Solare Wärmenetze – Marktstatus 2018 für Deutschland und Europa
nfoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 2 www.solare-waermenetze.de Wärmenetze mit erneuerbaren Energien bieten vielversprechende Möglichkeiten, bei der Wärmewende vor Ort voranzukommen. Immer öfter werden dabei auch große Solarthermie- Freiflächenanlagen eingebunden. Die Technologie ist ausgereift und für Versorger auch wirtschaftlich attraktiv. In Deutschland sind derzeit 34 solarthermische Großanlagen mit einer Nennleistung von insgesamt 44 MWth bzw. einer Kollektorfläche von 62.700 m² in Wärmenetze eingebunden. Weitere 19 MWth bzw. 23.200 m² sind konkret in Realisierung und Planung. Auf Basis von weiteren Projektaktivitäten und der derzeit guten Fördersituation kann von einer Verdreifachung der installierten Anlagenleistung in den nächsten Jahren ausgegangen werden. Einen wesentlichen Anteil der in Betrieb befindlichen Anlagen bilden weiterhin die elf Großanlagen, die zwischen 1995 und 2012, meist im Rahmen der F&E-Programme Solarthermie-2000 und Solarthermie2000plus, als Pilotprojekte zur solaren Nahwärmeversorgung realisiert wurden. Eine Kehrtwende hin zu einer rein marktwirtschaftlichen Umsetzung ist seit dem Jahr 2013 Die Nutzung solarthermischer Großanlagen für Nah- und Fernwärmeversorgungen legt in Deutschland und einigen Nachbarländern deutlich zu. Zur Erreichung der Ausbauziele ist jedoch eine Steigerung um den Faktor 50 nötig. Solare Wärmenetze Marktstatus 2018 für Deutschland und Europa Crailsheim 7410 m² Neckarsulm 5670 m² Friedrichshafen 4050 m² Hamburg-Bramfeld 1400 m² München-Ackermannbogen 2900 m² Augsburg 2000 m² Stuttgart-Burgholzhof 1630 m² Eggenstein 1600 m² Steinfurt-Borghorst 510 m² Hannover-Kronsberg 1350 m² Energiebunker-Wilhelmsburg 1348 m² Festo Esslingen 1330 m² Büsingen 1090 m² Stuttgart-Brenzstraße 1000 m² Rostock-Brinkmanshöhe 1000 m² Jena-Pößneck 99 m² Hamburg-Harburg 477 m² Hennigsdorf-Cohn'sches Viertel 856 m² Chemnitz 2230 m² Senftenberg 8300 m² Neuerkirch-Külz 1422 m² Hallerndorf 1304 m² Düsseldorf 240 m² Berlin-Adlershof 618 m² Berlin-Köpenick 1058 m² Randegg 2400 m² Breklum 652 m² Ellern 1245 m² Gutleutmatten (in Betrieb) 1474 m² Mengsberg 2950 m² Radolfzell-Liggeringen 1068 m² Moosach 1067 m² Brannenburg 494 m² Schauffling 477 m² Gutleutmatten (im Bau) 526 m² Schluchsee 3000 m² Erfurt 1690 m² Potsdam 5000 m² Gimbweiler 1200 m² Ettenheim 1750 m² Ludwigsburg 14000 m² in Betrieb 34 Anlagen mit ca. 62719 m² in Realisierung/Planung 7 Anlagen mit ca. 27166 m² in Vorbereitung 29 Anlagen mit ca. 111917 m² Quelle: Solites Stand: Mai 2019 zu erkennen: Bei nun regelmäßig neu hinzu kommenden Anlagen treffen die Wärmeversorger ihre Investitionsentscheidungen aufgrund gegebener Wirtschaftlichkeit und ökologischer Vorteile der Solarthermie. Ein bemerkenswerter Anteil des Marktzuwachses entfiel in den letzten Jahren auf sogenannte Energiedörfer in ländlichen Regionen, bei denen in der Regel Freiland-Solarthermieanlagen zwischen 1.000 und 3.000 m² Kollektorfläche mit Biomasseheizwerken kombiniert werden. Insgesamt sind in Deutschland neun solcher Wärmeversorgungen in Betrieb. Sie stellen rund ein Fünftel der installierten Leistung dar. Allein im Jahr 2018 wurden fünf dieser neun Anlagen realisiert. Im Sektor der städtischen Fernwärme stellt die im brandenburgischen Senftenberg errichtete Anlage einen wichtigen Meilenstein dar: Aus rein wirtschaftlichen Gründen nahmen die Stadtwerke Senftenberg im August 2016 Deutschlands größte