Solarwärmenetze aus Behördensicht
10 Wärmenetze elix Landsberg, Berater beim Hamburg-Institut hat in den ver- gangenen Wochen viel mit Bau- ämtern, unteren Naturschutzbehörden und Stadtwerken gesprochen. Mit Hilfe qualitativer Interviews versucht der Wissen schaft ler ein Bild der aktuellen Genehmigungspraxis für große Solar- thermieanlagen zu zeichnen. Die Studie des Hamburg-Instituts soll Aufschluss darüber geben, wo es bei den Geneh- migungsprozessen für große Solarther- mieanlagen in Deutschland noch hakt, was gut läuft und wie es noch besser laufen könnte. Finanziert wird die Studie aus Mitteln des Bundesumwelt- ministeriums im Projekt SolnetPlus. Noch sind die Befragungen nicht abgeschlossen. Doch erste Trends lie - ßen sich schon erkennen, verriet Lands- berg der Energiekommune: „Meist geht es in der einen oder anderen Weise um das Thema Fläche.“ Denn große Solar- thermieanlagen für die Fernwärme wer- den heute zumeist auf Freiflächen reali- siert und benötigen Platz. Im Gegensatz zu Photovoltaikprojektierern sind Fern- wärmebetreiber bei der Standortsuche für Solarkollektoren allerdings deutlich weniger flexibel. Die Anlagen können nicht allzu weit von den Wärmenetzen und den Verbrauchern entfernt gebaut werden. Andernfalls würde der Lei- tungsbau die Kosten steigern und der Netzverlust die Effizienz senken. Nach Landsbergs Erkenntnissen lief es in den bisherigen Projekten meist so, dass für ein bestimmtes Solarprojekt eine Fläche gesucht wurde. Ist ein po- tenzielles Gelände gefunden, dann lan- det der Fall bei den kommunalen Ge- nehmigungsbehörden. Zwischen Pro- jektierer und Behörde ist zu klären, ob, wie und unter welchen Auflagen eine Freiflächen-Solarthermieanlage an die- sem Standort genehmigt werden kann. Zumeist geschehe dies im Rahmen ei - nes vorhabenbezogenen Bebauungs- plans, weiß Landsberg zu berichten. Es seien aber auch Anlagen auf bereits be- stehenden Bebauungsplänen geneh - migt worden. Ferner seien im Außenbe- reich einige Anlagen auf Basis der Privi- legierung für Versorgungsinfrastruktur nach § 35 des Baugesetzbuches reali- siert worden. Welche Gutachten sind nötig? Egal auf welcher dieser Grundlagen der Genehmigungsprozess laufe, stets sei es für die zuständigen Unteren Bau- und Naturschutzbehörden ein Sprung ins kalte Wasser. „Da schwingt immer eine gewisse Unsicherheit mit, weil die Behörde es zum ersten Mal macht“, sagt Landsberg. „Es fängt damit an, welche Gutachten überhaupt einzuholen sind. Wir sind bei unseren Befragungen auf Blendgutachten gestoßen, auf Versicke- rungsgutachten, auf Umweltgutachten zu Natur- und Artenschutz, sogar auf Verkehrsgutachten wegen des Liefer- verkehrs für die ergänzende Hack- schnitzelfeuerung.“ Für diese Gutach - ten gebe es wegen der individuellen Er- fordernisse vor Ort keine Standards, so Landsberg: „Hilfreich wäre aber aus Sicht der Behörden, wenn es ein Muster gäbe, welche Gutachten nicht für jedes Projekt individuell erstellt werden müs- sen.“ Für die Mitarbeiter:innen der Äm- ter ergäben sich weitere Unsicherhei - ten, „welche Träger öffentlicher Belan- ge überhaupt zu beteiligen sind und welches Maß an Aus gleichsmaß nah - men unter welcher Art der Flächenge- staltung zu fordern ist.“ Mitunter sei es in den vom Hamburg-Institut unter - such ten Projek ten möglich gewesen, die Kollektorfel der so naturverträglich zu gestalten, dass sich kein weiterer Ausgleichsbe darf ergeben habe. Teils hätten die Anlagenbetreiber die Ämter überzeugen können, dass sie intensiv genutztes Ackerland in eine extensive Beweidung überführten. Es fehle aber eine klare Richtschnur für solche Behör- denentscheidungen, sagt Landsberg. Zwar komme es vor Ort immer auf den Einzelfall an, und deshalb sei die kommunale Planungshoheit so wichtig, betont Landsberg. Und dennoch wünschten sich viele der Befragten kla- rere Regeln und Vorgaben für den Ge- nehmigungsprozess: „Zum Beispiel wäre eine Vorgabe der Länder sinnvoll, wie Ausgleichsmaßnahmen zu quantifi- zieren sind oder welche Auflagen für die Nutzung der Flächen zwischen den Kollektorreihen sowie für deren Abstän- 4/2022Energiekommune Solarwärmenetze aus Behördensicht Wenige Kommunen haben bislang Fernwärme-Solarthermieanlagen im Stadtgebiet. Auf welche Hürden sind sie in den Genehmigungsverfahren gestoßen, wie sind sie zum Ziel gekommen und was können andere daraus lernen? Das ist Thema einer Befragung. F Foto: Guido Bröer de oder Bauhöhen gelten sollten.