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Auszug aus: Energiekommune 10/22

Energiekommune 10/2022 ls Mecklenburg-Vorpom merns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig die 18.700 Quadratmeter Bruttokollektorfläche messende Solarwärmeanlage symbolisch startete, hatten die Kollektoren bereits im sechswöchigen Probebetrieb zuverlässig Fern wär me für die Hansestadt geliefert. An sonnigen Augusttagen konnte die bislang größte Solarthermieanlage Deutsch lands zeitweilig schon die gesamte Leistung liefern, die das gut ausgebaute Netz der Hansestadt im Som - mer benötigt – mitunter sogar et was mehr. Überschüsse gehen in sol chen Fällen in die vorhandenen Wärmespeicher am benachbarten Heizkraftwerk. Der Bereichsleiter Erzeugung der Stadtwerke Greifswald, Robert Kauert, erklärte den Einweihungsgästen am Beispiel eines sonnigen Augusttages, des 2. Augusts 2022, die typische Ertragskurve der Solaranlage. An diesem Tag mit solarem Bilderbuchwetter ha - ben die Kollektoren 65 Megawattstun - den geerntet. Übers Jahr erwarten die Stadtwerke einen Energieertrag der Solarthermieanlage von etwa acht Gigawattstunden, was gemessen an der gesamten Fernwärmeeinspeisung der Stadt werke einen Anteil von 3 bis 4 Prozent ausmachen wird. Günstig für den Einsatz der Solarthermie in Greifswald ist, dass es hier verfügbare Flächen unmittelbar neben dem Heizkraftwerk gibt. Zum Teil gehören sie einer Stiftung, die der Nachhaltigkeit verpflichtet ist. Sie freut sich nun über die Pachteinnahmen von den Stadtwerken. Die Stadt hat die Flächen über einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan für die Solarnutzung zugäng - lich gemacht. langwierige genehmigung Dabei zog sich das gesamte Genehmigungsverfahren über 30 Monate. Zeitraubend waren die natur- und artenschutzrechtlichen Prüfungen. Darüber wurde die Zeit immer knapper. Denn als Fördermodell für die Anlage hatten sich die Stadtwerke für die seinerzeit neu vom Bund im KWK-Gesetz eingeführten iKWK-Ausschreibungen entschieden. Das Kürzel iKWK steht für „innovative Kraft-Wärme-Kopplung“. Die Solarthermieanlage wird dabei mit einem Elektrodenkessel und einem klassischen Gas-Blockheizkraftwerk zusammengefasst. Das Greifswalder Projekt erhielt gleich in der ersten iKWK-Ausschreibungsrunde Ende 2017 einen Zuschlag. Seitdem tickte die Uhr. Denn für iKWKProjekte sieht der Gesetzgeber ab dem Zeit punkt des Zuschlags eine Realisierungszeit von vier Jahren vor. Anson s - ten drohte die Förderberechtigung zu verfallen. Stadtwerke-Geschäftsführer Thomas Prauße kritisiert: „Bei 48 Monaten Umsetzungsfrist sind 30 Monate für das Genehmigungsverfahren kri tisch.“ Seine Botschaft: Genehmigungen müssen gerade auch mit Blick auf die klima- und energiepolitischen Notwendigkeiten schneller gehen. Zumal das Greifswalder Projekt dann von der Genehmigungs- in die Corona- Phase schlitterte. Unter anderem habe die Corona-Pandemie zu Lieferverzögerungen bei der Steuerungstechnik geführt, erinnert sich Kauert. Am Ende hat aber alles geklappt. Und die Stadtwerke freuen sich jetzt auf die nächste Bauphase, in der sie einen 6000 Kubikmeter fassen den Speicher - tank realisieren wollen. Er würde nicht nur die Fexibilität des gesamten Erzeugungsparks auf der Stromseite erhöhen, sondern könnte perspektivisch neben Solarwärme auch Windwärme spei - chern, falls Überschussstrom aus Wind - kraftwerken in der Region mit dem vorhandenen 5-MW-Elektrodenkessel zu Wärme gemacht würde. Guido Bröer Am 15. September haben die Stadtwerke Greifswald die bislang größte Solarthermieanlage in Deutschlands feierlich in Betrieb genommen.Ein Ausbau großer Solarthermieanlagen für die Fernwärme ist auf siedlungsnahe Freiflächen angewiesen. Expert:innen ermuntern Kommunen zu proaktivem Flächenscreening. Auch Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene sind gefragt. Denn bislang genießen regenerative Wärmetechnologien keine so eindeu tige Privilegierung in der Flächenfrage wie beispielsweise im Strombereich die Windkraft. Die politische Diskussion darüber steht noch am Anfang. Im Juli 2022 haben Bundestag und Bundesrat in § 2 des Erneuerbare-Energien- Gesetzes (EEG) einen Passus hi - nein geschrieben, der aufhorchen lässt und dessen Bedeutung für die Genehmigungsbehörden kaum zu überschätzen ist: Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien liegen demnach „im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Bis die Stromerzeugung in Deutschland nahe - zu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden.“ Doch die Neuregelung im EEG gilt bislang nur für stromerzeugende Regenerativtechnologien wie Photovoltaik und Wind kraft. Der Wärmesektor, der vor allem für Solarthermie und künftig auch für Saisonalspeicher ebenfalls einen Bedarf an Freiflächen hat, bleibt bislang außen vor. Ähnliches gilt für die Privilegierungstatbestände für das Bauen im Außenbe reich nach § 35 des Baugesetzbuches (BauGB), wo zumin - dest die Windenergie namentlich erwähnt ist, die Solartechnologien allerdings nur an oder auf Gebäuden. Beim Bundesverband Erneuerbare Energien hat man das Problem erkannt. Dessen Präsidentin Simone Peter sagte gegenüber Energiekommune: „Um die Wärmewände auf Kurs zu bringen, sind erneuerbare Wärmeprojekte rechtlich mit Projekten zur Stromerzeugung gleich zusetzen. Dafür ist die Privilegierung der erneuerbaren Wärmeerzeu - gung in § 35 Baugesetzbuch zu verankern, wie es für Windkraft und Stromerzeugung bereits gilt. Weiterhin ist der Genehmigungstatbestand mit umfassender Konzentrationswirkung einzuführen. Dieser sollte alle erforderlichen Einzelgenehmigungen und Planverfahren beinhalten. Und drittens sollte der in § 2 EEG festgelegte Vorrang in der Schutzgüterabwägung die Dekarbonisierung der Wärme mithilfe erneuerba - rer Energien mit einbeziehen.“ Diese Forderungen unterstützt auch Felix Landsberg, der beim Ham - burg Institut zahlreiche Genehmigungsverfahren für große Solarthermiean la - gen untersucht hat. Die Genehmigungsbehörden seien aufgrund der unklaren Vorgaben oftmals verunsi - chert, wie sie mit dieser in Deutschland noch seltenen Technologie der Freiflächen- Solarthermie umgehen sol len, berichtet Landsberg. Aufgrund der fehlenden eindeutigen Privilegierungsregeln sei es längst nicht überall so effizient gelau fen, wie bei der zwei Hektar gro - ßen Solarthermieanlage der Stadtwerke Lem go. Die wurde auf Basis von § 35 BauGB genehmigt. Aufgrund der Verbindung mit der Großwärmepumpe habe es für das Kollektorfeld keine Stand ortalternative gegeben. Nicht über all sind Genehmigungsbehörden so kooperativ. Das Hamburg Institut sieht aller - dings nicht nur den Bundesgesetzgeber in der Pflicht, klare Privilegierungstat - bestän de zu schaffen, mit denen die große Solarthermie eine Chance auf genügend große Flächen in Siedlungs nä - he er hält. Ebenso wichtig seien die Länder. Im Zuge der Landesentwicklungspläne, so Landsberg, hätten sie das rich tige Werkzeug, um den Flächenbedarf der Solarthermie zu berücksich - tigen und die Notwendigkeit zur Beachtung ihrer besonderen Standorterfordernisse festzuschreiben. Vor allem aber hofft Landsberg auf die Kommunen: „Gemeinden sollten Flächen auf ihrem Gebiet proaktiv auf die Eignung für die Solarenergie untersuchen. Das Verfahren bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten. Es ist in jedem Fall sinnvoll, denn eine Bestandsaufnahme der Energieflächen erlaubt die Steu - e rung neu er Projekte.“ gb flächen für Solarthermie Wärmenetze Seit 15. September gilt BeW-förderung Seit dem Start der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) am 15. September können Wärmenetzbetreiber wie Stadtwerke, Kommunen oder Bürgerenergiegesellschaften Bundeszuschüsse für die Transformation und den Neubau von Wärmenetzen auf Basis erneuerbarer Energien beantragen. Vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gibt es seitdem Förderungen in drei verschiedenen Ausprägungen. Im ersten Schritt fördert das Amt sogenannte Transformationspläne und Machbarkeitsstudien, die mit bis zu 50 Prozent gefördert werden. Sie müssen nach vorgegebenen Kriterien verbindlich skizzieren, wie in bestehenden Wärme netzen bis spätestens 2045 der Übergang zur Treibhausgasneutralität bewerkstelligt werden soll. Die Mach - barkeits studien für neue Wärmenetze haben sich von vornherein am Ziel eines mindestens 75-prozentigen Anteils von erneuerba ren Energien und/oder Abwärme zu orientieren. Gefördert werden können die Netze, die mindestens 16 Gebäude oder 100 Wohneinheiten versorgen. Im zweiten Fördermodul bezuschusst das BAFA Maßnahmen, die sich aus einem in Modul 1 geförderten Transformationsplan oder einer Machbarkeitsstudie ergeben, mit bis zu 40 Prozent. Allerdings kann die Förderung nur bis zum Niveau der Wirtschaftlichkeitslücke erfolgen, die von einem Wirtschaftsprüfer zu attestieren ist. Gleiches gilt für Betriebskostenzuschüsse, die es in der BEW zusätzlich zu den Investitionskostenhilfen gibt. Das Förderprogramm sieht solche laufenden Zuschüsse allerdings nur für bis zu zehn Jahre und nur für zwei Technolgien vor, nämlich Solarthermie und elektrische Wärmepumpen (vgl. Energiekommune 9/22). Wollen Wärmenetzbetreiber kurzfristig Einzelmaßnah - men, beispielsweise eine Solarthermieanlage, realisieren, ohne zuvor erst einen zeitaufwendigen Transformationsplan zu machen, so kann der Betreiber ebenfalls 40 Prozent Investitionsförderung beantragen. Allerdings gibt es dann keine Betriebskostenbeihilfe. gb Bessere erdbecken-Wärmespeicher Um große Mengen an beispielsweise Solar- oder Abwärme über Monate zu speichern, haben sich in der Praxis Erdbecken- Wärmespeicher bewährt. Die bislang realisierten Systeme zeigen aber einige Kinderkrankheiten, die jetzt ein Forschungskonsortium beheben will. Während im schleswig-holsteinischen Meldorf derzeit Deutschlands größter Erdbecken-Wärmespeicher gebaut wird, tüfteln beim Steinbeis-Forschungsinstitut Solites in Stuttgart Wissenschaftler:innen an der Weiterentwicklung der Technologie und an praktischen Tools für die Anwendung der Multifunktionsspeicher in Wärmenetzen. Bewährt hat sich dieser Speichertyp unter anderem, um Sommersonne für den Win ter als Fernwärme verfügbar zu machen. Gefördert wer - den die Forschungsarbeiten vom Bundeswirtschaftministe - rium im Projekt „Efficient Pit“. Konsortialführer ist die Solmax Geosynthetics GmbH, die mit ihren Dichtungsbahnen welt - weit schon etwa ein Dutzend Erdbecken-Wärmespeicher ausgestattet hat. Dem Unternehmen geht es unter anderem um die Entwicklung noch hitzebeständigerer Dichtungsbahnen. Außerdem arbeitet es an einem neuartigen System für die isolierende Speicherabdeckung. Es soll das Management von Oberflächenwasser und Dampfdiffusion verbessern.

