Zukunft Sonne

Zukunft Sonne! Solarthermie und Fernwärme: Ein Wegweiser für die Praxis. 2 Auftraggeber: Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz Bearbeitet von: Steinbeis Transfer GmbH Willi-Bleicher-Straße 19 , 70174 Stuttgart Ausführende Stelle: Solites – Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme Meitnerstraße 8, 70563 Stuttgart Tel. +49 711 6732000-0 E-Mail info@solites.de Oktober 2016 3 Inhalt Fragen-Antworten-Katalog Solarthermie und Fernwärme 4 Fallstudie Solare Fernwärme Erfurt 24 1 Kurzfassung 25 2 Hintergrund 25 3 Ausgangssituation 26 4 Integration der Solarthermie 28 4.1 Variante Solare Fernwärme 29 4.2 Variante Niedertemperaturnetz 29 5 Ergebnisse 29 6 Wirtschaftlichkeit 31 7 Flächeneignung 32 8 Bürgerbeteiligung und Geschäftsmodelle 32 Fallstudie Solare Fernwärme Sondershausen 34 1 Kurzfassung 35 2 Hintergrund 35 3 Ausgangssituation 36 4 Integration der Solarthermie 38 5 Ergebnisse 39 6 Wirtschaftlichkeit 43 7 Flächeneignung 45 8 Bürgerbeteiligung und Geschäftsmodelle 45 Fallstudie Solare Nahwärme Gemeinde Werther (LandKreis Nordhausen) 46 1 Kurzfassung 47 2 Hintergrund 47 3 Ausgangssituation 48 4 Integration der Solarthermie 50 5 Ergebnisse 51 6 Wirtschaftlichkeit 54 7 Flächeneignung 55 8 Bürgerbeteiligung und Geschäftsmodelle 56 9 Replikationspotenzial 56 Literaturverzeichnis 58 4 Fragen-Antworten-Katalog Solarthermie und Fernwärme Erstellt im Rahmen des Arbeitskreises 1 „Optionen der Integration von Solarthermie in Wärmenetzen“ der Thüringer Solarthermie-Initiative1 1 Die Beantwortung der Fragen erfolgte durch Experten der FH Nordhausen - Institut für Regenerative Energietechnik, des Hamburg Instituts, Solites sowie der TU Ilmenau - Fachgebiet Thermo- und Magnetofluiddynamik in enger Abstimmung mit Abteilung 3 Energie und Klima des TMUEN (Referat 33) 5 Die Solarthermie-Initiative und der Fragen-Antworten-Katalog Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) verfolgt mit der verstärkten Nutzung von erneuerbaren Energien zur Wärmeerzeugung einerseits und der Senkung des Wärmebedarfs in Thüringen andererseits eine Doppelstrategie. Über innovative Lösungsansätze im Gebäudebestand und in Quartieren wird angestrebt, dauerhaft sozial verträgliche Wärmepreise zu sichern. Um die vorhandenen Chancen und Möglichkeiten stärker im öffentlichen Bewusstsein zu verankern, sollen zugleich Vorhaben mit Vorbildwirkung z.B. von Kommunen oder Bürgergenossenschaften unterstützt werden. Zur Erreichung der genannten Ziele wurden in der Vergangenheit bereits zahlreiche Maßnahmen in Angriff genommen. Unter anderem erfolgte die Durchführung eines Energiemonitorings für Thüringen, dessen Abschlussbericht konstatiert, dass bei der Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien in Thüringen die Biomassepotenziale praktisch ausgeschöpft, jedoch bei der Solarthermie sowie der Erd- und Umgebungswärme bisher ungenutzte Leistungskapazitäten vorhanden sind. Mit Blick auf die Potenziale der Solarthermie wurde daher im Februar 2014 die Solarthermie-Initiative Thüringen auf den Weg gebracht, deren Bausteine beispielsweise die Einführung eines methodischen Systems zur wärmeenergetischen Analyse von quartiersbezogenen Stadtstrukturen, das die Bereitstellung von Werkzeugen für die kostengünstige und zielgenaue Erstellung von Wärmekonzepten besonders in kleineren Kommunen ermöglicht, oder die Durchführung von thematisch verschiedene Arbeitskreisen sind. In mit den Arbeitskreisen verbundenen Workshops, die Aspekte der Integration von Solarthermie in bestehenden oder neuen Wärmenetzen sowie bei Bestandsgebäuden thematisieren, können Vertreter von Kommunen, Stadtwerken sowie Wohnungswirtschaftsunternehmen gemeinsam mit Wissenschaftlern und Experten systemische Ansätze diskutieren und Erfahrungen austauschen. Im Rahmen des Arbeitskreises „Optionen der Integration von Solarthermie in Wärmenetzen (Bestand und Neubau)“, der Aspekte zur Markteinführung von solaren Nah- und Fernwärmeanlagen diskutiert, entstand 2014 die Idee, konkrete Fragen von Marktakteuren zu einem Fragenkatalog zum Thema solare Nah- und Fernwärme zusammenzustellen und diesen von einem Expertenteam beantworten zu lassen. Der daraus entstandene Fragen-Antworten-Katalog liegt nun in seiner Endfassung vor und soll einen Anteil hinsichtlich der zukünftigen Umsetzung von Solarthermie-Projekten kombiniert mit Fern- und Nahwärmenetzen in Thüringen beitragen. Inhaltliche Anmerkungen vorab: Es gibt eine große Bandbreite an Typen der solaren Nah- und Fernwärme, beginnend mit kleinen Wärmenetzen zur Objekt-, Quartiers- oder Siedlungsversorgung, über Wärmenetze in ländlichen Energiedörfern bis hin zu Fernwärmenetzen in Klein-, Mittel- und Großstädten. Unterschieden werden insgesamt sieben Grundkonfigurationen der solaren Nah- und Fernwärme, die erfreulicherweise fast alle auf internationaler Ebene realisiert und erprobt sind1: 1. Solare Wärmenetze zur Quartiersversorgung 2. Solare Wärmenetze mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere 3. Dezentral eingebundene Solaranlagen in Quartieren (Beispiel SE) 4. Solare Wärmenetze für Dörfer und Kleinstädte (Beispiele DK, AT und DE) 5. Mittelgroße solare Fernwärmesysteme mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung (Smart District Heating, Beispiel DK) 6. Dezentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Großanlagen (Beispiel AT) 7. Zentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Großanlagen (Fallstudie) 1 Details hierzu siehe Präsentation von Solites während des Workshops des TMWAT am 22.5.14, Präsentation zu beziehen über TMUEN, Abteilung 3 Energie und Klima, Referat 53/E Erneuerbare Energien 6 Ein Teil der im nachfolgenden Fragen-Antworten-Katalog formulierten Fragen bezieht sich nicht unmittelbar auf die Einbindung der Solarthermie in Wärmenetze. Sie sind allgemeiner Natur oder beziehen sich auf solarthermische Trinkwassererwärmung bzw. Heizungsunterstützung im Geschosswohnungsbau oder sogar im Ein- und Zweifamilienhaus. In Verbindung mit Wärmenetzen muss die Solarthermie als eine weitere Wärmeerzeugungstechnologie wie Kraftwärmekopplung oder Holzhackschnitzelkessel verstanden werden, die grundsätzlich in der gesamten Breite der Wärmenetzanwendungen eingesetzt werden kann. Dies umfasst die Integration in die städtische Fernwärme, die Integration in die vielfach entstehenden Wärmenetze von „Energiedörfern“ und die klassische solare Nahwärme für Neubau- oder Sanierungsquartiere und auch die Einbindung in Subnetze. Die Solarthermieanlagen werden bei Kombination mit Wärmenetzen in den meisten Fällen mit den erforderlichen Speichern direkt am Standort der Heizwerke/Heizzentralen installiert. Einbau und Betrieb der Solaranlage wirken sich also nicht auf die versorgten Gebäude direkt aus. Aus prinzipiellen Erwägungen wurden nachfolgend auch die Fragen beantwortet, die sich nicht unmittelbar auf die Fernwärme beziehen, die betreffenden Antworten wurden jedoch gekennzeichnet. Fragen-Antworten-Katalog – Solarthermie und Fernwärme 7 Antworten von Solites zu Fragen aus wirtschaftlicher Sicht und technisch-wirtschaftlicher Sicht 1. Möglichkeiten der Förderung Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) bietet über das Marktanreizprogramm (MAP) zur Förderung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt eine Regelförderung an. Diese kann über das KfW-Programm „Erneuerbare Energien Premium 271“ bei der Umsetzung folgender Maßnahmen abgerufen werden: > Große Solarwärmeanlagen ab 40 m² Bruttokollektorfläche, die ihre Wärme überwiegend einem Wärmenetz zuführen, werden über ein KfW-Darlehen mit einem Tilgungszuschuss von bis zu 40 % der Investitionskosten gefördert. Der Kredithöchstbetrag beträgt in der Regel maximal 10 Mio. € pro Vorhaben. > Wärmenetze, die überwiegend Wärme für den Gebäudebestand bereitstellen, werden mit einem Tilgungszuschuss von 60 € je errichtetem Meter Trassenlänge gefördert. Dabei muss die verteilte Wärme zu gewissen Anteilen aus erneuerbaren Energien gewonnen werden und der Mindestwärmeabsatz 500 kWh pro Trassenmeter und Jahr betragen. Der Förderhöchstbetrag beträgt 1 Mio. €. Darüber hinaus werden Hausübergabestationen in Bestandsgebäuden mit 1800 € je Station gefördert. > Für Wärmespeicher mit einem Speichervolumen über 10 m³ beträgt der Tilgungszuschuss 250 € je m³ sofern sie überwiegend aus erneuerbaren Energien gespeist werden. Dabei ist die Förderung auf 30 % der für den Wärmespeicher nachgewiesenen Nettoinvestitionskosten beschränkt. Der maximale Tilgungszuschuss je Wärmespeicher beträgt 1 Mio. €. Die Förderung kann auch von einem Energiedienstleistungsunternehmen in Anspruch genommen werden. Für besonders innovative Projekte und Demonstrationsvorhaben besteht die Möglichkeit der Forschungsförderung durch das BMWi. 2. Kennzahlen zur Darstellung der Wirtschaftlichkeit? Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung erfolgt in der Regel über die Ermittlung der Wärmegestehungskosten für die Solarwärme. Dabei wird die Kostenberechnung mit der Annuitätenmethode durchgeführt, welche sich an die VDI 2067 anlehnt. Die bei der Berechnung über den Betrachtungszeitraum anfallenden Kosten untergliedern sich in kapitalgebundene-, bedarfsgebundene-, betriebsgebundene- und in sonstige Kosten. Betrachtet werden die Mehrkosten durch die Solaranlage. Des Weiteren werden neben dem Kapitalzinssatz auch Preissteigerungsfaktoren, wie z.B. für Betriebsenergie, Inflation etc., berücksichtigt. Das Verhältnis aus den jährlichen Gesamtkosten und der jährlich in das Wärmenetz abgegebenen solaren Nutzwärmemenge ergibt die Wärmegestehungskosten in Euro je MWh. Bei günstigen Konfigurationen werden heute Wärmegestehungskosten unter 50 €/MWh erreicht (netto, ohne Förderung). Die Kostenstruktur bei großen Solarthermieanlagen bietet den Vorteil einer langfristigen Absicherung der Wärmegestehungskosten, da der Anteil der Kapitalkosten überwiegt und die Wärmegestehungskosten somit bereits am ersten Tag für die restliche Betriebsdauer kalkuliert werden können. 