Solarthermieanlage mit einer Kollektorfläche von 8.300 m² in Betrieb, die in ein Fernwärmenetz mit rund 100 GWh Jahreswärmeumsatz einspeist. Weitere wichtige Solarthermieanlagen wurden in die städtischen Wärmenetze von Hamburg, Jena, Chemnitz, Düsseldorf und Berlin eingebunden. Mit dem Projekt „SolarHeatGrid“ der Stadtwerke Ludwigsburg ist mit rund 14.000 m2 Kollektorfläche ein neuer nationaler Solarthermie- Rekordhalter im Bau. Eine Prognose der Marktentwicklung für den Fünfjahreszeitraum bis 2023 ergibt rund eine Verdopplung der Anlagenzahl auf dann 70 Anlagen und einen Zubau von rund 95 MWth Anlagenleistung bzw. 135.000 m² Kollektorfläche. Diese Prognose ergibt sich aus einer Abschätzung basierend auf konkreten Realisierungen, Ausschreibungen, Planungen und Machbarkeitsuntersuchungen von Projekten mit großer Solarthermie. Die unterschiedliche Realisierungswahrscheinlichkeit der Vorhaben wurde dabei berücksichtigt. Die Einbindung von großen Kollektorflächen über 10.000 m² in städtische Fernwärmenetze stellt mit einem Anteil von rund 75 % den vorwiegenden Anwendungsfall dar. Diese positive Entwicklung soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass weitere erheblich Anstrengungen zur Verbreitung und Markteinführung solarer Wärmenetze erforderlich sind: Gemessen an der „Energieeffizienzstrategie Gebäude“ des BMWi, die zur Zielerreichung ab sofort einen jährlichen Zubau von ca. 1 Mio. m² Kollektorfläche erfordert (siehe Kasten auf dieser Seite), bedarf es einer Erhöhung der derzeitigen Ausbauzahlen für solare Wärmenetze um rund einen Faktor 50! Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 2 ENERGIEEFFIZIENZSTRATEGIE GEBÄUDE – AUSBAUPFAD FÜR SOLARE WÄRMENETZE In ihrem Zielszenario „Erneuerbare Energien“ geht die Energieeffizienzstrategie Gebäude des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) bis zum Jahr 2050 von einem weitgehend gleichbleibenden Beitrag der Fernwärme von rund 80 TWh/a zur Wärmebereitstellung in Deutschland aus. Gleichzeitig soll der Beitrag der Solarthermie von rund 3 TWh/a im Jahr 2008 auf ebenfalls 80 TWh/a ansteigen. Geht man mittelfristig von einem Anteil der Solarthermie an der Fernwärmeerzeugung von 15 % aus, so ergibt sich ein Beitrag der Solarthermie in diesem Bereich von 12 TWh/a. Hierfür ist bis zum Jahr 2050 eine Kollektorfläche von 30 Mio. m² bzw. eine Leistung von 21 GW zu realisieren, woraus ein erforderlicher jährlicher Neuzubau von rund 1 Mio. m² bzw. 0,7 GW pro Jahr resultiert. Hierfür bedarf es bundesweit in der Summe einer Landfläche von lediglich 60 km², entsprechend einer Fläche von rund 8 mal 8 km. 12 TWh Solarthermie in Wärmenetzen entspr. 21 GW bzw. 30 Mio. m² Solarthermie ca. 80 TWh Wärmenetze ca. 80 TWh Endenergieverbrauch 2050 Zielszenario „Erneuerbare Energien“ Quelle: BMWi 2015 [1] 623 TWh 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 0 50.000 100.000 150.000 200.000 250.000 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023+ Anzahl Anlagen Bruttokollektorfläche [m²] In Vorbereitung Industrie Energiedorf städtische Fernwärme Quartier Anzahl Anlagen MARKTENTWICKLUNG IN EUROPA Bis heute wurden europaweit 325 solarthermische Großanlagen mit einer Nennleistung über 350 kWth und davon 167 Anlagen mit einer Nennleistung über 1 MWth realisiert. Die insgesamt europaweit installierte Leistung an solarthermischen Großanlagen liegt derzeit bei 1.196 MWth. Der mittlere jährliche Zuwachs betrug in den letzten 5 Jahren ca. 21 % bezogen auf die gesamte installierte Leistung [3]. Dänemark, wo in den letzten 15 Jahren über 80 % der oben genannten Leistung installiert wurde, bleibt mit großem Abstand Spitzenreiter bei der Nutzung von Solarthermie in der Wärmeversorgung. Die aktuell größte Anlage befindet sich im dänischen Silkeborg mit einer Kollektorfläche von 157.000 m² und somit eine Leistung von rund 100 MWth. Neben Deutschland sind in Österreich mit 37 MWth und Schweden mit 24 MWth relevante Anlagenleistungen in Wärmenetze eingebunden. Bei einem in Entwicklung befindlichen Solarthermie-Großprojekt „Big Solar Graz“ für die Fernwärme der österreichischen Stadt Graz wird bereits in konkreter Weise die Realisierung eines Kollektorfelds mit über 150 MWth Leistung und mehreren Wärmespeichern in Betracht gezogen. Desweiteren entwickeln sich neue Märkte in Frankreich, Italien und Polen, wo erste Anlagen im Megawatt-Bereich realisiert wurden. www.solare-waermenetze.de STÄDTISCHE FERNWÄRME Große Fernwärmesysteme in Stadtgebieten werden heute meist mit Wärme aus großen Heizkraftwerken, Heizwerken oder industrieller Abwärme betrieben. Als Brennstoffe finden oft Erdgas, Kohle, Abfall oder Biomasse Verwendung. Die Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung städtischer Fernwärme stellt einerseits eine große Herausforderung dar, andererseits ist sie aber auch ein effizienter und kostengünstiger Ansatz für eine schnelle Wärmewende in urbanen Gebieten. Die Einbindung großflächiger Solaranlagen ist eine Möglichkeit, den Anteil erneuerbarer Energiequellen in solchen Systemen zu erhöhen. Die deutliche Zunahme der Solarthermieprojekte in diesem Bereich und deren Größe von meist über 10.000 m² zeigen, dass auch in urbanen Räumen die Findung geeigneter Flächen möglich ist. ENERGIEDÖRFER Derzeit entstehen vielerorts neue Nahwärmenetze in Energiedörfern in ländlichen Gegenden. Im Vordergrund steht hier der Wechsel von meist dezentralen Ölheizungen zu einem auf erneuerbaren Energien basierenden Nahwärmenetz für einen Großteil der örtlichen Gebäude (siehe auch [2]). Die Kombination von großen Freiflächen-Solarthermieanlagen mit Biomasseheizwerken entwickelt sich als Erfolgsmodell in diesem Bereich. Vielfältig sind die Möglichkeiten, den Betrieb von Wärmenetzen in Energiedörfern zu organisieren. In einigen Fällen haben sich dafür lokale Bürgerenergiegenossenschaften gebildet, in anderen Fällen fungieren kommunale Eigenbetriebe, Stadtwerke oder Regionalversorger als Betreiber. Inzwischen bieten sich auch professionelle Ökoenergieunternehmen an, die ursprünglich im Strombereich entstanden sind. QUARTIERE UND WOHNUNGSWIRTSCHAFT Der größte Teil der Fernwärme in Deutschland dient zur Versorgung von Mehrfamilienhäusern in den Städten. Der Strukturwandel in der städtischen Fernwärme zu erneuerbaren Energien trägt so auch dazu bei, das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands zu erreichen. Neben den innerstädtischen Fernwärmesystemen werden viele Wohngebäudequartiere über eigene Wärmenetze versorgt, die von Energieversorgern, Contracting-Unternehmen oder der Wohnungswirtschaft selbst betrieben werden. Auch in diesen Fällen bietet sich die großflächige Solarthermie an, den Wandel von fossilen zu erneuerbaren Wärmequellen voran zu bringen. Der Blick auf das Quartier ermöglicht dabei in vielen Fällen kostengünstigere und effizientere Lösungen als Maßnahmen bei Einzelgebäuden. ENERGIEDORF QUARTIER STADT Anlagen > 1 MWth europaweit in Betrieb Anzahl 167 Kapazität [MWth] 1.096 Kollektorfläche1 [m²] 1.579.629 Anlagen > 