65.000 m² Kollektorfläche und die Gemeinde Freudental im Landkreis Ludwigsburg zeigen stellvertretend, wie Kommunen bei der Flächensuche erfolgreich vorgehen können. Durch die Ausweisung eines neuen Bebauungsplans für ein als Energiestandort bezeichnetes Sondergebiet konnte die Stadt Leipzig Flächen planungsrechtlich absichern, um eine Solarthermie-Anlage in der Nähe von Wärmeverbrauchern zu realisieren. Dieser Ansatz beschleunigt das Verfahren, da der Flächennutzungsplan (FNP) im Parallelverfahren geändert wird und deshalb nicht auf die Neuaufstellung des FNP gewartet werden muss. Gleichzeitig schafft die Stadt Raum für zukünftige Entwicklungen auf der Fläche. Nicht nur planungsrechtlich, sondern auch nutzungsrechtlich wurden die entscheidenden Flächen in Leipzig über Erbpachtverträge gesichert. Bisher wurden die Flächen hauptsächlich intensiv landwirtschaftlich genutzt und wiesen eine geringe Biodiversität auf. Die geplante Installation der Solarkollektoren auf erhöhten Aufständerungen und die extensive Schafbeweidung lassen die Fläche unversiegelt und ungestört, was sich wiederum positiv auf die Biodiversität auswirken wird. Weitere Maßnahmen wie Vogelbrutgelegenheiten und Natursteinhaufen sollen ebenfalls zur ökologischen Aufwertung der Fläche beitragen. In Freudental hat der Nahwärmebetreiber Bürger Energie Neckar Enz (B.E.N.E.) eine Solarthermie-Großanlage mit 1,2 MW Leistung in Betrieb genommen. Diese Anlage versorgt das Nahwärmenetz der Gemeinde mit Solarwärme. Statt eines herkömmlichen Kollektorfelds wurde eine dreißigreihige Anordnung von einzelnen Kollektortischen mit einer Bruttokollektorfläche von jeweils rund 60 m² gewählt. Dies ermöglichte es, auch auf scheinbar unbrauchbaren Grundstücksflächen sinnvoll Solarthermie zu installieren. Die Anordnung liegt zudem in unmittelbarer Nähe zum Speicher, wodurch die Wärmeverluste über die Rohrleitungen minimiert werden. Quelle: Leipziger Stadtwerke: https://t1p.de/scgdl; Stadt Leipzig: https://t1p.de/h967z BEBAUUNGSPLAN „SONDERGEBIET ENERGIEGEWINNUNG“ DER STADT FREUDENTAL – VEREINFACHTE DARSTELLUNG Quelle: geänderte Abbildung nach Stadt Freudental, 2022 (https://t1p.de/90uyb) 7 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE STECKBRIEF ZUM NAHWÄRMENETZ IN BRACHT (STADT RAUSCHENBERG), NORDHESSEN KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE - - 1. Aufbau und Dimensionie rung des Wärmenetzes: - Betreibermodell ist eine eingetragene Ge nossenschaft. Die Hauptwärmequelle stellt eine große Freiflächen-Solarthermieanlage mit knapp 13.000 m² Kollektorfläche dar mit 70 Prozent Deckungsgrad. 25 Prozent wird über Biomasse bereitgestellt und der rest liche Bedarf durch eine Großwärmepumpe, welche ihre Primarenergie aus einem etwa 26.600 m³ großen Erdbeckenspeicher zieht. Die Wärme wird dann über ein ca. 9.700 m langes Wärmenetz verteilt. Der Betrieb der Solarthermieanlage ist für Herbst 2024 ge plant. - - - 2. Ablauf der Flächensuche: In Zusammenarbeit mit der Stadt hat ein Arbeitskreis der Genossenschaft potentielle Flächen bestimmt. Zu Beginn standen zwei Flächen zur Auswahl. Zur weiteren Analyse der Flächen mussten Probebohrungen (Erkenntnisse über die Wasserverhältnisse) und eine Kampfmittelprüfung durchgeführt werden. Für das Kollektorfeld wurde eine Fläche ausgewählt, die zum Teil in städti schem Besitz ist. Die Besitzer der übrigen Flächen signalisierten vorab Verkaufsbereit schaft zu einem festgelegten Preis. 