2023-03-22T11:50:52+01:00Samstag, 1. Oktober, 2022|

Flaschenhals Fläche

www.solare-wärmenetze.de Infoblatt Nr. 12 Ein Trend bei der Solarthermie in Deutschland geht in Richtung Großflä- che. Bestes Beispiel dafür ist die aktu- ell in Kempen geplante Anlage: Errich- tet auf einer Grundfläche von 12 Hektar, soll sie mit 60.000 m² Kollektorfläche bis zu 15 Prozent des Fernwärmebe- darfs der 35.000-Einwohner-Stadt decken. Nach den bisherigen deut- schen Spitzenreitern – den Solarther- mieanlagen in Ludwigsburg (14.800 m²) und Greifswald (18.700 m²) – wird damit eine neue Größenordnung erreicht. FLÄCHEN FINDEN Wie bei allen Anlagen stand jedoch auch in Kempen vor der technischen Planung die schwierige Frage: Wo sind geeignete Flächen zu finden? Und da sich diese Frage perspektivisch immer öfter stellen wird, bedarf es einer sys- tematischen und strukturierten Heran- gehensweise, um weitere Flächen für den Ausbau der erneuerbaren Wär- meversorgung zu identifizieren und auszuweisen. Der Ausbau von Freiflächen-Solarthermie schreitet stetig voran. Ökologisch und ökonomisch sind Frei- flächenanlagen ein sehr effektives Mittel, um zur Dekarbonisierung von Wärmenetzen beizutragen. Doch es gibt ein erhebliches Hemmnis, das den schnellen Ausbau der Technologie bremst: der Flächenbedarf. Strukturierte Flächenanalysen können hier Abhilfe schaffen. ROSTOCK Überblick auf das Netzgebiet der Haupt- stränge des Wärmenetzes in Rostock, im Rahmen des Wärmeplans als Basis für eine strukturierte Flächenanalyse genutzt Darauf aufbauend wurden Flächen und Bereiche identifiziert, die sich technisch für eine solarthermische Einspeisung in das Fernwärmenetz eignen. Quelle: Hintergrundbild: © GeoBasis-DE/M-V 2022 Netzdaten: Stadtwerke Rostock FLASCHENHALS FLÄCHE Flächenhemmnissen durch Flächenanalyse strukturiert begegnen Foto: SWLB Infoblatt Nr. 12 Im Zuge der verpflichtenden kom- munalen Wärmeplanung in einigen Bundesländern (u. a. Schleswig-Hol- stein und Baden-Württemberg) rückt auch die Planung und Ausweisung von Flächen für die Energiegewinnung zunehmend in den Fokus. Die Wärme- wende wird in Zukunft nicht nur die Art der Versorgung, sondern auch die Kul- turlandschaft beeinflussen. Vor allem Photovoltaik (PV) und Solarthermie bieten großes Potenzial, auf Freiflächen kostengünstig Energie zu gewinnen. Speziell die Solarther- mie ist dabei auf die direkte räumliche Anbindung an ein Wärmenetz ange- wiesen, damit die Anlagen ökonomisch sinnvoll betrieben und Wärmetrans- portverluste minimiert werden können. Daher ist es wichtig, dass besonders bei den tendenziell knappen stadt- nahen Flächen abgewogen wird, ob Solarthermie der Photovoltaik gegen- über bevorzugt wird. Eine frühzeitige Analyse der Flächen bildet den Unterbau für den Entschei- dungsprozess der Wärmenetz-Trans- formation. So lässt sich bereits vor der konkreten Planung herausfinden, ob durch Solarthermie Wärme kosten- günstig bereitgestellt und eine sozial- verträgliche Wärmewende unterstützt werden kann. Das generelle Problem begrenzter Flächen löst eine Flächenanalyse zwar nicht – sie ermöglicht aber, auf Basis einer fundierten Abwägung die Flächen zu finden, die sich in einer Kommune oder Region am besten für erneuer- bare Energiegewinnung eignen. Zudem wird dadurch der Flächenbedarf zur klimaneutralen Wärmegewinnung auf den Tisch der Raumplanung gebracht. Doch wie läuft eine Flächenanalyse ab? An erster Stelle steht die Bestands- aufnahme. In den raumordnerischen Zielen ist auf verschiedenen Ebenen (Landesentwicklungspläne LEP, regi- onale Raumentwicklungsprogramme RROP) oder Erlässen (SH) festgelegt, welche Flächen von der Bebauung mit Solaranlagen ausgeschlossen sind. Zusätzlich werden Kriterien ausge- wiesen, die keinen Ausschluss bedin- gen, aber eine sehr genaue Prüfung im Einzelfall erfordern – im Folgenden als „weiche Tabus“ für die Errichtung einer Freiflächenanlage bezeichnet. Flächen u. a. entlang stark befahre- ner Straßen oder Schienenstrecken sowie Konversionsflächen werden je nach konkreten Ausführungen als Bereiche mit besonders guter Eig- nung ausgewiesen. In diesen Berei- chen liegt bereits eine infrastrukturelle Belastung vor, die das Freiraumpoten- Im Gespräch: Uwe Hempfling, Mitarbeiter der Klimaschutzleitstelle im Amt für Umwelt und Klima- schutz, Stadt Rostock Vor welchem Hintergrund haben Sie eine kommunale Flächenanalyse durch- geführt? Im Zuge der Erstellung eines Wärme- plans für Rostock wurde unter anderem auch das Potenzial für Freiflächen- Solarthermie im Stadtgebiet in einem Fachgutachten untersucht. Basis des Gutachtens war die Durchführung eines Flächenscreenings im Hinblick auf geeignete Flächen mit Parametern wie z. B. geringen naturschutzrechtlichen Raumwiderständen, Mindestflächen- größen und kurzer Anbindung an das vorhandene Fernwärmenetz. Aber auch Eigentumsfragen oder anderweitige perspektivische Nutzungsansprüche wurden mit den zuständigen Fachämtern abgeklärt. Welche Vorteile hatte die Flächenana - lyse und hat es sich bewährt, alle Sta - keholder gemeinsam einzubinden? Das Flächenscreening ermöglichte eine systematische und strukturierte Flächensuche über das gesamte Stadt- gebiet. Es erfolgte unter Beteiligung u. a. der Stadtwerke Rostock, des Stadt- planungsamtes, des Grünamtes und des Umweltamts. Dadurch wurden die Beteiligten auch grundsätzlich über die Bedarfe der Wärmewende in Rostock informiert und sensibilisiert. Die Rah- menbedingungen und Restriktionen aus den unterschiedlichen Fachbereichen wurden sichtbar. Wie zu erwarten war, bestehen im urbanen Umfeld große Flächenkonkurrenzen. Was wird nach aktuellem Stand aus den Flächen, die in dem Prozess identifiziert wurden? Der ermittelte Flächenpool dient als Diskussionsgrundlage für weitere Ent- scheidungen und wird im Anschluss an die Fertigstellung des Wärmeplans mit den Fachämtern weiter konkretisiert. Eine Auswahl der ermittelten Flächen- potenziale soll auf der Ebene der Bau- leitplanung langfristig gesichert und für die strategische Flächenbevorratung genutzt werden. Nutzbar ist der Flä- chenpool auch für Flächenbedarfe ande - rer erneuerbarer Energieformen oder saisonale Wärmespeicherlösungen wie z. B. Erdbeckenspeicher. Würden Sie anderen Kommunen diese Art der Flächenanalyse weiterempfeh- len? Ja, das Flächenscreening ist eine wich- tige Grundlage für die Erstellung eines kommunalen Wärmeplans und dient der langfristigen Planung und Absicherung der kommunalen Wärmewende. „SYSTEMATISCHE FLÄCHENSUCHE ÜBER DAS GESAMTE STADTGEBIET“ Quelle: Stadt Rostock

2023-03-22T11:50:52+01:00Montag, 1. August, 2022|

Projektfaltblatt SolnetPlus

Große Solarthermieanlagen beschleunigen die kommunale Wärmewende ersetzen fossile Brennstoffe in städtischen Wärmenetzen versorgen ländliche Nahwärmenetze sind wirtschaftlich und kostenstabil sind mit anderen Wärmeerzeugern (z.B. BHKW) kombinierbar www.solare-wärmenetze.de Solare Wärmenetze für den kommunalen Klimaschutz Wärme macht über 50 % der in Deutschland jährlich benötigten Endenergie aus Emissionsfreie Wärme im großen Stil Bereits rund 45 solarthermische Großanlagen in Deutschland speisen Son- nenenergie in Wärmenetze ein und versorgen damit Haushalte, öffentliche Gebäude und Betriebe mit Wärme für Heizung und Warmwasser. Die Wärme aus Solarthermieanlagen ist emissionsfrei, Solarwärme ist über- all verfügbar. Durch Anschluss an ein solares Wärmenetz kann die Wende von fossilen Brennstoffen zu erneuerbarer Wärme für ganze Stadtviertel gelingen. Technisch und betriebswirtschaftlich verlässlich Die Technik solarthermischer Großanlagen und Wärmenetze ist ausgereift und marktverfügbar. Die Wärmepreise sind auf Jahrzehnte im Voraus berechenbar und unabhängig von Preisen anderer Energieträger. Solarthermieanlagen können in bestehende Wärmenetze eingefügt werden, dort vorhandene Wärmeerzeuger ergänzen und fossile Energie- träger ersetzen. Förderung für Planung und Investition Fördermittel zur Erstellung von Wärmeversorgungskonzepten, z.B. einer kommunalen Wärmeplanung, sowie zur Errichtung von Wärmenetzen und Solarthermieanlagen stehen bereit. Ein solares Wärmenetz für Ihre Kommune Mit dem Ausbau von solaren Wärmenetzen können Kommunen einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Sie tragen damit zur kommunalen Daseinsvorsorge bei und fördern zugleich die regionale Wertschöpfung. Um Kommunen bei der Planung solarer Wärmenetze zu unterstützen, bietet SolnetPlus: • Infotouren • Planungsworkshops • Methodik für strukturierte Flächenanalyse • Publikationen Solarthermie in Ihrem Portfolio – Ihr innovatives Wärmenetz Große Solarthermieanlagen werden von Wärmeversorgern und Stadtwerken aus betriebswirtschaftlichen Gründen und als Maßnahme des lokalen Klimaschutzes realisiert. Die langfristige wirtschaftliche Lösung mit sta- bilen Wärmekosten und technischer Flexibilität ist bewährt. SolnetPlus bietet für Wärmeversorger, Stadtwerke und weitere Marktakteure: • Teilnahme an Projektkreisen • Informations- und Schulungsangebote KOMMUNENPOLITIK & BEHÖRDEN WÄRMEVERSO RG ER Solare Wärmenetze – planen und genehmigen Für die Realisierung von Solarthermie-Freiflächenanlagen sind einfache und in den einzelnen Bundesländern einheitliche Genehmigungsverfahren eine zentrale Voraussetzung. Um die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, bietet SolnetPlus: • Analyse bisheriger Genehmigungsverfahren • Leitlinien und Mustergenehmigungsverfahren • Erprobung an konkreten Projekten • Handlungsempfehlungen und Workshops

2023-03-22T11:50:52+01:00Dienstag, 1. Februar, 2022|

Förderprogramme und Initiativen Bundesländer als Treiber für den Ausbau erneuerbarer Wärme

Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 10 www.solare-waermenetze.de Beim Erreichen der Klimaziele, die die Bundesregierung für Deutschland definiert hat, spielen die Länder eine entscheidende Rolle. Durch Gesetzgebung und entsprechende Förderinstrumente ebnen sie Wege, motivieren Akteure und ermöglichen Projekte, die Gegebenheiten vor Ort optimal im Sinne der Energiewende nutzen. Das große Potenzial des Wärmesektors wird dabei zunehmend erkannt und gezielt gefördert. RHEINLAND-PFALZ Das Bundesland verfügt über günstige Bedingungen für Projekte der solaren Nah- und Fernwärmeversorgung. Zudem existieren gute Gegebenheiten für die Nutzung industrieller Abwärme, von Biomasse und Geothermie. Um die lokalen Akteure der Energiewende dabei zu unterstützen, diese Potenziale zusammenzuführen, hat das Umweltministerium in Rheinland- Pfalz das Förderprogramm „Zukunftsfähige Energieinfrastruktur“ (ZEIS) aufgesetzt. ZUSCHÜSSE FÜR STUDIEN UND UMSETZUNG Einen zentralen Aspekt im Rahmen des ZEISProgramms bilden Vorhaben im Bereich der Wärmeversorgung auf Basis erneuerbarer Energien. Konkret geht es um den Bau und Ausbau von Wärmenetzen zur direkten Wärmeversorgung von zwei oder mehr Gebäuden, die aus Biomasse, geothermischer und solarer Energie, industrieller Abwärme und Wärme aus Abwasser versorgt werden. Darüber hinaus gefördert werden damit in Verbindung stehende zentrale Wärmeerzeuger wie thermische Solaranlagen oder effiziente Wärmepumpen sowie Hausübergabestationen, Wärmespeicher, Anlagen zur Verwertung von Abwärme und Messtechnik. Neben finanziellen Instrumenten steht auch ein breites Spektrum an Beratungsdienstleistungen zur Verfügung. Die Erarbeitung von Machbarkeitsstudien wird mit bis zu 50.000 Euro unterstützt. Bei Investitionen beträgt die Höhe des Zuschusses 20 % der förderfähigen Ausgaben von maximal 5 Mio. Euro. Seit dem Start des Programms im Jahr 2015 wurden bereits 15 Nahwärmenetze gefördert. Das Engagement der einzelnen Bundesländer ist der Motor des Ausbaus erneuerbarer Wärme, etwa durch Solarthermie. Auf Basis ihrer spezifischen geografischen, strukturellen und politischen Voraussetzungen setzen die Länder Förderprogramme auf und Maßnahmen um. Hier ein beispielhafter Blick auf Initiativen aus Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Thüringen. Förderprogramme und Initiativen: Bundesländer als Treiber für den Ausbau erneuerbarer Wärme Thomas Pauschinger (Solites) beim Fachinformationstag Solare Wärmenetze in Simmern am 19.02.2019, Quelle: Guido Bröer FÖRDERPROGRAMM „ZUKUNFTSFÄHIGE ENERGIEINFRASTRUKTUR“ (ZEIS) Unterstützung von Projekten im Bereich erneuerbarer Wärmeversorgung Zuschüsse für Durchführbarkeitsstudien i.h.V. max. 50.000 Euro, für Investitionen max. 5 Mio. Euro Bagatellgrenze bei Investitionen in Wärmeprojekte: 100.000 Euro Nähere Informationen und Kontakt: www.foerderdatenbank.de Quelle: Solites SCHLESWIG-HOLSTEIN Das nördlichste deutsche Bundesland bringt aufgrund seiner geografischen Lage besonders günstige natürliche Bedingungen für die Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen mit. Wurde dies bislang hauptsächlich für den Stromsektor in Form von Windenergie genutzt, rückt nun auch der Wärmebereich immer mehr in den Fokus. Bereits im Jahr 2017 hat Schleswig- Holstein seine landesrechtliche Gesetzgebungskompetenz genutzt und ein Energie- und Klimaschutzgesetz1 verabschiedet. Ein wichtiges landespolitisches Instrument stellt auch die im Juni 2019 in Kraft getretene Richtlinie „Innovative Wärmeversorgung” dar. ANREIZ FÜR INVESTITIONEN IN DIE WÄRMEWENDE Die Wärmewende braucht Investitionen in die erforderliche Infrastruktur. Im Rahmen der Richtlinie werden Vorhaben unterstützt, die den Anteil erneuerbarer Energien in den Wärmeversorgungssystemen erhöhen. Bis zu 50 % der Investitionskosten für Wärmenetze, Wärmeerzeugungsanlagen und Wärmespeicher werden abgedeckt, wenn laut Richtlinie „das nachhaltige Wärmeversorgungssystem mindestens 50 % erneuerbare Energien berücksichtigt und eine CO2-Einsparung gegenüber der bisherigen Wärmeoder Kälteversorgung erzielt werden kann”. Es stehen mindestens 50.000 Euro und maximal 1 Mio. Euro pro Projekt zur Verfügung. Die Koordination sowie die kostenlose Beratung erfolgen durch die Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) Energieagentur, die auch Ansprechpartner für die Erstellung der kommunalen Wärmepläne ist. ANSCHUBHILFE FÜR BÜRGERENERGIEPROJEKTE Schleswig-Holstein möchte zudem das Engagement für die Energiewende vor Ort stärken und hat dafür einen Bürgerenergiefonds eingerichtet. Ziel ist, die Initiierung von Projekten zu unterstützen, indem finanzielle Risiken in der ersten Phase abgefedert werden. Hierfür wurde ein Sondervermögen von 5 Mio. Euro bereitgestellt. Zu den geförderten Bereichen gehören auch Projekte zum Ausbau der erneuerbaren Wärme. Zusammenschlüsse von Akteuren aus Schleswig-Holstein, die bestimmte Kriterien erfüllen, können bis zu 200.000 Euro pro Projekt beantragen. BADEN-WÜRTTEMBERG Baden-Württemberg zählt traditionell zu den Bundesländern mit den innovativsten Konzepten zur Förderung und zum Ausbau der nachhaltigen Energie- und Wärmeversorgungsinfrastruktur. Bereits 2013 trat das Klimaschutzgesetz2 in Kraft, das verbindliche Ziele des Landes zur Treibhausgasminderung festlegt. Wie diese erreicht werden können, zeigt das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) in Form von konkreten Strategien und Maßnahmen auf. Im Herbst 2020 wurde im Rahmen der Novellierung des Klimaschutzgesetzes unter anderem die Einführung einer verbindlichen kommunalen Wärmeplanung beschlossen. EFFIZIENTE WÄRMENETZE Das 2016 aufgelegte Landesförderprogramm „Energieeffiziente Wärmenetze“ unterstützt Akteure vor Ort bei der Umsetzung von Wärmenetzen. Es besteht aus drei Bausteinen: 1. Förderung der Erstellung von Wärmeplänen 2. Förderung von Beratung im Vorfeld einer Investition 3. Zuschüsse für Investitionen für Bau oder Erweiterung von Wärmenetzen inkl. erneuerbarer Erzeugungsanlagen Für die ersten beiden Bausteine sind die Antragstellung bzw. Ausschreibung bereits beendet. Die Antragsfrist für den Förderbaustein 3 „Investitionen in Wärmenetze“ läuft noch. Eine Fortführung ist in Aussicht. MARKTBEREITUNG SOLARER WÄRMENETZE Auf die Marktbereitung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg zielte auch das kürzlich abgeschlossene Verbundvorhaben „Solnet BW II“. Durch die Begleitung und Entwicklung von Modellregionen wurde in diesem Projekt Transformationswissen hin zu einer vermehrten Nutzung von Solarthermie in der Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 10 RICHTLINIE „INNOVATIVE WÄRMEVERSORGUNG“ Förderung von bis zu 50 % der Investitionskosten für Wärmenetze, Wärmeerzeugungsanlagen und Wärmespeicher Mindestfördersumme 50.000 Euro, maximal 1 Mio. Euro pro Projekt BÜRGERENERGIEFONDS Förderung von Bürgerenergieprojekten in der Planungs- und Startphase – etwa zur Finanzierung von Vorplanungskosten wie Machbarkeitsstudien, Standortanalysen, Rechts- und Steuerberatung etc. Zuwendung in Höhe von bis zu 200.000 Euro, Bereitstellung für 2 Jahre zinsfrei Förderfähige Gesamtausgaben müssen mindestens 10.000 Euro betragen Rückzahlung des Zuwendungsbetrags nach Umsetzung des Projekts Nähere Informationen und Kontakt: www.schleswig-holstein.de Vortrag von Dr. Matthias Sandrock (Hamburg Institut) beim 15. Fachforum der Energie- und Klimaschutzinitiative Schleswig- Holstein (EKI) am 22.03.2019 in Husum, Quelle: IB.SH kommunalen Wärmeversorgung erarbeitet. Gemeinsam mit den lokalen Akteuren vor Ort und deren Know-how wurden innovative Lösungsansätze für solare Wärmenetze entwickelt. Ein wichtiges Element war dabei die Flächenfindung, die eine der größten Herausforderungen bei der Realisierung großer Solarthermieanlagen darstellt. THÜRINGEN Als erstes ostdeutsches Bundesland hat Thüringen im Dezember 2018 ein eigenes Landesklimaschutzgesetz3 verabschiedet. Dahinter steht das Ziel, bis 2040 die lokal erzeugte Energie im Strom- und Wärmesektor ausschließlich aus erneuerbaren Quellen bereitzustellen. Gesetzlich verankert sind beispielsweise Transformationspläne der Fernwärmeversorger zur Dekarbonisierung ihrer Wärmenetze. Um die Transformation insbesondere im Wärmebereich voranzutreiben, entwickelte das Thüringer Umweltministerium zudem 2016 die Förderrichtlinie „SolarInvest”. 2020 wurde das Programm neu aufgelegt. AUSBAU INNOVATIVER WÄRMEKONZEPTE Finanzielle Zuschüsse stehen dabei auch für Projekte im Bereich der nachhaltigen Wärmeversorgung bereit. Empfänger können neben Kommunen und kommunalen Unternehmen die Wohnungswirtschaft, kleine und mittelständische Unternehmen sowie Bürgerenergiegenossenschaften sein. Folgende Maßnahmen sollen vorangetrieben werden: • Investitionen in saisonale Wärmespeicher • Investitionen in die Realisierung von Mieterwärmemodellen • Förderung von Hausanschlussstationen in neu zu errichtenden sowie in bestehenden Netzen mit einem Mindestanteil von 20 % erneuerbaren Energien • Machbarkeitsstudien und Beratungsleistungen zur Erstellung und Umsetzung eines Wärmenetzprojektes • Beratungsleistungen zu Mieterstrom und -wärme Die Koordination sowie die Beratung erfolgen über das Kompetenzzentrum „Thüringer Erneuerbare Energien Netzwerk e.V.”. Mit dem „Thüringer Solarrechner“, einem Service der Landesenergieagentur ThEGA, können Bürger, Unternehmen und Kommunen die Wirtschaftlichkeit ihrer Solarthermie- und/oder PV-Anlagen berechnen. 1 Energie- und Klimaschutzgesetz Schleswig-Holstein 2 Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg 3 Landesklimaschutzgesetz Thüringen www.solare-waermenetze.de FÖRDERPROGRAMM „SOLARINVEST“ Förderung des Einsatzes von erneuerbaren Energien im Strom- und Wärmebereich Laufzeit: 01.01.2020 bis 31.12.2022 Maximaler Zuschuss je Vorhaben 100.000 EUR, Bagatellgrenze 1.000 Euro Nähere Informationen und Kontakt: umwelt.thueringen.de Antragstellung über: www.aufbaubank.de Thüringer Solarrechner: www.thega.de FÖRDERPROGRAMM „ENERGIEEFFIZIENTE WÄRMENETZE“ Investitionsförderung zur Errichtung oder Erweiterung von energieeffizienten Wärmenetzen Zuschuss von bis zu 20 % der förderfähigen Kosten, max. bis zu 200.000 Euro Über zusätzliche Boni kann der Höchstbetrag auf bis zu 400.000 Euro der förderfähigen Kosten pro Investitionsvorhaben erhöht werden. Nähere Informationen und Kontakt: um.baden-wuerttemberg.de Details zu „Solnet BW II“: www.solnetbw.de Forschungsbericht Flächenbereitstellung: www.hamburg-institut.com Austausch zur Flächensicherung für solare Freiflächenanlagen beim Workshop „Solare Raumplanung – regionale Wärmestrategie“ am 23.10.2018 in Stuttgart, Quelle: Hamburg Institut Thüringens Energie- und Umweltministerin Anja Siegesmund bei der Einweihung einer Solarthermieanlage in Erfurt im Mai 2019, Quelle: Karina Heßland-Wissel/SWE Energie GmbH Gefördert durch: www.solare-waermenetze.de Energiekommune IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen von Solnet 4.0, einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Vorhaben zur Marktbereitung für solare Wärmenetze. Die Projektpartner sind das Steinbeis Forschungsinstitut Solites, der Fernwärmeverband AGFW, das Hamburg Institut sowie die Herausgeber der Zeitschrift Energiekommune. Herausgeber: HIR Hamburg Institut Research gGmbH, Steinbeis Forschungsinstitut Solites Redaktion: Dr. Matthias Sandrock, Philippa Kreis, Thomas Pauschinger Veröffentlichung: 2020 Haftungsausschluss: Das dieser Publikation zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter dem Förderkennzeichen 03EGB0002A gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieses Dokuments liegt bei den AutorInnen. Weder der Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 10 Im Gespräch: Dr. Till Jenssen vom Referat Erneuerbare Energien des Umweltministeriums Baden-Württemberg. Welche Rolle spielen die Bundesländer beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland? Zunächst einmal gilt, dass die nationale Ebene – nicht zuletzt etwa in Form der Anreizstrukturen des Erneuerbare-Energien- Gesetzes – eine starke Rolle bei der Energiewende spielt. Die Bundesländer haben die Möglichkeit, die bundesweiten Rahmenbedingungen zu konkretisieren. Sie befinden sich in einer „Sandwich“-Position zwischen den Kommunen und Regionen einerseits und dem Bund anderseits – wir sind also ein Bindeglied zwischen mehreren Akteuren und mehreren Ebenen. Konkret können die Bundesländer etwa Landesenergiekonzepte aufstellen, sich Ausbauziele setzen, gesetzliche Spielräume ausfüllen (EWärmeG, PV-Pflicht, Förderung von Batteriespeichern), Prozesse und Dialoge mitgestalten, den Verwaltungsvollzug durch Hinweispapiere konkretisieren. Die Bundesländer können somit verschiedene Governance-Felder besetzen, Informationsund Aufklärungskampagnen gehören genauso dazu wie die Netzwerkbildungen. Was zeichnet hierbei Baden-Württemberg im Besonderen aus? Wir verfügen über eine breite und vielseitige Akteurslandschaft. Damit meine ich nicht nur die Verwaltungsinstitutionen und die Kommunen, sondern auch die vielen Bürgervereinigungen, Nichtregierungsorganisationen, Energiegenossenschaften und die einzelnen Bürgerinitiativen, die zu einer lebhaften und inhaltlich hochqualitativen Diskussion im Bereich der Energiewende vor Ort beitragen. Wie ist es um die Flächenverfügbarkeit bestellt? Angesichts der hohen Flächenkonkurrenzen und einer hohen Bevölkerungsdichte im Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg kommt natürlich die Frage der Flächenverfügbarkeit und -bereitstellung auf. Die Kommunen haben in diesen Angelegenheiten das entscheidende Wort, da sie im Rahmen ihrer kommunalen Planungshoheit die Bauleitpläne aufstellen. Das macht sich insbesondere bei Solarfreiflächenanlagen bemerkbar. Für ihre Genehmigung ist – im Gegensatz zur Windenergie – in der Regel ein Bebauungsplan erforderlich, da diese Anlagen im Außenbereich grundsätzlich nicht privilegiert sind. Den kommunalen und regionalen Planungsträger kommt damit eine wesentliche Rolle bei der notwendigen Standort- und Flächensicherung für die Energiewende zu. Wie ist das Potenzial für Solarthermie und erneuerbare Energieerzeugung insgesamt einzuschätzen? Es ist zu erwarten, dass die Solarthermie künftig deutlich höhere Aufmerksamkeit erhalten wird als bisher. Das sogenannte Zielszenario für Baden-Württemberg zeigt etwa, dass im Jahr 2050 in rund 60 Prozent der Wohngebäude Solarthermieanlagen genutzt werden könnten. Gerade auch die Einbindung in Nah- und Fernwärme ist dabei vielversprechend und könnte Skaleneffekte heben. Wir unterstützen dies zum Beispiel mit unserem Handlungsleitfaden „Solarfreiflächenanlagen“ und dem Förderprogramm „Energieeffiziente Wärmenetze“. „Bundesländer sind das Bindeglied zwischen den Ebenen und den Akteuren“

