Handbuch Genehmigung von Freiflächen-Solarthermieanlagen

HANDBUCH – GENEHMIGUNG VON FREIFLÄCHEN SOLARTHERMIEANLAGEN Hamburg, 28.05.2024 Version 1 vom 28.05.2024 Autor*innen: Felix Landsberg, Marleen Greenberg 2 Dieses Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages unter dem Förderkennzeichen 67KF0119C gefördert. Das Handbuch erhebt keinen Anspruch auf rechtliche Vollständigkeit oder Richtigkeit bezüglich der Genehmigungsverfahren, sondern dient lediglich als praxisnahe Richtschnur entlang der Flächensuche bis zur Umsetzung. INHALT 1 Einleitung ....................................................................................................................... 1 2 Vor dem Genehmigungsprozess ................................................................................... 1 2.1 Projektorganisation und Betriebsmodell ............................................................... 1 2.2 Politik und Öffentlichkeit ....................................................................................... 1 2.3 Flächensuche ....................................................................................................... 2 2.3.1 Strukturierte Flächenanalyse ........................................................................... 3 2.3.2 Flächenkonkurrenz Photovoltaik vs. Solarthermie........................................... 5 2.3.3 Vorteilhaftigkeit von solarer Nutzung ............................................................... 5 2.3.4 Finanzielle Teilhabe im Rahmen interkommunaler Konzepte ......................... 6 2.3.5 Wiedervernässung von Mooren ....................................................................... 6 2.4 Ablauf des Genehmigungsverfahrens und Meilensteine ..................................... 6 2.4.1 Genehmigung als privilegiertes Vorhaben nach §35 BauGB .......................... 7 3 Beginn des Genehmigungsprozesses ........................................................................... 8 3.1 Behördenkontakt .................................................................................................. 8 3.2 Auflagen, benötigte Gutachten und Formulare .................................................... 8 3.3 Finanzierung ......................................................................................................... 9 3.4 Kompensation .................................................................................................... 10 4 Nach der Genehmigung ............................................................................................... 10 4.1 Ausschreibung .................................................................................................... 10 5 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................. 11 1 1 EINLEITUNG Im Rahmen des Forschungsprojekts SolnetPlus wurden 2021 und 2022 über 20 Interviews mit Behörden und Projektierenden geführt, die an der Planung und Genehmigung von Freiflächen-Solarthermieanlagen beteiligt waren. Ziel der Interviews war es, den Stand der Genehmigungspraxis bundesweit aufzunehmen. Durch die hälftige Aufteilung zwischen Behörden und Projektierenden konnte der Blick auf den Genehmigungsprozess von beiden Seiten aufgenommen und analysiert werden. Die Ergebnisse der Interviews wurden in den „DIFU Berichten“ veröffentlicht und die aufgenommenen Hemmnisse so weit wie möglich mit Lösungsansätzen belegt. Die Lösungsansätze wurden in Form von Stellungnahmen an die entsprechenden Planungsbehörden versandt und durch (öffentliche) Vorträge in Richtung der Projektierenden und Behörden zurückgespielt. In diesem Leitfaden sind die Erkenntnisse aus den 20 Interviews für alle Beteiligten, vor allem aber die Projektinitiator*innen zusammengefasst. Das Papier soll diese bei der Vorbereitung und Umsetzung des Genehmigungsprozesses unterstützen, insbesondere bei der Strukturierung und Vorbereitung der potenziellen inhaltlichen Anforderungen im Rahmen des Genehmigungsprozesses. Durch ein angepasstes und frühzeitig aufgesetztes Timing sollen Flaschenhälse zukünftig soweit wie möglich vermieden werden. Grundlagen zur Technik und Planung finden sich in den FAQ und der Wissensdatenbank mit zahlreichen aufbereiteten Medien rund um die Freiflächen-Solarthermie. 2 VOR DEM GENEHMIGUNGSPROZESS 2.1 Projektorganisation und Betriebsmodell Zu Beginn sollte klar sein, welches Betriebsmodell für den Standort bzw. den verfolgten Zweck das beste ist. In vielen Fällen wird die Solarthermieanlage durch die örtlichen Stadtwerke oder den örtlichen Wärmenetzbetrieb geplant, wenn schon ein Bestandsnetz vorhanden ist. Weitere Optionen bieten lokale Genossenschaften oder auch Zweckverbände. An dieser Stelle sollte auch mitgedacht bzw. geprüft werden, ob eine Kooperation mit der angrenzenden Gemeinde sinnvoll sein könnte und unter welchem Betriebsmodell sich die Kooperation mehrerer Gemeinden, je nach individueller Konstellation, am besten umsetzen lässt. In den Ausarbeitungen der dena und der Energieagentur Rheinland-Pfalz sind anschauliche Beispiele und Basiswissen zu den unterschiedlichen Betriebsmodellen zusammengefasst. In einigen bekannten Fällen wurden große Ankerkunden nicht nur als Kunden in das Projekt eingebunden, sondern bekamen auch die Möglichkeit, sich als Gesellschafter*innen finanziell zu beteiligen und mitzubestimmen. Die direkte Mitbestimmung wurde in einem Fall durch die Stellung einer Geschäftsführung je Kerngesellschafter*in sichergestellt. Sollen auch ordnungsrechtliche Instrumente, wie beispielsweise Anschlussgebote, eingebunden werden, sollte auch eine mögliche kommunale Beteiligung im Betriebsmodell frühzeitig mitgedacht werden, um diese Instrumente rechtssicher einsetzen zu können. 2.2 Politik und Öffentlichkeit Vor Beginn des Genehmigungsprozesses sollte analysiert werden, wie der öffentliche und politische Dialog bezüglich Erneuerbarer Energien bisher geführt wurde, wofür es Mehrheiten und wo es eher Bedenken gibt. Ausschlaggebend für die erfolgreiche Umsetzung der Projektidee war in einigen Fällen, dass der politische 2 Rückhalt gegeben war und dadurch Hemmnisse oder auch Bedenken bei den Behörden besser gelöst werden konnten. Um diesen Rückhalt in der Politik und Öffentlichkeit zu erlangen, kann es sinnvoll sein, das Projekt in eine langfristige Strategie einzubinden, die nachvollziehbar darstellt, welches langfristige Ziel verfolgt wird und warum dieses Projekt ein wichtiger Baustein ist. Geeignet können sein: Machbarkeitsstudien/ Transformationspläne nach BEW, Kommunale Wärmeplanung, Klimaschutzkonzepte oder Solarstrategien, die allesamt unter Beteiligung lokaler Interessenvertretungen erstellt wurden. Die Studien bzw. die Methodik und Kernergebnisse der Studien sollten dafür für die Öffentlichkeit aufbereitet und proaktiv, ggf. auch im Rahmen eines Bürger*innendialogs, kommuniziert werden. Es sollte frühzeitig transparent dargelegt werden, warum für das Projekt eine neue Freifläche genutzt werden muss und z.B. nicht einfach vorhandene Dachflächen genutzt werden können. Hier gilt es, die Vor- und Nachteile der Freiflächennutzung aufzubereiten und die solaren Potenziale (Solarthermie und Photovoltaik) den (zukünftigen) Bedarfen im Gemeindegebiet gegenüberzustellen. In einem Projekt wurde sich darauf geeinigt, die solarthermische Anlage in der Freifläche zu bauen und gleichzeitig möglichst viele Dächer mit Photovoltaik zu belegen. Wenn es einen breiten Konsens zur Sinnhaftigkeit des Projekts gibt, kann es der Politik leichter fallen, Flächen bereitzustellen und das Projekt während der Genehmigungsphase durch die Teilnahme an Austauschrunden auf Entscheidungsebene zu beschleunigen. Gegebenenfalls notwendige, aber unpopuläre Maßnahmen wie u.a. Baumfällungen sollten auch im Rahmen der übergeordneten Strategie nachvollziehbar erläutert werden. In einigen Projekten hatte die öffentliche Baumfällung zu Verzögerungen geführt, auch wenn Ersatzpflanzungen schon geplant waren. Im Rahmen der Gesamtstrategie sollte nicht nur der positive Effekt auf das Klima bzw. die Energieerzeugung hervorgehoben werden, sondern auch der Effekt auf die lokale Wertschöpfung. Kommunale Unternehmen können durch den kommunalen Betrieb des Netzes bzw. der Anlage profitieren. Das regionale Handwerk wie Dachdeckung, Fassadenbau, Metallbau, Tiefbau und Heizungstechnik profitiert, wenn über den Generalunternehmer einzelne Gewerke ausgeschrieben werden. Laut Aussagen in Interviews (wenn Infos vorhanden), wurden 25 % bis 50 % der Auftragssumme an lokale Firmen vergeben. Soll auch ein Biomasseheizwerk genutzt werden, kann zusätzlich der regionale Biomassemarkt profitieren. 