350 kWth europaweit in Betrieb Anzahl 325 Kapazität [MWth] 1.196 Kollektorfläche [m²] 1.707.803 Hiervon mit erster Inbetriebnahme 20182 Anzahl 22 Kapazität [MWth] 62,5 Kollektorfläche [m²] 89.238 Mittlerer jährlicher Zubau der vergangenen 5 Jahre [% pro Jahr] 21 Energieproduktion2, 3 [GWh/a] 700 [TJ/a] 2.521 Vermiedene CO2-Emissionen2 [tCO2/a] 1.242.714 1 Aperturfläche 2 Bezug: Anlagen > 350 kWth 3 410 kWh/m² MARKTDATEN FÜR EUROPA ENTWICKLUNG IN DEN SEKTOREN Gefördert durch: www.solare-waermenetze.de IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen von Solnet 4.0, einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Vorhaben zur Marktbereitung für solare Wärmenetze. Die Projektpartner sind das Steinbeis Forschungsinstitut Solites, der Fernwärmeverband AGFW, das Hamburg Institut sowie die Herausgeber der Zeitschrift Energiekommune. Herausgeber: Steinbeis Innovation gGmbH vertreten durch Steinbeis Forschungsinstitut Solites (www.solites.de) Redaktion: Thomas Pauschinger, Patrick Geiger, Carlo Winterscheid (Solites) Dr. Heiko Huther, AGFW | Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e. V. (www.agfw.de) Dr. Matthias Sandrock, HIR Hamburg Institut Research gGmbH (www.hamburg-institut.com) Foto: Eins Energie in Sachsen GmbH &Co. KG Veröffentlichung: Mai 2019 Haftungsausschluss: Das dieser Publikation zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter dem Förderkennzeichen 03EGB0002A gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieses Dokuments liegt bei den AutorInnen. Weder der Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Energiekommune Förderprogramm Art der Förderung Regelförderung durch das Marktanreizprogramm (MAP) des BMWi bzw. das KfW-Programm 271/281 „Erneuerbare Energien Premium“ Große Solarwärmeanlagen, die ihre Wärme einem Wärmenetz zuführen, werden über ein Darlehen mit einem Tilgungszuschuss von bis zu 40 % der Investitionskosten oder entsprechend einer ertragsabhängigen Quote gefördert. Förderfähig sind weiter Wärmespeicher mit einem Speichervolumen über 10 m³, Nahwärmenetze im Bestand, die mit Wärme aus erneuerbaren Energien gespeist werden, und Hausübergabestationen. Förderprogramm „Modellvorhaben Wärmenetzsysteme 4.0“ des BMWi Systemische Förderung von Wärmenetz-Gesamtsystemen mit hohen Anteilen erneuerbarer Energien, effizienter Nutzung von Abwärme und niedrigem Temperaturniveau. Zweistufige Förderung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) von bis zu 60 % der Kosten einer Machbarkeitsstudie (Fördermodul I) und bis zu 50 % der Investitionskosten (Fördermodul II). Ausschreibungen der Bundesnetzagentur für „innovative KWK-Systeme“ Halbjährliche Ausschreibungen für innovative KWK-Systeme von 50 MW pro Jahr im Zeitraum 2018 – 2021 entsprechen KWKAusV. KWK-Anlagen mit 1-10 MWel in Kombination mit der Einspeisung von 30 % innovativer erneuerbarer Wärme (Solarthermie, Geothermie, Power-to-Heat) durch das innovative KWK-System. PROGRAMME ZUR FINANZIELLEN FÖRDERUNG Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 2 UNTERSTÜTZUNG RUND UM WÄRMENETZE REFERENZEN Weitere teils kumulierbare Förderprogramme bestehen auf Landesebene. [1] Energieeffizienzstrategie Gebäude, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), November 2015 [2] Infoblatt Solare Wärmenetze Nr. 1, Solarwärme heizt Energiedörfer am Bodensee, www.solare-waermenetze.de [3] Datenbank von Jan-Olof Dalenbäck, CIT Management AB, Februar 2018, Aktualisierung mit eigenen Daten und Daten von AEE Intec, Gleisdorf (AT)