3. Umweltrechtliche Anforderungen: Bei der Flächensuche stellte sich heraus, dass die siedlungsnahen Flächen zum größten Teil in einem Vogelschutzgebiet liegen. Trotzdem konnte eine Fläche gefunden werden, die sich außerhalb eines Vogelschutzgebietes befindet. Des Weiteren wurden Ausgleichsflächen verlangt, welche durch die Stadt frühzeitig sichergestellt wurden. 4. Arbeitsschritte für die Flächengenehmigung: Die Flächengenehmigung umfasst in Bracht in erster Linie die Änderung des Flächen nutzungsplans, eine B-Plan-Änderung sowie die Erstellung des Bebauungsplanes. - 5. Weitere Infos zum Genehmigungsprozess: Die Änderung des Flächennutzungsplans nimmt über das gesamte Vorhaben hinweg am meisten Zeit in Anspruch, da viele Gremien involviert sind. Die anfallenden Kosten werden zunächst durch die Stadt getragen und nach Realisierung des Projektes an die Genossenschaft weiterberechnet. Die nicht unwesentlichen Kosten für die Probebohrungen und die Kampfmitteluntersuchung trägt die Genossenschaft. Neben der Änderung des Flächennutzungsplanes wurden sogenannte Auszugswerte für das Solarfeld bestimmt, um die Tiefe der Rammung für die Aufständerung der Kollektoren festzulegen. Des Weiteren wurde eine Begehung durch einen Biologen beauftragt, um sicher zu stellen, dass keine seltenen Tierarten vertrieben werden oder ob Maßnahmen durchzuführen sind, um ein Brüten vor Baubeginn zu verhindern. 6. Einbindung der Zivilgesellschaft und potenzieller Wärmekunden: Zum einem wurden mehrere Informationsveranstaltungen mithilfe der Landesenergieagentur durchgeführt. Wichtige Unterstützungsarbeit leistete dabei der Lehrstuhl Solarwärme der Uni-Kassel. Des Weiteren fanden unzählige Haustürgespräche des Arbeitskreises statt. Weitere Informationen wurden über Printmedien in Form von Infobriefen verbreitet. Aktuelle Informationen zum Projektstand: https://t1p.de/4jmd6 - : : : : : : #KLIMAHACKS MACH DEIN PROJEKT: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE IMPRESSUM Diese Klimahack-Ausgabe ist eine Initiative im Rah men des Projekts SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH (Difu), Gereonstr. 18-32, 50670 Köln Autor Paul Ratz Redaktion Esther Biro Gestaltung brandtwerk Bildnachweise Titel: Bild Landschaft mit Solaranlage: ©Foto Guido Bröer Seite 2: Bild Landschaft: ©Foto von Marcin Jozwiak- auf Pexels Seite 3: Bild Technik Solarthermie: ©Foto Guido Bröer Bild Freiflächenentwicklung: ©Foto von Bill Mead auf Unsplash Seite 4: Bild Freiflächentwicklung: ©Foto Guido Bröer Bild Wirtschaftlichkeit: Bild: ©Foto von Tech Daily auf Unsplash Seite 5: Bild Kollektoren: ©Foto Stadtwerke Greifswald GmbH Gefördert durch Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages Alle Rechte vorbehalten. Köln 2024 Diese Veröffentlichung wird kostenlos abgegeben und ist nicht für den Verkauf bestimmt.