2.3 Flächensuche Für die Standortsuche empfiehlt es sich, eine strukturierte Flächenanalyse durchzuführen und die Verwaltung, Öffentlichkeit und Politik schon bei der Standortwahl einzubeziehen. Neben dem Ort der Anlage kann im Rahmen des Prozesses auch geklärt werden, wie die Anlage bzw. die Umgebung der Anlage gestaltet werden soll. Ziel ist es, einen Flächenpool zu schaffen, der dabei unterstützt, Flächen gegeneinander abzuwägen und Ausweichoptionen bietet, falls es u.a. bei der Flächenakquise zu nicht-lösbaren Hindernissen kommt. 3 Abbildung 1: Hintergrund - strukturierte Flächenanalyse 2.3.1 Strukturierte Flächenanalyse Bei der Flächensuche gelten die übergeordneten Vorgaben des Landes (Landesentwicklungsplan - LEP, Landesraumordnungsprogramm - LROP oder Planungshilfen) und der Regionalplanung (Regionales Raumordnungsprogramm - RROP, Regionalplan - RP). Weitere Infos sind im Infoblatt Nr. 15 in der Wissensdatenbank zu finden. Besonders vorteilhaft sind Flächen, die sich schon in kommunaler Hand befinden und von der Kommune gepachtet oder gekauft werden können. Diese Flächen sollten in der Analyse besonders geprüft und die Eigentumsverhältnisse in der Abwägung zu anderen Flächen beachtet werden. Um die Projektfläche zu sichern, können vor Beginn des Genehmigungsprozesses Pacht- oder Kaufverträge mit aufschiebender Wirkung vereinbart werden. Die Fälligkeit der ersten Zahlungen ist dann an die Baugenehmigung bzw. den Baubeginn geknüpft. Falls gegeben, sollte die Konkurrenz zu landwirtschaftlichen Flächen im Prozess frühzeitig angesprochen und adressiert werden. Im Rahmen der Abwägung kann geklärt werden, ob es andere Flächen mit besserer Eignung gibt und wie die Auswirkungen für die Landwirtschaft gemeinsam minimiert werden können. Besonders die genaue Art der landwirtschaftlichen Nutzung sollte in der Abwägung aufgenommen werden. So sind Weiden und Blühwiesen anders einzuordnen als Monokulturen wie Maisfelder. Auch die Auswirkungen der Düngung von Feldern auf das Grundwasser oder anliegende Gewässer gegenüber einer solarthermischen Nutzung ohne Einträge ins Erdreich kann in der Abwägung aufgenommen werden. Die Sorgen um die Auswirkungen auf das Landschaftsbild können ebenfalls ein Kriterium bei der Standortwahl sein. In einem Projekt konnten die Bedenken durch den Besuch einer Anlage in Dänemark gemildert werden. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland eine Vielzahl an Anlagen in unterschiedlichen Regionen, die 4 gemeinsam besucht werden können, um die optische Wirkung erleben zu können. Eine Landkarte Solarthermischer Anlagen findet sich hier. Zudem kann eine Einhegung helfen, die optische Wirkung zu verringern. Außerdem können Verzögerungen im Bauleitverfahren vermieden werden, indem auch Umweltverbände umfassend an der Flächensuche beteiligt werden. Bedenken, die erst im Rahmen der förmlichen Beteiligung aufkamen und erst dann adressiert werden konnten, führten in einem Verfahren zu einer weiteren öffentlichen Auslegung inklusive der gesetzlichen Fristen und damit zu einer erheblichen Verzögerung des Zeitplans. Abbildung 2: Beispielhaftes Priorisierungsschema Die folgende Liste ist nicht abschließend, sondern je nach Vorgaben vom Land, des Landkreises / der Region, der unteren Behörden und lokalen Anforderungen und Zielsetzungen anzupassen. Positiv Kriterien (beispielhaft): • Versiegelte Flächen • Flächen in räumlicher Nähe zu Schienenwegen / Bundesautobahnen o In vielen Landesvorgaben enthalten, angelehnt an Vorgaben des EEG für PV o für Solarthermie nicht zwingend geeignet • Flächen in räumlicher Nähe zu Siedlungsbereichen / Gewerbegebieten o für Solarthermie sinnvoll • Flächen im festzulegenden Radius von Wärmenetzen o für Solarthermie sinnvoll o Radius je nach Flächengröße / Kapazität des Netzes Weiche Tabus (beispielhaft): • Landschaftsschutzgebiete • Kompensationsflächen • Biotopverbünde 5 Harte Tabus (beispielhaft): • Naturschutzgebiete • Wald • Geschütze Biotope • Schwerpunktbereiche Biotopverbünde Wie die Anlage bzw. deren Umgebung möglichst vorteilhaft gestaltetet werden soll, kann in der Analyse gemeinsam mit Verbänden, Vereinen und der Verwaltung geklärt werden. In manchen Fällen sind Lehrpfäde und Aussichtsplattformen umgesetzt – in anderen Fällen eine möglichst naturnahe Gestaltung mit Blühwiesen und Kleinhabitaten. Weitere Infos zu Gestaltungsarten, die die Biodiversität fördern, finden Sie hier. Die Art der Gestaltung (wie z.B. der Einsatz regionaler Blütenmischungen) hat in der derzeitigen Praxis allerdings nicht zwingend Einfluss darauf, wie hoch der Kompensationsbedarf ausfällt. Aus einem Projekt ist bekannt, dass durch die Änderung der Nutzungsform in Richtung der Solarthermie mit angepasster Bewirtschaftung Ökokontopunkte erwirtschaftet werden konnten. Diese Einordnung ist zum derzeitigen Stand allerdings als Einzelfall einzustufen. Bevor der Genehmigungsprozess angeschoben wird, sollte die Flächensicherung geklärt sein. So könnten Pachtverträge mit aufschiebender Wirkung aufgesetzt werden, die erst mit Baubeginn Pachtzahlungen auslösen. 2.3.2 Flächenkonkurrenz Photovoltaik vs. Solarthermie Bei der Energieversorgung gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Freiflächenanlagen mit PV und Solarthermie. Die Erzeugung von Strom mit PV ist deutlich weniger auf eine räumliche Nähe zu Siedlungen angewiesen. Strom kann kostengünstig über das Stromnetz und ggf. neu zu verlegende Stromkabel über weite Strecken ohne nennenswerte Verluste übertragen werden. Solare Wärme muss hingegen in unmittelbarer Nähe von ihrem Verbrauch erzeugt werden, da Transportleitungen sehr viel teurer sind und der Transport mit höheren Verlusten einhergeht. In die planerische Abwägung ist daher einzubeziehen, dass der Ortsbezug von Solarthermie-Freiflächenanlagen (FFA) sehr hoch ist, bei PV-Anlagen hingegen gering. Der von Kommunen zu wählende Suchraum für Flächen für Solarthermie-FFA ist somit deutlich begrenzter als beim PV-FFA. Dies führt auch dazu, dass Solarthermie-Anlagen im Rahmen der Abwägung anders zu behandeln sind als PV-FFA. Insbesondere können erstere nicht auf weit entfernt liegende Flächen verwiesen werden, die für PV-FFA womöglich noch wirtschaftlich wären, nicht jedoch für Solarthermie. 2.3.3 Vorteilhaftigkeit von solarer Nutzung Nicht immer konkurriert die solare Nutzung mit Flächen, die auf eine landwirtschaftliche Nutzung zugeschnitten sind. In bestimmten Bereichen kann es durch Schadstoffe (PFC oder PAK) zu einer eingeschränkten Futter- oder Nahrungsmittelproduktion kommen. Zusätzlich können Flächen mit Bewirtschaftungseinschränkungen im Rahmen von Grundwasserschutzmaßnahmen belegt sein. Eine solare Nutzung auf diesen Flächen könnte die Einträge von Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln verringern. In Baden-Württemberg wurden diese Punkte im Dokument „Hinweise zum Ausbau von Photovoltaik-Freiflächenanlagen“ aufbereitet. Die Bereiche mit bekannten Schadstoffbelastungen könnten als „besonders geeignet“ eingeordnet werden. Solare Nutzung in Wasserschutzgebieten kann durch eine extensivere Nutzung, je nach Art der vorherigen Nutzung der Böden, als vorteilhaft eingestuft werden, wenn keine intensive Bewirtschaftung der Oberfläche stattfindet. 6 2.3.4 Finanzielle Teilhabe im Rahmen interkommunaler Konzepte Um die Akzeptanz der Projekte zu steigern, ist es von Vorteil, lokale Beteiligungsmöglichkeiten oder Ausgleiche zu schaffen – insbesondere bei Planungen, die das Gebiet mehrerer Gemeinden umfassen, räumlich auf weite Teile der Region wirken und nicht nur lokal beschränkt sind. Zu diesem Punkt gibt es aus den „Rahmenbedingungen für PV-Freiflächenanlagen“ der Energieagentur Rheinland-Pfalz anschauliche Ausführungen zu möglichen Ausgestaltungskonzepten und Hintergründen, um berechtigten Diskussionen auf Basis von Argumenten wie „eine Gemeinde erhält die Einnahmen, alle anderen sehen die Anlagen“ vorzubeugen. 