Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung für solarthermische Großanlagen
SolnetBW II Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg Trafo BWT 17005-08 Baden-Württemberg Programm Lebensgrundlage Umwelt und ihre Sicherung (BWPLUS) ‘Transformation des Energiesystems in Baden-Württemberg – Trafo BW‘ Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung für solarthermische Großanlagen Gefördert durch: I Dokumentinformation: Teilbericht zum Verbundvorhaben „SolnetBW II – Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg“, Fkz.: Trafo BWT 17005-08 Projektlaufzeit: 24.03.2017 – 23.09.2019 Autoren: Dr. Matthias Sandrock (Hamburg Institut) Christian Maaß (Hamburg Institut) Dr. Hilmar Westholm (Hamburg Institut) Haftungsausschluss: Gefördert mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg durch den beim Karlsruher Institut für Technologie eingerichteten Projektträger. Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung des Fördermittelgebers wieder. Weder der Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. II INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................................... II 1 Das Vorhaben SolnetBW II ...................................................................................................... 1 1.1 Beteiligte Institutionen.......................................................................................................... 3 2 Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung für solarthermische Großanlagen ................... 4 2.1 Hintergrund und Zielsetzung: Herausforderung Flächenbedarf ............................................ 4 2.2 Hemmnisse bei der Bereitstellung von Flächen ................................................................... 9 2.3 Lösungsansätze zur verbesserten Flächenbereitstellung ................................................... 13 2.4 Handlungsempfehlungen und weiterer Forschungsbedarf ................................................. 49 3 Literaturverzeichnis ................................................................................................................ 52 SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 1 Seite | 1 1 DAS VORHABEN SOLNETBW II Der Wärmesektor stellt mit einem Anteil von rund 50 Prozent den größten Teil am Endenergieverbrauch dar und bietet ein großes CO2-Minderungspotenzial in Baden-Württemberg. Um die Wärmeversorgung bis zum Jahr 2050 nahezu klimaneutral zu gestalten, muss die Energiewende im Wärmesektor vorangebracht werden, die Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien umgestellt und der Wärmebedarf von Gebäuden konsequent reduziert werden. Vor diesem Hintergrund der ehrgeizigen Ziele, der Transformation des Energiesystems, unterstützt die Landesregierung Baden-Württemberg mit dem Vorhaben SolnetBW II den Ausbau und eine vermehrte Nutzung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg. Damit werden wichtige Maßnahmen des Klimaschutzgesetzes und des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzeptes Baden-Württemberg umgesetzt. Ein zentraler Ansatz der Ausschreibung des Umweltministeriums Baden-Württemberg für dieses Forschungsprogramm lag auf der Erarbeitung von Transformationswissen mit der Fragestellung, wie die Transformation hin zu einem nachhaltigen Energiesystem in Baden-Württemberg gelingen kann. In diesem Rahmen sollen Erkenntnisse aus Hemmnissen der eigens konzipierter und durchgeführter Reallabore gewonnen und praktische Lösungsvorschläge durch Erprobung geprüft werden. Das Vorhaben SolnetBW II entwickelte innovative, weiterführende Lösungsansätze für bestehende Hemmnisse und Möglichkeiten zum Ausbau solarer Wärmenetze. Die Erarbeitung der Lösungen erfolgte im Rahmen von verschiedenen Reallaboren in dem Bereich der Wärmenetze und im Speziellen für Solarthermie, generierte Transformationswissen und stellt den beteiligten Akteuren entsprechende Instrumente zur Verfügung. Der Fokus lag zum einen auf Hemmnissen bezüglich der Flächenverfügbarkeit für solarthermische Großanlagen, deren Findung im Rahmen von geplanten Umsetzungen sich oftmals schwierig gestaltet. Zum anderen zielte eine Fragestellung auf die Umsetzung von solaren Wärmenetzsystemen mit Groß-Wärmespeichern als Voraussetzung für die Sektorkopplung ab. Ebenfalls war das Hemmnis der lückenhaften Kenntnisse und des mangelnden Vertrauens bzw. der fehlenden Akzeptanz in die solare Wärmeerzeugung adressiert. Hierzu wurden u. a. Lösungsansätze zur Anbahnung und zum Ausbau von Wärmenetzen als Voraussetzung für die Einbindung großer thermischer Solaranlagen entwickelt. Die Umsetzung der Reallabore und die Erarbeitung der innovativen Lösungsansätze wurden konkret in den beiden Regionen Neckar-Alb und Oberschwaben sowie in zwei weiteren Kommunen durchgeführt. Als Besonderheit des Vorhabens wurden die Reallabore Neckar-Alb (Flächenverfügbarkeit) und Uissigheim/Wettersbach (Akzeptanz von Wärmenetzen) überdies sozialwissenschaftlich begleitet, indem u. a. Interviews mit jeweils relevanten Akteuren geführt wurden (vgl. (Westholm & Vollmer, 2019)). Die daraus abgeleiteten Hemmnisse, Lösungsvorschläge, Empfehlungen sowie Narrative flossen in das Projekt ein. Eine weitere Zielsetzung des Vorhabens SolnetBW II lag in dem landesweiten Transfer der erarbeiteten Lösungsansätze und Instrumente an die relevanten Akteure. Durch direkte Marktbereitung in Form von Initialberatungen, geeignete Kommunikationsmaßnahmen sowie Schulungsmaßnahmen und zielgruppenspezifischen Veranstaltungen konnte das erarbeitete Wissen transferiert und die Ergebnisse effektiv verwertet werden. Alle in diesem SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 1 Seite | 2 Forschungsvorhaben erarbeiteten und veröffentlichten Berichte und Dokumente stehen in dem Wissensportal unter www.solare-waermenetze.de zum Download zur Verfügung. SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 1 Seite | 3 1.1 Beteiligte Institutionen Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme (Solites) Koordinator Meitnerstr. 8, 70563 Stuttgart, www.solites.de Thomas Pauschinger, T. +49 711/673 2000-40, E. pauschinger@solites.de AGFW-Projektgesellschaft für Rationalisierung, Information und Standardisierung mbH Stresemannallee 30, 60596 Frankfurt/Main, www.agfw.de Dr. Heiko Huther, T. +49 69/6304-206, E. h.huther@agfw.de HIR Hamburg Institut Research gGmbH Paul-Nevermann-Platz 5, 22765 Hamburg, www.hamburg-institut.com Dr. Matthias Sandrock, T. +49 40/39106989-21, E. sandrock@hamburg-institut.com Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung der Universität Stuttgart (IER) Heßbrühlstraße 49a, 70565 Stuttgart, www.ier.uni-stuttgart.de Dr. Markus Blesl, T. +49 711/68587865, E. Markus.Blesl@ier.uni-stuttgart.de Die Einbindung der KEA erfolgt im Unterauftrag von Solites: KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH Kaiserstraße 94a, 76133 Karlsruhe, www.kea-bw.de Helmut Böhnisch, T. +49 721/98471-13, E. helmut.boehnisch@kea-bw.de Die Einbindung des HIC erfolgt im Unterauftrag von HIR: HIC Hamburg Institut Consulting GmbH Paul-Nevermann-Platz 5, 22765 Hamburg, www.hamburg-institut.com de Dr. Annette Vollmer, Dr. Hilmar Westholm, T. +49 40/39106989-0, E. vollmer@hamburg-institut.com, westholm@hamburg-institu.com Das Vorhaben wird bearbeitet in Kooperation mit: - Regionalverband Neckar-Alb - Ingenieurkammer Baden-Württemberg - Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) gGmbH - Energieagentur Ravensburg gGmbH - Energieagentur Main-Tauber-Kreis GmbH - KEK - Karlsruher Energie- und Klimaschutzagentur gGmbH SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 4 2 INNOVATIVE LÖSUNGEN ZUR FLÄCHENBEREITSTELLUNG FÜR SOLARTHERMISCHE GROßANLAGEN 2.1 Hintergrund und Zielsetzung: Herausforderung Flächenbedarf Etwa die Hälfte des Endenergiebedarfs in Deutschland wird heute in Form von Wärme benötigt. Damit ist für die Erreichung der Klimaschutzziele ein tiefgreifender Strukturwandel im Wärmesektor erforderlich. Denn heute basiert die Wärmeversorgung im Wesentlichen noch auf der Basis fossiler Energieträger. Nur etwa 14 % der Wärme wird über erneuerbare Energien bereitgestellt. Abbildung 2-1: Anteile erneuerbarer Energien am Brutto-Stromverbrauch und Endenergieverbrauch Wärme (Daten nach (AGEEStat, 2019)) In Abbildung 2-1 ist zu sehen, dass die Marktentwicklung der erneuerbaren Energien in den Sektoren Strom und Wärme in den letzten Jahren sehr unterschiedlich verlaufen ist. Im Stromsektor ist der Anteil erneuerbarer Energien seit einigen Jahren stark angewachsen und beträgt heute etwa 40 %. Dagegen stagniert der Anteil an erneuerbaren Energien im Wärmebereich noch auf einem Niveau von etwa 14 %. Ein starkes Wachstum der erneuerbaren Wärme steht somit in den nächsten Jahren noch bevor. Der Anteil an erneuerbaren Energien in der Wärmeversorgung fußt derzeit noch zu sehr großen Teilen auf Biomasse, die Solarthermie liefert einen Beitrag von etwa 5 % (Umweltbundesamt, 2019). 