3. Wird durch Einbindung von Solarwärme eine bestehende KWK-Wärmeerzeugung (aus fossilen oder regenerativen Energieträgern) verdrängt und wird dies akzeptiert werden? Fernwärmenetze werden in der Regel mit Wärme aus Heizkraftwerken, Heizwerken oder industrieller Abwärme betrieben. Die Einsatzplanung der einzelne Wärmeerzeuger leitet sich in der Regel aus der geordnete Jahresdau8 erlinie der Wärmelast und aus der Art der Erzeuger (Grund-, Mittel- und Spitzenlasterzeuger), externen Betriebsvorgaben (z.B. Muss-Betrieb bei Müllverbrennungsanlagen) sowie einer übergeordneten wirtschaftlichen Optimierung ab. Für die KWK haben sich insgesamt die Rahmenbedingungen aufgrund des Verfalls der Stromerlöse verschlechtert. In der Praxis heißt das insbesondere für die gasbasierte KWK, dass die Laufzeiten stark zurückgehen, weshalb vermehrt fossile Heizkessel eingesetzt werden. Für die Technologien der erneuerbaren Wärmeerzeugung eröffnen sich hier Möglichkeiten. Mit entsprechenden Speichern kann die Solarthermie auch so betrieben werden, dass sie vorrangig Fernwärme aus Heizkesseln verdrängt. Die jeweilige Situation ist für die existierenden Fernwärmesysteme sehr spezifisch und muss im Einzelfall geprüft werden. Kriterien für den Einsatz der Solarthermie sind in der Regel eine Steigerung der Gesamteffizienz des Systems, die Wirtschaftlichkeit sowie auch lokal- und regionalpolitische Vorgaben bezüglich des Umweltund Klimaschutzes. 4. Gibt es erfahrene Finanzierer? Über das o.g. KfW-Förderprogramm steht die KfW-Bank als Finanzinstitution zur Verfügung. Die professionellen Systemanbieter haben langjährige Erfahrung bei der Finanzierung von solarthermischen Großanlagen. Diese bieten die Anlagen auch schlüsselfertig oder im Contracting an. Eine weitere Möglichkeit sind Bürgerfinanzierungsmodelle, für die solarthermische Großanlagen aufgrund des positiven Images besonders geeignet sind. 5. Welche Speicherart ist am wirtschaftlichsten (Neubau)? Die Wahl des Speichertyps hängt wesentlich von der Art der Anwendung, der Systemeinbindung und einer Vielzahl von örtlichen Anforderungen und Begebenheiten ab, so dass diese Antwort nicht allgemeingültig beantwortet werden kann. Pufferspeicher bis 500 m³ wurden in realisierten Projekten wurden mehrfach als Betonbehälterspeicher mit spezifischen Kosten 2000 m³ wurden mehrere in den Untergrund integrierte Speichertechnologien entwickelt und zu spezifischen Kosten von 50 – 200 €/m³ realisiert. (siehe auch www.saisonalspeicher.de) Antworten des Hamburg Instituts zu den rechtlich-wirtschaftlichen Fragestellungen 6. Gibt es klare Regelungen durch den Gesetzgeber? Die leitungsgebundene Wärmeversorgung durch Wärmenetze sowie die Einspeisung solarer Wärmenetze ist derzeit durch den Gesetzgeber sowohl auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene durch das klassische Energie-, Klimaschutz- und Wettbewerbsrecht nur randständig geregelt. Um einen funktionierenden europäischen Energie-Binnenmarkt zu schaffen, hat der europäische Gesetzgeber bei der Versorgung der Allgemeinheit mit Strom und Gas in den letzten Jahren die Liberalisierung stark vorangetrieben. Im Rahmen der Umsetzung in nationales Recht wurde dazu das deutsche Energiewirtschaftsgesetz EnWG umfassend erweitert sowie zahlreiche und sehr detaillierte Verordnungen erlassen. Diese Regelungen betreffen jedoch den Fernwärmesektor nicht. Fragen-Antworten-Katalog – Solarthermie und Fernwärme 9 Folgende Regelungen sind derzeit auf europäischer Ebene für den Fernwärmesektor und die Förderung solarer Wärmenetze besonders relevant: > Die EU-Emissionshandels-RL2 wird in Deutschland durch das TEHG und die uV2020 in nationales Recht umgesetzt. Mit der 3. Handelsperiode wird die Fernwärmeversorgung sukzessive in den Zertifikatehandel integriert. > Die Industrieemissions-RL3 stellt Anforderungen an große Feuerungsanlagen. Sie wird in Deutschland u.a. durch das BImSchG und die 13. BImschV in nationales Recht umgesetzt. > Die EU-Gebäude-RL4 stellt Anforderungen u.a. an die Energieeffizienz von Gebäuden. Die Umsetzung er folgt in Deutschland durch die Energieeinsparverordnung EnEV. > Die EU-Erneuerbare-RL5 legt Ziele für die Transformation des Energiesystems zu erneuerbaren Energieträgern fest. In Bezug auf den Wärmesektor wird diese Richtlinie in Deutschland durch das EEWärmeG umgesetzt. > Die EU-Effizienz-RL6 formuliert Vorgaben zur Verbesserung der Energieeffizienz. U.a. ist in dieser Richtlinie auch die Etablierung einer vorausschauenden Wärmeplanung durch die Kommunen bzw. Regionen vorge sehen. Eine Umsetzung in deutsches Recht steht noch aus. Eine der wichtigsten bestehenden europäischen Rechtsnormen in Bezug auf die Ausweitung solarer Wärmenetze ist die o.g. EU-Erneuerbare-RL 2009/28/EG. Darin ist u.a. fixiert, dass die Mitgliedsstaaten Nationale Aktionspläne für erneuerbare Energie zur Erreichung der Ziele verabschieden sollen. Besonders relevant für die Förderung solarer Wärmenetze ist Artikel 13 Abs. 4 der Richtlinie. Hierin ist festgelegt, dass die Mitgliedsstaaten in ihren Bauvorschriften und Regelwerken Maßnahmen aufnehmen müssen, um den Anteil erneuerbarer Energie im Gebäudebereich zu erhöhen. Konkret müssen bis zum 31.12.2014 dort Regelungen aufgenommen werden, die bei Neubau und grundlegender Renovierung ein Mindestmaß an Energie aus erneuerbaren Quellen sicherstellen sollen. Diese Anforderung kann auch über Fernwärme erfüllt werden, wenn diese zu einem bedeutenden Anteil aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Auch auf bundesgesetzlicher Ebene ist die leitungsgebundene Wärmeversorgung vergleichsweise wenig reguliert. Wichtige Aspekte einer ökologischen und verbraucherfreundlichen Fernwärmeversorgung sind derzeit vom geltenden Rechtsrahmen auf nationaler Ebene nicht erfasst. So existieren keine verbindlichen Vorgaben für die energetische Effizienz der Erzeugung und der Verteilung, keine Vorgaben zur Produkt- und Preistransparenz