2.3.5 Wiedervernässung von Mooren Um die Flächenkonkurrenz zwischen solarer Nutzung (Photovoltaik und Solarthermie) zu entschärfen, sollte der Lösungsraum an nutzbaren Flächen so weit wie möglich gefasst werden. Neben dem direkten Nutzen durch die Energieerzeugung vor Ort (Strom oder Wärme) kann das wiedervernässte Moor als Kohlenstoffsenke dienen. Neben der Information, dass Ackerflächen unter den intensiven Bewirtschaftungsformen einen ungünstigen Lebensraum darstellen, kann erläutert werden, dass Flächen, die sich zur Wiedervernässung eignen, in besonderem Maße für eine Extensivierung der Bodennutzung durch Solaranlagen geeignet sind und mit einem entsprechenden Konzept zur Wiedervernässung geplant werden sollten. Aktuelle Empfehlungen zur Umsetzung wurden u.a. vom Greifswald Moor Centrum veröffentlicht. 2.4 Ablauf des Genehmigungsverfahrens und Meilensteine In der Regel ist nach aktuellem Stand das Durchlaufen eines Bauleitplanverfahrens erforderlich. Im Rahmen des Verfahrens wird zu Beginn durch die Kommunalpolitik über den Aufstellungsbeschluss entschieden. Bei positiver Entscheidung durchläuft das Verfahren die in Abbildung 3 dargestellten Meilensteine. Sind alle Anforderungen erfüllt und Rückmeldungen ausreichend einbezogen, wird das Verfahren inhaltlich mit dem Feststellungs- bzw. Satzungsbeschluss abgeschlossen. Es folgen Formalien wie u.a. die Veröffentlichung im Internet. Wird das Projekt als privilegiertes Verfahren nach §35 BauGB eingestuft, entfällt die Notwendigkeit zur Durchführung eines Bauleitplanverfahrens, um die Baugenehmigung zu erhalten. Nach aktuellem Stand birgt die Berufung auf die Privilegierung hohe rechtliche Unsicherheit, da kein Urteilsspruch zur Auslegung der Kriterien im §35 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit solarthermischer Nutzung bekannt ist. 7 Abbildung 3: Ablauf und Meilensteine des Bauleitplanverfahrens 2.4.1 Genehmigung als privilegiertes Vorhaben nach §35 BauGB In einigen Fällen wurde die Anlage als Privilegiertes Vorhaben nach §35 Abs. 1 BauGB eingestuft und musste deshalb kein Bauleitplanverfahren durchlaufen, was mit einem nicht unerheblichen Zeitgewinn verbunden ist. Bisher gibt es keine eindeutige Rechtssprechung, ob die Privilegierung mit Berufung auf die allgemeinen gehaltenen Tatbestände für alle solarthermischen Freiflächenanlagen anzuwenden ist. In den bekannten Fällen waren weitere (bestehende) Wärmeerzeugungseinheiten der ausschlaggebende Punkt, um das Kriterium der „Ortsgebundenheit“ nach §35 Abs. 1 BauGB zu erfüllen. Ob eine Genehmigung nach §35 BauGB Abs. 1 möglich ist, kann im Projekt in Absprache mit dem Bauamt geprüft werden. Nach aktueller Einschätzung birgt die Einstufung ein Risiko, das nur durch den Weg über das Bauleitplanverfahren entschärft werden kann. 8 3 BEGINN DES GENEHMIGUNGSPROZESSES 3.1 Behördenkontakt Im ersten Schritt sollte geklärt werden, welche Behörden und Personen eingebunden werden müssen. Es wird empfohlen, zu Beginn einen Projektkreis mit allen zu beteiligenden Ämtern aufzusetzen und zu einigen Terminen auch die Politik einzuladen. Im besten Fall kann auf Behördenseite eine interne Koordination bzw. eine Ansprechperson zur Verfügung gestellt werden, die alle Anfragen sammelt und an die richtigen Stellen weiterleiten kann. Eingebunden werden können: • Klimaschutzmanagement • Stadtplanungsamt, • untere Naturschutzbehörde • Bauamt • Gemeindevertretung • Wasserschutzbehörde (je nach Lage) • Lokale Naturschutzverbände (je nach Lage) • Landwirtschaftsvertretung (je nach Fläche) • Landes- oder Regionalplanung (je nach Lage in Schutzbereichen oder Bereichen des Raumordnungsprogramms) • Straßenamt (je nach Lage bzw. Verkehrsaufkommen u.a. bei Biomasse) 3.2 Auflagen, benötigte Gutachten und Formulare Zu Beginn sollte im Projektkreis geklärt werden, welche Gutachten erforderlich sind bzw. in welchen Bereichen es noch Unsicherheiten bezüglich der Genehmigungsfähigkeit gibt. Die unten stehende Liste an Gutachten, die in den bisherigen Prozessen gefordert wurden, kann als Orientierung bzw. als Anstoß für die Diskussion dienen. Teilweise kam es zu immer mehr Nachforderungen auf Behördenseite, da man auf Nummer sicher gehen wollte. Um diese Verzögerungen zu vermeiden kann es sinnvoll sein, sich zu Beginn gemeinsam damit auseinanderzusetzen, in welchen Bereichen Bedenken bestehen, wo es wirklich ein Gutachten braucht und wann auch „technische Stellungnahmen“ reichen. In vielen Fällen konnten die Herstellerunternehmen praktische oder technische Erfahrungen einfließen lassen. Diese Erfahrungen lassen sich im Prozess deutlich schneller integrieren als die Beauftragung und Durchführung eines Gutachtens. So gab es beispielsweise in einigen Fällen Bedenken bezüglich der Blendwirkung von Modulen, woraufhin noch ein Blendgutachten hätte erstellt werden müssen. Durch den Hersteller konnte in diesem Fall nachgewiesen werden, dass von den Modulen keine erhebliche Blendwirkung ausgeht, so dass auf das standortspezifische Gutachten verzichtet werden konnte. In einigen Fällen konnte auch die Hilfestellung des KNE (Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende) zur Problemlösung beitragen. Für allgemeinere Fragestellungen zu EE-Anlagen können wertvolle Erfahrungen bezüglich derer Wirkungen auf die Umwelt bei den Herstellerunternehmen angefragt oder über das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende bezogen werden. Es bietet sich an, zu Beginn gemeinsam einen Zeitplan festzulegen, wann welche Gutachten sinnvoll erstellt und anschließend vorgestellt werden können. Nach Möglichkeit sollte diese Liste einen abschließenden Charakter haben, um zu verhindern, dass Gutachten nur nach und nach gefordert werden und ständige Nachreichungen notwendig sind. Abgesehen von Härtefällen oder Gutachten, deren Notwendigkeit sich aus 9 einer Vorprüfung ergibt, sollten alle für das Genehmigungsverfahren als relevant erachteten Gutachten parallel oder in geplanter Reihenfolge durch den Vorhabenträger erfolgen können. Liste an Gutachten bzw. Themenpunkte, deren Notwendigkeit bzw. Vorprüfung frühzeitig geklärt werden sollte (nicht abschließende Liste): • Eintragung der Baulast • Nutzung der Fläche unter und zwischen den Modulen (u.a. Blühwiesen, Schafsbeweidung) • Entwässerung der Fläche und Versickerung unter den Modulen • Wirkung (insbesondere der Speicherhöhe) auf das Landschaftsbild • Statikgutachten (insbesondere der Speicherfundamente) • Baugrundgutachten • (Auf)Klärung über Temperaturen an den Kollektoren (Insekten / Vögel) • Nutzung von Frostschutzmitteln (Auffangen, Lagern, Druckausgleich, Doppelwandsysteme Leckageerkennung) im Abgleich zur AwSV und örtlichen Vorgaben (falls Lage in Schutzbereichen) abklären • Zufahrtswege / Verkehrsgutachten (insbesondere bei Anlieferung von Biomasse) • Artenschutzgutachten (Vegetationsperioden zu beachten) • FFH Gutachten • Jagdgutachten / Wildkorridore • Schornsteinhöhe (z.B. für Biomasseheizwerk) • BimschG Anforderungen (z.B. für Biomasseheizwerk) • Blendwirkung • Brandschutz • Kampfmittelfreiheit • Aushub Gutachten (Altlasten) • Fremdleitungen • Klärung der Raumbedeutsamkeit und Vorgaben durch Regional-/Landesplanung • Archäologische Einschätzung • Landschaftspflegerischer Begleitplan (u.a. Vorgaben zur Eingrünung) • Kompensationsaufwand (Nutzung von Ökokonto oder Suche nach Kompensationsfläche) • Festlegung der Rückbauavale / Bankbürgschaft zum Rückbau der Anlage 3.3 Finanzierung Neben der Genehmigung kann auch die Finanzierung zu Hemmnissen führen, die frühzeitig in den Blick genommen werden sollten. Um den Kredit zu bekommen, muss meistens bereits eine Baugenehmigung vorliegen, um das Projektrisiko zu verringern. Um an die Genehmigung zu kommen, müssen aber meist schon Gutachten erstellt und bezahlt werden, bevor der Kredit zur Verfügung steht. Auch die Kosten des Genehmigungsprozesses können bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen auf den/die Antragssteller*in umgelegt werden. Insbesondere für Genossenschaften ist es schwierig, diese Anschubzahlungen zu stemmen und Eigenkapital für die Finanzierung aufzubringen. Eine Möglichkeit, schon vor der Kreditzusage Gutachten finanzieren zu können, sind Eintrittsgelder in die Genossenschaft oder Bürgerfonds (falls vor Ort förderfähig). Bei der Förderung ist darauf zu achten, dass die meisten Fördermittel nicht kumuliert