Anna Laura Ulrichs2024-06-25T15:22:21+02:00Dienstag, 12. März, 2024|

Wir brauchen Platz! Solarthermie in der Raumplanung

Infoblatt Nr. 15 www.solare-waermenetze.de Wir brauchen Platz! Solarthermie in der Raumplanung In 2023 wurde die Raumplanung im Rahmen der Novelle des BauGB in Bezug auf Ausbau von Solaranlagen Gegenstand breiter fachlicher Diskussionen. Der Fokus der Debatte lag allerdings auf der Umsetzung von Photovoltaikanlagen. Solarthermieanlagen unterscheiden sich in der räumlichen Wirkung kaum von Photovoltaikanlagen, haben aber auf Grund der Direkterzeugung von Wärme ganz andere räumliche Anforderungen, um eine technisch und wirtschaftlich sinnvolle Umsetzung zu erreichen. Die Nähe zu Wärmenetzen ist essenziell und muss in der Flächenanalyse und den Instrumenten der Raumplanung entsprechend adressiert werden ZIELE DER RAUMPLANUNG Die Raumplanung bildet in Deutschland die Grundlage für alle räumlichen Entwicklungen und fußt auf einem eigens dafür geschaffenen Gesetz – das Raumordnungsgesetz. Diesem Gesetz nach ist der Gesamtraum Deutschlands anhand von Raumordnungsplänen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern. Schwerpunkte sind dabei unter anderem die Abstimmung unterschiedlicher räumlicher Anforderungen aufeinander, deren Konflikte auszugleichen und Vorsorge für Nutzungen und Funktionen des Raums zu treffen. Das Leitbild dieser Abstimmung bildet eine Planung, die soziale und wirtschaftliche Ansprüche an einen Raum mit den ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer ausgewogenen Ordnung mit gleichwertigen Lebensverhältnissen in den Teilräumen führt. Neben den unterschiedlichen Interessen wie z.B. Wirtschaftsentwicklung vs. Entwicklung naturnaher Räume sollen somit auch geografische oder demografische Unterschiede zwischen Stadt und Land adressiert und im gesamträumlichen Verhältnis zueinander betrachtet werden. Wie dieses Leitbild in die Planung von solarthermischen Freiflächenanlagen wirkt, wird im Folgenden beschrieben. RAUMPLANUNG Die Raumplanung findet auf den folgenden Ebenen statt, die jeweils eigene ihrem Raumbezug angepasste Detailgrade umfassen: • Länder • Landkreise • Kommunen Auf Ebene der Länder werden Landesentwicklungsprogramme (LEP) oder auch Landesraumentwicklungsprogramme entwickelt. Ziel ist es, auf dieser Ebene unterschiedliche Nutzungen des Raums, wie u. a. Tourismus, Infrastruktur, Landwirtschaft und Energieerzeugung, mitei- Solare Freiflächenanlagen werden zunehmend zum Teil der Kulturlandschaft in Deutschland. Unter welchen Rahmenbedingungen deren räumliche Planung abläuft und wo Hemmnisse und Lösungen für den beschleunigten Ausbau der Solarthermie liegen, wird in diesem Infoblatt näher beleuchtet. Wir brauchen Platz! Solarthermie in der Raumplanung Foto: Guido Broeer nander in Einklang zu bringen. Nach Raumordnungsgesetz ist dabei den räumlichen Erfordernissen für eine kostengünstige, sichere und umweltverträgliche Energieversorgung einschließlich des Ausbaus von Energienetzen Rechnung zu tragen. Wie genau dieses Erfordernis umgesetzt wird, kann durchaus unterschiedlich ausfallen. Die Ausformulierung findet meist im Rahmen von Grundsätzen und Zielen der Raumplanung statt. Ziele der Raumordnung sind