2023-03-22T11:50:52+01:00Montag, 1. Februar, 2021|

Planungs- und Genehmigungspraxis „Gut geplant ist halb genehmigt“

Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 11 www.solare-waermenetze.de Solare Freiflächenanlagen zur Wärmeversorgung gewinnen immer mehr an Bedeutung. Während die ersten Umsetzungen als Pilotprojekte stattfanden, ging der weitere Weg über die Nutzung in Energiedörfern, eingebettet in lokale Versorgungskonzepte. Seit einigen Jahren treiben auch rein wirtschaftliche Betrachtungen eine Nutzung der Großflächensolarthermie als Wärmeversorgung für Nah- und Fernwärmenetze den weiteren Ausbau voran. Mit dem Ende des Nischendaseins wachsen für die Planungen immer größerer solarthermischer Anlagen auch die Herausforderungen und Risiken im Genehmigungsprozess. Diese sollen in diesem Infoblatt adressiert werden; zudem werden Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, um eine rechtssichere Planung zu unterstützen. FLÄCHENAUSWAHL UND -PRÜFUNG Die Grundlage für einen möglichst reibungslosen Ablauf bildet die umfassende Prüfung aller Flächen im Umfeld, die für eine weitere Betrachtung in Frage kommen. Das Spannungsfeld bewegt sich dabei zwischen energiewirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Aspekten unter Einbindung der vorhandenen Strukturen und Möglichkeiten. Die einzelnen Aspekte greifen ineinander und sollten in einer Gesamtbetrachtung geprüft werden, wie in Abbildung 1 dargestellt ist. Ziel ist es, rechtzeitig mögliche Ausschlusskriterien und Konfliktpotenziale zu ermitteln und die Flächenwahl dementsprechend auszurichten. Zur Veranschaulichung, wie aufwändig die Flächensuche sein kann, eignet sich ein Projekt der Stadtwerke Radolfzell, die eine Fläche für eine Solarthermieanlage mit 1.100 m2 Kollektorfläche in Liggeringen gesucht haben. In Abbildung 2 ist zu sehen, wie viel Flächen näher geprüft werden mussten (rot), bis sich eine geeignete Fläche (blau) finden ließ, die alle Anforderungen erfüllt. PLANUNG IM UNBEPLANTEN AUßENBEREICH Da die Anlagen viel Platz beanspruchen, bietet sich in der Regel nur der (unbeplante) Außenbereich zur weiteren Flächensuche an. Im Außenbereich wird zwischen privilegierten Vorhaben wie u.a. Windkraftanlagen (§ 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BauGB) und nicht privilegierten Vorhaben unterschieden. Wird ein Vorhaben als privilegiert eingestuft, besteht keine Pflicht, für das Vorhaben einen Bebauungsplan aufzustellen. CHANCEN EINER PRIVILEGIERUNG Ein Ansatz, das Genehmigungsverfahren zu vereinfachen, liegt damit darin, das Vorhaben als privilegiertes Vorhaben zu planen. Nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 BauGB kann das der Fall sein, wenn das Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Fläche einnimmt oder einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung Bei der Projektentwicklung von Freiflächensolarthermieanlagen fehlt es bei den beteiligten Akteuren vor Ort oft an Praxiserfahrungen zum Planungsprozess, um eine rechtssichere Grundlage für die Genehmigung zu schaffen. Eine sorgfältige Herangehensweise bei der Findung geeigneter Flächen und das rechtzeitige Einbeziehen sozialer und umweltrechtlicher Themen kann den Planungsprozess unterstützen und das Risiko von unerwarteten Hürden im Genehmigungsprozess minimieren. Auch das Abwägen einer möglichen baurechtlichen Privilegierung im Außenbereich kann dabei eine Option sein. Planungs- und Genehmigungspraxis: „Gut geplant ist halb genehmigt“ Quelle: Stadtwerke Radolfzell angehört. In der Praxis bedeutet das, dass die solare Wärme zum Beispiel für die Warmwasserversorgung in Landwirtschaftsbetrieben genutzt wird oder zur Klimatisierung der Gewächshäuser. Beide Fälle finden keine Anwendung, wenn es um die Versorgung von Wärmenetzen in Siedlungs- oder Gewerbegebieten geht. Eine Privilegierung ist in diesen Fällen nur möglich, wenn das Vorhaben „der öffentlichen Versorgung mit […] Wärme […] oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient“ (§ 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB). Die Hürde ist hierbei, dass die Rechtsprechung auch für den Fall der öffentlichen Versorgung eine Ortsgebundenheit fordert. Diese ergibt sich nicht aus Wirtschaftlichkeits- oder Praktikabilitätserwägungen, die in der Regel dafür sprechen, die Distanz zwischen Erzeugung und Verbrauch möglichst gering zu halten. Die Ortsgebundenheit richtet sich eher an die geologischen oder geographischen Eigenarten eines Standorts, die einen Betrieb an anderer Stelle nicht zweckmäßig ermöglichen würden. Wesentlich ist, dass die Anlage nach ihrem Gegenstand und ihrem Wesen nur an der fraglichen Stelle betrieben werden kann. Im Einzelfall können solarthermische Anlagen diese Maßgaben durch die begrenzten Transportdistanzen von Wärme erfüllen, was rechtzeitig bei den Genehmigungsbehörden ins Gespräch gebracht werden sollte. Dieses Vorgehen konnte bei einer Solarthermieanlage mit etwa 14.800 m² in Ludwigsburg-Kornwestheim erfolgreich umgesetzt werden, wodurch die Pflicht zur Aufstellung eines Bebauungsplans für die Genehmigung entfiel. PLANUNG INNERHALB BESTEHENDER FLÄCHENPLANUNG Daneben ergibt sich als einfachste Planungsvariante mit der höchsten Akzeptanz die Planung innerhalb bestehender Bebauungspläne. Nutzbare Flächen sind u.a. Konversionsgebiete oder Gewerbe- und Industriegebiete. Da keine erheblichen Belastungen durch Immissionen von Solarparks ausgehen und die Rechtsprechung Photovoltaikfreiflächenanlagen schon als zulässig in Gewerbegebieten festgestellt hat, kann diese Wertung auch auf solarthermische Anlagen in Industriegebieten übertragen werden. Die Umsetzung wird in diesem Fall durch die hohen Grundstückspreise erschwert, die einen wirtschaftlichen Betrieb in Gewerbe- und Industriegebieten in der Regel nicht zulassen. SCHAFFUNG VON BAURECHT DURCH EINEN BEBAUUNGSPLAN Wenn im Bereich der Planung von der Gemeinde noch keine Sondergebiete für die Nutzung von regenerativen Energien (namentlich Sonnenenergie oder Solarthermie) festgesetzt sind und sich keine der vorher beschriebenen Gebiete eignen, muss das Baurecht für nicht privilegierte Vorhaben über die Erstellung eines neuen Bebauungsplans geschaffen werden. Das Verfahren kann bei der Gemeinde angeregt oder durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan vom Projektierer initiiert werden. Die Gemeinde hat dabei den Vorteil, dass sie anlassbezogen planen kann und keine Planungskosten tragen muss. Wollen Gemeinden die Flächennutzung frühzeitig steuern, bieten sich Festsetzungen in Flächennutzungsplänen an, die im besten Fall in ein kommunales Wärmekonzept eingebunden sind. BEACHTUNG DER UMWELTGESETZE Wenn für die Planung ein Bebauungsplan nötig ist, folgt nach § 2 Abs. 4 BauGB eine formale Umweltprüfung. Die Umweltverträglichkeitsprüfung kann entfallen, wenn die Umweltprüfung den Anforderungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung entspricht. Wenn die Umsetzung im Außenbereich ohne Bebauungsplan erfolgen soll, ist keine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig, solange keine größeren KWK- oder Heizkesselanlagen zugebaut werden sollen. Da die Anlage wasserführend ist, muss auch das Gewässer- und Bodenschutzrecht beachtet werden. Maßgeblich sind dabei die Landeswassergesetze, die eingehalten werden müssen. Dazu gehört, dass keine wassergefährdenden Stoffe austreten dürfen und bei der Nutzung von schwach wassergefährdenden Stoffen, wie Frostschutzmitteln, die Anforderungen an die Dichtigkeit, die Standsicherheit und die Leckageerkennung einzuhalten sind. Das Naturschutzrecht bzw. die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung wird im BauGB durch die Vorschriften zum Umweltschutz vorgegeben. Das Konfliktpotenzial besteht vor allem in der Flächenkonkurrenz zu anderen Nutzungen. Basis für die Konflikte sind u.a. die Bodenversiegelung und -verdichtung, der Bodenabtrag, die Verschattung von Flächen und die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Werden diese Konfliktquellen rechtzeitig adressiert, können spätere Verzögerungen vermindert werden. MAßNAHMEN ZUR KONFLIKTMINIMIERUNG – NATURSCHUTZ BEACHTEN UND BIOTOPVERBUND FÖRDERN Die ersten Weichen können bei der Auswahl der Flächen gestellt werden. Konflikte mit dem Arten- oder Habitatschutzrecht können durch einen Ausschluss naturschutzfachlich Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 11 Abbildung 1: Bausteine des Flächenscreenings (Quelle: Solites) hochwertiger Flächen in der Flächensuche weitgehend vermieden werden. In weniger strengen Kategorien wie dem Landschaftsschutz oder der Erhaltung von Naturparks sind Befreiungen von den jeweiligen Schutzgebietsverordnungen möglich und sollten daher nicht von vornherein als Ausschlusskriterium den Suchraum einschränken. Damit es in den späteren Beteiligungsverfahren nicht zu unerwarteten Einsprüchen kommt, sollten lokale Verbände, die die Kulturlandschaft vor Ort am besten kennen, und die Öffentlichkeit so früh wie möglich mit einbezogen werden. Über die Erstellung eines ökologischen Gesamtkonzepts im Zuge des landschaftspflegerischen Begleitplans kann das Ziel, ein ökologisches Gesamtkonzept im Projekt zu integrieren, festgehalten werden. Die Ziele sind dabei u.a., einen optimalen Biotopverbund zu erhalten und in die Umgebung einzubinden, in dem Wanderkorridore erhalten bleiben, die Biodiversität von Flora und Fauna erhöht wird und Biotoptypen bzw. Lebensräume für Leit- und Zielarten gezielt geschaffen und gefördert werden. Wenn die Fläche vorher für die intensive Ackerlandwirtschaft genutzt wurde, ist durch den Bau einer solarthermischen Anlage mit Begrünung zwischen den Kollektoren und Bepflanzung an den Rändern sogar ein positiver Effekt auf die Biotope möglich, wenn sich das ökologische Konzept in den Kontext des natürlichen Landschaftsraums in der Umgebung einfügt. ANPASSUNG DER PLANUNG AN UMGEBENDE LANDSCHAFT Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds können durch die Flächenwahl und die Struktur innerhalb der Fläche vermindert werden. Bei der Flächenwahl bieten sich Tallagen und Senken an, um Sichtachsen zu erhalten. Genauso können Vegetationsstrukturen wie Waldränder und vorhandene oder neue gepflanzte Hecken genutzt werden, um die optische Fernwirkung zu mindern. Gibt es in der Umgebung keine Strukturen, die einen optischen Schutz ermöglichen, sollte umso mehr darauf geachtet werden, dass sich die Struktur der Anlage in die Umgebung einfügt. Im ersten Ansatz muss die Anlage dazu in Teilabschnitte untergliedert werden, um die ausgedehnte Struktur aufzubrechen, die sich in der Regel nicht die umgebende kleinteilige Kulturlandschaft einfügt. Die Parzellengröße sollte sich dabei an der umgebenden Strukturgröße orientieren. Durch die Nutzung von teils natürlichen Elementen wie Hecken oder Wasserflächen kann eine natürlich wirkende Unterteilung geschaffen werden und die optische Störwirkung vermindert werden. Anzustreben ist dabei ein Anteil von 25 -50 % zwischen den Modulflächen und den Randfeldern. BÜRGERBETEILIGUNG Zur Realisierung des Vorhabens ist es wichtig, dass auch die lokale Bevölkerung einen Mehrwert in dem Projekt sieht. Neben den Gewerbesteuereinnahmen für die Gemeinde gibt es durch eine geeignete Wahl der Betriebsgesellschaft die Möglichkeit, die lokale Wertschöpfung zu fördern. Dazu bietet sich der Betrieb durch die örtlichen Stadtwerke an oder die Gründung einer Energiegenossenschaft, die den späteren Betrieb übernimmt. Förderlich ist auch eine direkte finanzielle Beteiligungsmöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger am Projekt, die sich zum Beispiel bei der Neugründung einer Energiegenossenschaft umsetzen lässt. www.solare-waermenetze.de FAZIT Die grundlegende Frage zur Planung der Genehmigung ist, ob es sich bei dem Vorhaben um ein privilegiertes Vorhaben handelt. Sofern dies von den lokal zuständigen Behörden verneint wird, ist ein Bebauungsplan erforderlich. Gibt es keinen bestehenden Bebauungsplan mit Festsetzungen für regenerative Energien im Planungsgebiet, bietet sich ein vorhabenbezogener Bebauungsplan an, um Rechtssicherheit für den Genehmigungsprozess zu schaffen. In jedem Fall sind ein angepasstes und durchdachtes ökologisches Begleitkonzept sowie eine finanzielle Beteiligungsmöglichkeit unter frühzeitigem Einbezug der lokalen Akteure Schlüsselelemente, um einen reibungslosen Genehmigungsprozess zu fördern. Abbildung 2: Flächensuche in Liggeringen (Quelle: Stadtwerke Radolfzell) Gefördert durch: www.solare-waermenetze.de Energiekommune IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen von Solnet 4.0, einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Vorhaben zur Marktbereitung für solare Wärmenetze. Die Projektpartner sind das Steinbeis Forschungsinstitut Solites, der Fernwärmeverband AGFW, das Hamburg Institut sowie die Herausgeber der Zeitschrift Energiekommune. Herausgeber: HIR Hamburg Institut Research gGmbH Redaktion: Dr. Matthias Sandrock, Felix Landsberg Veröffentlichung: 2020 Haftungsausschluss: Das dieser Publikation zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter dem Förderkennzeichen 03EGB0002A gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieses Dokuments liegt bei den AutorInnen. Weder der Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 11 Im Gespräch: Andreas Reinhardt, Geschäftsführer der Stadtwerke Radolfzell Wo lagen für Ihr Nahwärmeprojekt inkl. Solarthermieanlage in Liggeringen die größten Hemmnisse im Genehmigungsprozess? Die größten Hemmnisse haben wir im Bebauungsplanverfahren durch den Anlagenstandort in einem Landschaftsschutzgebiet erfahren. Die eine Seite war dabei die Fläche des Bauprojekts an sich – die andere Seite sind die erforderlichen Ausgleichsflächen, die geschaffen werden mussten. Neben der eigentlichen Fläche für die Solarthermieanlage und Heizzentrale auch Ausgleichsflächen mit einer gleichwertigen Bodenstruktur zu finden, war eine Herausforderung. Diese Ausgleichsflächen sollte man schon im Vorfeld bei der Planung mitdenken. Welche Verbesserungen im Genehmigungsprozess wünschen Sie sich aufgrund Ihrer Erfahrung aus dem Projekt? Dass die Bearbeitungszeit im Genehmigungsprozess in einer analogen Welt etwas länger dauert, ist sicherlich nachvollziehbar. Ich kann mir vorstellen, dass über Cloud-Dienste in Zukunft sogenannte Mehrfachfertigungen der Dokumente entbehrlich sind und dass man der Genehmigungsbehörde über einen digitalen Zugang die Unterlagen bereitstellen kann. In unserem Fall mussten wir permanent unheimlich viele Anlagen bedrucken, kopieren und in einer Mehrfachfertigung ausliefern. Ich denke, das ist in der heutigen Zeit nicht mehr Stand der Technik. Es gibt in der digitalen Welt von heute bessere Möglichkeiten, die Planungsprozesse effizienter und somit die Projekte schneller zur Ausführung bringen. Auf welche Art und Weise wurde die Öffentlichkeit einbezogen und wie wurde es angenommen? Man muss die Öffentlichkeit von der Sinnhaftigkeit des Projekts überzeugen. Dazu haben wir verschiedene Mittel eingesetzt, unter anderem 10 Infoveranstaltungen vor Baubeginn, sodass jeder Bürger sich umfassend informieren konnte. Im Zusammenhang mit dem Nahwärmenetz haben wir auch die Themen Glasfaseranbindung, Erneuerung der Hausanschlüsse, Erneuerung der Straßenbeleuchtung, der Gehsteige und der Fahrbahn mitkommuniziert, sodass insgesamt der Mehrfachnutzen deutlich wurde. Entscheidend war auch, dass wir bei zwei Exkursionen mit unserem eigenen Stadtbusbetrieb ca. 50 Familien an bestehenden Anlagen gezeigt haben, wie so ein Projekt in der Realität aussieht. Daneben ist das persönliche Gespräch bei der Bestandsaufnahme ein entscheidender Faktor. Dort hat man Gelegenheit, im Face-to-Face-Kontakt die positiven Argumente ausführlich zu erläutern, was bei Infoveranstaltungen im großen Rahmen deutlich schwieriger ist. Hilfreich ist auch der Verweis auf den Beitrag zum ökologischen Umbau der Wärmenutzung – weg von alten Ölkesseln und hin zu modernen umweltfreundlichen Technologien. Durch die Glasfaseranbindung ergeben sich zusätzlich Standortvorteile für Gewerbebetriebe und erhöhte Grundstückswerte für Eigentümer sowie Vorteile in der alltäglichen Nutzung, z.B. für das Home-Office. Was würden Sie anderen Kommunen und Stadtwerken raten, wenn sie in ihrem Umfeld ein ähnliches Projekt entwickeln wollen? Im Grundsatz ist es zu Beginn wichtig, Überzeugung bei den betroffenen Bürgern zu schaffen. Das geht u.a. über wirtschaftliche Argumente, also einen persönlichen monetären Vorteil für die Beteiligten. Zusätzlich empfiehlt sich eine frühzeitige Klärung der Grundstücksfrage nicht nur für das Baufeld, sondern auch für die Ausgleichsflächen, die man im Rahmen des Genehmigungsprozesses benötigt. „Die Öffentlichkeit frühzeitig von dem Projekt überzeugen“

2023-03-22T11:50:52+01:00Dienstag, 1. Dezember, 2020|

Flächen einfach mehrfach nutzen – Wie Multicodierung zur Lösung der Solarthermie-Flächenkonflikte beiträgt

Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 9 www.solare-waermenetze.de Bereits heute bestehen erhebliche Flächenkonflikte um den Ausbau von Windkraft und Photovoltaik, dabei ist die Stromwende noch nicht einmal zur Hälfte abgeschlossen. Die Quote der erneuerbaren Wärme beträgt bislang nur knapp 15 %, zudem ist der Wärmebedarf in Deutschland rund doppelt so groß wie der Strombedarf – das gibt eine Ahnung von der Dimension der bevorstehenden Transformation des Wärmesektors. Momentan beansprucht die noch stark von Importen und fossilen Energieträgern geprägte Wärmeversorgung hierzulande geringe Flächen. Wegen hoher Transportkosten und Wärmeverluste ist die Wärmeerzeugung jedoch stärker als die Stromerzeugung auf verbrauchernahe Flächen angewiesen. Die Ressource „Fläche“ ist somit bereits heute maßgeblicher Flaschenhals der Wärmewende. FLÄCHENEFFIZIENTE WÄRME MIT SOLARTHERMIE Die spezifischen Flächenbedarfe verschiedener Technologien zur erneuerbaren Wärmeerzeugung unterscheiden sich deutlich voneinander. Solarthermieanlagen gehören zu den effizientesten erneuerbaren Wärmetechnologien in Bezug auf die Flächennutzung – in Abhängigkeit der Kollektorart und der Temperatur des Wärmnetzes werden Erträge von etwa 175 kWh je m² Landfläche erreicht. Gerade der Vergleich zur Anbau- Biomasse, die das 20-fache der Fläche zur Erzeugung der gleichen Wärmemenge benötigt, verdeutlicht das. Bei der Wärmegewinnung aus Biogas erhöht sich dieser Faktor sogar auf das 37-fache. Im Vergleich mit der oberflächennahen Geothermie nimmt eine Solarthermieanlage jedoch nur ein Drittel der Fläche von Erdsondenfeldern ein. Lediglich die Tiefengeothermie und die Abwärmenutzung beanspruchen weniger oberirdische Fläche als die Solarthermie. FÜNF HEMMNISSE BEI DER FLÄCHENBEREITSTELLUNG Trotz der hohen Flächeneffizienz trifft die Bereitstellung geeigneter Flächen für Solarthermieanlagen in der Praxis auf Hemmnisse, die den Trend Richtung solare Wärmenetze maßgeblich erschweren. Fläche ist hierzulande ein knappes Gut – für die Wärmeerzeugung mittels Solarthermie stellt die geringe Flächenverfügbarkeit ein großes Problem dar. Multicodierung ist eine Lösungsstrategie, bei der Flächen neben der solarthermischen Nutzung noch mindestens einen weiteren Zweck erfüllen. Verschiedene Ansätze und Beispielprojekte sollen zeigen, wie es funktioniert und warum Multicodierung mehr als nur die Flächenproblematik lösen kann. Flächen einfach mehrfach nutzen: Wie Multicodierung zur Lösung der Solarthermie-Flächenkonflikte beiträgt Foto: Hamburg Institut, Visualisierung: bloomimages Nutzungskonkurrenzen Fehlende Wärmeplanung Rechtliche Unsicherheiten Wirtschaftliche Hemmnisse Ästhetische Hemmnisse Hemmnisse bei der Bereitstellung von Flächen Die Konkurrenz zu alternativen Nutzungsarten ist besonders in urbanen Gebieten durch den steigenden Bedarf an Wohnungsbau-, Industrieund Gewerbeflächen hoch. Im ländlichen Raum bestehen Flächenkonkurrenzen zur Landwirtschaft sowie zu Schutz- und Erholungsgebieten. Hinzu kommt, dass die Wärmeerzeugung in der Raum- und Bauleitplanung häufig nicht mitgedacht wird. Fehlende Wärmeplanung führt dazu, dass keine ausreichende Flächenkulisse für solarthermische Freiflächenanlagen gesichert ist und die Vorhaben auf das Entgegenkommen anderer Interessensgruppen angewiesen sind. Wird ein unbebauter Außenbereich als möglicher Standort identifiziert, können zudem rechtliche Unsicherheiten die Genehmigung behindern. Es ist beispielsweise bislang nicht abschließend geklärt, ob Solarthermieanlagen als Vorhaben zur öffentlichen Versorgung mit Wärme als privilegierte Vorhaben nach § 35 Absatz 1 BauGB gelten und somit ohne Bebauungsplan zulässig sind. Hohe Grundstückspreise können die Wirtschaftlichkeit verringern. In ländlichen Gebieten mag die Flächenbereitstellung einfacher und günstiger erfolgen als in der Stadt. Dort ist jedoch häufig zunächst die Errichtung eines Wärmenetzes nötig, wobei die Investition dafür zusätzlich auf den Wärmepreis umgelegt werden muss. Auch mangelnde Akzeptanz aus ästhetischen Gründen kann die Flächenfindung für Solarthermieanlagen erschweren. LÖSUNGSANSATZ MULTICODIERUNG Rechtliche sowie spezifische, auf das jeweilige Projekt abgestimmte Lösungsinstrumente stehen zur Verfügung. Multicodierung ist eines davon: Dabei übernehmen Flächen anstelle einer eindimensionalen funktionellen Zuordnung mehrere Funktionen parallel. Wird das Prinzip Multicodierung für Solarthermieflächen eingesetzt, schwinden Nutzungskonkurrenzen und es können symbiotische Nutzungskonzepte entstehen. Auch mangelnde Akzeptanz und ästhetische Hemmnisse werden durch Multicodierung häufig verbessert. Die Wirtschaftlichkeit von Anlagen kann durch geringere Pachtkosten oder neue Geschäftsmodelle gesteigert werden. In einigen Fällen können jedoch auch zusätzliche Investitionskosten entstehen, wie zum Beispiel für Aufständerungen der Module. VORBELASTETE FLÄCHEN BIETEN SICH AN Kontaminierte Flächen wie Alt-Deponien sind für Bebauung oder landwirtschaftliche Nutzung häufig ungeeignet. Werden dort Solarthermieanlagen installiert, so sind die Flächenkosten vergleichsweise gering und die Anlage findet auch in städtischen Wohngebieten eher Akzeptanz. In Graz wurde als Standort für das Solarthermie- Projekt HELIOS die ehemalige Hausmülldeponie „Köglerweg“ gewählt. Die Anlage besteht aus 2.000 m² Kollektorfläche, einem Deponiegas- BHWK und einem drucklosen Wärmespeicher. Jährlich werden 2,5 GWh Wärme in das Grazer Fernwärmenetz eingespeist. Die ehemalige Deponiefläche hält noch mehr Fläche parat, in den kommenden Jahren soll die Solarthermieanlage auf insgesamt 10.000 m² erweitert werden. Ist die Rekultivierungsschicht über geschlossenen Deponien mächtig, kann die Montage der Kollektormodule mittels üblicher Stahlprofile erfolgen. Bei einer dünneren Deckschicht der Oberflächendichtung werden die Kollektoren auf Betonfundamenten montiert. In Graz sind die Kollektoren auf Fertigbetonteilen montiert, die auf der Deponie aufliegen. Die gesamte Leitungsführung erfolgt oberirdisch und die Konstruktion wird über das Eigengewicht der Anlage fixiert – dieser Aufbau sorgte bei HELIOS sogar für geringere Investitionskosten als normalerweise üblich. VORHANDENE STRUKTUREN NUTZEN Ungenutzte Infrastruktur- und Dachflächen bieten sich für Solarthermieanlagen an. Für Aufdachanlagen im höheren Leistungsbereich sind große zusammenhängende Dachflächen und eine ausreichend bemessene Dachstatik optimal. Eine Aufständerung der Kollektormodule ist bei Flachdächern erforderlich, während Dachschrägen hingegen häufig bereits einen geeigneten Aufstellwinkel für Solarkollektoren aufweisen. Die Installationskosten sind für Aufdachanlagen jedoch höher als für Freiflächenanlagen. Zudem können Nutzungskonkurrenzen auftreten - beispielsweise, wenn alternativ Photovoltaikanlagen oder Dachbegrünungen in Frage kommen. Auch Parkplätze können mit Kollektormodulen Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 9 RECHTLICH Wärmeplanung Baurechtliche Privilegierung PROJEKTSPEZIFISCH Multicodierte Flächennutzung Ökologische Flächenkonzepte Landschaftsarchitektur Partizipationsmodelle Freiflächen-Solarthermieanlage auf ehemaliger Hausmülldeponie in Graz. (Foto: Hamburg Institut) überdacht und die Fläche so mehrfach genutzt werden. Ein positiver Effekt ist die Verschattung für parkende Fahrzeuge. Erhöhte Montagekosten durch die erforderliche Aufständerung sind allerdings eine Herausforderung für diese Anlagen. Flächen entlang von Verkehrswegen eignen sich selten zur Bebauung und werden bereits häufig für Photovoltaikanlagen genutzt. Für Solarthermieanlagen bieten die Standorte auf Grünstreifen oder an Lärmschutzbauwerken entlang von Straßen ebenfalls gute Bedingungen. Die Montage an Lärmschutzwällen kann jedoch mit höheren Investitionskosten einhergehen – es können sich jedoch ungeahnte Vorteile aus der vorgegebenen Geometrie ergeben, so wie bei der Solaranlage Hirtenwiesen 2 in Crailsheim (vgl. Infoblatt Solare Wärmenetze Nr. 6 „Solarthermieanlage als Biotop”). In Crailsheim wurden großflächige Solarkollektoren auf einem Lärmschutzwall installiert, der aus Bauschutt errichtet wurde. Bruno Lorinser, damals beim Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft zuständig für das Solarprojekt in Crailsheim, erklärt, dass die Neigung des Lärmschutzwalls zum erforderlichen Aufstellwinkel der Kollektoren passte. So konnten die Module auf den Wall angebracht werden, ohne dass eine weitere Aufständerung nötig war. Zudem bot der außergewöhnlich hohe Wall genügend Fläche für die Großkollektoren. LANDWIRTSCHAFT UND SOLARTHERMIE Solarthermieanlagen im ländlichen Bereich konkurrieren mit landwirtschaftlicher Nutzung. Mit Multicodierung kann aus der Konkurrenzsituation jedoch ein beidseitiger Nutzen erwachsen. Lässt man Schafe auf den Freiflächenanlagen weiden, so erfolgt die Mahd viel schonender als mit Maschinen, bei deren Einsatz Staubentwicklung und Steinschlag den Kollektoren schaden können. Die Erfahrungen einiger erster Projekte zeigen außerdem, dass die Schafe Sympathieträger für die Anlagen sind und die Akzeptanz erhöhen. Für Schafe bieten die Anlagen ebenfalls optimale Bedingungen, denn auf den Freiflächen zwischen den Kollektoren werden weder Dünger noch Pestizide eingesetzt. In Dänemark wird das Prinzip bereits vielfach umgesetzt, in Deutschland sind einige Schäfer bereits auf der Suche nach geeigneten Solaranlagen. Nicht nur Schafhaltung, auch ackerbauliche Produktion kann mit Solarthermie kombiniert werden. Erste vielversprechende Ansätze zeigen PV-Projekte, bei denen semi-transparente Solarmodule Pflanzen vor Hagel, Starkregen und direkter Sonneneinstrahlung schützen. Schattentolerante Arten wie Kartoffeln, Spinat, Salate und Himbeeren sind dafür besonders geeignet. Bei der Agro-Photovoltaik werden die Module hoch aufgeständert, sodass Mähdrescher unter der Konstruktion durchfahren können. Das Prinzip ist auch für solarthermische Kollektoren denkbar. Eine weitere Möglichkeit sind die vom Hamburg Institut entwickelten solaren Nachbarschafts- Gewächshäuser. Das Urban-Gardening-Konzept kombiniert die gemeinschaftliche und nachhaltige Selbstversorgung mit frischen Lebensmitteln mit erneuerbarer Wärmeerzeugung. WASSERWIRTSCHAFTLICHE GEBIETE Regenrückhaltebecken, Wasserwerke und Überflutungsgebiete – deren Flächen sind für die allgemeine Bebauung meist unzulässig. Bau und Betrieb von Solarthermieanlagen sind dort jedoch möglich, wenn die wasserwirtschaftlichen Funktionen bewahrt werden. Gegebenenfalls ist ein erhöhter Aufwand bei der Installation erforderlich, wie im französischen Châteaubriant. Dort wurden etwa 2.300 m² Kollektorfläche auf einem Überflutungsgebiet installiert. Da der Untergrund aus Schwemmland und Ton bestand, war zunächst eine Bodengründung nötig. ÖKOLOGISCHE AUFWERTUNG VON FLÄCHEN Werden bei der Planung von Solarthermieanlagen Naturschutzaspekte berücksichtigt, so können diese Flächen ökologisch aufgewertet und zu Biotopen werden. Gerade wenn eine Fläche ehemals landwirtschaftlich genutzt wurde, kann sich die Errichtung einer Freiflächen-Solarthermieanlage positiv auf den Naturhaushalt auswirken. Flora und Fauna profitieren, wenn der Eintrag von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln verringert wird. Das Konzept ist bereits bei vielen Solarthermieanlagen in Deutschland implementiert. Im Infoblatt Nr. 6 „Solarthermieanlage als Biotop“ werden Details und Beispiele vorgestellt. ENTSCHEIDUNG FÜR DIE MULTICODIERUNG Multicodierung kann Solarthermieanlagen also zu Flächen und zum Erfolg verhelfen – und die Optionen für die Flächen-Mehrfachnutzung sind lange noch nicht ausgeschöpft. Neben den vorgestellten Ansätzen sind auch weitere Möglichkeiten denkbar, wie beispielsweise „Floating Solarthermie“ nach dem Vorbild von schwimmenden PVwww. solare-waermenetze.de Die hohen Lärmschutzwälle in Crailsheim bieten ausreichend Fläche und eine Neigung, die dem optimalen Aufstellwinkel der Großkollektoren entspricht. (Foto: Bruno Lorinser) Gefördert durch: www.solare-waermenetze.de Energiekommune IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen von Solnet 4.0, einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Vorhaben zur Marktbereitung für solare Wärmenetze. Die Projektpartner sind das Steinbeis Forschungsinstitut Solites, der Fernwärmeverband AGFW, das Hamburg Institut sowie die Herausgeber der Zeitschrift Energiekommune. Herausgeber: HIR Hamburg Institut Research gGmbH Redaktion: Dr. Matthias Sandrock, Paula Möhring Veröffentlichung: September 2020 Haftungsausschluss: Das dieser Publikation zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter dem Förderkennzeichen 03EGB0002A gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieses Dokuments liegt bei den AutorInnen. Weder der Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Anlagen. Bruno Lorinser vom Umweltministerium Baden-Württemberg bekräftigt die Rolle von entschlossenen Akteuren bei der Entwicklung solcher Projekte: „Wir brauchen Menschen, die Entscheidungen treffen und sagen ‚Wir machen das jetzt‘. Es gibt immer Risiken, die vorab nicht gänzlich erfasst werden können.“ Laut ihm wäre die Solarthermieanlage auf dem Lärmschutzwall in Crailsheim ohne die entsprechenden Personen bei den Stadtwerken Crailsheim nicht so umgesetzt worden. Solange die Kreativität und die Bereitschaft für innovative Multicodierungsansätze gegeben sind, scheinen die Flächenkonflikte von Solarthermieanlagen damit in vielen Fällen überwindbar. Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 9 Schafe wirken als Sympathieträger und erhöhen die Akzeptanz für Solarthermieanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen. (Foto: Hamburg Institut) Im Gespräch: Dipl.-WI (FH) Peter Schlemmer aus dem Bereich Ausbau & Betrieb Fernwärme der Energie Graz GmbH & Co KG Welche Rolle spielt die Flächenverfügbarkeit für die Realisierung von Solarthermie-Projekten in der Stadt Graz? Peter Schlemmer: „Eine wesentliche! Gleichzeitig stehen insbesondere im dicht besiedelten Stadtgebiet verfügbare und geeignete Grünflächen im ständigen Konflikt zum Bebauungsplan oder gelten als besonders erhaltenswert im Sinne der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes. Die Stadt Graz als stark wachsender Ballungsraum hat sich in der Beziehung mit der Erstellung des 4.0 Stadtentwicklungskonzeptes und der darin enthaltenen Grünraum-Offensive besonders hohe Ziele gesetzt. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, für die Errichtung von Solarthermieanlagen im Stadtgebiet vorrangig bereits verbaute Flächen sowie ökologisch und ökonomisch nicht oder nur schwer erschließbare Flächen heranzuziehen, wie es beispielsweise auf Dächern oder Altdeponien der Fall ist.“ Warum ist die Nutzung der ehemaligen Hausmülldeponie als Fläche für das Kollektorfeld sinnvoll? Peter Schlemmer: „Die ehemalige Hausmülldeponie kann aufgrund ihrer bodenmechanischen Zusammensetzung nicht als Bebauungsgebiet bzw. zur Erschließung eines ökologisch wertvollen Naherholungsgebietes oder landwirtschaftlich genutzt werden. Damit das großflächige Gebiet, welches über Jahre mit verschiedensten Problemstoffen gefüllt und anschließend ordnungsgemäß versiegelt wurde, genutzt werden kann, ist die Errichtung einer Solarthermieanlage definitiv sinnvoll.“ Gibt es ernstzunehmende Nutzungskonkurrenzen für ehemalige Deponieflächen oder andere Risikofaktoren technischer oder genehmigungsrechtlicher Art, die weiteren Projekten dieser Art im Weg stehen könnten? Peter Schlemmer: „Eigentlich nicht. Auf der Deponiefläche können aufgrund der Bodenstruktur nur „leichte“ Bauwerke bis zu einer gewissen Maximallast errichtet werden, welche von den Solarkollektoren nicht überschritten wird. Auch die Einrichtung von Grünflächen zur landwirtschaftlichen Nutzung oder als Naherholungsgebiet bzw. ökologische Ausgleichsfläche macht aufgrund der problematischen Zusammensetzung des Untergrundes keinen Sinn.“