0,0 0,0 5,0 5,0 10,0 10,0 15,0 15,0 20,0 20,0 25,0 25,0 30,0 30,0 35,0 35,0 40,0 40,0 Anteil EE in % Anteil EE in % EE-Strom EE-Strom EE-Wärme EE-Wärme SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 5 Abbildung 2-2: Wärmeverbrauch aus erneuerbaren Energien im Jahr 2018 (Quelle: (Umweltbundesamt, 2019)) Aufgrund der noch fossil geprägten Wärmeversorgung sind vor Ort derzeit nur sehr geringe Flächenbedarfe erforderlich. Die notwendigen Brennstoffe werden zum größten Teil aus dem Ausland auf dem Seeweg (Kohle, Erdöl) oder per Pipeline (Erdgas) importiert. Die Flächenbedarfe für die Umwandlungsanlagen (z. B. Heizkraftwerke) sind vergleichsweise gering. Mit der anstehenden Transformation der Energieversorgung zu erneuerbaren Energien und der Abkehr von fossilen Brennstoffen wird jedoch der notwendige Flächenbedarf vor Ort stark anwachsen. „Fläche ist die neue Währung“ ist somit auch eine zentrale Aussage einer kürzlich veröffentlichten Studie zur Regionalisierung der Stromwirtschaft (ZfK, 2019). Bereits heute ist erkennbar, dass die Ressource „Fläche“ ein maßgeblicher Flaschenhals der Energiewende ist. Restriktive Vorgaben in vielen Landesentwicklungsplänen und Regionalplänen sowie diverse bundes- und landesrechtliche Regelungen haben dazu geführt, dass heute keine ausreichende Flächenkulisse bereitsteht, um den Ausbau der erneuerbaren Energien in dem zur Erreichung der Klimaziele erforderlichen Tempo umzusetzen. Dabei ist die Stromwende mit erneuerbaren Energien noch nicht einmal zur Hälfte umgesetzt und der Wärmebedarf wird erst zu einem Achtel aus erneuerbaren Energien gedeckt. Man erhält eine Ahnung von der Dimension des flächenbezogenen Steuerungsbedarfs, wenn man sich vor dem Hintergrund der bereits heute bestehenden Flächenkonflikte vor Augen führt, dass der Wärmebedarf in Deutschland insgesamt rund doppelt so groß ist wie der Strombedarf und sich der Raumwärmebedarf zudem weitgehend auf das Winterhalbjahr konzentriert. Der Steuerungsbedarf zur Bereitstellung von Flächen für erneuerbare Energien wird daher deutlich zunehmen. Dieser Flächenbedarf wird auch zukünftig nur zum Teil in den Städten und Gemeinden selbst abgedeckt werden können, insbesondere durch eine verstärkte Nutzung von Dach- und SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 6 Fassadenflächen für Solarenergie. Selbst wenn es gelingt, diese Flächenressourcen in Zukunft deutlich besser zu heben, verbleibt für Städte ein erheblicher Import- und Flächenbedarf für erneuerbare Energien. In noch größerem Maß als bei der Stromwirtschaft ist die Wärmeerzeugung auf Flächen in der Nähe der Verbraucher angewiesen. Denn im Gegensatz zum Strom und zu fossilen Brennstoffen, die über weite Entfernungen transportiert werden können, ist der Wärmetransport über größere Entfernungen sehr kostenintensiv und mit Wärmeverlusten verbunden. Bei der Biomasse wären Importe aus entfernter liegenden Regionen zwar grundsätzlich möglich. Diese müssten aber konsequent unter Nachhaltigkeitskriterien bewertet werden. Inwieweit künftig ein belastbares System zur nachhaltigen Erzeugung von Biomasse zur Verfügung stehen könnte, ist derzeit nicht absehbar. In jedem Fall können die heutigen Importmengen an fossilen Brennstoffen für die Wärmeerzeugung nicht allein über den Biomassepfad gedeckt werden. Das Wachstum im Bereich der erneuerbaren Wärmeerzeugung wird sich vorrangig auf andere Energiequellen wie etwa die Solarthermie, Geothermie oder Umweltwärme stützen müssen. Im Ergebnis sind künftig in erheblichem Maß Flächen für die Wärmeerzeugung vor Ort erforderlich. Dieser Raumbedarf bei der Transformation der Wärmeversorgung zu erneuerbarer Energien wird künftig auch planerisch eine höhere Bedeutung erlangen müssen, denn die Nutzungskonkurrenz bei der Flächennutzung ist insbesondere in urbanen Siedlungsräumen sehr groß. Im Sinne einer vorausschauenden Flächensicherung ist vor allem in Städten und größeren Gemeinden sowie deren Umfeld eine planerische Befassung mit der künftigen Wärmeversorgung dringend notwendig. Bislang ist das Thema des Flächenbedarfs der Wärmeerzeugung in den kommunalen und überörtlichen (regionalen) Planungsprozessen noch nicht verankert. Die verschiedenen erneuerbaren Energiequellen sind in Bezug auf den Flächenbedarf sehr unterschiedlich in ihren spezifischen Anforderungen. So weisen die tiefe Geothermie und die Nutzung von Industrieabwärme nur einen geringen (oberirdischen) Flächenbedarf auf, deren Nutzung ist aber nur dann möglich, wenn die geologischen Voraussetzungen oder geeignete Abwärmequellen vorliegen. Dagegen werden bei der Freiflächen-Solarthermie durchaus große Flächen benötigt, die planerisch berücksichtigt werden müssen. Die Flächeneffizienz der Solarthermie ist jedoch um ein Vielfaches höher als bei der Biomassenutzung, die derzeit den weitaus größten Anteil bei der Bereitstellung erneuerbarer Wärme stellt. So wird bei der Anbau-Biomasse über Kurzumtriebsgehölze und -gräser (KUP) mehr als das 20-fache der Fläche gegenüber der Solarthermie benötigt. Bei der Wärmegewinnung über Biogas erhöht sich dieser Faktor sogar auf das 37-fache. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Wärmegewinnung über Solarthermie eine sehr effiziente Flächennutzung darstellt. SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 7 Abbildung 2-3: Mittlerer urbaner Flächenbedarf zur Erzeugung von einer GWh Wärme jährlich (Daten nach (Genske, 2009)) Während sich der Solarkollektorabsatz in Deutschland insgesamt seit Jahren rückläufig entwickelt, findet in dem Marktsegment der großflächigen Solarkollektoranlagen mit Einbindung in Nah- und Fernwärmenetze ein Marktwachstum statt. Gegenüber den heute in Deutschland üblichen dezentralen Einzelanlagen auf Gebäudedächern bietet die Errichtung von großflächigen Solarwärmeanlagen in Freilandaufstellung und Anbindung an Wärmenetze eine aussichtsreiche Option, auch wenn deren Marktanteil heute noch gering ist. Ein wesentlicher Treiber für die positive Marktentwicklung der solaren Fernwärme gegenüber dezentralen Anlagen sind die deutlich geringeren Wärmegestehungskosten, die bei großen Anlagen auch bereits heute wettbewerbsfähig zu fossiler Wärmeerzeugung sind. Nach (Mauthner, 2017) sind für solare Fernwärmeanlagen mit Kollektorgrößen von 5.000 – 20.000 m² Gestehungskosten von 3,7 – 4,6 ct/kWh zu erzielen, während bei kleinen dezentralen Dachanlagen 14,3 – 18,1 ct/kWh angesetzt werden. Durch das flächenhafte Strahlungsangebot steht zur Nutzung der Solarthermie vor Ort grundsätzlich ein sehr großes theoretisches Potenzial zur Verfügung. Begrenzende Kriterien sind hier insbesondere die Bereitschaft der Kommune und der jeweiligen Grundeigentümer, Landflächen zu deren Nutzung bereitzustellen sowie wirtschaftliche Erwägungen der Fernwärmeversorger. In Deutschland werden auf einen Quadratmeter Landfläche etwa 1.000 kWh Solarenergie jährlich eingestrahlt. Abhängig