für die Verbraucher sowie keinen geregelten Zugang Dritter zu den Netz-Infrastrukturen. Dies wird in anderen europäischen Ländern teilweise unterschiedlich gehandhabt. Insbesondere das Beispiel Dänemark zeigt, dass ein verlässlicher Regulierungsrahmen u.a. über eine Besteuerung fossiler Brennstoffe, die staatliche Preisaufsicht und die Etablierung kommunaler Wärmeplanung effektive Anreize für private Investitionen in die solare Fernwärme setzen kann. 2 Richtlinie 2003/87/EG 3 Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen 4 Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamteffizienz von Gebäuden 5 Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen 6 Richtlinie 2006/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2006 über Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen 10 In Deutschland umfasst der geltende Rechtsrahmen den Bereich Wärmenetze und großflächige Solarthermie in folgenden Rechtsbereichen: Gesetzgebungskompetenz Rechtsbereich Regelungen Bund Emissionshandel TEHG ZuV2020 Gemischte Zuständigkeit Umweltrecht BlmSchG Bund/Länder WHG NaturschutzG Konkurrierende Gesetzgebung Energierecht EnEG/EnEV Bund/Länder Wirtschaftsrecht EEWärmeG Bauplanungsrecht MAP Verbraucherschutz KWKG BauGB GWB AVBFernwärmeV Mietrecht Steuer- und Finanzrecht > Die AVBFernwärmeV regelt die allgemeinen Bedingungen für Lieferverträge zwischen Fernwärmeanbieter und Endkunden. Sie stellt einen grundlegenden Verbraucherschutz dar. > Im GWB ist ein kartellrechtliches Missbrauchsverbot formuliert, das formal einen Zugang Dritter zur Wärmenetz-Infrastruktur eines marktbeherrschenden Unternehmens ermöglichen könnte. In der Praxis findet jedoch Wettbewerb im Netz bisher nicht statt. > Große Wärmeerzeugungsanlagen unterfallen im Hinblick auf deren Treibhausgasemissionen dem TEHG und in Bezug auf den Immissionsschutz dem BImSchG. > Das EEWärmeG fixiert einen Mindestanteil an erneuerbarer Energie bei Errichtung neuer Gebäude. Der Einsatz von Wärme aus Wärmenetzen kann als Ersatzmaßnahme gewertet werden. > Die EnEV stellt Anforderungen an die Energieeffizienz bei der Errichtung und der Modernisierung von Gebäuden. Eine leitungsgebundenen Wärmeversorgung geht über den Primärenergiefaktor in die Primärenergiebilanz des Gebäudes ein. > Das KWKG fixiert einen Abnahme- und Vergütungsanspruch für Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung sowie einen finanziellen Zuschlag für den Neu- und Ausbau von Wärmenetzen. Zur Umsetzung der o.g. EU-Erneuerbare-RL dient in Deutschland das Erneuerbare-Wärme-Gesetz EEWärmeG. In Bezug auf die Umsetzung der genannten Anforderung sind jedoch hier noch zwei wesentliche Regelungslücken vorhanden. Das EEWärmeG betrifft in Deutschland erstens nur die Errichtung von Gebäuden, nicht die Modernisierung des Bestands. Und zweitens ist die Erfüllung der Anforderung durch die Ersatzmaßnahme Fernwärme nicht daran gebunden, dass ein bedeutender Anteil der Fernwärme aus erneuerbarer Energie stammt. Im Fall einer entsprechenden Novellierung des EEWärmeG könnte sich ein zusätzlicher Treiber für die Marktausweitung der solaren Fernwärme ergeben. Bislang gehen vom bestehenden gesetzlichen Rahmen keine positiven Steuerungseffekte zur Marktausweitung der solaren Fernwärme aus. Fragen-Antworten-Katalog – Solarthermie und Fernwärme 11 7. Welche Vertragsbasis zur Flächennutzung sollte favorisiert werden? Der Zugriff auf die benötigten Flächen sollte langfristig gesichert sein, um die Refinanzierung der Investitionskosten durch die Wärmeerlöse zu ermöglichen. Dafür kommen in erster Linie der Erwerb der Grundstücke oder eine langfristige Pachtlösung in Frage. 8. Besteht die Möglichkeit langfristige Verträge zur Wärmeabnahme zu schließen? Die Laufzeit der Versorgungsverträge ist beim Erstanschluss nach §32 AVBFernwärmeV auf 10 Jahre begrenzt. Dies gilt nicht für Industrieunternehmen und für den besonderen Fall, dass der Kunde mit einer abweichenden Regelung ausdrücklich einverstanden ist. Da die Umstellung seitens bestehender Fernwärmekunden auf eine andere Art der Versorgung jedoch im Regelfall aufwändig ist, wird diese unterbleiben, wenn der Versorger zu angemessenen Preisen Wärme liefert. Wird der Vertrag nicht von einer der beiden Seiten mit einer Frist von neun Monaten vor Ablauf der Vertragsdauer gekündigt, so gilt eine Verlängerung um jeweils weitere fünf Jahre als stillschweigend vereinbart. 9. Gibt es Möglichkeiten, die Nutzung vorzuschreiben (z.B. Satzung)? Die Kommune verfügt über verschiedene Instrumente, den Anschluss an ein Wärmenetz und die Nutzung der Wärme vorzuschreiben. Dabei kommen folgende Rechtsgrundlagen in Betracht: > Erlass einer Gemeindesatzung auf der Rechtsgrundlage der landesgesetzlichen Gemeindeordnungen, auch in Verbindung mit § 16 EEWärmeG > Vertragliche Fixierung in einem privatrechtlichen Vertrag, z.B. Grundstückskaufvertrag oder städtebaulichem Vertrag > Festsetzung im Bebauungsplan im Rahmen einer verbindlichen Bauleitplanung > Erlass eines Verbrennungsverbotes gemäß § 9 Nr. 23 BauGB zum Schutz gegen Luftverunreinigung Gemeindesatzung In den meisten Fällen (etwa 70 %) wird ein kommunaler Anschluss- und Benutzungszwang durch eine Gemeindesatzung erlassen. In allen Bundesländern gibt es dafür die entsprechenden landesrechtlichen Ermächtigungen für die Kommunen. In