2023-03-22T11:50:52+01:00Dienstag, 1. September, 2020|

Solarthermie Systematische Risikoabschätzung als Entscheidungshilfe für Investoren

Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 8 www.solare-waermenetze.de Die Energiewende wird ohne eine Wärmewende nicht zu leisten sein. Soll das Ziel der Bundesregierung, bis 2050 einen „nahezu klimaneutralen Gebäudebestand“ zu haben, auch nur ansatzweise erreicht werden, führt an einem massiven Ausbau der erneuerbaren Wärmeversorgung kein Weg vorbei. Neben vielen Einzelmaßnahmen sind dafür auch Großprojekte unverzichtbar – vornehmlich im Bereich der solarthermisch unterstützten Fernwärme sowie Solarthermie-Anlagen zur Nah-Versorgung von Häuserensembles und Quartieren. DER MARKT WÄCHST UND WIRD PROFESSIONELLER Die Solarthermie hat zuweilen immer noch den Ruf einer Nischentechnologie, dabei ist der Weg zur Marktreife längst beschritten. Eingesetzt wird sie bereits seit Mitte der 1990er Jahre. Heutzutage gilt sie als ausgereift und effizient, so dass neben den unbestrittenen ökologischen Vorteilen zunehmend auch rein marktwirtschaftliche Argumente für Investitionen in solarthermische Anlagen sprechen. Als ein wichtiger Markttrend ist dabei zu beobachten, dass immer mehr Stadtwerke und Versorger in die Technologie investieren und Solarthermie in städtische Fernwärmenetze einbinden. Unterstützt wird dies von einer guten Fördersituation und von dem immer breiter werdenden Angebot. STRUKTURIERTES RISIKOMANAGEMENT Mit steigender Projektanzahl und -größe wächst auch der Bedarf an Finanzierung. Insbesondere wenn zusätzlich zur solarthermischen Großanlage der Bau von Speichern oder Wärmenetzen geplant ist, handelt es sich um sehr kapitalintensive Investitionen. Da auf breiter Basis nach wie vor Erfahrungen aus der Praxis fehlen, sind Finanzierungsfragen rund um die Solarthermie für viele Beteiligte noch unscharf und unsicher. Für ein tragfähiges Finanzierungskonzept ist daher eine professionelle Beurteilung der Risiken unabdingbar – denn die können je nach Projekt vielfältig sein. Relevant ist ein transparentes Risikomanagement für eine große und diverse Zielgruppe von Investoren, Kreditgebern, Banken und Versicherungen über Projektentwickler, Betreiber und gegebenenfalls auch Endkunden bis hin zu politischen Entscheidungsträgern. Große Solarthermie-Anlagen können einen wichtigen Beitrag zum Ausbau erneuerbarer Wärme leisten. Neben der rein technischen Leistung kommt es dabei vor allem auf die Wirtschaftlichkeit an. Diese seriös einschätzen zu können, ist für Kreditgeber und Projektentwickler ein Schlüsselfaktor bei der Investitionsentscheidung. Hierbei helfen eine systematische Betrachtung und Bewertung der Risiken. Solarthermie: Systematische Risikoabschätzung als Entscheidungshilfe für Investoren VORTEILE GROSSFLÄCHIGER emissionsfrei und echt erneuerbar ausgereift und marktverfügbar Leistungsbereich bis größer 100 MW mehr als 50 % des Wärmebedarfs können solar gedeckt werden langfristige Planungssicherheit bezüglich der Wärmegestehungskosten einfacher technischer Betrieb neue Chancen zur Erreichung kommunaler Klimaschutzziele SOLARTHERMIE Um sich einer Bewertung strukturiert und möglichst neutral zu nähern, ist es sinnvoll, die Risiken zunächst zu klassifizieren und thematisch zu gruppieren. Dafür bietet sich die Unterteilung in folgende fünf Kategorien an: technisch – wirtschaftlich – politisch/planerisch – vertraglich – sozial/umweltbezogen. Im nächsten Schritt werden die Risiken konkret definiert und Ansätzen zur Minimierung gegenübergestellt. Das können bereits vorhandene Argumente sein, die das Risiko abschwächen oder gar entkräften. Alternativ werden Strategien und Maßnahmen entwickelt, um das Risiko so weit wie möglich zu minimieren. Ist keine Lösung zu finden, ist auch dies eine wichtige Erkenntnis für das weitere Vorgehen. Auf Basis einer solchen Auflistung bzw. Gegenüberstellung kann bereits eine erste Risikoanalyse und somit -bewertung erfolgen. BEISPIEL 1: HOHE INVESTITIONSKOSTEN ALS WIRTSCHAFTLICHES RISIKO? Im Gegensatz zu den bekannten und daher eingespielten Prozessen bei Investitionen in fossile Erzeugung folgen erneuerbare Anlagen einem anderen Geschäftsmodell. Die Anlagen selbst sowie Speicher bzw. Wärmenetze gehen zunächst grundsätzlich mit großen Investitionsvolumina einher. Betrachtet man aber die Kosten für Brennstoff, Wartung und Betrieb, so zeigen sich deutliche Kostenvorteile und Planungssicherheiten gegenüber fossil betriebenen Anlagen. Auch im Fall der solaren Wärmeerzeugung fallen die wesentlichen Kosten bei der Anschaffung an, die operativen Kosten sind hingegen in der Betriebsphase sehr gering. Brennstoffe werden nicht benötigt. Dieser Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 8 technisch Reifegrad der Technologie Materialermüdung Ausfall-Wahrscheinlichkeit Maximum der unproduktiven Zeiten wirtschaftlich Mengenrisiken durch Änderung der netzseitigen Wärmeabnahme Wetterrisiken (Abweichungen von der durchschnittlichen Sonneneinstrahlung, Unwetter) Vandalismus Finanzierungsrisiken (Bonität des Eigenkapitals, Zinsänderung, etc.) Risiken beim Bau wie Verzögerung oder Ausfall eines Herstellers/Dienstleisters Risiken während des Betriebs wie Ausfall von Komponenten oder Konkurs des Betreibers/Auftragnehmers politisch/planerisch Klimapolitik Steuerpolitik Flächenbereitstellung und Genehmigung Position der politischen Entscheidungsträger und Meinungsführer vertraglich Miet- und Pachtverträge Wärmelieferverträge mit Endkunden Abnahmevereinbarungen mit Netzbetreibern/Wärmelieferanten Dienstleistungsverträge Kreditverträge sozial/umweltbezogen Allgemeine politische „Stimmungslage“ Integration im Zusammenhang mit den Interessengruppen (öffentliche Einrichtungen, lokale Politik, Kunden usw.) Dynamik der Sozial- und Einkommensstrukturen Auswirkungen auf Umwelt/Landschaft ÜBERSICHT MÖGLICHER RISIKEN (AUSWAHL) Quelle: HAMBURG INSTITUT Aspekt der langfristigen Kostensicherheit dürfte sich angesichts des durch die CO2-Abgabe zu erwartenden Preisanstiegs für fossile Energieträger künftig umso mehr auszahlen. Zudem werden, ähnlich wie bei Photovoltaik- und Windkraftanlagen, mit zunehmender Marktausweitung perspektivisch auch die Preise für die Anlagentechnik sinken. FÖRDERMITTEL Um das wirtschaftliche Risiko zu managen, sollten sich die Projektbeteiligten darüber hinaus unbedingt frühzeitig mit dem Thema Förderung befassen. Interessant ist derzeit insbesondere das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) initiierte Marktanreizprogramm (MAP)1 zur Förderung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt. Hier kann zwischen einem KfW-Förderdarlehen mit attraktiven Tilgungszuschüssen oder direkten Investitionszuschüssen über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gewählt werden. Für große Solarthermieprojekte gegebenenfalls mit Wärmespeicher und/oder Wärmenetzen kommen die KfW-Programme 271, 281 „Erneuerbare Energien – Premium“2 oder auch eine Förderung über das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) in Frage. BEISPIEL 2: FLÄCHENKONFLIKTE ALS SOZIALES RISIKO? Bei der Planung solarthermischer Großanlagen gibt es potenzielle Hürden in sozialen, gesellschaftlichen sowie umweltbezogenen Bereichen. Trotz der im Vergleich sehr hohen Flächeneffizienz der Solarthermie gegenüber anderen Wärmeerzeugungsoptionen (wie etwa Bioenergie), können bei der Projektentwicklung Konflikte bei der Flächenbereitstellung entstehen. Gerade im urbanen Bereich sind Freiflächen nur begrenzt verfügbar, entsprechend vielfältig sind die Ansprüche auf deren Nutzung, etwa für Wohnraum. Bereits realisierte Projekte zeigen, dass hier durchaus kreative Lösungen möglich sind. Als Beispiel sei die Nutzung ehemaliger Deponieflächen genannt: Aufgrund von Altlasten weder für Wohnungsbau noch für Landwirtschaft geeignet, kann die Solarthermie solche Brachflächen sinnvoll aufwerten. LOKALE AKTEURE FRÜHZEITIG EINBEZIEHEN Auch Umweltaspekte wie der Schutz bestimmter Tierarten können einer reibungslosen Umsetzung entgegenstehen. Umso wichtiger ist daher, das Gelände vorab einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Mit einem ökologischen Flächenkonzept kann es jedoch gut gelingen, mit dem Bau der Anlage die Biodiversität gegenüber dem ursprünglichen Zustand zu erhöhen. Grundsätzlich gilt: Eine transparente Planung sowie das frühzeitige Einbeziehen der lokalen Bevölkerung und Politik sind elementar, um soziale und umweltbezogene Risiken zu minimieren. Zur Steigerung der Akzeptanz und der Identifikation mit dem Projekt vor Ort können auch finanzielle Bürgerbeteiligungen oder Energiegenossenschaften als Betreibermodell in Betracht gezogen werden. 1https://www.erneuerbare-energien.de/EE/Navigation/DE/Foerderung/ Marktanreizprogramm/marktanreizprogramm.html 2https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/ Energie-Umwelt/Finanzierungsangebote/Erneuerbare-Energien- Premium-(271-281)/#4 www.solare-waermenetze.de FAZIT Eine zukunftsfähige Wärmeversorgung auf erneuerbarer Basis, niedrige Wärmepreise bei hohen CO2-Einsparungen, geringe operative Kosten – die Vorteile großer Solarthermie-Anlagen liegen auf der Hand. Die Frage nach der Finanzierung stellt sich hingegen komplexer dar. Vor der Investition in die Anlage lohnt es sich in jedem Fall, in eine professionelle Risikoanalyse zu investieren. Durch die Übersicht von Risikodefinition und Minimierungsstrategien entsteht eine hilfreiche Grundlage, um die beteiligten Akteure zu überzeugen und das Vertrauen in Großprojekte zur Ökologisierung der Heizsysteme zu stärken. Ein Patentrezept kann es hierbei jedoch nicht geben. Vielmehr ist eine differenzierte Betrachtung notwendig, denn durch die jeweils individuellen Parameter wie geografische Lage, Modellauswahl, Beteiligungsstruktur etc. hat jedes Projekt seine ganz eigenen Risiken. Dennoch werden mit jeder realisierten Anlage der Erfahrungsschatz und die Sicherheit auf allen Seiten größer – im Sinne der Wärme- und damit auch der Energiewende. Gefördert durch: www.solare-waermenetze.de Energiekommune IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen von Solnet 4.0, einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Vorhaben zur Marktbereitung für solare Wärmenetze. Die Projektpartner sind das Steinbeis Forschungsinstitut Solites, der Fernwärmeverband AGFW, das Hamburg Institut sowie die Herausgeber der Zeitschrift Energiekommune. Herausgeber: HIR Hamburg Institut Research gGmbH Redaktion: Dr. Matthias Sandrock, Philippa Kreis Fotos: Dr. Matthias Sandrock Veröffentlichung: Juli 2020 Haftungsausschluss: Das dieser Publikation zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter dem Förderkennzeichen 03EGB0002A gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieses Dokuments liegt bei den AutorInnen. Weder der Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 8 Im Gespräch: Michael Seeger und Ute Mann aus dem Fachbereich Erneuerbare Energien der DKB Deutsche Kredit Bank AG Wie gehen Sie als Bank grundsätzlich an eine Finanzierungsanfrage für eine große Solarthermieanlage heran? Michael Seeger: „Seit Mitte der 1990er Jahre begleiten wir Finanzierungen im Bereich der Erneuerbaren Energien, wir haben uns mit der Branche entwickelt und standardisierte Projektfinanzierungen etabliert. Mit einem Kreditvolumen von rund 11 Mrd. Euro – hauptsächlich im Stromsektor – sind wir der größte Finanzierer erneuerbarer Energien in Deutschland. Unser Engagement wollen wir weiter ausbauen und investieren deswegen auch in Wärmeprojekte und Sektorenkopplung. Die Solarthermie stellt dabei ein noch relativ neues Feld für uns dar. Im Vergleich zu Stromprojekten spielen bei Wärmevorhaben deutlich mehr Faktoren eine Rolle: vielfältigere Konzepte, mehr Akteure (Abnehmer wie Erzeuger) sowie andere Technologien. Hierfür entwickeln wir aktuell passende Finanzierungsansätze, die den Besonderheiten der Projekte gerecht werden. Diese aufzusetzen und neue Standards zu definieren, ist ein spannender Prozess, in dem wir uns aktuell befinden. Dabei hilft uns die langjährige Erfahrung im Strombereich.“ Was sind dabei zentrale Fragestellungen? Ute Mann: „Bei der Beurteilung aller Anfragen – egal ob aus dem Strom-, Wärmeoder einem anderen Bereich – verfolgen wir neben der rein cashflow-basierten Betrachtungsweise auf Einzelprojektebene einen konzeptbasierten Ansatz. Dazu nehmen wir die Akteure mit ihrem Unternehmenskonzept und die Unternehmensstrategie ganzheitlich in den Blick. Die Konzeptanalyse ist die wesentliche Grundlage unserer Kreditentscheidung. Wir schauen auf die Projektdetails mit ihren wichtigsten Risikotreibern, nehmen eine Plausibilisierung der technologie- und verfahrensspezifischen Annahmen vor und setzen uns mit den wesentlichen vertraglichen, gesetzlichen und regulatorischen Grundlagen auseinander. Wir befassen uns intensiv mit den betriebswirtschaftlichen Planungsrechnungen und Sensitivitätsanalysen, aber auch mit den Akteuren sowie deren Expertise im technischen und kaufmännischen Bereich. Schlussendlich geht es bei alldem um die Frage, wie eine Rentabilität aus dem Projekt darzustellen ist.“ Michael Seeger: „Ganz entscheidend ist für uns natürlich die Technologie. Mit unseren hauseigenen Ingenieuren betrachten wir die Anlagen-Konfiguration und bewerten die technologische Machbarkeit sowie eventuelle Risiken. Ab bestimmten Anlagengrößen ziehen wir auch externe Expertise hinzu. So benötigen wir bei einer Solarthermieanlage im Megawattbereich Ertragsgutachten für einen belastbaren Nachweis, welche Erlöse aus dem Vorhaben generiert werden können.“ Wie gehen Sie mit unterschiedlichen Eigentümerstrukturen um? Ute Mann: „Es kann einen großen Unterschied machen, ob die Finanzierung beispielsweise mit einem Wohnungswirtschaftsunternehmen im Hintergrund oder in einem kommunalen/öffentlichen Kontext erfolgt – Stichwort Bonität. Das heißt aber nicht, dass dies andere Strukturen wie Energiegenossenschaften ausschließt. Im Gegenteil: Wir haben uns früh mit Bürgerbeteiligungsmodellen beschäftigt und in der Vergangenheit bereits entsprechende Finanzierungslösungen entwickelt. Teilhabe ist aus unserer Sicht unverzichtbar für die Energiewende. Im Zuge der Risikobetrachtung kann es hierbei allerdings schon zu höheren Anforderungen kommen, etwa in Bezug auf Laufzeiten oder Eigenkapitalanteile.“ Was erwarten Sie im Hinblick auf die Zinsentwicklung? Ute Mann: „Die Zinsentwicklung ist immer eng an die Marktentwicklung geknüpft. Wir erwarten, dass Projekte im Bereich erneuerbare Wärme weiter zunehmen – insbesondere auch im Zusammenhang mit Sektorenkopplung. Je größer der Markt wird, desto besser werden auch die Konditionen – auch weil Prozesse standardisiert werden. Bei PV- und Windprojekten haben wir diesen positiven Effekt auf die Finanzierungskosten bereits gesehen.“ „Neue Finanzierungsansätze erforderlich“