von der Kollektorbauart und der mittleren Netztemperatur des Wärmenetzes können solare Erträge bis zu 550 kWh je m² erreicht werden. Der real gemessene Durchschnittsertrag realisierter Flachkollektor-Freiflächenanlagen in Dänemark liegt bei ca. 440 kWh/m² (Furbo, et al., 2018). Für die Errichtung von Freiflächenanlagen sind etwa 2,5 m² Landfläche je Quadratmeter installierter Kollektorfläche erforderlich1. Somit können je Quadratmeter Landfläche etwa 175 kWh Solarertrag 1 Die erforderliche Landfläche je m² Kollektor kann projektspezifisch stark streuen. Es werden in der Praxis Werte zwischen 1 und 3,5 m² Landfläche je m² Kollektorflächen beobachtet 0 0 10 10 20 20 30 30 40 40 50 50 60 60 70 70 80 80 Solarthermie Solarthermie Erdwärmesonden Erdwärmesonden Umgebungswärme Umgebungswärme Anbau-Biomasse (KUP) Anbau-Biomasse (KUP) Biogas Biogas Hektar Hektar SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 8 jährlich erzielt werden. Bei einem Wärmenetz mit üblichem Lastprofil können etwa 15-20 % des Wärmeabsatzes solar gedeckt werden, ohne dass eine saisonale Speicherung der Wärme erfolgen muss. Mit Hilfe einer saisonalen Speicherung können Solaranteile von mehr als 50 % erreicht werden. Für das Land Baden-Württemberg wird nach (Schmidt, Fuchs, & Kelm, 2017) im Zielszenario für das Jahr 2050 ein Anteil von 15 % der Fernwärme durch Solarthermie bereitgestellt. Dies entspricht einer notwendigen Kollektorfläche von 5,6 Mio. Quadratmetern und entsprechend etwa 14 Mio. Quadratmetern Landfläche oder 1.400 Hektar. Die Größenordnung der für solare Wärmenetze insgesamt erforderlichen Fläche sowie das Verhältnis zur derzeitig für den Anbau von Energiepflanzen verwendeten Landfläche verdeutlicht folgendes Rechenbeispiel: Bei einem Solaranteil von 17,5 % und einem angenommenen jährlichen Fernwärmeabsatz der bestehenden Wärmenetze in Deutschland von 113 TWh könnten etwa 20 TWh Solarwärme ohne saisonale Speicherung eingesetzt werden. Dies würde eine Landfläche von etwa 6.400 Hektar beanspruchen. Für den Anbau von Energiepflanzen werden in Deutschland derzeit etwa 2,1 Mio. Hektar Ackerfläche in Anspruch genommen. Mithin würde die Flächeninanspruchnahme rechnerisch nur etwa 0,3 % der derzeitigen Ackerfläche für Energiepflanzen betragen. Trotz der ausgeprägt hohen Flächeneffizienz der Solarthermie (insbesondere gegenüber der Biomassenutzung) trifft die Bereitstellung geeigneter Flächen im Rahmen der Projektentwicklung solarthermisch unterstützter Wärmenetze vor Ort in vielen Fällen auf große Hemmnisse, die nachfolgend analysiert werden und zu deren Überwindung verschiedene Lösungsansätze entwickelt werden. Im Projekt war vorgesehen, das Thema der Flächenbereitstellung auch konkret anhand von Reallaboren im Bereich des Regionalverbands Neckar-Alb zu analysieren. Der für die Unterstützung der Reallabore vorgesehene Ansatz, die maßgeblichen Stakeholder vor Ort bei deren Projektentwicklung beratend zu unterstützen, traf jedoch in der Praxis auf erhebliche Herausforderungen. Dies ist vor allem auf die notwendigen sehr langen Zeiträume zur Realisierung derartiger Projekte zurückzuführen. Der Zeitraum von der Projektidee bis hin zu einer Realisierung eines solaren Wärmenetzes dürfte nach den bisherigen Erfahrungen mindestens 3-4 Jahre umfassen. Allein die Findung von geeigneten Flächen und die anschließende Schaffung von Baurecht sind sehr zeitaufwändig. Die beratende Begleitung der Reallabore müsste daher auf diese langen Zeiträume ausgerichtet sein. Dies ist innerhalb des begrenzten Zeitraums von üblichen Forschungsprojekten schwierig zu realisieren. Legt man den „Lebenszyklus“ eines solaren Wärmenetzprojektes zu Grunde, dann befinden sich alle in den Reallaboren untersuchten Projektbeispiele in den Anfangsphasen von der „Idee“ bis zu ersten „Planungen“. Dies betrifft die Projekte Breitenholz, Hirrlingen, Mössingen, Rottenburg, Schömberg, Tübingen, Külzheim-Uissingen und Karlsruhe-Wettersbach. Konkrete Beratungsangebote bei der Projektentwicklung in den Reallaboren konnten sich daher hier nur auf den ersten Schritt (Ideenentwicklung/Projektanbahnung) beziehen. In keinem Beispiel waren SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 9 die weiteren Prozessschritte zur konkreten Suche oder baurechtlichen Ausweisung geeigneter Flächen für eine solarthermische Anlage durch die Akteure vor Ort beobachtbar. Eine Entwicklung von Konzepten zur Bereitstellung von geeigneter Freiflächen für solare Wärme-netze konnte damit bisher in den Reallaboren selbst nicht erfolgen. Vor diesem Hintergrund wurde das Thema Fläche zwar mit Blick auf die Reallabore und das Land Baden-Württemberg, jedoch auch mit einem weiter gefassten allgemeingültigem Fokus behandelt. Dennoch bleibt festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Realisierung einer oder mehrerer solarthermischer Großanlagen mit Einbindung in Wärmenetze im Gebiet des Regionalverbandes Neckar-Alb gegeben sind. 2.2 Hemmnisse bei der Bereitstellung von Flächen Die Flächenbereitstellung für das Solarkollektorfeld hat sich in vielen Fällen als zentrales Hemmnis im Zuge der Projektentwicklung solar unterstützter Wärmenetze herausgestellt. Ein prägnantes Beispiel dafür liefert die Anlage im „Solarenergiedorf“ Liggeringen bei Radolfzell am Bodensee. Nach etwa vier Jahren Planungs- und Bauzeit wurde im März 2019 eine Freiflächen-Solarthermieanlage mit etwa 1.100 m² Kollektorfläche eingeweiht, die das örtliche Wärmenetz mit solarer Wärme versorgt. Der Geschäftsführer der Stadtwerke Radolfzell, Andreas Reinhardt, erklärte zu dem Projekt, dass bei der Projektentwicklung „die größten Herausforderungen in der Klärung von Grundstücksfragen für das Solarthermiefeld und die Heizzentrale lagen“ (Reinhardt, 2018). Abbildung 2-4: Flächensuche in Liggeringen (Quelle: Stadtwerke Radolfzell) SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 10 Abbildung 2-4 verdeutlicht die aufwändige Suche möglicher Flächen für die angedachte Solaranlage durch die Gemeindeverwaltung und die Stadtwerke. In allen rot gekennzeichneten Gebieten im Umkreis der Kerngemeinde wurden die Voraussetzungen für die Errichtung einer solchen Anlage näher geprüft und mussten im Ergebnis dann verworfen werden, bis sich schließlich eine geeignete Fläche finden konnte (blau gekennzeichnete Fläche). Viele der angesprochenen Grundstückseigentümer waren nicht bereit, die entsprechenden Flächen zu veräußern oder nur zu sehr hohen Bodenpreisen, die einen ökonomischen Betrieb der Anlage nicht ermöglicht hätten. Dazu kamen verschiedene Hürden aufgrund der Flächenausweisung als Landschafts- oder Naturschutzgebiet. Nur dem sehr starken persönlichen Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gemeindeverwaltung und Stadtwerk sowie der Unterstützung durch das Umweltministerium Baden-Württemberg ist es zu verdanken, dass dieses Projekt trotz dieser erheblichen Hürden am Ende zum Erfolg geführt werden konnte. Grundsätzlich lassen sich die auf die Flächenbereitstellung bezogenen Hemmnisse nach fünf übergeordneten Themen kategorisieren (s. Abbildung 2-5). Abbildung 2-5: Hemmnisse bei der Bereitstellung von Flächen (eigene Darstellung) 2.2.1 Nutzungskonkurrenz Eine schwerwiegende Hürde bei der Bereitstellung von Freiflächen für solarthermische Anlage ist die vorhandene Konkurrenz um die Nutzung der Flächen. Der Siedlungs- und Landschaftsraum ist insgesamt begrenzt, somit müssen verschiedene mögliche Nutzungen um die Fläche konkurrieren. Im Bereich der eher urbanen Siedlungsstrukturen ist der Druck insbesondere hoch durch den steigenden Bedarf an Wohnungsbauflächen sowie auch durch Industrie- und Gewerbeflächen. Zwar sind hier oft bestehende Wärmenetze vorhanden, was wirtschaftlich vorteilhaft ist für die großflächige Solarthermie. Jedoch ist gerade in urbanen Siedlungsräumen das Finden geeigneter Freiflächen sehr schwierig. In der Nähe von Wärmenetz-Infrastrukturen werden aus städtebaulichen Gründen größere Freiflächen zum Zweck einer späteren Bebauung vorgehalten. Dazu kommt, dass gerade in den Städten und deren näherer Umgebung existierende und noch nicht bebaute Areale zum Zweck der Naherholung und/oder für Landschafts- und Naturschutz freigehalten werden. Die Nutzungskonkurrenz im eher ländlich geprägten Raum besteht neben den Siedlungsflächen insbesondere durch die Landwirtschaft sowie Landschafts- und Naturschutz. Auch der Tourismus Hemmnisse bei der Bereitstellung von Flächen Hemmnisse bei der Bereitstellung von Flächen Nutzungs Nutzungs--konkurrenzenkonkurrenzen fehlende fehlende WärmeplanungWärmeplanung rechtliche rechtliche UnsicherheitenUnsicherheiten wirtschaftliche wirtschaftliche HemmnisseHemmnisse ästhetische ästhetische HemmnisseHemmnisse SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 11 sowie Wasserschutzgebiete beanspruchen hier in größerem Umfang Flächen, die grundsätzlich auch für die solarthermische Energiegewinnung nutzbar wären. Im Ergebnis ist es jedoch oft leichter, in ländlichen Gebieten größere Freiflächen für die Solarthermie zu finden, als im städtisch geprägten Umfeld. 