Thüringen ist dies der § 20 Abs. 2 Nr. 2 der Thüringer Kommunalordnung7: … Weiter können die Gemeinden in Satzungen insbesondere regeln: …2. aus Gründen des öffentlichen Wohls die Verpflichtung zum Anschluss von Grundstücken an Anlagen zur Versorgung mit Fernwärme, zur Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Straßenreinigung und ähnliche dem Gemeinwohl dienende Einrichtungen (Anschlusszwang) sowie die Verpflichtung zur Benutzung dieser Einrichtungen (Benutzungszwang). Während in den alten Bundesländern vom Anschluss- und Benutzungsgebot hauptsächlich bei der Planung von neuen Siedlungsgebieten Gebrauch gemacht wurde, um die Wirtschaftlichkeit neuer Wärmenetze sicherzustellen, 7 Thüringer Kommunalordnung i.d.F. vom 28.03.2003 nach Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung und anderer Gesetze vom 18. Dezember 2002 (GVBl. S. 467) 12 gibt es in den neuen Bundesländern auch zahlreiche Anschluss- und Benutzungsgebote für den Gebäudebestand, der jeweils bei einem anstehenden Austausch der bestehenden Heizung zur Anwendung kommt. Mit dem Erlass des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) hat der Bundesgesetzgeber die Rechtsgrundlage für einen kommunalen Anschluss- und Benutzungszwang aus Klimaschutzgründen gestärkt8. Nach § 16 EEWärmeG wird den Kommunen ermöglicht, „von einer Bestimmung des Landesrechts, die sie zur Begründung eines ABZ an ein Netz der öffentlichen Fernwärme- oder Fernkältenutzung ermächtigt, auch zum Zweck des Klima- und Ressourcenschutzes Gebrauch zu machen“. Städtebauliche und privatrechtliche Verträge Gegenüber dem Instrument der Gemeindesatzung werden privatrechtliche Vereinbarungen in Grundstückskaufverträgen oder städtebaulichen Verträgen weniger häufig angewandt. Gegenüber Bebauungsplanung nach § 9 BauGB ist der städtebauliche Vertrag nach § 11 BauGB ein eher kooperatives Instrument der Bauleitplanung. Mit diesem öffentlich-rechtlichen Vertrag können zwischen Gemeinde und dem Vertragspartner Regelungen zur Umsetzung städtebaulicher Ziele getroffen werden. Die Regelungsmöglichkeiten der Vertragspartner im städtebaulichen Vertrag sind relativ weit gefasst, dies gilt auch für Festlegungen in energetischer Sicht. Mit der Novelle des Baugesetzbuches 2004 wurde bezüglich des städtebaulichen Vertrages klargestellt, dass auch die Nutzung erneuerbarer Energien wie etwa Solarthermie Vertragsgegenstand sein kann. Neben den hoheitlich-rechtlichen Maßnahmen kann die Kommune auch zivilrechtliche Instrumente nutzen, um das Ziel einer erhöhten Anwendung der Solarthermie zu erreichen. Solange die Kommune die auch im Verwaltungsprivatrecht geltenden grundrechtlichen Bindungen beachtet, ist die Kommune frei in der Entscheidung, ob sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben das öffentliche oder das private Recht heran zieht. Für die Anwendung des Zivilrechts kommt insbesondere die Liegenschaftspolitik in Betracht. Immer dann, wenn die Kommune öffentliche Grundstücke zum Zweck der Bebauung verkauft, verpachtet oder vermietet, könnte sie Bestimmungen zur verpflichtenden Nutzung eines solaren Wärmenetzes vertraglich fixieren. Bauleitplanung Mit der verbindlichen Bauleitplanung nach § 9 des Baugesetzbuches hat die Kommune die Möglichkeit, energetische Festsetzungen in kommunalen Bebauungsplänen zu treffen. Mit der Novellierung des Baugesetzbuches in 2004 sind der allgemeine Klimaschutz und die Energieeffizienz als berücksichtigungsfähige Belange in die kommunale Bauleitplanung integriert worden (§1 Abs. 5 und 6 BauGB). Damit ist nun gesetzlich festgelegt, dass die Kommune im Rahmen der Bebauungsplanung klimaschutzbezogene Regelungen treffen kann. Auf der Grundlage des Baugesetzbuches kann die Kommune aus städtebaulichen Gründen u.a. folgende Festsetzungen treffen, die die Nutzung der Solarthermie begünstigen: > Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärmekopplung (§ 9 Abs. 1, 12) > Gebiete, in denen bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen (§ 9 Abs.1, 23) 8 Tomerius (2013): Der Anschluss- und Benutzungszwang für kommunale Nah- und Fernwärmesysteme; ER 2/13 S. 61ff Fragen-Antworten-Katalog – Solarthermie und Fernwärme 13 > Bauweisen oder Ausrichtung der Baukörper. Dies kann z.B. die Nutzung der Solarthermie durch die entsprechende Orientierung der Gebäudedächer begünstigen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 23). Diese Regelungen ermöglichen einen für Dritte rechtsverbindlichen Rahmen der baulichen Raumnutzung, während der Flächennutzungsplan lediglich für die Kommune selbst bei Ihrer Planung verbindlich ist. Die möglichen Festsetzungen durch Bebauungspläne sind auf den im Baugesetzbuch definierten Regelungskatalog beschränkt. In der Fachdiskussion wird teilweise bestritten, dass durch einen Bebauungsplan privaten Bauherren die Nutzung der Solarthermie vorgeschrieben werden kann9. Jedoch sprechen auch einige Argumente dafür, dass mit der erfolgten Konkretisierung des BauGB auch gerade solche technische Maßnahmen festgesetzt werden können10. Eine Konkretisierung und Erweiterung des Rechtsrahmens zur Erweiterung der kommunalen Festsetzungsmöglichkeiten im Bereich der Bauleitplanung wäre hier sinnvoll. Eine Grundlage zur Weiterentwicklung des Rechtsrahmens könnten hier auch weitergehende und praxiserprobte Regelungen sein, die auf