werden dürfen. Neben der Förderung des Bundes (aktuell BEW über das BAFA) kann es sich lohnen zu prüfen, ob das Land bessere Förderkonditionen bietet oder es besondere Förderprogramme für u.a. Genossenschaften gibt. 10 3.4 Kompensation Bei Eingriffen in die Natur und die Landschaft entsteht im Regelfall Kompensationsbedarf. Der hierdurch entstehende weitere Bedarf an Flächen zur Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen auf externen Flächen kann ebenfalls ein Hemmnis darstellen, wenn die Kommune nicht bereits Flächen hierfür ausgewiesen hat oder der Ausgleich über Ökokontopunkte vorgesehen ist. Der Kompensationsbedarf wird in Deutschland zentral durch die §§ 13 – 18 im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geregelt. Dennoch ergeben sich durch Ausgestaltungen auf Bundeslandebene Unterschiede im Umfang der benötigten externen Kompensation. Beispielsweise gibt es Abweichungen, welcher Anteil an Kompensation innerhalb der Fläche der Freiflächenanlage stattfindet, und welche Maßnahmen hierbei berücksichtig werden können. Der frühzeitige Kontakt mit der unteren Naturschutzbehörde sowie die Inanspruchnahme von Fachagenturen und Institutionen für die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen bietet sich an, um Hemmnisse zu umgehen. Einen tieferen Einblick in den Umgang mit Kompensation bietet die Ausarbeitung „Handlungsansätze – Kompensationsmaßnahmen Freiflächen-Solarthermie“. 4 NACH DER GENEHMIGUNG 4.1 Ausschreibung Nach Erhalt der Baugenehmigung kann mit der Ausschreibung der Anlage begonnen werden. Auch hier sollten, wie im Genehmigungsverfahren, Fristen und formelle Vorgaben geprüft werden. Eine der wichtigsten Fragestellungen ist, ob das Projekt aufgrund des zu erwartenden Projektvolumens EU-weit ausgeschrieben werden muss und welche Fristen und Vorgaben deshalb einzuhalten sind. Aufgrund der umfänglichen Vorgaben sollte hierfür eine Vorbereitungszeit von bis zu einem halben Jahr eingeplant werden. Praktische Hinweise zur Ausschreibung und Vorgaben zur Festlegung von Ertragsgarantien liefert ein Leitfaden des AGFW. 11 5 ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Hintergrund - strukturierte Flächenanalyse ........................................................................................ 3 Abbildung 2: Beispielhaftes Priorisierungsschema ................................................................................................. 4 Abbildung 3: Ablauf und Meilensteine des Bauleitplanverfahrens .......................................................................... 7 12 KONTAKT Felix Landsberg HIR Hamburg Institut Research gGmbH Paul-Nevermann-Platz 5 22765 Hamburg Tel.: +49 (0)40-39106989-35 landsberg@hamburg-institut.com www.hamburg-institut.com

Anna Laura Ulrichs2024-05-31T16:00:37+02:00Dienstag, 28. Mai, 2024|

Kompensationsmaßnahmen Freiflächen-Solarthermie: Status quo und Handlungsbereiche

STATUS QUO UND HANDLUNGSBEREICHE – KOMPENSATIONSMAßNAHMEN FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE SOLNETPLUS – VERBREITUNG SOLARER WÄRMENETZE ALS EINE LÖSUNG FÜR DEN KOMMUNALEN KLIMASCHUTZ Hamburg, 01.12.2023 2 AUTOR:INNEN: Marleen Greenberg, Johanna Schickling, Felix Landsberg, Dr. Matthias Sandrock, Paula Möhring HIR Hamburg Institut Research gGmbH, Paul Nevermann Platz 5, 22765 Hamburg Version: Dezember 2023 Kontakt: Greenberg@hamburg-institut.com Das vorliegende Dokument entstand im Rahmen des Verbundvorhabens „SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz“. Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert (FKZ: 67KF0119C). Arbeitspaket 4: Genehmigungshemmnisse vor Ort Haftungsausschluss: Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den Autoren. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung des Fördermittelgebers wieder. Weder die Autoren noch der Fördermittelgeber übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. INHALT 1Zusammenfassung ........................................................................................................ 1 2Einleitung ....................................................................................................................... 2 3Ausgangssituation ......................................................................................................... 2 3.1BNatSchG .............................................................................................................. 2 3.2Ökokonto................................................................................................................ 4 3.2.1Unterscheidung zwischen Ökokonto nach BauGB und BNatSchG............... 5 3.2.2Ausgestaltung von naturschutzrechtlichen Ökokonten ................................. 5 3.2.3Vor- und Nachteile ........................................................................................ 6 3.3Literatur zu Kompensation und ökologischer Gestaltung von Solaranlagen ......... 8 4Handlungsbereich: kompensation innerhalb Solar-FFA ermöglichen ........................... 9 4.1Hintergrund ............................................................................................................ 9 4.2Ausgestaltung ...................................................................................................... 10 4.3Verantwortungsbereiche ...................................................................................... 12 5Handlungsbereich: Festsetzung Umsetzungsrahmen ................................................. 12 5.1Hintergrund .......................................................................................................... 12 5.2Ausgestaltung ...................................................................................................... 13 5.3Verantwortungsbereiche ...................................................................................... 15 6Handlungsbereich: Fokus auf Ökokontomaßnahmen ................................................. 16 6.1Hintergrund .......................................................................................................... 17 6.2Ausgestaltung ...................................................................................................... 17 6.3Verantwortungsbereich ........................................................................................ 20 7Danksagung ................................................................................................................. 21 8Anhang ......................................................................................................................... 21 9Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 24 1 1 ZUSAMMENFASSUNG Die allgemeine Flächenknappheit und -konkurrenz führt zu der Notwendigkeit, bestehende Systeme und Regularien zu evaluieren und zu optimieren, um diese Faktoren angemessen zu adressieren. Vor diesem Hintergrund werden in dem folgenden Handlungsleitfaden der Status quo der Ausgestaltung bzw. der Umgang mit Kompensationsmaßnahmen bei der Umsetzung von solaren Freiflächenanlagen (insbesondere Solarthermie) aufbereitet, sowie Ansatzpunkte zur Evaluation und Verbesserung aufgezeigt. Ebenfalls werden die naturschutzrechtlichen Aspekte, denen Kompensationsmaßnahmen zu Grunde liegen, thematisiert. Es werden Ansätze erläutert, wie der Naturnutzen insbesondere unter dem Aspekt stetig steigender Flächenknappheit durch effizientere und zielorientierte Ansätze ausgebaut werden könnte. Die in Rede stehenden Maßnahmen zur Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft durch solare Freiflächenanlagen im Außenbereich richten sich bundesrechtlich primär nach der sogenannten naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in den §§ 13 – 18 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Sie legen einerseits fest, welche Eingriffe einer Kompensation (Ausgleich oder Ersatz) bedürfen und in welcher Art, aber auch, unter welchen Voraussetzungen die Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen möglich ist. Die nähere Ausgestaltung derartiger Bevorratungsmaßnahmen (z.B. mittels Ökokonten) überlässt das BNatSchG indes dem Landesrecht, sodass bundesweit ein unübersichtlicher Flickenteppich aus sich im Einzelnen deutlich unterscheidenden landesrechtlichen Regelungen besteht. Die derzeitige Qualität der Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen, Bevorratung durch Ökokonten einschließend, wird nicht zuletzt aus diesem Grund vielseitig kritisiert und erfordert eine umfassende Anpassung der Rahmenbedingungen. In Anbetracht der Flächenknappheit und -konkurrenz ist mangelnde Qualität bei der Nutzung der Flächen nicht zielführend, weshalb in diesem Rahmen mit dem Ziel, das System der Kompensation besser zu gestalten, drei Ansatzpunkte näher erläutert werden. Im ersten Handlungsbereich wurde sich damit auseinandergesetzt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die komplette Beeinträchtigung durch den Eingriff innerhalb der solaren Freiflächenanlage ausgleichen. Durch eine optimierte ökologische Gestaltung sollte der Bedarf an Ausgleich so weit reduziert werden können, dass ein Ausgleich auf externen Flächen explizit nicht von Nöten ist. Der zweite Handlungsbereich thematisiert die Festsetzung des Umsetzungsrahmens für Kompensationsmaßnahmen. Dies beginnt bei einer einheitlichen Methodik zur Kompensationsumfangermittlung, umfasst klare Leitfäden zur Herangehensweise und Umsetzung von Kompensationsbedarfen (Welche Schritte sind zu beachten? Wer sind meine Ansprechpartner?) und endet bei einem qualitativ hochwertigen Monitoringsystem, welches auch fachpersonelle Kontrollen, z.B. durch Ökolog:innen, beinhaltet. Im dritten Handlungsbereich wurden Potenziale im Bereich der Evaluierung, Verbesserung und Vereinheitlichung des derzeitigen Ökokontosystems ermittelt. Es wird empfohlen, dieses Konzept eingehender darauf zu prüfen, ob es stärker in den Vordergrund gestellt und genutzt werden sollte. Das Konzept von Ökokonten wird teils kritisch diskutiert, bietet aber das Potenzial, sehr gewinnbringend für den Naturschutz zu sein und gleichzeitig Flächen in Bezug auf die ökologische Wertigkeit effektiver zu nutzen als kleinteilige Kompensationsmaßnahmen. Derzeit existiert auf Bundesebene keine Ökokontoverordnung - stattdessen haben die meisten Bundesländer spezifische (Ökokonto)Verordnungen. Eine Evaluierung und Verbesserung sollte daher auch die Prüfung einer Vereinheitlichung dieser Verordnungen auf Bundesebene beinhalten. 2 2 EINLEITUNG Die Planung von Solarthermie-Freiflächenanlagen kann durch verschiedene Hemmnisse erschwert werden, darunter auch die mangelnde Verfügbarkeit geeigneter Flächen (vgl. Infoblatt Solare Wärmenetze – „Flaschenhals Fläche“1). Verschärfend kommt hinzu, dass nicht nur für die Anlagenfläche am Standort selbst eine geeignete Fläche identifiziert werden muss, sondern auch für in der Regel erforderliche Kompensationsmaßnahmen. Das Ziel dieser Ausarbeitung ist die Erarbeitung von Handlungsansätzen zum Umgang mit Kompensationsflächen und -maßnahmen bei Solarthermie-Freiflächenanlagen. Im Folgenden werden daher die aktuellen Kompensationsregelungen und das Konzept der Ökokonten zur Kompensationsbevorratung erläutert (Ausgangssituation). Der Bedarf für die Nachjustierung des Kompensationssystem und geeignete Ansatzpunkte hierfür werden aufgezeigt. Für die unterschiedlichen beteiligten Akteure werden jeweilige Handlungsansätze vorgestellt. 3 AUSGANGSSITUATION Wenn Bauvorhaben im Außenbereich in Deutschland geplant werden, muss Kompensation mitgedacht werden. Dies schließt Solarthermie-Freiflächenanlagen ein, welche ebenfalls raum- und umweltverträglich sein müssen (vgl. Ministerium für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung und Ministerium für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein, 2021). Hierbei ist es gängige Praxis, dass separate Kompensationsflächen gefunden werden müssen, um entsprechende Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen. In Deutschland wird dies durch die §§ 13 – 18 des Bundesnaturschutzgesetztes (BNatSchG) geregelt. Was dies umfasst, wird grob in Abschnitt 3.1 paragraphenweise umrissen. In Abschnitt 3.2 werden die Grundzüge der Bevorratung von Kompensationsflächen nach § 16 Abs. 2 BNatSchG mittels naturschutzrechtlichen Ökokonten, sowie Vor- und Nachteile des Konzepts dargestellt. In Abschnitt 3.3 wird die verfügbare deutschsprachige Literatur zu Kompensation und ökologischer Gestaltung von Freiflächensolaranlagen vorgestellt. 3.1 BNatSchG Die meisten Bundesländer berufen sich bzgl. des Kompensationsbedarfs auf die §§ 13 - 18 des BNatSchG. Hierbei handelt es sich um die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, welche als Grundlage für sämtliche Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft gilt. Im Folgenden werden Kernaspekte dieser Paragrafen hervorgehoben und zusammengefasst: § 13 Allgemeiner Grundsatz • Erhebliche Beeinträchtigungen müssen vermieden werden oder ansonsten mit Maßnahmen ausgeglichen werden bzw. im Zweifelsfall mit Geld. 1 Infoblatt zum strukturierten Umgang mit Flächenhemmnissen bei Freiflächen-Solarthermie - Hamburg Institut (hamburg-institut.com) 3 § 14 Eingriffe in Natur und Landschaft • (1) Eingriffe = Veränderungen, “ […] die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können.”; • (2) Bodennutzung durch Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft kein Eingriff, soweit die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden. § 15 Verursacherpflichten; Unzulässigkeit von Eingriffen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen • (1) Verursacher muss Beeinträchtigung der Natur & Landschaft vermeiden und nicht vermeidbare Beeinträchtigungen begründen; • (2) Nicht Vermeidbares ist zu kompensieren durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Kompensation oder Ersatz gilt erst dann als erfolgt, wenn diese Maßnahmen auch wirklich den Zweck/Funktion des Ausgleichs erreicht haben; • (3) Land- und forstwirtschaftliche Belange sind zu berücksichtigen. Vorrangig sollen (wenn möglich) Entsiegelung, Wiedervernetzung von Lebensräumen oder Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen als Ausgleichsmaßnahmen in Betracht gezogen werden. Begründet ist dies darin, um zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden; • (4) Der Unterhaltungszeitraum wird von der zuständigen Behörde im Zulassungsbescheid festgelegt. Der Verursacher bzw. Nachfolger ist für Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Maßnahme verantwortlich; • (5) Wenn die Ausgleichs- /Ersatzmaßnahmen nicht in einer angemessenen Frist durchgeführt werden können und die Belange des Naturschutzes & Landschaftspflege vor dem Nutzen des Eingriffs stehen, kann der Eingriff nicht zugelassen werden; • (6) Ersatzzahlungen sind nötig, wenn eine nicht vermeidbare Beeinträchtigung weder kompensiert noch ersetzt werden kann. Die Zahlungssumme richtet sich nach den durchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Ausgleichs- bzw. Ersatzmaßnahme inkl. sämtliche Kosten der theoretischen Planung, Instandhaltung, Personal etc. Die Höhe der Ersatzzahlung ist vor dem Eingriff festzusetzen und zu zahlen; • (7) Das BMUV2 im Einvernehmen mit dem BMEL3, BMDV4, BMWI5 sowie der Zustimmung des Bundesrates ist ermächtigt, Näheres zur Kompensation von Eingriffen zu regeln. Dies betrifft vor allem Inhalt, Art und Umfang bzw. Höhe und Verfahren zur Erhebung von Ersatzzahlungen. Sollte das BMUV von seinem Recht keinen Gebrauch machen, richtet sich das zuvor genannte nach Landesrecht; • (8) Weitere Regelungen zur Handlungsmacht vom BMUV zu Kompensationsmaßnahmen. § 16 Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen • (1) Kompensations- bzw. Ersatzmaßnahmen sind als solche anzuerkennen, soweit sie den vorgesehenen Zweck/Funktion tatsächlich erfüllen, sie ohne rechtliche Verpflichtung durchgeführt, keine öffentlichen Fördermittel genutzt wurden und eine Dokumentation des Ausgangszustandes der Fläche vorhanden ist. Zudem dürfen sie Programmen und Plänen (§§ 10 und 11) nicht widersprechen; 2 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz 3 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 4 Bundesministerium für Digitales und Verkehr 5 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 4 • (2) Absatz bzgl. Bevorratung von vorgezogenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. § 17 Verfahren; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsordnungen • (1-3) Einordnung der behördlichen Genehmigungsgeber bzgl. Eingriffe; • (4) Der Verursacher des Eingriffs hat zur Beurteilung vor der Genehmigung konkrete Angaben zu Ort, Art, Umfang und zeitlichem Ablauf des Eingriffs sowie die geplanten Maßnahmen zum Ausgleich etc. inkl. Angaben zur tatsächlichen und rechtlichen Verfügbarkeit der Ausgleichsflächen anzugeben. Die zuständige Behörde kann eine Sicherheit einfordern (finanziell), um sicherzustellen, dass der Verursacher auch seine Verpflichtung nach § 15 erfüllen und umsetzen kann; • (6) Sämtliche Maßnahmen und hierfür genutzte Flächen werden in einem Kompensationsverzeichnis dokumentiert; • (9) Beendigung oder längere (>1 Jahr) Unterbrechungen des Eingriffs sind der zuständigen Behörde mitzuteilen. Die Behörde kann in dem Fall festsetzen, bis wann die Kompensation (anteilig) zu erfüllen ist; • (11) Die Landesregierung ist ermächtigt, das Verfahren genauer zu regeln und zu bestimmen (inkl. des Kompensationsverzeichnisses, welches in § 11 festgesetzt ist) und kann die Ermächtigung auf andere Landesbehörden übertragen. § 18 Verhältnis zum Baurecht • (1-3) Es wird erläutert, in welchen Fällen § des Baugesetzbuches greifen und in welchen §§ 14-17 des BNatSchG. 