2.2.2 Fehlende Wärmeplanung Das Erfordernis von Flächen für die Wärmeerzeugung in der Nähe zu den Wärmeverbrauchern ist in der Planungspraxis von überörtlicher Raumplanung und kommunaler Bauleitplanung noch nicht etabliert. Dies ist nicht verwunderlich, da derzeit durch die weitgehend fossile Wärmeerzeugung nur in unwesentlichem Maß Flächen benötigt werden. Im Ergebnis führt die fehlende Berücksichtigung der Ausweisung von Wärmeerzeugungsflächen in den Regionalplänen, Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen jedoch dazu, dass im Rahmen einer konkreten Projektentwicklung für eine solarthermische Freiflächenanlage die Flächensuche in Konkurrenz zu einer bereits bestehenden Flächenausweisung steht. Jede vorhandene Fläche ist in den Plänen bereits einer spezifischen Nutzung zugeordnet. Die Umwidmung einer bereits für eine andere Nutzung vorgesehenen Fläche (z. B. landwirtschaftliche Nutzung) zum Zweck der Errichtung einer solarthermischen Freiflächenanlage erfordert das Einverständnis der jeweils betroffenen Akteurs- oder Interessengruppe. Im Fall einer für die landwirtschaftliche Nutzung ausgewiesenen Fläche wird sich die örtliche Landwirtschaftskammer in der Regel gegen einen drohenden Verlust landwirtschaftlicher Flächen einsetzen. Das Gleiche gilt sinngemäß für die Vertreter von Natur- und Landschaftsschutz oder der Bauwirtschaft. Solange eine ausreichende Flächenkulisse für solarthermische Freiflächenanlagen nicht im Vorhinein planerisch gesichert ist (z. B. im Rahmen des Flächennutzungsplans), ist damit die Bereitstellung von Flächen bei einer späteren Projektentwicklung auf das Entgegenkommen anderer Interessengruppen oder Träger öffentlicher Belange angewiesen. 2.2.3 Rechtliche Unsicherheiten Grundsätzlich sind die vorhandenen gesetzlichen Instrumentarien geeignet, um die erforderlichen Planungs- und Genehmigungsverfahren zur Steuerung und Zulassung großer Freiflächen-Solarthermieanlagen ohne größere Probleme zu bewältigen. Eine ausführliche Darstellung des Rechtsrahmens für derartige Anlagen findet sich in (Maaß, Weyland, & Sandrock, 2015). Diese rechtswissenschaftliche Ausarbeitung wurde im Rahmen des Vorgängerprojekts „Solnet BW“ aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg finanziell gefördert. Jedoch verbleiben einige Punkte im Genehmigungsrecht, die bisher rechtlich nicht eindeutig geklärt sind. Ein wichtiges Beispiel betrifft hier die baurechtliche Privilegierung von Freiflächen-Solarthermieanlagen. Aufgrund des Flächenbedarfs stehen für die Errichtung solarthermischer Freiflächenanlagen vor allem die unbebauten Außenbereiche im Fokus. Dort soll jedoch das Bauen grundsätzlich unterbleiben. Jedoch kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Bauausführung auch im Außenbereich ohne Aufstellung eines Bebauungsplans erfolgen. Dabei wird unterschieden zwischen privilegierten und sonstigen Vorhaben. SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 12 Privilegierte Vorhaben sind in § 35 Absatz 1 des Baugesetzbuches (BauGB) definiert. Diese sind grundsätzlich auch im Außenbereich ohne Bebauungsplan zulässig, wenn andere Belange (wie etwa der Naturschutz, die Landwirtschaft oder die natürliche Eigenart der Landschaft) nicht entgegenstehen. Fraglich ist hier, ob Freiflächen-Solarthermieanlagen als Vorhaben zur „öffentlichen Versorgung mit Wärme“ nach § 35 Abs. 1 S.1 Nr.3 BauGB in diesem Sinn zulässig sind. Die Ortsgebundenheit der Solarthermie durch die erforderliche Nähe zu den Wärmeverbrauchern könnte hier im Einzelfall dafür sprechen. Da dieses Thema einen weit reichenden Interpretationsspielraum für die Kommunen bei der Auslegung des BauGB lässt und bisher keine gerichtlichen Urteile vorliegen, führt dies zu Unsicherheiten auf Seiten der Investoren und der Genehmigungsbehörden. 2.2.4 Wirtschaftliche Hemmnisse In Bezug auf die Bereitstellung von Flächen liegen wirtschaftliche Hemmnisse in verschiedenen Bereichen vor. Ein wichtiges Thema sind hier die Grundstückspreise. Grundsätzlich kommt die Errichtung von Freiflächen-Solaranlagen nicht nur im unbebauten Außenbereich, sondern auch in baulich entwickelten Gebieten in Betracht. So dürften derartige Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten nach § 8 bzw. § 9 BauNVO in der Regel zulässig sein (Maaß, Weyland, & Sandrock, 2015). Im Vergleich zu Anlagen im Außenbereich dürfte die Bereitstellung von Flächen in baulich entwickelten Gebieten auf eine höhere Akzeptanz stoßen, falls nicht dort auch Nutzungskonkurrenzen etwa für die Gewerbeansiedlung vorliegen. Die für derartige Gebiete zu zahlenden Grundstückspreise sind jedoch im Regelfall so hoch, dass eine Freiflächen-Solarthermieanlage dort wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Dies verdeutlicht ein Rechenbeispiel auf der Grundlage eines angenommenen jährlichen Pachtpreises von 7,5 € je m²: • Ein übliches fossiles Heizwerk benötigt für eine Wärmeerzeugung von 5 GWh/a etwa 500 m² Fläche. Daraus resultieren jährliche Pachtkosten von etwa 3.750 €. Die hat umgelegt auf die erzeugte Wärme mit 0,08 ct/kWh keinen merklichen Einfluss auf den Wärmepreis. • Bei einer solarthermischen Freiflächenanlage wird für eine Wärmeerzeugung von 5 GWh/a eine Fläche von etwa 25.000 m² benötigt. Das entspräche einem Kostenansatz von etwa 187.500 €/a. Umgelegt auf die erzeugte Wärmemenge ergäbe sich eine Belastung von 3,75 ct/kWh und hätte somit einen erheblichen Einfluss auf die Wärmegestehungskosten. Dagegen ist der Kostenfaktor des Flächenerwerbs oder der Flächenpacht im unbebauten Außenbereich wirtschaftlich gut darstellbar, wenn sich die Grundstückspreise im üblichen Preiskorridor für landwirtschaftliche Nutzflächen bewegen. Im Rahmen konkreter Projektentwicklungen zeigt sich jedoch oft, dass private Grundstückseigentümer bei beginnender Nachfrage nur zu erheblich höheren Preisen bereit sind, ihre Grundstücke zu veräußern (Westholm & Vollmer, 2019). Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass die Grundstückseigentümer angemessen an einer (vermuteten) renditestarken Investition partizipieren möchten, wie es etwa bei der Projektentwicklung von Windkraftanlagen der Fall ist. Ein weiteres Hemmnis besteht darin, dass der Investor (z. B. ein Stadtwerk) oftmals den Flächenerwerb per Grundstückskauf gegenüber einem Pachtmodell aus Gründen der Investitionssicherheit vorzieht. Aus der Sicht des Grundstückseigentümers liegt oft eine SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 13 entgegengesetzte Interessenlage vor. So muss etwa beim Verkauf landwirtschaftlicher Flächen ein großer Teil des Erlöses über Steuern an das Finanzamt abgeführt werden, wenn das Grundstück aus dem Betrieb heraus genommen wird (Westholm & Vollmer, 2019). Andere Hemmnisse können aus dem Flächenzuschnitt oder der Lage des Grundstücks entstehen. Aus technisch-wirtschaftlicher Sicht sind solche Flächen vorteilhaft, die eine große zusammenhängende Fläche bilden und für die hydraulische Verschaltung der Kollektorreihen ein günstiges Verhältnis von Länge zu Breite aufweisen. Handelt es sich um langgestreckte Flächen, etwa im Randbereich von Schienenwegen oder Autobahnen, steigen die Kosten durch den hydraulisch aufwändigen Verrohrungsaufwand innerhalb des Kollektorfeldes an. Gleiches gilt für Flächen, die weit entfernt sind von einem möglichen Einspeisepunkt in das Wärmenetz. Hier muss die jeweilig erforderliche Anbindetrasse mitfinanziert werden. Schließlich ist auch zu beachten, dass insbesondere im ländlichen Bereich zwar leichter Flächen für die Errichtung von Freiflächen-Solarthermieanlagen zu finden sind als in urban geprägten Bereichen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist hier jedoch zu beachten, dass nur in wenigen Fällen bereits Bestands-Wärmenetze vorhanden sind. Neben der Investition in die Solarthermie muss auch die Errichtung des Wärmenetzes selbst über die Kundenerlöse refinanziert werden. 2.2.5 Ästhetische Hemmnisse Teilweise manifestiert sich im Rahmen der Projektentwicklung von Freiflächen-Solarthermieanlagen Widerstand aus der Politik oder der Bevölkerung aus ästhetischen Gründen. Zweifelsohne handelt es sich bei den Anlagen um technische Anlagen mit einer hohen Flächenrelevanz, die einen entsprechenden Eindruck im Stadt- und Landschaftsbild hinterlassen. Hierdurch können sich Vorbehalte gegen die Verluste an freier Natur bzw. gegen eine „Verschandelung“ der Landschaft durch technische Anlagen ergeben (Westholm & Vollmer, 2019). Auch in den Reihen städtischer Grün- und Landschaftsplanerinnen und -planer treffen die solaren Freiflächenanlagen oft auf wenig Akzeptanz. Die durch die Errichtung derartiger Anlagen induzierten Auswirkungen auf das Landschaftsbild erfordern in vielen Fällen entsprechende Ausgleichsmaßnahmen. 2.3 Lösungsansätze zur verbesserten Flächenbereitstellung Im folgenden Kapitel werden einige Lösungsansätze dargestellt, die geeignet sind, die bestehenden Hemmnisse bei der Bereitstellung von Flächen für solarthermische Freiflächenanlagen abzubauen oder zu mindern. SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 14 Abbildung 2-6: Lösungsansätze zur verbesserten Flächenbereitstellung Die nachfolgend dargestellten Lösungsansätze können unterteilt werden in rechtliche Instrumente und übergeordnete Instrumente. Bei den rechtlichen Instrumenten wird die Einführung einer Mehrebenen-Wärmeplanung im Planungsrecht betrachtet und ferner das Thema der baurechtlichen Privilegierung von Freiflächen-Solarthermieanlagen im Rahmen der konkreten Bauleitplanung. Die projektspezifischen Instrumente fokussieren auf eine flächeneffiziente Umsetzung der Projekte (z. B. durch Mehrfachnutzung der Fläche), die Verbesserung der Biodiversität im Zuge von Projektumsetzungen (ökologische Flächenkonzepte), zur verbesserten Integration der Anlagen in die umgebende Landschaft oder Instrumente, die die Wirtschaftlichkeit der Projekte und die Akzeptanz bei der Flächenbereitstellung befördern (Partizipationsmodelle). Einige der Lösungsansätze adressieren direkt eines der in Kapitel 5.1.2 aufgezeigten Hemmnisse. So richtet sich der Lösungsansatz einer baurechtlichen Privilegierung solarthermischer Anlagen direkt gegen die hier vorhandenen rechtlichen Unsicherheiten der Kommunen im Rahmen der Bauleitplanung. Neue Ansätze in der Landschaftsarchitektur können ästhetischen Hemmnissen entgegenwirken. Die projektspezifischen Instrumente und die Wärmeplanung können auf mehrere der identifizierten Hemmnisse (z. B. Nutzungskonkurrenz, fehlenden Wärmeplanung) wirken. 2.3.1 Wärmeplanung Derzeitige planungsrechtliche Rahmensetzung Die planungsrechtliche Rahmensetzung ist für die Realisierung von solarthermischen Freiflächenanlagen sehr bedeutsam. Hier greifen sowohl das Raumordnungsrecht mit der Landes- und Regionalplanung, als auch die kommunale Bauleitplanung ineinander. Im Raumordnungsgesetz (ROG) des Bundes und dem Landes-Planungsgesetz Baden-Württemberg sind keine gesonderten Vorgaben für die Wärmeversorgung auf Basis erneuerbarer Energien enthalten. Relevant sind hier vor allem die Vorgaben zur Konkretisierung von Raumordnungsplänen im Sinne einer nachhaltigen Raumentwicklung. Aufgabe der Regionalplanung als Teil der Raumplanung ist eine geordnete Raumentwicklung, bei der unterschiedliche Anforderungen an den Raum aufeinander abzustimmen sind, die auf der jeweiligen Planungsebene auftretenden Konflikte auszugleichen sind und Vorsorge für einzelne Lösungsansätze zur verbesserten Lösungsansätze zur verbesserten FlächenbereitstellungFlächenbereitstellung Rechtliche Instrumente Rechtliche Instrumente Wärme Wärme--planungplanung baurechtliche baurechtliche PrivilegierungPrivilegierung Projektspezifische Instrumente Projektspezifische Instrumente multikodierte multikodierte FlächenFlächen--nutzungnutzung ökologische ökologische FlächenFlächen--konzeptekonzepte Landschafts Landschafts--ArchitekturArchitektur Partizipations Partizipations--ModelleModelle SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 15 Nutzungen und Funktionen des Raums zu treffen ist (§ 1 Abs. 1 ROG). Nach § 7 Abs. 2 ROG und § 1 Abs. 7 BauGB sind alle Belange miteinander und untereinander abzuwägen. Die raumbezogenen Anforderungen des jeweiligen Energieträgers müssen von den Trägern der Regionalplanung in Einklang mit anderen konkurrierenden Flächenansprüchen gebracht werden. Die Wahl der dafür geeigneten Instrumente überlässt das ROG den Ländern und sonstigen Planungsträgern. Auch die Landesplanungsgesetze (LplG) enthalten daher Regelungen für die Festsetzung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, insbesondere auf der Ebene der Regionalplanung. Abbildung 2-7: Planungsrechtlicher Rahmen für solare Freiflächenanlagen (Quelle: (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, 2019)) Der Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg (LEP) sieht vor, dass zur langfristigen Sicherung der Energieversorgung auf einen sparsamen Verbrauch fossiler Energieträger und eine verstärkte Nutzung regenerativer Energien hinzuwirken ist; zudem soll eine umweltverträgliche Energiegewinnung sichergestellt werden. Die Errichtung von Freiflächen-Solarthermieanlagen entspricht diesem Ziel. Für Anwendungen mit größerem Raumbedarf wie etwa der Freiflächen-Solarthermie könnten Instrumente der Raumplanung zur Anwendung kommen, um beispielsweise am Rand von Ballungsräumen die notwendigen Flächen zu sichern. Nach § 11 Abs. 3 S. 2 Nr. 11 Landesplanungsgesetz Baden-Württemberg können im Regionalplan Gebiete für Standorte zur Nutzung erneuerbarer Energien festgelegt werden, soweit es für die Entwicklung und Ordnung der räumlichen Struktur der Region erforderlich ist. Im Regionalplan können auch Gebiete als Vorbehaltsgebiete für regionalbedeutsame Solaranlagen festgelegt werden, wenn diese aus Sicht der Raumordnung für die Errichtung von Solaranlagen SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 16 besonders geeignet sind. In den Vorbehaltsgebieten ist in der Abwägung mit konkurrierenden raumbedeutsamen Nutzungen der Errichtung und dem Betrieb von Solaranlagen ein besonderes Gewicht beizumessen. Jedoch ist durch die Ausweisung von Vorbehaltsgebiete die Errichtung von Solaranlagen nicht von vornherein auf die festgelegten Gebiete beschränkt. Die über den Regionalplan fixierten Ziele der Raumordnung sind verbindliche Vorgaben in Form von abschließend abgewogenen Festlegungen, die bei raumbedeutsamen Planungen öffentlicher Stellen, also auch im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung zu beachten sind. Einen Überblick über die Verfahrensschritte zur Ausweisung von Flächen im Rahmen der Regionalplanung mit anschließender konkretisierender Flächennutzungs- und Bauleitplanung liefern die Ablaufschemata