Basis der konkurrierenden Gesetzgebung durch die Bundesländer erfolgt sind. So hat z.B. die Freie und Hansestadt Hamburg bereits im Jahr 1997 ein Klimaschutzgesetz11 erlassen, auf dessen Grundlage in zahlreichen Bebauungsplänen Wärmenetze mit einem Mindestanteil Erneuerbarer Energien oder auch der Verpflichtung zum Einsatz solarer Warmwasserbereitung festgesetzt wurde. Ein vorhabenbezogener Bauleitplan nach § 12 BauGB (auch „Vorhaben- und Erschließungsplan“, VEP) ist eine Sonderform der verbindlichen Bauleitplanung, um die Zulässigkeit bestimmter Vorhaben zu bestimmen. Der Investor eines Bauvorhabens trifft im Rahmen eines solchen Verfahrens Vereinbarungen mit der Gemeinde über die Durchführung und Kostentragung für die Erschließung des Gebietes und die Durchführung städtebaulicher Maßnahmen. Durch einen Satzungsbeschluss der Gemeinde wird der VEP dann rechtlicher Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan ist nicht an das relativ enge Raster der Festsetzungsmöglichkeiten nach § 9 BauGB gebunden (§ 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Es können damit Festlegungen zu energetischen Standards der Bauweise oder der Energienutzung getroffen werden, die über die Gestaltungsvorgaben der Bauleitplanung hinausgehen. Dies betrifft z.B. die mögliche Festlegung der Versorgung durch Wärmenetze oder erneuerbare Energien, z.B. Solarthermie. Verbrennungsverbote Das Verbrennungsverbot gemäß § 9 Nr. 23 a) BauGB wirkt wie ein Quasi-Anschluss- und Benutzungszwang, da dezentrale Kesselanlagen bzw. bestimmte Brennstoffe dort nicht zulässig sind. Es kommt nur in Ausnahmefällen bei besonders sensiblen Gebieten wie etwa Kurorten oder Naherholungsgebieten zur Anwendung. 10. Gibt es Anforderungen an Mindestabstände zu Wohnhäusern? Grundsätzlich stehen keine rechtlichen Hemmnisse entgegen, eine frei aufgestellte Solarkollektoranlage in der direkten Nähe zu Wohnhäusern aufzustellen. Von den Anlagen gehen weder besondere Gefahren noch problematische Emissionen aus. Eine baurechtliche Genehmigung mit Abwägung alle Belange ist jedoch erforderlich. 9 Kahl (2010): Klimaschutz durch die Kommunen, ZUR 9/2010, S. 397 ff. 10 Kopf (2012): Klimaschutz in der Planungs- und Genehmigungspraxis – die BauGB-Novelle 2011, LKRZ 7/2012, S. 264 ff. 11 Hamburgisches Gesetz zum Schutz des Klimas durch Energieeinsparung (Hamburgisches Klimaschutzgesetz - HmbKliSchG) Vom 25. Juni 1997), HmbGVBl. 1997, S. 261, geändert durch Gesetz vom 6. Juli 2006, HmbGVBl. S. 404 14 In der Praxis werden frei aufgestellte Anlagen aus ökonomischen Gründen eher dort in Betracht kommen, wo die Grundstückspreise niedrig sind (z.B. landwirtschaftliche Flächen, Brachflächen) oder wo eine Wohnnutzung nicht möglich ist (z.B. Flächen mit belasteten Böden). 11. Wie ist die politische/gesellschaftliche Meinung vor Ort zu derartigen Anlagen? Die politisch-gesellschaftliche Meinung vor Ort für solare Wärmenetze betrifft grundsätzlich zwei Bereiche: Erstens den Anschluss an ein Wärmenetz insgesamt und zweitens den Bau großflächiger Solarkollektoranlagen „auf der grünen Wiese“. Um eine Akzeptanz für beide Themen zu erreichen, sind vor allem eine breitenwirksame Information sowie eine veränderter Rahmens für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger erforderlich. Teilweise bestehen emotionale Hürden, die eigene Heizanlage im Haus durch einen Anschluss an ein extern gesteuertes Netz zu ersetzen. Eine gemeinschaftliche Organisationsform mit Eigentumsanteilen kann helfen, diese Hürden zu überwinden. Der Erfolg der dänischen Fernwärmepolitik wird auch darauf zurückgeführt, dass die Bürgerinnen und Bürger über Genossenschaften oft unmittelbar an den Wärmeversorgern beteiligt sind. Die gesetzlich gedeckelten Gewinne aus dem Betrieb des Fernwärmesystems verbleiben somit bei den Verbrauchern. Auch sollten die Wärmeversorger mit einem hohen Maß an Produkt- und Preistransparenz versuchen, emotionale Hürden gegenüber einer Fernwärmeversorgung abzubauen. In Bezug auf die frei aufgestellten Solarkollektoranlagen sollte heraus gestellt werden, dass diese Energieform auf die Fläche bezogen gegenüber der Bioenergienutzung viel effizienter ist und auch keine Umweltbelastung (etwa durch Düngung etc.) auftritt. Durch diese Art der Anlagen kann ein konkurrenzfähiger Wärmegestehungspreis gegenüber fossiler Wärme erzielt werden. Dies ermöglicht die Verbesserung der Versorgungssicherheit im Wärmesektor und auch langfristig gut kalkulierbare Wärmepreise. 12. Sind der Anschluss und die Abnahme durch die im Planungsgebiet vorhandenen Verbraucher langfristig mittels Vereinbarung oder Satzung gesichert? siehe Antworten 8 und 9 Antworten von in.RET (FH Nordhausen) und FG Thermo- und Magnetofluiddynamik (TU Ilmenau) zu den rechtlich-wirtschaftlichen Fragestellungen 13. Kriterien bei Einbindung in Nah- oder Fernwärmenetze hinsichtlich Temperaturniveau und Druck? Solarthermieanlagen werden grundsätzlich indirekt eingebunden, verfügen also über einen getrennten Hydraulikkreislauf, meist mit Glykol-Wasser-Gemisch. Die Übertragung der Solarwärme kann in verschiedenen Varianten erfolgen, die zu unterschiedlichen Auswirkungen auf das Wärmenetz führen. 