verbindliche Vorgaben, die abschließend abgewogen sind und keinen Ermessensspielraum bieten. Sie betreffen die Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums . Unter den Grundsätzen der Raumplanung sind die Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen aufgeführt. In der darunter folgenden Ebene konkretisieren die Landkreise die Vorgaben in ihrem Teilraum im Rahmen des Regionalplans und beziehen Regionalitäten ein. Während die Landesplanung meist nur textliche Festsetzungen enthält, werden in der Regionalplanung auch grafische Planungsvorgaben festgehalten, die die Vorgaben des Landesprogramms konkretisieren und differenzieren. Auf dieser Ebene werden unter anderem die Flächen für die Windenergienutzung in Form von Vorranggebieten ausgewiesen. Durch eine entsprechende Festsetzung kann eine Ausschlusswirkung festgelegt werden, die eine Umsetzung von z. B. Windenergie außerhalb dieser Gebiete ausschließt, da die Flächen bereits über die Vorranggebiete ausreichend gesichert wurden. Auf der letzten Ebene folgen der Flächennutzungsplan und der Bebauungsplan, die beide von der Kommune aufgestellt werden. Der Flächennutzungsplan ist für das gesamte Gemeindegebiet gültig und ist als vorbereitender Bauleitplan zu verstehen, der die städtebauliche Entwicklung abbildet. Im Bebauungsplan, auch verbindlicher Bauleitplan genannt, sind die Vorgaben des Flächennutzungsplans zu beachten. Innerhalb des Bebauungsplans wird Baurecht geschaffen und das Vorhaben konkretisiert. Die Gemeinde hat darüber die Möglichkeit, die zugelassenen Nutzungen festzuschreiben. Die Wirkweise der unterschiedlichen Ebene erfolgt kaskadenweise, was bedeutet, dass jeder Bebauungsplan im Aufstellungsverfahren den Vorgaben der Landes- und der Regionalentwicklung entsprechen muss. Das bedeutet: Soll eine Nutzung im Bebauungsplan festgeschrieben werden, die nicht im Flächennutzungsplan schon vorgesehen ist, muss der FNP geändert oder fortgeschrieben werden. Die Rolle der Kommune ist – trotz der Bindung an die übergeordneten Pläne - immens wichtig: Regional- und Flächennutzungspläne sind nämlich nicht grundstücksscharf und haben für Investoren und Projektierende keinerlei rechtliche Wirkung. Insbesondere folgt aus ihnen kein Baurecht für konkrete Grundstücke. Das Planungsrecht für konkrete Grundstücke kommt nur durch einen Bebauungsplan zustande – welcher durch die Kommune aufgestellt wird. Damit liegt die Steuerung der tatsächlichen Flächennutzung bei der Kommune: Sie darf und muss die Flächen für erneuerbare Energien ausweisen. Alternativ zu einem Bebauungsplan kann Baurecht durch Privilegierung im Außenbereich entstehen: Im Rahmen der Privilegierung von Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie nach §35 BauGB im 200m Streifen entlang von Schienenwegen und Darstellung des Bebauungsplans der neuen Freiflächensolarthermieanlage in Leipzig inkl. der Darstellung der Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft in den Randbereichen. Die Anlage ist mit 6,5 Hektar derzeit größte solarthermische Anlage in Deutschland. © seecon Ingenieure GmbH 2c 69 4 72 77c 71a 76b 67 1 77a 144 2 76a 10 13 75 17 170 4 15 169 1a 7 71 76 1 70 3 157 12 3 5 2a 71b 77b 155 156 2 69a 2b 1 74 6 151 150 68 