3.2 Ökokonto § 16 BNatSchG eröffnet die Möglichkeit, Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen zeitlich vor zu erwartenden Eingriffen vorzubereiten und durchzuführen (sog. vorgezogene Kompensationsmaßnahmen) und benennt als mögliches Mittel zu deren Bevorratung das Ökokonto. Konkret heißt dies, dass zu jedem beliebigen Zeitpunkt Maßnahmen für den Naturschutz und die Landschaftspflege von diversen Akteur:innen geplant und durchgeführt werden können, welche je nach Umfang und Biotopwert in Ökopunkte umgerechnet werden. Das Bewertungsverfahren hierzu ist – sofern vorhanden – jeweils in der Ökokontoverordnung des Landes festgelegt (ÖKVO) bzw. in einer Kompensationsverordnung, die Ökokonten mitbehandelt6. Ein potenzieller Vorteil ergibt sich durch die Bündelung von naturschutzrechtlich und landschaftspflegerisch sinnvollen Maßnahmen auf dafür geeigneten Flächen (z.B. großräumiger und/oder zusammenhängend) durchgeführt von Fachpersonal7 und einem entsprechenden Finanzierungssystem. Das Prinzip des Ökokontos erleichtert vor allem auch die meist herausfordernde Suche nach Ausgleichsflächen, die zusätzlich zur Fläche für das eigentliche Projekt gefunden werden müssen (vgl. Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen). 6 Eine Übersicht der je Bundesland vorliegenden ÖKVO oder ggf. Kompensationsverordnungen, die für Ökokontobelange genutzt werden, befindet sich im Anhang. 7 Die Durchführung durch Fachpersonal ist nicht Vorgabe, das Potenzial besteht aber durch die Übertragung auf spezialisierte Agenturen und Stiftungen für solche Vorhaben. 5 3.2.1 Unterscheidung zwischen Ökokonto nach BauGB und BNatSchG An dieser Stelle wird noch einmal hervorgehoben, dass zwischen dem bauplanungsrechtlichen und dem naturschutzrechtlichen Ökokonto unterschieden wird. Ersteres findet seine Rechtsgrundlage in § 135a Abs. 2 S. 2 Baugesetzbuch (BauGB) und wird von den für die Bauleitplanung zuständigen Gemeinden zur Bevorratung von Ausgleichsmaßnahmen im Sinne von §§ 1a Abs. 3, 200a BauGB im Hinblick auf künftige, bauleitplanbedingte Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne von § 1a Abs. 3 S.1 BauGB i.V.m. § 14 BNatSchG geführt. Demgegenüber wird das auf § 16 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. den LNaturschutzgesetzen und ggf. LVerordnungen basierende naturschutzrechtliche Ökokonto durch die unteren Naturschutzbehörden zur Bevorratung von Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen i.S.v. § 15 BNatSchG im Hinblick auf künftige, nicht bauleitplanbedingte Eingriffe im Sinne von § 14 BNatSchG verwaltet. Die maßgebliche Abgrenzungsnorm ist § 18 BNatSchG, wonach die naturschutzrechtlichen Vorschriften der §§ 14 bis 17 BNatSchG lediglich für Vorhaben im Außenbereich, für Planfeststellungsverfahren sowie für planfeststellungsersetzende Bebauungspläne unmittelbare Anwendung finden. Die Unterschiede zwischen den beiden Ökokonto-Typen sind primär formeller Natur (Rechtsgrundlage, zuständige Behörde, Begrifflichkeit für Kompensation8). In materieller Hinsicht decken sich die beiden Konten indes schon deshalb weitestgehend, weil beide der Kompensation von unvermeidbaren Eingriffen in Natur und Landschaft dienen. Ob ein zu kompensierender Eingriff in diesem Sinne vorliegt, ist in beiden Fällen nach § 14 BNatSchG zu beurteilen. Gemeinsam haben beide Ökokonto-Typen außerdem, dass es sich bei den dort verbuchten Kompensationsmaßnahmen jeweils um Maßnahmen handelt, die künftige Eingriffe kompensieren sollen. Aufgrund dieser materiellen Gemeinsamkeiten ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, Maßnahmen, die auf einem naturschutzrechtlichen Ökokonto verbucht worden sind, zur Kompensation von Eingriffen nach § 1 a Abs. 3 BauGB heranzuziehen9 (die nach originärer Zielsetzung über ein baurechtliches Ökokonto zu kompensieren wären) und umgekehrt. Die Kompensation von Eingriffen durch solare Freiflächenanlagen richtet sich im Außenbereich wie oben dargelegt nach den §§ 13 bis 17 BNatSchG, sodass der Leitfaden im Folgenden vor allem das diesem Zweck dienende naturschutzrechtliche Ökokonto in den Blick nimmt. 3.2.2 Ausgestaltung von naturschutzrechtlichen Ökokonten Während die Bedingungen für die Anerkennung von Ökokonto-Maßnahmen bundeseinheitlich in § 16 Abs. 1 BNatSchG normiert werden, erfolgen sämtliche Konkretisierungen auf Bundeslandebene (§16 Abs. 2 BNatSchG „richtet sich nach Landesrecht“) – meist in Form von sogenannten Ökokonto-Verordnungen (ÖKVO) oder Kompensationsverordnungen, die die Bevorratung von Ausgleichsflächen mitbehandeln. Die dadurch vorhandenen Unterschiede hinsichtlich der näheren Ausgestaltung von Ökokonten zwischen den Bundesländern stellen Akteur:innen vor Herausforderungen, sobald Bundesländergrenzen überschritten werden. Wesentliche Unterschiede bestehen dabei z.B. in den Vorgaben zu Quantität und Qualität von als Ökokontomaßnahmen zugelassenen Maßnahmen, der Zuständigkeit für Zulassungen, dem Umgang mit Ökokontoagenturen, und der Bilanzierungsmethodik 8 Während das Naturschutzrecht (in § 15 Abs. 2 BNatSchG) zwischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen differenziert, bedarf es dieser Unterscheidung bei der Eingriffsregelung in der Bauleitplanung nicht, da § 1 a Abs. 3 BauGB einheitlich von „Ausgleich“ spricht und § 200 a Satz 1 BauGB klarstellt, dass Ausgleichsmaßnahmen auch Ersatzmaßnahmen umfassen. Seitdem das BNatSchG den hiernach bis 2010 geltenden Vorrang von Ausgleichs- vor Ersatzmaßnahmen beseitigte, läuft es mit dem BauGB faktisch parallel. 9 Vgl.: VGH Mannheim, Urt. v. 21.4.2015 – 3 S 748/13, NuR 2015, 647 = juris Rn. 71 ff. 6 hinsichtlich Ökopunkten (vgl. Internationales Institut für Wald und Holz NRW, 2010). Auch die Gutschrift und Stilllegung von Ökopunkten folgt unterschiedlichen Ansätzen und Systemen je Bundesland. Im Anhang werden die vorhandenen ÖKVO der Bundesländer aufgeführt bzw. die gesetzlichen Grundlagen für Ökokonten. Ein zu betrachtender Aspekt ist außerdem die Verantwortlichkeit für die Umsetzung der auf dem Ökokonto verbuchten Kompensationsmaßnahme. Nach dem im Umweltrecht geltenden Verursacherprinzip liegt die Verantwortlichkeit für Kompensationsmaßnahmen grundsätzlich beim Verursacher eines Eingriffs (vgl. § 15 BNatSchG), d.h. bei demjenigen, dem der Eingriff zuzurechnen ist. Bei Eingriffen durch solare Freiflächenanlagen wäre dies der Auftraggeber des ausführenden Bauunternehmens. Je nach Aufstellung des Unternehmens liegt hier allerdings nicht die Kompetenz und es ist gängig für die Umsetzung Institutionen, die auf die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen spezialisiert sind, wie z.B. Flächenagenturen (sog. Maßnahmenträger) zu beauftragen. Auch bei den – einem Eingriff grundsätzlich zeitlich vorausgehenden – Ökokontomaßnahmen liegt die Umsetzungs- und Pflegepflicht erst mal ebenfalls bei dem Verursacher des Eingriffs. Durch Zusatzverordnungen wird dies aber teils in Bundesländern differenzierter geregelt, z.B. in Schleswig-Holstein durch die AgentAnerkVO10. Auch kann teils, je nach Vertragslage, die Pflegepflicht auf den Ökokontoführer übertragen werden, wobei die hierfür entstehenden Kosten in den Verkaufspreis der Ökopunkte mit eingerechnet werden (vgl. Flächenagentur Baden-Württemberg GmbH). Zu den Vorfinanzierenden der Ökokonto-Maßnahmen zählen Kommunen und Agenturen bzw. Stiftungen, aber auch Privatpersonen und Bauunternehmen. Einige Bundesländer haben im Bereich der Ökokonten recht offene Systeme, andere verfügen über umfangreichere Regularien und Vorgaben. So wird beispielsweise in Baden-Württemberg festgesetzt, dass sich entsprechende Maßnahmen in bestimmte Wirkungsbereiche einordnen lassen müssen (ÖKVO §2 Abs.1). Auch Bayern und Schleswig-Holstein sind in der Regulierung und Umsetzung von naturschutzrechtlichen Ökokonten bereits breit aufgestellt. 