in den folgenden Abbildungen. Sie sind in eine Phase I „Vorgezogene Beteiligung“ und Phase II „Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen“ unterteilt. Abbildung 2-8: Möglicher Ablauf bei der Ausweisung von Flächen für großflächige Solaranlagen, Phase I: Vorgezogene Beteiligung (Grafik: Regionalverband Neckar-Alb, J. Zacher) SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 17 Abbildung 2-9: Möglicher Ablauf bei der Ausweisung von Flächen für großflächige Solaranlagen, Phase II: Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen (Grafik: Regionalverband Neckar-Alb, J. Zacher) Workshop zur Entwicklung einer solaren Raumplanung Fraglich ist, ob die bisher etablierten Instrumente der Raum- und Bauleitplanung ausreichend sind, um die nötigen Flächenkulisse für Freiflächen-Solarthermieanlagen auch vor dem Hintergrund einer ambitionierten Marktentwicklung dieser Technik planerisch zu sichern. Zu diesem Thema veranstaltete das Hamburg Institut gemeinsam mit dem Regionalverband Neckar-Alb im Rahmen des SolnetBW II-Projektes am 23. Oktober 2018 in Stuttgart einen Workshop mit dem Titel „Solare Raumplanung – regionale Wärmestrategie“. Neben anderen Experten der Raum- und Energieplanung haben 9 Vertreter der Regionalverbände in Baden-Württemberg an dem Workshop teilgenommen. Die Beiträge aus dem Workshop sind in einem Reader enthalten, der online verfügbar ist. SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 18 Abbildung 2-10: Workshop Solare Raumplanung am 23.10.2018 in Stuttgart Schwerpunkte der Diskussion im Workshop waren: • die Privilegierung der Solarthermie im Außenbereich nach BauGB, • die unterschiedlichen Planungskompetenzen von Land, Region und Kommunen sowie • die Möglichkeiten einer „vorsorglichen“ Flächenausweisung für solarthermische Freiflächenanlagen analog zur Windenergie. Ein gutes Beispiel für eine übergreifende strategische Befassung mit der Wärmeversorgung aus raumplanerischer Sicht liefert das Sachbereichskonzept Energie des Landes Steiermark in Österreich (Abart-Heriszt, 2018). Als Ergebnis des Workshops lässt sich festhalten, dass verschiedene Instrumente zur Flächensteuerung wie etwa die Ausweisung von Vorranggebieten, Vorbehaltsgebieten oder Eignungsgebieten zur Verfügung stehen. Mit Ausnahme der Windenergie ist jedoch die raumplanerische Befassung mit der Energieversorgung noch wenig etabliert. Auch im Bereich der Bauleitplanung stehen auf der Grundlage der etablierten Instrumente Mittel zur kommunalen Steuerung Freiflächen-Solarthermieanlagen in Planungs- und Genehmigungsvorhaben zur Verfügung. Woran es jedoch in weiten Teilen noch fehlt, ist eine generelle strukturierte Strategieentwicklung der Kommunen für eine zukunftsfähige Wärmeversorgung unabhängig von einzelnen Planverfahren – eine kommunale Wärmeplanung. Konzeptioneller Rahmen einer kommunalen Wärmeplanung Bereits seit einigen Jahren wird in der energiepolitischen Diskussion über die Einführung einer verpflichtenden kommunalen oder übergreifenden Wärmeplanung nach internationalem Vorbild SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 19 diskutiert, mit denen die klimaneutrale Transformation der Wärmeversorgung vor Ort gesteuert werden soll. Grundsätzliches Ziel der Wärmeplanung ist die Entwicklung eines Umsetzungskonzepts für eine weitestgehend klimaneutrale Wärmeversorgung einer Kommune – und zwar möglichst kosteneffizient. Eine solche klare Zielorientierung ist für das Gelingen der Wärmewende essentiell. Das Gesamtziel eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestandes in Deutschland kann nur dann erreicht werden, wenn in jeder Kommune dieses Ziel verfolgt wird – und noch dazu untersucht wird, was der kostengünstigste Weg zu Erreichung dieses Ziels ist. Das Instrument der Wärmeplanung darf sich also nicht darin erschöpfen, dass die Kommunen lediglich recht abstrakt dazu angehalten werden, die Potenziale zur Steigerung der Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Wärme zu untersuchen. Im Vergleich zu vielen Klimaschutzkonzepten für deutsche Kommunen, in denen lediglich untersucht wird, welche Optionen der Kommune hierfür zur Verfügung stehen, ist eine „echte“ Wärmeplanung von vornherein umsetzungsorientiert. Mit ihr sollen verbindliche politische Beschlüsse vorbereitet oder getroffen und konkrete Investitionsentscheidungen vorbereitet werden. Auf der Grundlage der Wärmeplanung entscheiden die Kommunen zudem rechtsverbindlich über alle Projektvorschläge von Wärmeversorgern, mit denen Wärme-Erzeugungsanlagen neu gebaut oder erneuert werden sollen. Eine umsetzungsorientierte und verbindliche Wärmeplanung hat somit nicht viel mit den in manchen deutschen Kommunen durchgeführten informellen wärmebezogenen Konzeptentwicklungen zu tun (Quartierskonzepte, Klimaschutz-Teilkonzepte u. ä.), die in der späteren Praxis oft folgenlos bleiben. Zentraler Akteur der Wärmeplanung ist die Kommune, jedoch muss nicht zwingend und allein die Kommune Adressat und Planungsträger sein. Hier bedarf es eines Zusammenspiels verschiedener politischer Ebenen, um den Umbau der Wärmeversorgung zu befördern. Wärmeplanung im hier verstandenen Sinne ist ein politischer Prozess auf wissenschaftlicher Grundlage, der möglichst in rechtsverbindlichen Entscheidungen mündet bzw. diese vorbereitet. Im Interesse der langfristigen Sicherstellung einer klimaverträglichen, kostengünstigen, sicheren Wärmeversorgung bearbeitet und beantwortet ein Wärmeplan die Frage, wie eine Kommune oder eine andere, räumlich definierte Region es am effektivsten und effizientesten schaffen kann, schrittweise die Wärmeversorgung von fossilen auf erneuerbare Energien umzustellen. Auf Basis der hierzu ermittelten fachlichen Grundlagen und Optionen erfolgt eine politische Verständigung über ein solches Konzept. Dieses wird dann im Idealfall von der Kommune mit rechtlichen Instrumenten wie z. B. Bebauungsplänen oder Fernwärmesatzungen weiterverfolgt und schließlich mit konkreten Investitionen insbesondere von Wärmenetzbetreibern und Gebäudeeigentümern umgesetzt. Konkret kann dies z. B. heißen, dass auf Basis von Wärmeplänen Kommunen die Verdichtung oder Neuentwicklung von Wärmenetzen vorantreiben, dass Regionalverbände und Kommunen die nötigen Flächen für solare Wärmeerzeugung planerisch sichern und entwickeln, dass Kommunen in Absprache mit den Wasserbehörden Vorranggebiete für die Nutzung von Grundwasser- oder Oberflächenwasser-Wärmepumpen ausweisen, oder daß ländliche Gebiete für die prioritäre Biomasse-Nutzung festgelegt werden. SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 20 Bereits diese Aufzählung nur einiger der denkbaren Handlungsoptionen verschiedener Planungsträger zeigt, dass ein wesentliches Charakteristikum der Wärmeplanung darin besteht, übergeordnete klima- und energiepolitische Zielsetzungen auf regionaler und kommunaler Ebene zu entwickeln und in bestehende Planungs- und Verwaltungsprozesse auf diesen Ebenen zu integrieren. Eine „umsetzungsorientierte“ Ausgestaltung einer neuen Rechtsvorschrift zur Durchführung einer Wärmeplanung heißt jedoch nicht, dass aus dem Wärmeplan für sich genommen eine Rechtspflicht für bestimmte Handlungen Dritter oder für bestimmte Handlungen der Kommune folgen muss. Insbesondere soll und darf damit nicht der Abwägungsprozess im Rahmen der Bauleitplanung abgeschnitten werden. Wichtig ist vielmehr, dass ein klares, langfristig gültiges Zielbild für die Wärmeversorgung der Kommune entwickelt und von der Kommune beschlossen wird. Eine bloße Verpflichtung der Kommunen zur Informationssammlung, wo welche Potenziale für erneuerbare Wärme vorhanden sind, würde in vielen Kommunen vermutlich als lästige Pflichtaufgabe angesehen werden und wenig Wirkung entfalten. Erfahrungen aus Dänemark und der Schweiz In Dänemark ist das Instrument der kommunalen Wärmeplanung bereits seit den 1980er Jahren für alle Kommunen verpflichtend,1 in der Schweiz seit einigen Jahren ebenfalls in vielen Kantonen.2 Als Fallbeispiel für die Wärmeplanung kann die Energieplanung in Zürich dienen. Der Fokus der Züricher Energieplanung liegt auf einer sicheren, wirtschaftlichen und umweltfreundlichen Versorgung mit Wärme und teilweise auch Kälte. Dies betrifft den Ausbau der Fernwärmeversorgung, die koordinierte Nutzung von Grund- und Seewasser und der Ersatz von Feuerungsanlagen durch Wärmepumpen. Eine zentrale Aufgabe der Züricher Energieplanung ist die räumliche Koordination der Versorgung mit Fernwärme, Energieverbunde (Nahwärme) und Gas. Dabei soll die parallele Erschließung mit leitungsgebundenen Energiesystemen (wie Wärmenetzen und Gas) vermieden werden. Die Energieplanung hat einen Zeithorizont von 15 Jahren. Sie ist für den Stadtrat, die Verwaltung und die städtischen Energieversorgungsunternehmen verbindlich (Stadt Zürich, 2017). 