8 72a 2b 11 77 Blaufichtenweg traße Gerhard-Ellrodt-Straße Lausner Weg Miltenberger Straße Aschaffenburger Straße Lausner Weg Gerhard-Ellrodt-Straße 200/b 16 824 201/b 29 750 839 859 3 825 43 239 829 859/a 37 239 206/5 53 239 1 823 1456 204 34 750 838 7 824 206/7 837/29 2 205 822 12 824 54 239 24 750 3 821 750/f 33 837 1 820 33 750 2 861 3 201 6 199 239/64 6 824 49 239 37 750 199/b 39 239 837/27 51 239 883 4 199 1006 28 750 859/b 860 1 825 4 206 70 239 62 239 158 837/28 35 750 26 750 750/g 36 239 36 750 837/31 2 823 2 825 11 824 38 239 7 123 1 822 4 201 2 821 6 206 824 44 34 1 821 31 750 153 3 206 5 824 207 827 3 239/41 205/a 1 205 239/71 32 750 2 826 4 123 2 822 23 750 35 239 2 201 159 1 206 239/40 30 750 52 239 861/a 204/b 1 826 857 65 239 3 123 200/a 25 750 27 750 123.9 123.9 123.9 123.8 123.7 123.4 123.0 122.7 122.7 122.8 122.9 122.6 122.7 122.8 123.1 123.4 123.3 123.2 123.0 122.9 122.6 122.5 122.6 122.6 122.7 122.8 122.7 122.7 122.5 122.5 122.3 122.3 122.5 122.5 122.7 122.5 122.2 122.0 121.9 122.0 122.2 122.1 121.6 121.6 121.9 122.6 122.9 122.9 122.3 121.8 121.5 121.4 121.8 121.6 121.2 121.4 121.5 121.9 122.5 122.8 123.1 123.7 123.5 123.3 122.7 123.1 122.8 122.4 122.1 122.1 122.1 121.87 121.87 121.65 121.84 121.77 123.03 123.09 122.95 122.86 123.87 122.71 122.80 122.90 123.30 123.25 123.13 123.70 D.124.32 D.124.37 D.124.16 D.123.90 D.123.62 D.123.42 394,5 266,5 182,5 178,5 25,0 25,0 5,0 5,0 5,0 5,0 A3 A3 A3 A3 A3 8,0 8,0 8,0 3,0 3,0 3,0 5,0 10,0 10,0 5,0 202,0 78,0 182,0 3,0 3,0 5,0 3,0 1,5 5,5 1,5 3,0 3,0 50,5 33,5 1,0 1,0 3,5 1,0 6,0 6,0 3,5 3,0 3,0 6,5 20,0 20,0 243,5 42,5 50,0 3,0 8,5 8,0 8,5 3,0 r. Ba M1 M4 M3 A5 A6 M6 M2 A7 (a) GH max. 8,00 m A8 (A) M5 Wendehammer für Feuerwehr A2 A1 A2 A1 A1 A1 A1 G1 (Wartungsweg) G2 (Feuerwehrzufahrt) M2 MS MS Ausleitungsstrang MS MS Ausleitungsstrang SO Solarthermie GRZ 0,6 (b) OKKollektormax. 3,5 m UKKollektormind. 0,8 m G3 (Betriebszufahrt) A2 MS A3 A3 A3 A2 A2 A1 A8 (C) A8 (B) A8 (D) A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 A4 G4 GAS MS Ausleitungsstrang M5 M5 M5 MS MS MS 110 kV MS FW 21,0 NS FW M4 M4 P:\4504_B-Plan_Solarthermie_Lausen\01_SuL_B-Plan Solarthermie_Lausen\02_Bearbeitung\3_Zeichnungen\a_AutoCAD\1_BPL\2_Entwurf\4504_BP_PLZ.dwg Bearbeiter: Susanne.kunsch Plotdatum: 2022-04-13 Format: 297x420 Gemeinsam | Zukunft | Planen Spinnereistraße 7, Halle 14 seecon Ingenieure GmbH D - 04179 Leipzig Projekt Planinhalt Bauherr Planer Teil A: Planzeichnung Maßstab 1 : 2.000 Leipzig, 13.04.2022 Bebauungsplan Nr. 459 "Energiestandort Lausen" - Entwurf Stadt Leipzig, Stadtplanungsamt und Leipziger Stadtwerke GmbH 27.04.2022 Infoblatt Nr. 15 Autobahnen, entfällt die Pflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans. Dies ist nach der Novelle des BauGB in 2023 eindeutig geregelt. Das Vorhaben ist zulässig, wenn keine öffentlichen Belange entgegenstehen. Fallen solare Anlagen nicht unter den Privilegierungstatbestand, ist in der Regel ein Bebauungsplanverfahren notwendig, da keine öffentlichen Belange beeinträchtigt werden dürfen, was bei widersprechenden Darstellungen im Flächennutzungsplan der Fall ist. BESONDERE ANFORDERUNGEN DER SOLARTHERMIE In der räumlichen Wirkung sind Photovoltaik- und