2023-03-22T11:50:52+01:00Dienstag, 1. September, 2020|

Solarthermieanlage als Biotop – Solarnutzung von Flächen sollte ökologischen Mehrwert bringen

Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 6 www.solare-waermenetze.de 146 Arten von Nachtfaltern hat Andreas Engl jüngst bei einer wissenschaftlichen Erhebung in seinem Solarpark gezählt und 81 Spinnenarten. Die beeindruckenden Zahlen zeigen, dass Naturschutz und Energiewende gerade bei Freiflächen-Solaranlagen Hand in Hand gehen können. Von Anfang an hat Engl, der Geschäftsführer der Regionalwerke GmbH aus Bodenkirchen ist, sich bei dem 2012 errichteten Solarpark um eine Förderung der Tier- und Pflanzenwelt bemüht. Damit von den Erfahrungen, die hier und in etlichen anderen Solarprojekten inzwischen gemacht worden sind, auch weitere Anlagenbetreiber profitieren können, entwickeln die Regionalwerke mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und wissenschaftlicher Expertise der Hochschule Weihenstephan und des Münchener Planungsbüros UmweltConsult ein Auditsystem. Zwar soll es letztlich dazu dienen, Naturschutzbemühungen von Betreibern photovoltaischer Freiflächen-Solaranlagen auf dem Ökostrommarkt monetarisierbar zu machen, allerdings lassen sich alle Erfahrungen die in Sachen Natur- und Artenschutz mittlerweile im Strombereich gemacht wurden, auf solarthermische Freiflächenanlagen für Wärmenetze übertragen. In einer ganzen Reihe von Studien wurden bereits die Bedingungen identifiziert, unter denen sich Flora und Fauna innerhalb solcher Flächen besonders gut entwickeln können (siehe Kasten Seite 2). NATURRAUM ALS KONTEXT Wenn eine zuvor landwirtschaftlich genutzte Fläche durch den Bau eines Solarparks der intensiven Bewirtschaftung über Jahrzehnte entzogen wird, dann solle sich das ökologische Entwicklungkonzept immer am Kontext des jeweiligen Landschaftsraumes orientieren, erläutert Engl. Aus dem, was vor Ort gedeihen würde, wenn der natürliche Reichtum an Arten nicht durch Intensivlandwirtschaft verarmt wäre, ergebe sich eine „geeignete Zielartenentwicklung“ für die Tier und Pflanzenwelt. Für die Bestimmung des natürlichen Landschaftsraumes soll innerhalb des DBU-Projektes ein Geografisches Informationssystem (GIS) entwickelt werden. SCHWIERIGE FLÄCHENSUCHE Während an geeigneten Flächen für die Photovoltaik innerhalb der durch das Erneuerbare- Energien-Gesetz vorgegebenen Flächenkulisse eine relativ breite Auswahl besteht, fällt diese bei Solarthermieanlagen oft wesentlich schwerer. Denn der Abstand zu den zu versorgenden Siedlungsstrukturen entscheidet wesentlich über die Wirtschaftlichkeit einer Solarthermie- Einbindung in das Fernwärmenetz. So prüften die Stadtwerke Radolfzell im Rahmen der Machbarkeitsstudie für ihr solares Wärmenetz im Ortsteil Liggeringen rund 20 verschiedene Standorte am Rande des Dorfes. Zumal ringsum Landschaftsschutzgebiet ist, war das keine einfache Angelegenheit. Einfach erscheint es hingegen auf den ersten Blick dort, wo, wie beispielsweise bei den großen Megawatt-Solarthermieanlagen der Stadtwerke Senftenberg, Potsdam und Ludwigsburg/ Kornwestheim, ehemalige Deponien und ähnliche Konversionsflächen zur Aufstellung der Kollektoren genutzt werden können. Doch gerade dort, wo die menschliche Nutzung Freiflächen-Solaranlagen können sich zu artenreichen Biotopen entwickeln. Allenfalls extensiv genutzt bieten die Flächen zwischen den Kollektorreihen Entwicklungsmöglichkeiten für eine vielfältige Flora und Fauna, wie sie in der Agrarlandschaft selten geworden sind. Der Doppelnutzen für Klima- und Naturschutz sollte allerdings gezielt gefördert werden. Solarthermieanlage als Biotop Solarnutzung von Flächen sollte ökologischen Mehrwert bringen Foto: Jörg Dürr-Pucher einige Jahre oder Jahrzehnte ruhte, haben sich mitunter bereits neue Biotope gebildet. So mussten die Stadtwerke Ludwigsburg/ Kornwestheim vor dem Bau ihres Solarfeldes mit 14.800 Quadratmetern Kollektorfläche zunächst eine Population streng geschützter Zaun- und Mauereidechsen umsiedeln, die sich zwischen Bauschuttresten wohlfühlten. Inzwischen scheinen die Reptilien die für sie 2019 neu eingerichteten künstlichen Habitate am Rand des Kollektorfeldes angenommen zu haben. Wie hier Energiewende und Naturschutz eine Verbindung eingehen, das soll interessierten Bürgerinnen und Bürgern künftig auf einem Lehrpfad erklärt werden, der entlang der Kollektoren eingerichtet wird. SONNE ZWISCHEN KOLLEKTOREN Einen großen Nachteil hat das Ludwigsburger Kollektorfeld allerdings aus Sicht von Naturschützern: Da die Anlage für den Sommerbedarf des Fernwärmenetzes optimiert wurde, also auf hohen Sonnenstand, stehen die Kollektorreihen sehr eng. Dazwischen bleibt nur relativ wenig Platz für Grün, und es erreicht auch nur wenig direkte Solarstrahlung die Vegetation. Das jedoch konnte in empirischen Untersuchungen inzwischen klar belegt werden: Je mehr Abstand zwischen den Kollektor-Reihen, desto größer die Artenvielfalt. Diese schließt übrigens eine landwirtschaftliche Nutzung durch Mähen oder Schafsbeweidung keineswegs aus – im Gegenteil. Allerdings sollte der Mahtzeitpunkt auf die Bedürfnisse von Bodenbrütern abgestimmt werden. Und was die Schafe angeht, so steht Wanderschäferei bei Naturschützern weit höher im Kurs als eine dauerhafte Beweidung. Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 6 WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN Handlungsleitfaden Freiflächen-Solaranlagen, Herausgeber: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden- Württtemberg, Stuttgart 2019. Hamburg-Institut: Innovative Lösungen zur Flächenbereitstellung für solarthermische Großanlagen, Hamburg 2019. Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne): Solarparks – Gewinne für die Biodiversität, Berlin 2019 Bundesamt für Naturschutz, Stefan Heiland (Hg.): Photovoltaik-Freiflächenanlagen – Planung und Installation mit Mehrwert für den Naturschutz. Heft 6 der Reihe: „Klima- und Naturschutz Hand in Hand. Ein Handbuch für Kommunen, Regionen, Klimaschutzbeauftragte, Energie-, Stadt- und Landschaftsplanungsbüros“ Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE): Information, Beratung und Moderation. www.naturschutz-energiewende.de Foto: Bruno Lorinser Foto: Guido Bröer www.solare-waermenetze.de Dr. Elke Bruns ist Abteilungsleiterin im Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE). Das gemeinnützige Zentrum berät, klärt und moderiert, wenn es bei energiewendebedingten Eingriffen in den Naturhaushalt und das Landschaftsbild zu Konflikten kommt. Die promovierte Umweltplanerin spricht sich im Interview für zusätzliche Instrumente aus, um ökologische Mehrwerte von Solar-Freiflächenanlagen anzureizen. Sind Freiflächen-Solaranlagen automatisch ein Gewinn für die Artenvielfalt? Wenn die Fläche zuvor ein intensiv genutzter Acker war, kann man wohl regelmäßig davon ausgehen, dass die ökologischen Funktionen des Naturhaushaltes eine Aufwertung erfahren. In der Regel findet ja auf einer Freiflächen-Solaranlage keine intensive landwirtschaftliche Nutzung mehr statt. Es werden also keine Nährstoffe und Schadstoffe mehr eingetragen und der Boden wird auch nicht mehr regelmäßig gewendet und bearbeitet – es kann sich eine dauerhafte Bodenbedeckung entwickeln, was auch Erosion verhindert. Wie groß dieser ökologische Vorteil ist, ist allerdings danach zu beurteilen, welchen Ausgangszustand die Fläche zuvor hatte. Wenn zum Beispiel auf der Fläche selbst und in der Umgebung der Boden stark aufgedüngt und alles weggespritzt wurde, muss man schon Initial- und Pflegemaßnahmen durchführen, damit sich für den Naturschutz interessante Arten einstellen. Sollte zu jeder Solar-Freiflächenanlage ein ökologisches Begleitkonzept gehören? Auf jeden Fall. Das fängt bereits mit der Standortwahl an und geht über ein Pflegekonzept für die Fläche bis hin zur gezielten Anlage von Biotopstrukturen und Habitaten, mit denen man den Beitrag zur Artenvielfalt optimieren kann. Bei der Solarthermie ist aber die Auswahl schwieriger als bei PV. Die Anlagen machen nur in der Nähe von Siedlungen Sinn. Bei der Solarthermie gibt es weniger Wahlmöglichkeiten. Da kann man im Hinblick auf die mögliche Aufwertung nur vergleichen, welche der siedlungsnahen Standorte das relativ höchste Entwicklungspotenzial haben. Kann man denn ansonsten die Erfahrungen, die aus Sicht des Naturschutzes bei Photovoltaikanlagen gemacht wurden, eins zu eins auf Solarthermie-Flächen übertragen? Die Auswirkungen des Anlagentyps sind vergleichbar, was Aufstellung der Module oder die Effekte auf den Wasserhaushalt der Fläche betrifft. Ich nehme auch an, dass die baubedingten Auswirkungen ähnlich sein werden. Gibt es aus Sicht des Naturschutzes genug Instrumente, um aus Solar-Freiflächenanlagen das Optimum für die Ökologie herauszuholen? Ja, die gibt es. So ist bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die Eingriffsregelung anzuwenden. Es ist ein Umweltbericht zu erarbeiten, in dem darzulegen ist, wie Beeinträchtigungen auf der Fläche ausgeglichen werden können. In vielen Fällen kann ein solcher Ausgleich auf derselben Fläche erreicht werden. Um aber einen ökologischen Mehrwert zu gewinnen, dafür bedürfte es zusätzlicher Anreize. Denn für den Naturschutz wird es interessant, wo über den rechtlich gebotenen Ausgleich hinaus wertvolle Habitate oder auch bestimmte Zielarten gefördert werden. Das zu erreichen, wäre auch aus Imagegründen eine wichtige Sache, um Vorbehalte gegenüber Solar-Freiflächenanlagen abzubauen. Diese zusätzlichen Instrumente sind entwicklungsbedürftig. Da muss noch einiges geschehen. Woran denken Sie konkret? Zum einen gäbe es die Möglichkeit auf der Fläche selbst Ökopunkte zu erwirtschaften. Der Anlagenbetreiber könnte also zusätzliche Aufwertungsmaßnahmen ergreifen, die er sich gutschreiben lassen kann und dann in Aufrechnung gegenüber anderen Eingriffen in einer Kommune refinanziert bekommt. Es gibt aber auch noch andere Ideen, dass sich Betreiber einer Art Ökoaudit für ein Gütesiegel unterziehen. Dafür wären Kriterien zu entwickeln, die ein Solarpark erfüllen müsste, damit die dort erzeugte Energie besonders honoriert wird und teurer verkauft werden kann. Wir halten die Idee eines solchen Audits und den damit verbundenen Vermarktungsgedanken für sehr interessant. Welche Rolle kann Naturschutz für die Akzeptanz von Solar-Freiflächen spielen? Natur- und Artenschutz kann dazu beitragen, dass diese Anlagen ein besseres Image bekommen. Für die Anwohner steht aber die Veränderung des Landschaftsbildes durch eine große technische Anlage im Vordergrund. Es muss also für den Naturschutz schon einiges in die Waagschale geworfen werden, um davon zu überzeugen, dass diese Veränderung tatsächlich auch zu etwas Gutem führen kann. Vorteilhaft ist es, wenn die Aufwertung auch sichtbar ist und wenn etwa durch Informationstafeln oder Führungen deutlich gemacht wird, warum auf diesen Flächen die Nutzung erneuerbarer Energie und Naturschutzziele besonders gut verknüpft werden können. Elke Bruns, KNE: „Es geht um den ökologischen Mehrwert“ Foto: privat Gefördert durch: www.solare-waermenetze.de Energiekommune IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen von Solnet 4.0, einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Vorhaben zur Marktbereitung für solare Wärmenetze. Die Projektpartner sind das Steinbeis Forschungsinstitut Solites, der Fernwärmeverband AGFW, das Hamburg Institut sowie die Herausgeber der Zeitschrift Energiekommune. Herausgeber: Steinbeis Innovation gGmbH vertreten durch Steinbeis Forschungsinstitut Solites (www.solites.de) Redaktion: Guido Bröer, Guido Bröer & Andreas Witt GbR Veröffentlichung: Juli 2020 Haftungsausschluss: Das dieser Publikation zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter dem Förderkennzeichen 03EGB0002A gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieses Dokuments liegt bei den AutorInnen. Weder der Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Die Stadtwerke Crailsheim betreiben seit 2011 eine der größten Solarthermie-Anlagen Deutschlands. Ein Teil der Kollektorfelder für das Fernwärmenetz im Siedlungsgebiet Hirtenwiesen II ist auf einem Lärmschutzwall montiert. Dank eines ausgeklügelten Konzeptes haben sich rund um die Kollektoren artenreiche Habitate entwickelt. Zunächst sah die Planung nur einen hohen, geschwungenen Lärmschutzwall vor, der das neue Wohngebiet Hirtenwiesen II von einem Gewerbeareal trennen sollte. Am Hang des Damms wurden große Solarkollektoren für das Fernwärmenetz mit einem saisonalen Wärmespeicher montiert. Daraus entstand die Idee für ein ökologisches Leuchtturmprojekt. Der im Kern aus Bauschutt bestehende Damm wurde oberflächlich mit geeigneten Bodenmaterialien abgedeckt, so dass dort Magerwiesen und Trockenrasenflächen angelegt werden konnten. Diese haben sich in wenigen Jahren zu artenreichen Blühflächen mit licht- und wärmeliebenden Pflanzenarten entwickelt. Viele, teils seltene Insektenarten finden dort Nahrung. Die wiederum ziehen vielfältige Vogelarten wie den seltenen Neuntöter an, die hier Brutplätze finden. Und auch Reptilien wie die Zauneidechse nehmen die für sie in Form von Steinhaufen bereitgestellten Biotope an. RUHE IM BIOTOP Innerhalb des Gebietes ist es ruhig. Außer durch die Mitarbeiter der Stadtwerke und Helfer des örtlichen Naturschutzbundes, die ein- bis zweimal pro Jahr fachgerecht die Flächen rund um die Kollektoren pflegen, werden Flora und Fauna nicht gestört. Das 2,5 Hektar große Gebiet ist mit einem unscheinbaren Elektrozaun vor unbefugten Besuchern geschützt. Nur 19 Prozent dieser überplanten und eingezäunten Fläche nehmen die Solarmodule ein. Das ist zwar mit typischen, kostenoptimierten Solarparks nicht zu vergleichen. Aber es zeigt, wie trotz Doppelnutzung (Energiegewinnung, Lärmschutz) bei gezielter Planung zugleich auch für den Naturschutz ein großer Gewinn erzielt werden kann. In unzähligen Führungen, mit Schautafeln, einer Aussichtsplattform und einer Broschüre wird dieser Ansatz neben der Fachwelt auch einer breiten Öffentlichkeit vermittelt. Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 6 Best Practice: Der solare Natur- und Lärmschutzwall in Crailsheim Foto: Guido Bröer Foto: Guido Bröer