1 Zur dänischen Wärmeplanung siehe das Dänische Gesetz zur Wärmeversorgung (lov om varmeforsyning), zuletzt geändert am 27. Dezember 2018; siehe auch Danish Energy Agency, Regulation and planning of District Heating in Denmark, 2017; State of Green (Hg.), Weißbuch Fernwärme und Fernkälte, 2018; Radloff, Wärmewende-Info Nr. 5, Kommunale Wärmplanung – Hintergrund, 2014. 2 Die Energieplanung in der Schweiz wird von den meisten Kantonen rechtlich geregelt, Schubert, Räumliche Energieplanung in der Schweiz, in: Grotheer/Schwöbel/Stepper (Hg.), Nimm’s sportllich- Planung als Hindernislauf, 2014, S. 192, 200; anschaulich insbesondere die Energieplanung Zürich. SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 21 Abbildung 2-11: Energieplankarte Zürich (Quelle: (Stadt Zürich, 2017)) Datenerhebung und Bedarfsprognose Grundlage für jede Konzeptentwicklung ist eine solide Datenbasis. Kommunen und übergeordnete Planungsträger benötigen für eine tragfähige Wärmeplanung verschiedenste Daten, wie z. B. den Wärmeabsatz in den Gebäuden, die bestehende Art der Wärmeversorgung, die Wärmedichte in bestimmten Gebieten sowie die vorhandenen regenerativen Wärmequellen. Im Hinblick auf die Entwicklung von Wärmenetzen ist eine möglichst gebäudescharfe Erhebung der Daten sinnvoll. Die notwendigen Daten sind in aller Regel nicht in den Kommunalverwaltungen vorhanden, sondern liegen z. B. bei Gasnetzbetreibern, Gebäudeeigentümern, Schornsteinfegern, Industrieunternehmen und Heizöl-Lieferanten. Kommunen und andere Planungsträger müssen also in die Lage versetzt werden, die notwendigen Daten selbst oder bei Dritten zu erheben, zudem müssen die Anforderungen an den Datenschutz im Umgang mit den Daten sichergestellt werden. Beide Aspekte werden seit kurzem in Landesgesetzen von Schleswig-Holstein und Hamburg geregelt, das Klimaschutzgesetz von Thüringen enthält eine entsprechende Verordnungsermächtigung.1 In allen anderen Ländern sind die Planungsträger darauf angewiesen, dass sie selbst über Daten verfügen oder Dritte auf freiwilliger Basis diese Daten übermitteln. Dabei 1 Gesetz zur Energiewende und zum Klimaschutz in Schleswig-Holstein vom 7. März 2017, GVBl. S. 124; Hamburgisches Wärmekatastergesetz vom 31. August 2018 HmbGVBl. S. 279; Thüringer Klimagesetz vom 18. Dezember 2018, GVBl. S. 816. SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 22 sind die allgemeinen Bestimmungen des Datenschutzes zu beachten, was in vielen Fällen zu einer erheblichen Verunsicherung der Beteiligten führt. Auf Basis der Bestandsdaten ist eine Prognose über den zukünftigen Wärmebedarf in dem Plangebiet durchzuführen. Dabei sind demographische Entwicklungen, zu erwartenden Veränderungen der Quantität und energetischen Qualität des Gebäudebestandes sowie beim Wärmedargebot (z. B. industrielle Abwärme) zu berücksichtigen. Hierfür benötigen die Kommunen bzw. Planungsträger in der Regel die Unterstützung von Dienststellen des Landes sowie externer Dienstleister. Besonderer bundes- oder landesrechtlicher Regelungen bedarf es für diesen Arbeitsschritt der Wärmeplanung nicht. Mögliche rechtliche Umsetzung auf verschiedenen Planungsebenen Für eine effiziente Umsetzung der Wärmeplanung ist ein koordiniertes Vorgehen auf verschiedenen Planungsebenen erforderlich. Es bedarf eines koordinierten, gemeinsamen Handelns insbesondere des Bundes und der Kommunen – und auch die Länder, die regionalen Planungsverbände und Landkreise können wesentliche Beiträge zum Gelingen der Wärmewende liefern. Nur mit einem gemeinsamen Vorgehen der verantwortlichen Institutionen auf unterschiedlichen Ebenen können die Klimaschutzziele im Gebäudesektor erreicht werden. Aufgrund der zwischen den verschiedenen Ebenen bestehenden Interdependenzen beeinflussen sich diese gegenseitig. Das im Raumplanungsrecht bekannte Gegenstromprinzip sollte daher auch bei der konzeptionellen Entwicklung der Grundlagen für die Wärmeplanung berücksichtigt werden. Nationale Ebene Auf nationaler Ebene besteht der Steuerungsbedarf für die Bewältigung der Wärmewende nicht auf räumlich-planerischem Niveau, denn die nationale Ebene ist für Steuerung der konkreten Flächennutzung ein zu grobes Raster. Von Seiten des Bundes bedarf es der Etablierung der Wärmeplanung als verbindliche Planungsaufgabe, konkreter Vorgaben zur Umsetzung dieses Instrumentes und einer energiepolitischen Rahmensetzung in Form einer langfristigen Wärmestrategie als Grundlage für die räumlichen und infrastrukturellen Planungen untergeordneter Planungsträger. Eine bundesrechtliche Verpflichtung der Kommunen zur Vornahme einer Wärmeplanung wäre zwar kompetenzrechtlich möglich (Art. 74 I Nr. 24 GG Klimaschutz als Teil der Luftreinhaltung und Nr. 11 Energiewirtschaft) und ein etwaiger Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen (Art. 28 II GG) dürfte angesichts der hohen Bedeutung einer koordinierten Wärmeplanung für die Erreichung der Klimaschutzziele problemlos zu rechtfertigen sein. Jedoch ist es dem Bund verboten, den Gemeinden direkt Aufgaben zu übertragen (Art. 84 I Satz 7 GG). Hintergrund dieser Regelung ist die Wahrung der finanziellen Grenzen der Kommunen. Unbenommen ist dem Bund daher, eine Regelung an die Länder zu richten, wonach diese sicherzustellen haben, dass für ihren Hoheitsbereich den bundesgesetzlichen Vorgaben entsprechende Wärmepläne erarbeitet werden. Die Länder können diese Pflicht durch eigene Planungen nachkommen oder die Pflicht durch eigenes Landesrecht auf die Kommunen oder regionale Planungsverbände übertragen, müssen SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 23 dabei jedoch wegen der in den Landesverfassungen geregelten Konnexitätsgebote den Kommunen entsprechende Mittel zur Verfügung stellen. 1 Auf übergeordneter Ebene sollten die wichtigsten Instrumente der kommunalen Wärmeplanung einheitlich bestimmt werden. Wie im dänischen Wärmeversorgungsgesetz sollte insbesondere die Aufgabe der Kommunen bestimmt werden, ihren Siedlungsbereich in (angestrebte) Wärmeversorgungszonen zu unterteilen (individuelle Wärmeversorgung, dezentrale Nah- und Fernwärme, zentrale Fernwärme). Darüber hinaus sind die jeweiligen erneuerbaren Ressourcen zu nennen, die eingesetzt werden sollen (z. B. Freiflächen-Solarthermie). Wenn Kommunen Fernwärmeversorgungsgebiete festsetzen, sollten sie zudem dazu angehalten werden, auch die Entwicklung der zentralen Wärmeerzeugung (Energiequelle und Umfang) einschließlich des hierfür benötigten Flächenbedarfs festzulegen. Mindestinhalt einer gesetzlichen Regelung zur Einführung einer gesetzlichen Wärmeplanung wäre – Bezug auf die Umsetzung – daher die Verpflichtung der Kommunen, kartographisch für alle Gemeindeteile darzustellen, auf welchem Weg dort jeweils eine klimaneutrale Wärmeversorgung erreicht werden soll. Die praktische Wirkung des Instruments Wärmeplanung hängt stark davon ab, inwieweit die Kommunen Rechte und die Pflichten zur Umsetzung der erarbeiteten Wärmeversorgungskonzepte erhalten. Insbesondere über die landesrechtlichen Möglichkeiten zum Erlass von Anschluss- und