Solarthermieanlagen sehr ähnlich einzuordnen – bei den räumlichen und planerischen Anforderungen ist die Solarthermie jedoch deutlich differenzierter zu betrachten. Da in der Anlage Wärme erzeugt wird, muss diese über Wärmenetze in Richtung der Wärmesenken wie z.B. Wohngebäude verteilt werden. Da die Leitungslängen für den Wärmetransport über ein Wärmeträgermedium auf Grund der Transportverluste und kostenaufwändigen Leitungsverlegung begrenzt sind, sollten solarthermische Anlagen immer möglichst nah an den Wärmsenken gebaut werden. Meist sind dies Wärmenetze in dicht bebauten Wohn- oder Siedlungsgebieten. Durch die Nähe zu Wohn- und Gewerbebereichen steigt allerdings auch der Druck auf die Fläche, da sich diese Bereiche in der Regel auch sehr gut zur Erweiterung der Wohn- oder Gewerbegebiete eignen oder zur Naherholung dienen oder zukünftig dienen sollen. Die räumlichen Vorbelastungen in diesen Bereichen sind meistens nicht so ausgeprägt wie bei den Gunstflächen für Photovoltaikanlagen entlang von Schienenwegen oder Autobahnen. Die Flächenermittlung für solarthermische Anlagen ist daher so früh wie möglich durchzuführen, um unter den genannten Kriterien geeignete Flächen zu sichern und nicht anderweitig zu beplanen. Ein Ansatz, die unterschiedlichen Anforderungen an eine unbeplante Fläche in Siedlungsnähe für die solarthermische Nutzung möglichst miteinander in Einklang zu bringen, bietet die soziale Multicodierung. Ziel des Ansatzes ist es, ein Konzept zu entwickeln, dass neben der solaren Nutzung einen sozialen Mehrwert für die Menschen in den anliegenden urbanen Bereichen schafft. So kann neben dem Solarthermiefeld z.B. ein angrenzender Bürger*innenpark auf dem gleichen Grundstück angelegt werden, um Flächen zur Naherholung zu bieten. Durch den Bau von solaren Nachbarschaftsgewächshäusern kann auch die Fläche direkt unter den Modulen von Anwohner*innen bewirtschaftet und nach individuellen Wünschen gestaltet werden. LANDESERLASSE & LANDESENTWICKLUNGSPLÄNE In einigen Bundesländern gibt es neben den Vorgaben des LEP auch Erlässe seitens der Landesplanungsbehörden, die geltenden Vorgaben für die Solarflächenplanung zusammenfassen und festschreiben. In vielen Bundesländern wurden das Potenzial und auch die Herausforderungen für die Solarthermie bereits erkannt und durch entsprechende Vorgaben den Hemmnissen begegnet. Diese sind meist als Grundsätze formuliert, um den Kommunen eine Orientierung zur räumlichen Einordnung von solarthermischen Anlagen in Abwägungsprozessen an die Hand zu geben. Ein oft formulierter Grundsatz lautet, dass solarthermische Anlagen in der Nähe zu Wärmesenken errichtet werden sollten unter Beschreibung der oben gennannten Herausforderungen der Solarthermie in Bezug auf die Netzanbindung. Konkreter wird es, wenn von „Gunstflächen“ oder „Positivbereichen“ des Suchraums gesprochen wird. Durch Festschreibung dieses Kriteriums soll der Auswww. solare-waermenetze.de Große Solarthermieanlagen bieten zwischen und unter den Kollektoren Raum für erhöhte Biodiversität, die sich recht schnell einstellt. Eingebettet in ein ökologisches (Freiflächen-)Konzept können die Kollektorfelder Teil von positiv wahrgenommenen und gerne genutzten Erholungsflächen