“ Solche Vorgaben seien größtenteils Ländersache, erklärt Landsberg. Ein Beispiel: In Schleswig-Holstein wurde für Solarparks die Vorgabe ge- macht, auf die Abstände zwischen Boden und Unterkante der Module Acht zu geben. Umweltverbände fordern hier sogar die Festsetzung einer Min- desthöhe, um Schafen zu ermöglichen darunter hindurch zu schlüpfe., In NRW hingegen bestand eine Genehmigungs- behörde aus optischen Gründen auf einer Maximalhöhe der Kollektor-Ober- kante von 2 Metern über Grund. Einen konkreten Tipp hat Felix Lands berg in dieser Situation für alle Fernwärmebetreiber und -Planungsbü- ros, die mit der Idee einer solaren Frei- flächenanlage schwanger gehen: „Spre- chen Sie sehr frühzeitig mit der Umwelt- behörde beziehungsweise der Unteren Naturschutzbehörde. Wenn man früh in den Dialog geht, kann man spätere Pro- bleme vermeiden.“ Öffentlichkeit einbinden Das gelte im Prinzip auch für die Beteili- gung der Öffentlichkeit, meint Lands - berg. Immerhin laufe diese bei Projek - ten zur Fernwärmeversorgung meist besser als mitunter bei großen Photo- voltaikparks, wo sich schon allein des - halb Widerstand rege, weil ein externer Investor eine Kommune mehr oder we- niger mit seinen Plänen überraschte. Der lei sei von Solarthermieprojekten bislang kaum bekannt, so Landsberg: „Solare Wärmenetze entstehen meist aus der Mitte der kommunalen Gesell- schaft. Der vorgelagerte Planungspro - zess findet vor Ort statt. Die Betreiber sind oft in der Kommune ansässig. Und auch die Nutznießer, die Wärmeabneh- mer, leben in der Gemeinde. Idealerwei- se gibt es sogar eine finanzielle Beteili- gung der Bürgerinnen und Bürger an den Anlagen. Sei es, dass diese genos- senschaftlich organisiert sind oder dass der finanzielle Nutzen über den Quer- verbund eines Stadt werks der Allge- meinheit zugute kommt.“ Wenn alles gut läuft, dann gibt es mit der Flächenfindung und Genehmi- gung für eine große Solarthermieanlage keine besonderen Probleme. Dennoch sind die Wissenschaftler:innen des Hamburg-Instituts mittlerweile zu der Überzeugung gekommen, dass der Pro- zess der Flächensuche insge samt vom Kopf auf die Füße gestellt werden muss, um bei der Energiewende mit der nöti- gen Geschwindigkeit voranzukommen. Landsberg: „Unser Credo lautet ,von der Fläche zum Projekt, nicht vom Projekt zur Fläche.‘“ Will heißen: Kommunen werden im Zuge der Energiewende so viele Flächen für die Energieernte aus- weisen müssen, dass ein systematisches Flächenscreening für die verschiedenen regenerativen Energien das Gebot der Stunde ist. Landsberg sagt: „Die meisten Kommunen müssen erstmal die Grund- lagen legen für den erforderlichen Ab- wä gungs prozess. Sie müssen sich fra - gen: Wieviel Energie können und müs- sen wir auf unserem Stadt- oder Gemeindegebiet erzeugen. Dafür be - darf es einer interkommunalen struktu- rierten Flächenanalyse.“ Mit diesem Begriff beschreibt Landsberg ein Vorgehen, das eigentlich sogar über die neuesten Vorgaben einer kommunalen Wärmeplanung hinaus- geht, wie sie in Baden-Würtemberg vor- exerziert wird und laut Ankündigung der Bundesregierung demnächst auch bundesweit Pflichtaufgabe werden soll: „Wärmeplanung ist sehr gut und wich- tig. Aber dabei ist auch die Sektoren- kopplung, also die Verknüpfung mit dem Strombereich zu bedenken. Es muss ein generelles Umdenken stattfin- den, wie Stadtgesellschaften mit Flä- chen umgehen.“ Guido Bröer Wärmenetze Felix Landsberg hat Genehmigungsbe- hör den und Projektierer zu Erfahrungen mit großen Solarthermieanlagen befragt. Foto: Hamburg-Institut