14. Müssen Veränderungen/Anpassungen bei den Endkundenanlagen vorgenommen werden? Nein – Solaranlage werden generell am Wärmeerzeugungsort (Heizzentrale, Heizwerk, Heizkraftwerk) eingebunden. Der Endkunde wird daher weiterhin über die bestehende Hausanschlussstation (HAST) mit Wärme versorgt. Fragen-Antworten-Katalog – Solarthermie und Fernwärme 15 Es wurden jedoch jüngst dezentrale Einspeisevarianten vorgestellt, bei der die Solarwärme über eine modifizierte HAST eingebunden ist12. Nur in diesem Fall wären Anpassungen an Endkundenanlagen notwendig. 15. Einsatz mobiler Wärmespeicher möglich? Der Einsatz mobiler Wärmespeicher (z.B. als Container mit PCM-Inventar) ist nur in wenigen speziellen Fällen wirtschaftlich sinnvoll, maßgebend hierbei sind die Wärmegestehungskosten. Zudem sollte eine belastbare Aussage des PCM-Herstellers bzgl. der Zyklenfestigkeit der verwendeten Materialien vorliegen. Zum Einsatz von mobilen Zeolith-Speichern liegt eine Machbarkeitsstudie des Bundesamts für Energie (BFE, Schweiz) vor (Schlussbericht zu den Projekten 153964 / 102617). 16. Welche Unternehmen sind potenzielle Planer/Projektentwickler? Grundsätzlich alle Ingenieur- und Planungsbüros, Institute und Hersteller mit nachgewiesener Erfahrung und Qualifizierung im Bau und Betrieb großer Solarthermieanlagen. Entsprechende Referenzen sollten vorgelegt werden können, Empfehlungen können bei SOLITES, der TU Ilmenau u.a. abgerufen werden. 17. Gibt es Anbieter für schlüsselfertige Anlagen? Ja. Informationen sind erhältlich über die die Internetseite www.solare-fernwaerme.de (> Branchenverzeichnis), die DSTTP-Solarthermie-Technologie-Plattform (www.dsttp.de), über der Fördermittelgeber (www.bafa.de) und diverser Hersteller. 18. Können andere Wärmequellen (z.B. Abwärme) „gleich mit“ erschlossen werden? [Energieeffizienz allgemein, nicht spezifisch Solarthermie & Wärmenetze] Es empfiehlt sich immer ein serielles Vorgehen: 1. Minderung des Energieverbrauchs (Vermeidung, Verhaltensänderung) 2. Erhöhung der Effizienz durch Betriebsoptimierung (Minderung des Temperaturniveaus, Erhöhung Wirkungsgrade etc.) 3. Nutzung/Einbindung kostenloser Abwärme 4. Einsatz erneuerbarer Energie (Solarthermie) Vor Beginn der Umsetzungsmaßnahmen sollten die Ziele und Kriterien bzgl. Wirtschaftlichkeit und Umweltstandards unter allen Beteiligten abgestimmt werden. 19. Können Abweichungen zwischen Bedarf und „Angebot“ mit Speichern, Wärmepumpen und/oder Adsorptions-Kälteanlagen ausgeglichen werden? Wenn ja, ist dafür geeigneter Platz vorhanden oder kann geschaffen werden? Dies ist ein grundlegendes Problem des Anlagenentwurfs, vgl. auch Antwort zur Frage 46. Meist bedarf es detaillierter Jahresertragssimulationen, um die passende Anlagenkonfiguration auszuwählen. 12 vgl. dazu Dezentrale Einspeisevarianten sind z.B. beschrieben in: Schäfer, K.: Dezentrale Einspeisung von Solarthermie in Wärmenetze – technische Analyse von realisierten Anlagen, (Solites, Stuttgart), veröffentlicht bei OTTI 2014 sowie Löser. et.al.: Solarthermische Einspeisung in Fernwärmesysteme – Testerfahrungen mit einer kombinierten Hausanschluss- und Netzeinspeisestation. (TU Dresden, Institut für Energietechnik), veröffentlicht bei OTTI 2014 16 20. Welche Speichergröße gilt als ideal (grober Richtwert)? [Solarthermie allgemein, nicht spezifisch Solarthermie & Wärmenetze] Wirtschaftlichkeit ist unter den gegebenen Bedingungen derzeit vor allem mit knapp bemessenen Solarthermieanlagen zu erzielen (vgl. Antwort 46). Diese sog. Vorwärmanlagen mit geringen Deckungsanteilen ( Solare Fernwärme: Einbindung der Solarthermie direkt in das bestehende Fernwärmenetz mit Temperaturen von 95/65 °C (Vorlauf/Rücklauf). Diese Einbindung ist bereits heute voll umsetzbar. Bei der zukünftigen Erschließung des Entwicklungsgebiets kann die solare Wärme dann sukzessive für das Niedertemperaturnetz ausgekoppelt werden. > Niedertemperaturnetz: Versorgung des Gebiets Äußere Oststadt mit 20 % Solarwärme über das Niedertemperaturnetz mit Temperaturen von 70/40 °C. Die restliche Wärme wird aus dem Fernwärmenetz bereitgestellt. Auf diese Weise wird das Entwicklungsgebiet zukünftig umweltfreundlich mit einem Anteil von 20 % aus emissionsfreier erneuerbarer Solarwärme und annähernd 80 % aus hocheffizienter KWK versorgt. Es wurde mit einer Kollektorfläche von 12 000 m² (Vakuumröhrenkollektoren) gerechnet, die auf der Freifläche der SWE Energie GmbH installiert werden können. In der Variante Solare Fernwärme kann ein solarer Nutzwärmeertrag von 4500 MWh/a zu solaren Wärmegestehungskosten von 46 €/MWh bereitgestellt werden. In der Variante Niedertemperaturnetz können über die verfügbare Fläche 135 Gebäude mit insgesamt 30 000 MWh/a Wärmebedarf mit einem solaren Deckungsanteil von 20 % versorgt werden. Die Kollektoren stellen dabei einen solaren Nutzwärmeertrag von 6172 MWh/a zu solaren Wärmegestehungskosten von 40 €/MWh bereit. Es wird ein zusätzlicher Wärmespeicher mit 3000 m³ Volumen benötigt. Die genannten Wärmegestehungskosten (netto) wurden vereinfacht nach VDI 2067 mit einer Investitionsförderung für Wärmespeicher und Kollektoren nach dem Marktanreizprogramm (MAP) des BMWi berechnet [1]. Die Einbindung von Solarthermie in das bestehende Fernwärmenetz kann schon jetzt realisiert werden. Diese Variante stellt eine gute Möglichkeit dar, insbesondere da die Entwicklung des Gebiets Äußere Oststadt zeitlich noch nicht absehbar ist. Bei Beginn der Bebauung der Äußeren Oststadt wird das Niedertemperaturnetz realisiert und die Solarwärme abhängig von dem sich entwickelnden Wärmebedarf eingebunden. Der Betrieb der Solarkollektoren wird dann auf das Niedertemperaturnetz umgestellt, so dass sie effizienter arbeiten. Das Fernwärmenetz stellt weiterhin Wärme für das Niedertemperaturnetz bereit. 