Benutzungsgeboten an Wärmenetze2 sowie über das Baurecht gibt es zu einzelnen Aspekten der Wärmeplanung bereits gewisse Handlungsmöglichkeiten für die Kommunen. Diese reichen jedoch kaum aus, um den Umbau der Wärmeversorgung in bestehenden Siedlungsgebieten zu steuern. Ein Bundesgesetz zur Regelung der Wärmeplanung sollte daher die kommunalen Handlungsmöglichkeiten für deren Implementation erweitern. Insbesondere könnten Kommunen ermächtigt werden, durch Satzung inhaltliche Anforderungen an die zentrale oder dezentrale Wärmeversorgung in bestimmten Gebieten zu verlangen, wie z. B. einen zu beziffernden Mindestanteil erneuerbarer Energien, den Gebäudeeigentümer und/oder Wärmeversorger nach einer definierten Übergangsfrist einhalten müssen. Denkbar wäre auch eine eigenständige bundesrechtliche Norm, welche die Kommunen zum Erlass von Anschluss- und Benutzungsgeboten an Wärmenetze auch in bestehenden Siedlungsgebieten ermächtigt.3 Erwägenswert wären auch einige Regelungen nach dänischem Vorbild: Beispielsweise könnte eine ausdrückliche Ermächtigung der Kommunen erfolgen, innerhalb von Gebieten, die mit Fernwärme 1 DLR u. a., Ergänzende Untersuchungen und vertiefende Analysen zu möglichen Ausgestaltungsvarianten eines Wärmegesetzes, 2009, S. 67. 2 Vgl. Tomerius, Der Anschluss-und Benutzungszwang für kommunale Nah-und Fernwärmesysteme, ER 2013, S. 61 ff. 3 § 16 EEWärmeG des Bundes setzt eine landesrechtliche Ermächtigungsnorm voraus; für bestehende Quartiere fehlt eine solche Ermächtigungsnorm z. B. in Bayern; auch nach dem BauGB sind die kommunalen Möglichkeiten zum Anschluss an ein Wärmenetz im Rahmen städtebaulicher Verträge und vorhabenbezogener Bebauungspläne faktisch auf Neubaugebiete beschränkt, DLR u. a., a. a. O., S. 65. SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 24 versorgt werden, Gebäudeeigentümer unabhängig von der tatsächlichen Nutzung der Fernwärme zur Zahlung eines Beitrags für die Bereitstellung der Infrastruktur zu verpflichten.1 Ebenso könnte den Kommunen (wie in Dänemark) unter Anpassung der BImSchG-Verfahrensregeln ein Zustimmungsvorbehalt für Vorhaben von Fernwärmeversorgern eingeräumt werden, so dass private Wärmeversorger künftig nicht gegen den im Wärmeplan verankerten kommunalen Willen neue oder erneuerte Erzeugungsanlagen auf Basis fossiler Energien im Gemeindegebiet umsetzen dürfen. Trotz dieser erheblichen Chancen, durch kollektive Wärmenetzlösungen einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele im Wärmesektor zu leisten, sieht der von der Bundesregierung vorgeschlagene Entwurf für ein Gebäudeenergiegesetz bisher keine Wärmeplanung vor. Landes-Ebene Solange der Bund keine entsprechenden Gesetze in Kraft gesetzt hat, haben die Länder die gerade beschriebenen Regelungskompetenzen für die meisten der angesprochenen denkbaren Regelungen. Da das Energiewirtschaftsgesetz des Bundes (EnWG) nur für die leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas gilt und der Bund auch sonst keine entsprechenden Gesetze erlassen hat, fallen Regelungen zur Wärmeversorgung auf Grundlage der konkurrierenden Gesetzgebung gem. Art. 74 I Nr. 11 GG und Nr. 24 GG in die Kompetenz der Länder. Nur wenige Länder haben zudem bisher von der Möglichkeit des § 9 Abs. 4 BauGB Gebrauch gemacht und den Kommunen ermöglicht, über § 9 Abs. 1 BauGB hinausgehende (z. B. energiepolitische) Festsetzungen auf Basis von Landesrecht in Bebauungspläne aufzunehmen. Nur Hamburg nutzt diese Möglichkeit bisher umfassend, z. B. durch Festlegung von Mindestanteilen erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung in Baugebieten. In Thüringen verpflichtet das Thüringer Klimagesetz die Betreiber von Fernwärmenetzen, sogenannte Transformationspläne aufzustellen. Hierbei könnten wertvolle Vorarbeiten für kommunale Wärmepläne geleistet werden. Als einziges Bundesland startet Baden-Württemberg derzeit den Anlauf, die Wärmeplanung auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Es bleibt auf eine ambitionierte und praxisfreundliche Ausgestaltung des Gesetzes zu hoffen, deren Erfolg weitere Akteure anregt, den Weg einer zielgerichteten Wärmestrategie zwischen Bund, Ländern und Kommunen voran zu treiben. Regionale und überörtliche Ebene Zwischen der Landes- und der kommunalen Ebene können in den Flächenländern auch auf der Ebene der Regionalplanung sinnvolle Regelungen zur Unterstützung der Wärmeplanung aufgenommen werden. Denkbar ist auch, dass Regionalverbände die Aufgabe der Wärmeplanung für kleinere Kommunen übernehmen und/oder eine Koordination zwischen Gemeinden vornehmen. Es wäre in vielen Fällen sicherlich effizient, wenn regional von vorneherein über den gemeinsamen Aufbau von verbundenen Wärmenetzen in einzelnen Kommunen nachgedacht wird. 1 Viele Kommunalabgabengesetze der Länder dürften eine solche Beitragserhebung bereits jetzt ermöglichen, weil die Kommunen regelmäßig generell ermächtigt werden, für öffentliche Einrichtungen Beiträge zu erheben. SolnetBW II – Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung Kapitel 2 Seite | 25 Teilweise wird auch angenommen, dass es rechtlich zulässig sei, in Regionalplänen für bestimmte Gebiete einen Vorrang für die Nutzung von Netzen für die Wärmeversorgung vorzusehen; auch können insoweit quantitative Zielvorgaben aufgestellt werden.1 In jedem Fall können Regionalverbände durch Gutachten, Handreichungen und Koordination dazu beitragen, dass erneuerbare Wärmenetze in der Region vorangebracht werden und die zur Erzeugung notwendigen Flächen gesichert werden. 2 Kommunale Ebene Auf kommunaler Ebene ist bereits jetzt die Durchführung einer Wärmeplanung auch ohne Bundes- oder Landesgesetz möglich. Sogar Teile seiner Umsetzung können auf Basis des geltenden Rechts durchgeführt werden, z. B. durch einen Anschluss- und Benutzungszwang an ein Wärmenetz auf Basis von Landesrecht (ggf. iVm § 16 EEWärmeG): Dieser kann sich auch auf Bestandsgebäude erstrecken, jedoch muss ggf. aus Verhältnismäßigkeitsgründen dabei mit Übergangsfristen/Ausnahmen gearbeitet werden. Auch Wärmenetze und EE-Wärmeerzeuger können Kommunen bereits mit den bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen ausbauen, z. B. durch Flächennutzungs- und Bebauungspläne. Hier können auch die jeweils erforderlichen Flächen für eine Wärmeerzeugung über Freiflächen-Solarthermie planerisch dargestellt werden. Gesetzliche Regelungen können den Handlungsspielraum der Kommune jedoch weiter vergrößern, s. o. Vor allem würde eine einheitliche Wärmeplanung nach obigen Maßstäben jedoch einen wesentlichen Qualitätsschritt mit sich bringen. 2.3.2 Baurechtliche Privilegierung Während eine verbindliche Wärmeplanung im deutschen Planungsrecht noch nicht etabliert ist, gibt es mit dem derzeitigen Instrumentarium des BauBG grundsätzlich bereits heute die Möglichkeit, im Zuge der konkreten Bauleitplanung Flächen für solarthermische Anlagen auszuweisen. In den übergeordneten Regionalplänen und Flächennutzungsplänen gibt es in der Praxis in Deutschland derzeit in aller Regel keine Flächenfestsetzungen zur Nutzung von Solarthermie. Jedoch können auch ohne derartige Festsetzungen Projekte in den Kommunen geplant und entwickelt werden. Nähere Informationen dazu bietet der Planungs- und Genehmigungsleitfaden für Freiflächen-Solarthermie in Baden-Württemberg, der im Rahmen des Vorgängerprojektes Solnet BW erarbeitet wurde (Hamburg Institut, 2016). In der Mehrzahl der Fälle wurden bisher solarthermische Freiflächenanlagen im unbebauten Außenbereich über einen eigens dazu erlassenen Bebauungsplan rechtlich gesichert. Die Aufstellung eines Bebauungsplans erfordert jedoch Zeit und personelle Ressourcen bei den Planungsträgern. Dies könnte vereinfacht und abgekürzt werden, wenn Freiflächen- 1 DLR u. a., Ergänzende Untersuchungen und vertiefende Analysen zu möglichen Ausgestaltungsvarianten eines Wärmegesetzes, 2009, S. 65. 2 W3 Regionale Energieflächenpolitik, Flächenscout, 2016;