sein. Solarthermieanlage in Lemgo, Nordrhein-Westfalen, Foto: Solites bau von solaren Anlagen möglichst in Bereichen umgesetzt werden, die als räumlich vorbelastet eingestuft werden und geringere räumlicher Widerstände aufweisen als Bereiche ohne Vorbelastung. Oft orientieren sich diese Kriterien für Solaranlagen an den Vorgaben des EEG, das den Ausbau der Photovoltaik fördert und durch die Förderbedingungen auch eine räumliche Steuerungsfunktion einnimmt. Eine Übernahme der Kriterien des EEG kann in Teilen zu einer redundanten Steuerung führen, die sich stark an den Steuerungsvorgaben des Photovoltaikausbaus orientiert. Vorgaben eines Gunstbereichs in den Korridoren entlang von Bahnschienen oder Autobahnen (analog zum EEG) sind dem solarthermischen Ausbau meist nicht dienlich, da sich Autobahnen und Schienenwege nur in seltenen Fällen in direkter Nähe zu größeren Siedlungsbereichen und damit potenziellen solarthermischen Wärmenetzen befinden. Im Rahmen der Erkenntnisse aus Projekt Solnetplus wird daher empfohlen sich bei den Kriterien vom EEG zu lösen und insbesondere Kriterien für die solarthermische Planung zu entwickeln. Ein Gunstbereich, der in manchen Landesentwicklungsprogrammen beschrieben ist, ist der Nahbereich um Gewerbe- und Industriegebiete. In diesen Bereichen sind solare Umsetzungen aufgrund der räumlichen Vorbelastung durch u. a. große Gewerbehallen priorisiert umzusetzen. Da sich Gewerbegebiete teils in der Nähe von den (potenziellen) Wärmenetzgebieten bzw. Wärmesenken befinden, kann dieses Positivkriterium beim Abwägungsprozess zur Umsetzung von solarthermischen Anlagen ausbaufördernd wirken. Jedoch weisen nicht alle Gewerbegebiete zwingend Wärmenetzpotenzial im Umfeld auf. Somit kann dieses Kriterium im Einzelfall hilfreich sein, Kai Jerma ist Projektmanager bei der IB.SH und unter anderem Ansprechpartner für die Schnittstelle zwischen Raumplanung, Technik und Wirtschaftlichkeit solarer Freiflächenprojekte in Schleswig Holstein seitens der IB.SH Welche Rückmeldungen haben Sie in Schleswig-Holstein zum Solar-Freiflächenanlagen- Erlass (Hilfestellung für Kommunen) von den Kommunen bekommen? Kai Jerma: Die bisherigen Rückmeldungen fielen unterschiedlich und teils eher verhalten aus. In manchen Kommunen wurde der Planungserlass als weitere Hürde in der planerischen Gestaltung aufgefasst. Hier werden wir noch einmal in den Dialog gehen, um das Verständnis zu schärfen: Denn es handelt sich nicht um ein Pflichtenheft für die Kommune, sondern vielmehr um Spielregeln für die Planung. Wir wollen vor allem Hilfestellung für die Flächenbewertung geben. Die Kriterien bieten eine fundierte Grundlage, um vor Ort kommunale Standortkonzepte zu erarbeiten. Wie sehen die weiteren Planungen aus? 2023 ist eine Evaluierung des Planungserlasses vorgesehen, um die Erfahrungen der ersten zwei Jahre auszuwerten. Was wir jetzt schon sehen, ist dass die Trennung zwischen Photovoltaik- und solarthermischen Anlagen noch klarer herausgearbeitet werden sollte. Insbesondere der Solarthermie wollen wir mehr Aufmerksamkeit und Raum verschaffen – sowohl im Planungserlass als auch in der schleswig-holsteinischen Flächenkulisse. Im Rahmen der verpflichtenden Wärmeplanung gilt es alle verfügbaren