3.2.3 Vor- und Nachteile Das Konzept Ökokonto birgt einige Vorteile, wird aber in vielen Punkten auch kritisiert. Im ersten Teil wird der naturschutzfachliche Nutzen von Ökokonten aufgeführt. Wie bereits oben angesprochen liegt in diesem Werkzeug das Potenzial, Maßnahmen großflächig zu planen und so den Fokus darauf zu setzen, den besten Nutzen für die Natur zu schaffen. Anderenfalls wird in der Regel nur das minimal notwendige umgesetzt, um einen konkreten Eingriff auszugleichen, was das Potenzial minimiert. Gerade in Deutschland besteht massiver Bedarf, Naturschutzflächen zu vergrößern und besser miteinander zu vernetzen (Walz, Schumacher, & Krüger, 2022). Die Probleme bei kleinen, isolierten Ökosystemen sind vielfältig, je kleiner beispielsweise die Flächen sind, desto größer sind Randeffekte und desto anfälliger sind Biotope dafür, Extremwetterereignissen nicht standzuhalten (Hitze, Dürre, Stürme etc.) (Lovejoy, et al., 1986). Dies ist gerade im Blick auf den anthropogenen Klimawandel, der diese Extreme verstärkt und häufiger macht, ein kritischer Aspekt 10 AgentAnerkVO – Agenturanerkennungsverordnung: Landesverordnung zur Anerkennung von Agenturen zur Durchführung, Unterhaltung und dauerhaften Sicherung von Kompensationsmaßnahmen. 7 (Swain, Singh, Touma, & Diffenbaugh, 2020). Ökokonten können hier eine zentrale Rolle einnehmen, denn Biotope bzw. ganze FFH-Gebiete anzuschließen und zu vernetzen erfordert oft großräumige und teils auch langfristige Planung. Weiterhin lässt sich anführen, dass die Pflege, bezogen auf die Flächengröße, auf einer großen Fläche einfacher und kostengünstiger ist als auf vielen kleinen Flächen und somit Gelder effizienter eingesetzt werden können. Abseits von Naturschutzaspekten bieten Ökokonten aber auch einen gravierenden Vorteil bei der Planung von Bauvorhaben. Gemeint ist hier die Beschleunigung des Planungsprozesses durch die Reduktion des Aufwandes für die Suche nach Kompensationsflächen oder ggf. den kompletten Wegfall der Kompensationsflächensuche (Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft). Dies ermöglicht es den Projektierenden, sich auf ihre Projekte zu fokussieren, was besonders bei der Solarthermie die schnelle Dekarbonisierung lokaler Wärmenetze unterstützen kann. Zudem kann es auch verhindern, dass Vorhabens-Ideen daran scheitern, dass keine bzw. nicht ausreichend geeignete Kompensationsflächen gefunden werden können bzw. es werden das Risiko und der Aufwand vermieden, nicht nur für den Bau der Anlage Flächen zu finden, sondern zusätzlich auch zur Kompensation. Dieser Vorteil ist besonders bei der Umsetzung von Solarthermie in der Freifläche nützlich, da bereits die Flächensuche für die Projektfläche auf Grund der besonderen Anforderungen (u.a. Nähe zu Wärmenetzen) viel Zeit und Ressourcen benötigt. Auf der anderen Seite gibt es, wie bereits erwähnt, auch einige kritische Punkte am Ökokontokonzept. Ein Kritikpunkt ist, dass Ökokonten Anreize schaffen, Eingriffe zu fördern, welche Ausgleichsmaßnahmen erfordern. Dies würde dem Grundsatz der Eingriffsregelung entgegenstehen, dessen Devise es ist, erhebliche Beeinträchtigungen durch Eingriffe stets zu vermeiden. Diese Gefahr wird explizit dann gesehen, wenn Finanzierende/Investierende der Maßnahmen auch gleichzeitig Einfluss auf die Bauplanung haben. Eine angepasste Bepreisung der Ökokonten kann diesen Entwicklungen, die nicht im Einklang mit dem Grundsatz der Eingriffsregelung stehen, entgegenwirken. Es sollte finanziell nicht attraktiver sein, auszugleichen, anstatt Beeinträchtigungen durch einen Eingriff zu vermeiden. Zudem teilen sich die verschiedenen Rollen bei naturschutzrechtlichen Ökokonten auf unterschiedliche Instanzen und Personen auf. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass ökologisch notwendige Eingriffe nicht durchgeführt werden, wenn diese nicht als Ökokontomaßnahmen angerechnet werden können. In der Praxis sollte dies aber eher die Ausnahme bilden, da einerseits Ökokontomaßnahmen generell breit aufgestellt sind und einen Großteil ökologischer Eingriffe in Ökopunkte umwandeln lassen und andererseits bei einer solchen Notwendigkeit auch das Bundesnaturschutzgesetz greift. Zusätzlich zu diesen übergeordneten Kritikpunkten gibt es auch konkrete Kritik an der Praxis zu den Ökokonten. Diese Kritik bezieht sich in einigen Fällen auf konkrete Durchführungsbeispiele von bauplanungsrechtlichen Ökokontomaßnahmen. Im Folgenden werden, mit Verweis auf die materiellen Gemeinsamkeiten beider Typen (siehe Kapitel 3.2.1), Kritikpunkte beider Ökokonto-Typen zusammengefasst. In der Vergangenheit ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Systematik der Ökopunkte nicht in jedem Fall allen Einzelaspekten ausreichend Sorge tragen kann. Bei Rabenschlag et al. (2019)11 wird beispielsweise von dem Ziel „möglichst viele anrechenbare Ökopunkte auf möglichst wenig Fläche zu generieren“ gesprochen. Ein konkretes Beispiel bietet hier der Bau des Amazon-Logistikzentrums in 11 Diese Studie führt eine Evaluation der Umsetzung baurechtlicher Ausgleichsmaßnahmen durch. 8 Mönchengladbach, bei dem mehr als die Hälfte der benötigten Ökopunkte für die Umwandlung einer Fläche zu einem Auwald von der Größe von 8 500 m2 genutzt wurde. Dies entspricht lediglich 6,5 % der Bauvorhabens-Fläche (Müller, 2019). Diese Flächenverhältnisse kommen dadurch zustande, dass die Regelungen die Gesamtwertigkeit der betreffenden Fläche bewerten und somit Flächengrößen nicht prioritär betrachtet werden. Dies befeuert unter anderem das Problem der Flächenverknappung durch Versiegelung, da mehr Fläche ver- als entsiegelt bzw. vor Versiegelung geschützt wird. In der Realität ist der Zusammenhang zwischen Eingriff und Kompensation nicht immer gegeben, obwohl dies – zumindest in einigen Bundesländern – vorgeschrieben ist (Bethge, 2004). Die räumliche Nähe zwischen Eingriff und Ausgleichsmaßnahme ist nicht unbedingt gegeben und das Ziel, die durch den Eingriff entstandene Beeinträchtigung auszugleichen, indem der Beeinträchtigungsaspekt in der Maßnahme im Vordergrund steht, findet in der Praxis nicht überall statt. Ein gutes Beispiel hierfür sind Grünbrücken zur Querung von Straßen und Autobahnen (vgl. BUND Regionalverbung Südlicher Oberrhein). Diese sollten sinnvollerweise bereits bei der Planung von Straßen mitgedacht, gebaut und finanziert werden (ganz im Sinne, die Beeinträchtigung eines Eingriffs so gut es geht direkt zu minimieren) und nicht nachträglich als Ökopunkte an komplett themenfremde Eingriffe verdingt werden, die mit dieser Maßnahme auch kaum eine angemessene Flächenkompensation erbringen können. Bei konventionellen Ausgleichsmaßnahmen beeinflusst die Größe der Eingriffsfläche den Kompensationsumfang. Schlussendlich sind diverse Kritikpunkte an der aktuellen Durchführung von Ökokonten auf ein Kontroll-/Überwachungsdefizit von übergeordneter Stelle zurückzuführen – wobei zu beachten ist, dass naturschutzrechtliche Ökokontomaßnahmen in der aktuellen Literatur weniger in der Kritik stehen als bauplanungsrechtliche. Die Studie von Rabenschlag et al. (2019) zeigt zumindest für bauplanungsrechtliche Ökokontomaßnahmen eine insgesamt etwas bessere Zielerreichung als durch konventionelle, baurechtliche Ausgleichsmaßnahmen. In diesem Sinne ist auch der positive Nutzen von naturschutzrechtlichen Ökokonten nicht zu vernachlässigen. 