2023-03-22T11:50:52+01:00Samstag, 1. August, 2020|

Genossen ernten Solarwärme

12 Energiekommune 7/2020 Von 860 Energiegenossenschaften, die es laut Zahlen des Deutschen Genossenschaftsund Raiffeisenverbandes (DGRV) in Deutschland gibt, befassen sich derzeit 164 mit Wärmeversorgung. Als Hauptwärmequelle dient bei zwei Dritteln von ihnen eine Biogasanlage, bei 30 Prozent ein Holzhackschnitzelkessel. Nur zwei von diesen Wärmegenossenschaften betreiben auch eine Solarthermieanlage, um in ihrem Dorf im Som - mer Energie vom Himmel zu ernten: die Bürger GemeindeWerke Breklum eG in Nordfriesland und die Bioenergiegenossenschaft Mengsberg in Hessen. die nächsten Ausbaustufen Die Breklumer Energiegenossen, die ihr Netz mit 60 Anschlüssen im Ortskern bereits im Jahr 2018 ans Laufen gebracht haben, wollen jetzt in die näch ste Dimension vorstoßen. Nach drei Monaten Verschiebung wegen der Corona-Pande mie erläuterten sie Ende Juni in einer Dorfversammlung die Pläne für einen zweiten und dritten Bauabschnitt, mit dem 220 weitere Gebäude an das Wärmenetz angeschlos - sen werden könnten. Genaueres soll eine Machbarkeitsstudie klären, die jetzt vom Bürgerenergiefonds des Landes Schleswig-Holstein gefördert wer - den soll. Parallel hat die Genossenschaft bereits etliche Interessensbekundun - gen bei anschluss willi gen Hausbesit - zern eingeholt. Das ist die kritische Phase jedes dörflichen Wärmenetzprojektes, ob genossenschaftlich oder anders orga ni - siert. Es geht um Überzeugungs ar beit, Klinkenputzen ist angesagt. Denn da alle Projekte auf Freiwilligkeit setzen, kommt es entscheidend darauf an, wie viele Hausbesitzer sich anschließen lassen. Von der Anschlussdichte hängt schließlich die Wirtschaftlichkeit des Projektes ab. Oder anders gesagt: Je mehr mitmachen, desto günstiger wird es für den einzelnen Teilnehmer. In Breklum muss die Überzeugungsarbeit zumindest nicht mehr bei null anfangen, denn dass und wie es technisch funktioniert, gehört ja durch den ersten Bauabschnitt im Ort bereits zum Allgemeinwissen. Und die Genossenschaft hat einen weiteren Trumpf im Ärmel. In den neuen Bauabschnitten mit überwiegender Einfamilienhaus- Bebauung gibt es nämlich bereits seit Jahren zahlreiche Mitglie der, obwohl weder ein Fernwärmerohr in der Straße liegt noch eine konkrete Planung überhaupt begonnen hatte. Denn Mitglied in der Genossenschaft kann jede Breklumerin und jeder Breklumer werden, unabhängig von einem Wärmenetzanschluss. Mit 100 Euro Mindestanteil ist man dabei und hat bei Entscheidungen das gleiche Stimm recht wie ein Haus - be sitzer, der meh rere Gebäude anschließt und deshalb et liche tausend Euro Einlage beigesteuert hat. Für Heiko Hansen, einen der beiden Genossenschaftsvorstände der Bürger GemeindeWerke Breklum eG, liegt hierin der große Vorteil der genossenschaftlichen Organisationsform: „Von der Genossenschaft als Form bin ich absolut überzeugt, weil jeder mit einem kleinen Anteil Mitglied werden kann. Dadurch wird es zum Projekt des gan - zen Dorfes.“ die fairste form der Beteiligung So sieht das auch Michael Rudewig aus Mengsberg. Er ist dort, wie Hansen in Breklum, derjenige, der sich vor Ort um die kaufmännischen Fragen der Genossenschaft kümmert: „Die Genossen - schaft ist die fairste Form der direkten Bürgerbeteiligung“, sagt Rudewig. Und dazu zähle auch, dass finanzielle Risiken und mögliche Gewinne von allen ge - teilt würden: „Sollten wir zum Beispiel am Ende des Jahres Geld übrig haben, können wir als Genossenschaft ganz einfach eine Rückvergütung vorneh - men – in anderen Betriebsfor men ist das nicht so leicht möglich.“ Der Betrieb von Wärmenetzen kann auch von einer Genossenschaft übernommen werden. Die ersten zwei von diesen nutzen nun auch große Solarthermie-Anlagen. Damit es klappt, sind ehrenamtliches Engagement und Professionalität erforderlich. Genossen ernten Solarwärme Foto: Guido Bröer v 13 Solare Wärmenetze Energiekommune 7/2020 In Mengsberg würden alle in so einem Fall profitieren, weil hier im Gegensatz zu Breklum die eG-Mitglied schaft unmittelbar mit dem Hausanschluss verbunden ist. Jedes Genossenschaftsmitglied zahlt pro An schluss 4000 Euro als Einlage und erhält dafür die Fernwärmeleitung samt Übergabestation ohne weitere An schluss gebüh ren ins Haus gelegt. heiße diskussionen Aktuell sind Überschüsse in Mengsberg allerdings kein Thema. Zwar können günstige Brennstoffkosten hier für lange Zeit als gesichert gelten, da der Solarwärmeanteil von 17 Prozent aus dem 3000 Quadratmeter großen Kollektorfeld zusammen mit dem Hauptbrennstoff Restholz aus heimi schen Wäldern für stabile Bezugskosten sorgt. Allerdings gibt es unerwartete Schwankungen auf der Abnahmeseite. „Unsere drei größten Wärmeabnehmer, Hallenbad, Grundschule und Kindergarten, sind seit Monaten geschlossen“, klagte Rudewig während der Coronakrise. Zugleich verleiten die derzeit unerwartet billigen Ölpreise manche der 150 Mengsberger Energiegenossen dazu, ihre fossilen Heizkessel weiterzubetreiben. Denn deren Verschrottung hatte die Genossenschaft seinerzeit nicht zur Anschlussbedin gung gemacht. „Wir haben ein paar Rosinenpicker dabei“, kommentiert Rudewig dieses Verhalten. Deshalb sah sich die Genossenschaft im vergan genen Jahr gezwungen, die Mindestabnahme pro Hausanschluss auf 10.000 Kilowattstunden pro Jahr zu erhöhen. Ausnahmen sind nur für Niedrigenergiehäuser möglich. Dass solchen schmerzhaften Beschlüssen in einer Genossenschaft intensive Debatten vorausgehen, versteht sich von selbst. „Ja, unsere Hauptversammlungen sind von Diskussionen geprägt“, sagt Rudewig schmunzelnd. Sturmerprobt, nicht nur wegen der Nähe zur Nordsee, ist inzwischen auch die Genossenschaft in Breklum. Nach Problemen mit dem Ende 2018 in Insolvenz gegangenen Generalübernehmer, den die Genossen mit Bau und Betrieb beauftragt hatten, gab es Stress mit den finanzierenden Banken. Schon im er s - ten Betriebsjahr, während die Restarbeiten am ersten Bauabschnitt ins Stocken geraten waren, hatte sich auch der vorab kalkulierte Wärmepreis als nicht haltbar entpuppt und musste um 2,07 Cent angehoben werden. Den Be - schluss dazu traf die Hauptversamm - lung übrigens einstimmig. Seit dann im August 2019 auch noch ein kompletter Vorstandswechsel über die Bühne gebracht worden ist, befindet sich die Genossenschaft inzwischen wieder in ruhigerem Fahrwasser. Eine Tochtergesellschaft der Stadtwer - ke Bremen hat sie jetzt mit Abrechnung und Betriebsführung betraut. Den 24/7- Wartungsservice übernimmt dabei ein örtlicher Heizungsbaubetrieb. Nach - dem inzwischen die letzten der 60 Gebäude des ersten Bauabschnitts endlich angeschlossen sind, soll nun auch die Erschließung weiterer Wohngebiete da - zu beitragen, dass die vorhandene Heiz - zen trale samt Solarfeld besser ausge - lastet ist. Dass sich die Solaranlage mit 600 Quadratmetern Kollektorfläche, wie es in den sonnigen Junitagen jüngst der Fall war, am Nachmittag abschaltet, wenn die beiden 88 Kubikmeter großen Heißwasserspeicher voll beladen sind, das soll möglichst bald Geschichte sein. Professionalisierung Hansen hat aus den turbulenten Jahren eine zentrale Lehre gezogen: „Um Wärmenetze als Genossenschaft zu organisieren, bedarf es einer hohen Professionalisierung. Man braucht ei nen guten Techniker und einen guten Kaufmann.“ Gewiss: Viele Bürgerenergieprojek te kämen erst an den Start, weil ein Visionär die Leute im Ort mitziehe. Aber genauso wichtig sei es, jemanden im Boot zu haben, der die Visionen jederzeit kritisch prüfe, meint Hansen: „Die richtige Mischung zwischen Visio när und Bremser zu finden, das ist die Kunst.“ Wie dabei am Ende die Arbeits - teilung zwischen Profis und Ehrenamt - lern aussieht, das kann durchaus unterschiedlich sein. Während die Brek lumer sich, so Hansen, wohl nie wieder einem Generalübernehmer anvertrauen würden, aber bei Abrechnung und Betriebsführung auf die Erfahrung eines großen Stadtwerkes setzen, machen es die Mengsberger genau anders herum. Sie sind mit der Arbeit ihres Generalunternehmers, der Heizzentrale und Wärmenetz im Früh jahr 2018 schlüsselfertig übergeben hat, rundweg zufrieden. „Als Genossen schaft von Ehrenamtlern braucht man so einen professionellen Partner, mit dem ein Vertrauensver - hältnis besteht. Man könnte es stattdessen auch mit verschiedenen Partnern machen,“ sagt Rudewig, „aber nur, wenn man in der Lage ist, alle Schnittstellen sauber zu definieren.“ Viele laufende Arbeiten, einschließlich der jährlichen Abrechnung für 150 Wärmeabnehmer, die Rudewig selbst übernimmt, sind ihn Mengsberg ehrenamtlich organisiert. Rudewig: „Unser Wärmenetz ist ein Projekt für Generationen. Dafür braucht es dauerhaft einige Leute, die bereit sind, die Arbeit zu leisten.“ Guido Bröer GRÜNDUNG GENOSSENSCHAFTLICHER WÄRMENETZE SEIT 2006 Quelle: DGRV Energiekommune Institution/Kommune/Firma Straße Name, Vorname PLZ, Ort Telefon E-Mail Unterschrift/Datum Zum Lesen gibt es zwei Optionen: Als gedruckte Zeitschrift: Im Abonnement können Sie Energiekommune mit 12 Ausgaben pro Jahr für 49,- Euro bestellen. Als E-Paper/PDF: Zum Preis von 29,- Euro erhalten Sie die aktuellen Ausgaben der Zeitschrift per E-Mail als PDF-Datei. Ich möchte die Zeitschrift Energiekommune gedruckt zum Preis von 49,- Euro für 12 Aus gaben abon nieren. * Ich möchte die Energie kom - mune als E-Paper/PDF zum Preis von 29,- Euro pro Jahr abonnieren. * Der Infodienst für die lokale Energiewende! • monatlich aktuell • für kommunale Akteure • hilft zu vernetzen * Abonnements verlängern sich um ein Jahr, wenn Sie nicht zum Ende des Bezugszeitraums gekündigt werden. Verlag: Guido Bröer & Andreas Witt GbR, Bültestraße 70 b, 32584 Löhne, Tel. 05731 83460, Fax 05731 83469, www.energiekommune.info Energiekommune – Der Infodienst für die lokale Energiewende erscheint monatlich. Er berichtet über aktuelle Energiethemen mit Handlungsrelevanz für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kommunen, Stadtwerken, für Gemeinderatsmitglieder und viele andere Akteure der lokalen Zivilgesellschaft.

2023-03-22T11:50:52+01:00Mittwoch, 1. Juli, 2020|
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