Eine große Solarthermie-Anlage mit einer Wärmepumpe im Wärmenetz ist wirtschaftlich und ermöglicht eine hohe CO2-Einsparung: Das nordhessische Dorf Bracht beginnt in diesem Sommer mit dem Bau einer genossenschaftlich organisierten solaren Dorfwärmeversorgung.
Das Netz soll einen solaren Deckungsgrad von 67 Prozent erreichen. Möglich macht dies vor allem ein Erdbecken-Saisonalspeicher nach dänischem Vorbild. Die Bürgerenergiegenossenschaft will die Solarthermieanlage in Kombination mit einer Großwärmepumpe und zwei Holzkesseln wirtschaftlich betreiben. Eine solare Wärmeversorgung mit derartig hohen Deckungsgraden ist für Deutschland einmalig.
In den Sommermonaten soll die Solarthermie-Anlage mit ihren 13.000 Quadratmetern Kollektorfläche das Netz mit 180 Gebäuden allein versorgen. Gleichzeitig wird sie aber den größeren Teil ihrer Energieernte in den Saisonalspeicher laden können. Im Winter soll dann eine Wärmepumpe mehr oder weniger konstant den Speicher als Wärmequelle nutzen. Die Wärmepumpe erhöht die Temperaturspreizung im Erdbeckenspeicher, mindert somit dessen erforderliches Volumen und die Baukosten des Speichers.
In einem neuartigen Betriebskonzept, dessen Effekt die Solarthermie-Expert:innen um Professor Klaus Vajen von der Uni Kassel durchgerechnet haben, läuft stets als Unterstützung der Wärmepumpe einer der beiden verschieden großen Biomassekessel mit. Die Biomasse wird also in Bracht nicht nur zu Spitzenlastzeiten eingesetzt. Stattdessen sorgt der Biomassekessel dauerhaft, immer wenn die Wärmepumpe gebraucht wird, für den letzten Teil des Temperaturhubs auf die erforderliche Netztemperatur von 70 bis 80 Grad Celsius. Indem sie nur für einen begrenzten Teil des gesamten Temperaturhubs zuständig ist, kann die Wärmepumpe somit stets hohe Wirkungsgrade erzielen.
In der Jahresbilanz sollen die Solarkollektoren mehr als zwei Drittel des Wärmebedarfs decken. Maximal 25 Prozent trägt die Biomasse bei. Lediglich 8 Prozent des Energieverbrauchs macht der Wärmepumpenstrom aus. Zugleich stellt dieses Betriebskonzept sicher, dass die Wärmepumpe keine Stromspitzen verursacht, da diese in extremen Kälteperioden oder in der berüchtigten „Dunkelflaute” das Stromnetz belasten würden.
Wärmenetz mit Solarthermie und Wärmepumpe als wirtschaftliche Lösung (auch) auf dem Land
Den Forschungsarbeiten der Uni Kassel zu Bracht ist es auch zu verdanken, dass eine hochgradig solare Wärmeversorgung nunmehr als das in diesem Fall wirtschaftlich deutlich überlegene Konzept gelten darf. Denn auf Betreiben des Fördergebers, des hessischen Wirtschaftsministeriums, hat das Kasseler Forschungsteam vor der Investitionsentscheidung auch eine alternative Lösung durchgerechnet: In diesem Szenario mit individuellen Gebäudeheizungen wäre in der dörflichen Gemeinde die Effizienz der Gebäude mit einer forcierten Sanierungsrate von drei Prozent pro Jahr individuell anspruchsvoll gesteigert worden. Wo möglich wären die Gebäude nach und nach auf Wärmepumpen umgerüstet worden, um bis 2045 auf den gleichen Verbrauch an Bioenergie für den Restbedarf zu kommen wie das avisierte Wärmenetz.
Aus dem Vergleich ging das solare Wärmenetz als klarer Sieger hervor. Das Ergebnis der Kasseler Uni hat laut Professor Vajen in einer unabhängigen Untersuchung später die hessische Energieagentur HessenEnergie bestätigt. Hinzu kommt der ökologische Vorteil, dass der Klimaeffekt beim Wärmenetz sofort nach dessen Inbetriebnahme einsetzt, sodass allein in der Übergangszeit von zwei Jahrzehnten, während der die Sanierung des gesamten Gebäudebestandes laufen würde, im konkreten Wärmenetz-Szenario enorme CO2-Mengen eingespart werden. Fazit von Klaus Vajen: „Solare Nahwärme ist ökonomisch absolut konkurrenzfähig und beschleunigt die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung ländlicher Gebiete signifikant.”
Bildnachweis: Guido Bröer