lokalen Potenziale so gut wie möglich zu nutzen, um den Wärmesektor zu dekarbonisieren und die Wärmepreise so weit wie möglich von globalen Unsicherheiten zu entkoppeln. Schleswig- Holstein bietet besonders gute Voraussetzungen, um die Transformation über Wärmenetze voranzutreiben. Empfehlen Sie anderen Ländern ein ähnliches Vorgehen? Ja. Auch wenn die Auswertung noch aussteht, ist nach bisherigem Stand das Aufsetzen einer Planungshilfe auf Landesebene auf jeden Fall zu empfehlen. Wie schon erwähnt, ist es elementar, den Unterschied zwischen Solarthermie und Photovoltaik zu betonen. Neben den besonderen räumlichen Anforderungen der Solarthermie ist auch der Nutzen vor Ort durch eine lokale Versorgung in solaren Wärmenetzen ganz anders einzuschätzen als bei der Photovoltaik. Um Vorbehalten vorzubeugen, sollte von Anfang an deutlich kommuniziert werden, dass es sich um eine Planungshilfe handelt, die Kommunen als Chance für eine proaktive Energieflächenplanung dienen soll. „PLANUNGSHILFE UND CHANCE FÜR DIE KOMMUNEN“ Infoblatt Nr. 15 IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen vom Projekt SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: HIR Hamburg Institut Research gGmbh Redaktion: Felix Landsberg, Hamburg Institut Anna Ulrichs, Solites Veröffentlichung: September 2023 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) Partner bietet aber keine allgemeingültigen Lösungsansatz, um den Ausbau solarthermischer Anlagen zu beschleunigen. HEMMNISSE BEKANNT, LÖSUNGEN VORHANDEN Der Ansatz und die Ziele der Raumplanung bilden einen geeigneten Rahmen, um nachhaltig und interessenverträglich verschiedene räumliche Planungen miteinander in Einklang zu bringen oder möglichst konfliktarm zu planen. Auf Grund der besonderen räumlichen Anforderungen der Solarthermie sind im Suchprozess Kriterien wie die nötige Nähe zu Wärmesenken frühzeitig zu berücksichtigen. Lösungsansätze konnten im Projekt SolnetPlus sowohl auf Seiten der Projektierenden als auch auf Seiten der Behörden identifiziert werden. • Berücksichtigung der besonderen Anforderungen der Solarthermie in den raumplanerischen Vorgaben auf Landes- und Regionalebene • Erstellung einer strukturierten Flächenanalyse in Kooperation zwischen Wärmenetzbetreiber und Kommune • Kommunale Ausweisung von Flächen zur solaren Nutzung auf Basis einer strukturierten Flächenanalyse • Ermittlung und Einordnung des solaren Gesamtpotenzials im Rahmen einer Solarstrategie Die Flächensuche für ein solarthermisches Projekt sollte mit ausreichend Vorlauf und Kapazitäten für Abstimmungsprozesse im Rahmen einer strukturierten Flächenanalyse durchgeführt werden. Um den Lösungsraum zu erweitern, sollten Mehrfachnutzungen der Flächen von Anfang an mitgedacht werden – insbesondere in der siedlungsnahen Bereichen, die sich technisch besonders gut für die Umsetzung solarthermischer Anlagen eignen. Planungsbehörden können den Ausbau und den Flächenfindungsprozess durch Vorgaben zu den besonderen räumlichen Anforderungen solarthermischer Anlagen in den Raumordnungsprogrammen unterstützen, damit diese in den Abwägungsprozessen vor Ort berücksichtigt werden.

Anna Laura Ulrichs2023-10-09T15:33:13+02:00Freitag, 22. September, 2023|
Nach oben