2 Hintergrund Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) führt seit Januar 2014 eine Initiative zur Markteinführung von solaren Nah- und Fernwärmeanlagen durch. Hierzu wurden durch das TMUEN zwei Workshops organisiert, die sich an Vertreter der regionalen Wärmeversorger, der Wohnungswirtschaft und der Kommunen richteten. Weiter wurde gemeinsam mit Marktakteuren ein Fragenkatalog zur Thematik solare Nahund Fernwärme erstellt, der im Nachgang durch Experten der TU llmenau, HS Nordhausen, Hamburg Institut Consulting GmbH (HIC) und Solites bearbeitet wurde. Als nächster Schritt sollen drei Fallstudien für solare Nah- und Fernwärmeanlagen erstellt werden. Die Fallstudien werden anhand realer Daten in Kooperation mit Kommunen und/oder Stadtwerken aus Thüringen erstellt. In 26 den drei Kommunen soll hierbei repräsentativ die Einbindung von Solarthermie in ein großes Fernwärmenetz, ein mittelgroßes Fernwärmenetz und ein Nahwärmenetz untersucht werden. Zweck der Fallstudien ist es, die technische und wirtschaftliche Machbarkeit von solaren Nah- und Fernwärmeanlagen anhand konkreter Beispiele nachzuweisen und bestenfalls neue Projekte zu initiieren. Die Fallstudien sollen weiter bei Verbreitungsaktivitäten unterstützend Verwendung finden. Die Fallstudien werden gemeinschaftlich durch die Organisationen TU llmenau, HS Nordhausen, HIC und Solites als Projektpartner bearbeitet. Für die Fallstudie für ein großes städtisches Fernwärmenetz wurde die Landeshauptstadt Erfurt ausgewählt. Erfurt ist eine Wachstumsstadt mit aktuell ca. 200 000 Einwohnern. Damit auch zukünftig ausreichend Wohnraum zur Verfügung steht, plant die Stadt Erfurt, neue Gebiete für den Wohnungsbau zu erschließen. Zusammen mit dem Bau von Wohnungen sind Konzepte für die Energieversorgung der neuen Gebäude unerlässlich. Der örtliche Energieversorger SWE Energie GmbH möchte für die neuen Gebiete nachhaltige Energieversorgungskonzepte erarbeiten und in die Planungen der Stadt integrieren. Eines der neuen Entwicklungsgebiete ist die ICE City Ost. In dieser Studie werden mögliche Konzepte zur Integration von Solarwärme in die Wärmeversorgung des Gebiets ICE City Ost erarbeitet. Die Energieerträge und die Wirtschaftlichkeit werden berechnet und Hinweise zur Einbindung der Solarthermie gegeben. 3 Ausgangssituation In Verbindung mit dem Verkehrsprojekt Deutsche Einheit (VDE 8), in dem der Erfurter Hauptbahnhof bis 2017 in ein ICE-Drehkreuz umgebaut wird, werden Bahn- und Gewerbeflächen im Umfeld des Hauptbahnhofes frei. Östlich des Hauptbahnhofes erfolgt auf den freiwerdenden Flächen die Neuentwicklung des Stadtteils ICE City Ost für die bereits ein städtebauliches Konzept vorliegt. Das Nutzungskonzept für das Gebiet umfasst mehrgeschossige Gebäude mit Gewerbe-, Büro- und Wohnnutzungen [2]. Die Bebauung wird innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahre erwartet. Die bestehende Fernwärmeversorgung der SWE Energie GmbH für die Stadt Erfurt besteht aus einem Dampf- und Heißwassernetz. Eine Gas- und Dampfturbinenanlage (GUD) und zwei Heißwassererzeuger am Standort Erfurt Ost versorgen das Heißwassernetz mit ca. 600 GWh/a Wärme [3]. Für die Optimierung der GUD-Anlage wurde am Standort Iderhoffstraße ein Wärmespeicher mit 7000 m³ nutzbarem Speichervolumen realisiert. In diesem Rahmen wurde das primäre Heißwassernetz in zwei Abschnitte aufgeteilt. Die beiden Abschnitte werden durch eine Beimischstation getrennt, die im Sommerhalbjahr die Netztemperaturen in dem nachgelagerten Teilnetz mit integriertem Wärmespeicher auf 95 °C im Vorlauf absenkt, während die Temperaturen in dem verbleibenden Wärmenetz mit 115 °C im Vorlauf und 70 °C im Rücklauf beibehalten werden. Im Winterbetrieb ist bei Entladung des Wärmespeichers eine Erwärmung auf die Netzvorlauftemperatur durch den Fernwärmedampf aus dem Dampfnetz der SWE Energie GmbH möglich. Die Beimischstation wird im Winter nicht betrieben. Die Äußere Oststadt als Teil der in Planung befindlichen ICE City Ost grenzt unmittelbar an den Standort Iderhoffstraße des Wärmespeichers der SWE Energie GmbH. Das Gelände am Speicherstandort der SWE umfasst zusätzlich zu dem Wärmespeicher eine Brachfläche des ehemaligen Gaswerks und des ehemaligen Heizkraftwerks. Das Konzept der SWE ist, diese Fläche ganz oder teilweise mit Solarthermie zu belegen und somit die geplanten Gebäude über ein neues Nahwärmenetz mit Solarwärme zu versorgen. Das neue Nahwärmenetz soll dabei über den Wärmespeicher mit dem bestehenden Fernwärmenetz verbunden werden. Der Rahmenplan für die Äußere Oststadt und ein Kartenausschnitt des gleichen Gebiets mit der aktuellen Bebauung sind in Abbildung 1 und Abbildung 2 dargestellt. Die in den Kartenausschnitt eingezeichnete Fläche ist die maximale Freifläche des ehemaligen Gaswerks und Heizkraftwerks, welche für Solarthermie zur Verfügung steht. Fallstudie Solare Fernwärme Erfurt 27 Abbildung 1: Rahmenkonzept Äußere Oststadt mit dem Abbildung 2: Kartenausschnitt zur heutigen Bebauung mi