3.3 Literatur zu Kompensation und ökologischer Gestaltung von Solaranlagen Diverse Bundesländer/Verbände haben bereits Infoblätter bzw. Leitfäden in Bezug auf die ökologische Gestaltung von PV-FFA veröffentlicht. Beispielhaft lässt sich hier folgende Literatur nennen: • „Der naturverträgliche Ausbau der Photovoltaik. Nutzung von Solarenergie in urbanen und ländlichen Räumen, auf Dächern und in der Fläche“ Verfasser/Herausgeber: NABU Inhalt: Umweltfreundlicher Ausbau von PV-FFA inkl. Standortwahlorientierung; PV-Dachanlagen; Integrierte Formen der Landnutzung mit Photovoltaik; Netzanbindung; Solarenergie in Kombination mit Dach- und Fassadenbegrünung; Solarthermie • „Freiflächensolaranlagen – Handlungsleitfaden“ Verfasser/Herausgeber: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg Inhalt: Leitfaden zum Ausbau von Photovoltaik- und Solarthermie-Freiflächenanlagen inkl. ökologischer Aspekte bei Planung und Bau. • „Praxis-Leitfaden für die ökologische Gestaltung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen“ Kapitel: 2.4 Umweltprüfung und Eingriffsregelungen Verfasser/Herausgeber: Bayerisches Landesamt für Umwelt 9 Inhalt: Umfangreicher Leitfaden für die ökologische Gestaltung von PV-FFA inkl. gesetzlichen Rahmenbedingungen wie z.B. Umweltprüfung und Eingriffsregelung; Orientierung für die richtige Standortwahl, sowie ökologische Leitlinien für den Bau, Betrieb und Rückbau; diverse Planungshinweise in Hinsicht auf ökologische Kriterien • „Solarparks – Chancen für die Biodiversität. Erfahrungsbericht zur biologischen Vielfalt in und um Photovoltaik-Freiflächenanlagen.“ Verfasser/Herausgeber: Renews Spezial. Ausgabe 45 / Dezember 2010 Inhalt: Naturschutzfachliche Bedeutung von Solarparks inkl. Studienlage; Naturschutzfachliche Maßnahmen in Form von konkreten Anwendungsbeispielen aus bereits umgesetzten Projekten Konkrete verschriftlichte Leitfäden bzw. Umsetzungshilfen für Kompensationen sind hingegen rar und es wird größtenteils auf die Eingriffsregelung verwiesen (§§ 13 - 18 des BNatSchG). Leitfäden zur Einrichtung von Ökokonten sind ebenfalls von diversen Herausgebern vorhanden, größtenteils aber schon etwas älter. Bei den Leitfäden fällt auf, dass diese häufig Bundesländer-spezifisch sind. Beispiele hierfür sind: • “Eingriffsregelung Merkblatt 3. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in der Bauleitplanung und das “Ökokonto”.” Verfasser/Herausgeber: Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg Fachdienst Naturschutz • “Handlungsempfehlungen für ein Ökokonto. Ein Vorsorgeinstrument für die Eingriffsregelung in der Bauleitplanung.” Verfasser/Herausgeber: Bayrischer Gemeindetag • “Leitfaden: Nachhaltigkeit Stiften! Hintergrundinformationen, Erfahrungen und Empfehlungen zum “Stiftungsmodell mit Kompensationsflächenpool” für private und kommunale Grundbesitzer.” Verfasser/Herausgeber: Internationales Institut für Wald und Holz NRW 4 HANDLUNGSBEREICH: KOMPENSATION INNERHALB SOLAR-FFA ERMÖGLICHEN Die vollständige Kompensation von Solar-FFA sollte unter bestimmten Bedingungen direkt auf der Fläche ermöglicht werden. Hier gilt es gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, Komplettkompensation auf der Solar-FFA in Kombination mit einer entsprechenden ökologischen Gestaltung durchzuführen. Aktuell ist die Teilkompensation innerhalb der Solar-FFA bereits möglich. Diesen Spielraum gilt es auszuweiten, und so der Flächenknappheit entgegenzuwirken sowie der naturschutzfachlichen Wirkung der Anlagen gerecht zu werden. 4.1 Hintergrund Eine 100% Aufhebung der Kompensation (auf externen Flächen) ist zurzeit noch nicht möglich. Je nach Land und Verordnung variiert der Kompensationsfaktor. Im Bundesland Schleswig-Holstein liegt der Kompensationsfaktor beispielsweise bei 1:0,25 und durch eine optimierte ökologische Gestaltung kann der Faktor in Bezug auf naturschutzfachliche Anforderungen auf 1:0,1 abgesenkt werden (vgl. Ministerium für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung und Ministerium für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein, 2021). Es empfehlen 10 bereits ein Großteil der Bundesländer, dass so weit wie möglich innerhalb der Flächen kompensiert werden soll. Der Hauptaspekt dieser Empfehlung liegt darin, das Problem der Flächenknappheit weiter aufzulösen. Solarthermie-FFA bieten viele Möglichkeiten (ökologisch) fachgerecht gestaltet zu werden (siehe diverse Leitfäden), vor allem im Vergleich zu anderen Bauvorhaben. Die aktuellen Regelungen zur Teilkompensation innerhalb der Fläche zeigen dieses Potenzial bereits auf. Zudem fördert diese Vorgehensweise, dass bauliche Eingriffe das Ziel haben sollten, so weit wie möglich naturverträglich und somit nachhaltig zu sein, anstatt ausgleichen zu müssen. So wird es auch im Kern der Eingriffsregelung aufgeführt: „Erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind vom Verursacher vorrangig zu vermeiden.“, § 13 BNatSchG. Eine Komplettkompensation innerhalb der Solar-FFA bedeutet auch eine Beschleunigung des Bauvorhabens durch den Wegfall der zusätzlichen Flächensuche im Rahmen des Ausgleichs. 4.2 Ausgestaltung Voraussetzung für die Komplettkompensation innerhalb der Solar-FFA ist die ökologische und naturverträgliche Ausgestaltung. Die Differenz des ökologischen Beitrags der Fläche (ökologischer Beitrag der Fläche vor und nach den umgesetzten Maßnahmen), sollte bei der Beurteilung ebenfalls entsprechend einbezogen werden. Handelt es sich z.B. um eine Fläche, welche zuvor als Acker genutzt wurde, sind aufgrund der Vorbelastung weniger Konflikte aus der naturschutzfachlichen Richtung zu erwarten. Landschaftsbildliche Aspekte fallen nach der aktuellen Regelung womöglich dennoch an, können durch die teils obligatorische Eingrünung (bundesländerabhängig) aber je nach Einzelfall relativ leicht adressiert und somit ebenfalls innerhalb der Solar-FFA erfüllt werden. Vor allem Solar-FFA, die zur Flächenentsiegelung führen, sollten bei entsprechender ökologischer Ausgestaltung die Möglichkeit haben, ohne externe Kompensation umgesetzt zu werden. Auch die gesetzliche Verankerung von universell sinnvollen, ökologischen Maßnahmen sollte in Betracht gezogen werden. Bei Ackerflächen besteht bereits die Vorschrift12, diese bei der Installation von PV-FFA in Grünlandflächen umzubauen. Nach diesem Vorbild können weitere ökologisch gestalterische Maßnahmen für die Solar-FFA gesetzlich vorgeschrieben werden, die somit auch generell den Kompensationsbedarf reduzieren, da die Beeinträchtigung durch den Eingriff minimiert wird. Eingriffe innerhalb der Solar-FFA Planung mit generellem Kompensationsbedarf Um sich der Möglichkeit zu nähern, die Vollkompensation innerhalb der Eingriffsfläche durchzuführen, ist es zielführend darzustellen, welche Eingriffe innerhalb der Solar-FFA Realisierung häufig zu Ausgleichsbedarfen führen. Die “Naturschutzfachlichen Bewertungsmethoden von Freilandphotovoltaikanlagen” BfN – Skripten 247 beinhaltet hierzu sehr ausführliche Abschnitte (Herden, Rassmus, & Gharadjedaghi, 2009). Ein Teil dieser wird im Folgenden aufgelistet: • Änderung des Landschaftsbildes durch die Errichtung von Baukörpern → visuelle Wirkung und somit Beeinträchtigung des Landschaftsbildes • Versiegelung von Flächen • Überdeckung der Bodenoberfläche durch Module, wenn diese sehr nah am Boden aufgestellt sind, z. B. Verschattung, ggf. Austrocknung der Oberfläche, Erosion durch ablaufendes Wasser 12 Nach § 33 Abs. 3 EEG besteht nur ein Vergütungsanspruch für den erzeugten Strom auf Ackerlandflächen, wenn diese in Grünland umgewandelt werden. 11 • Baubedingte, nicht stoffliche Emissionen → Emission von Fahrzeugen, Staubemissionen (temporär, evtl. zu vernachlässigen) • Bodenverdichtung, Veränderung abiotischer Faktoren • Barrieren: Zerstückelung der Landschaft und von Wegenetzen • Vorhabensbedingte Pflege z. B durch Mahd, Beweidung --> führt ggf. zu Änderung des Biotops bzw. Veränderung struktureller Paramater innerhalb des Ökosystems (Landnutzungsänderung) • Von den Modulen (teils auch den Konstruktionselementen) ausgehende Emissionen (Lichtreflexe, Spiegelungen) • Vorkommen von seltenen/gefährdeten Arten (Tiere und Pflanzen). Dies betrifft womöglich auch versiegelte Flächen, da der Begriff relativ weit gefasst ist und auch Schotterflure einschließt, welche teils ökologisch wertvolle Lebensräume bilden Es sollte immer beachtet werden, dass Beeinträchtigungen sehr vorhabens- und standortspezifisch sind. So spielen bzgl. des Vorhabens beispielsweise die Effizienz beim Bau sowie die Material- und Systemwahl eine entscheidende Rolle. Standortspezifische Faktoren, die den Kompensationsbedarf direkt beeinflussen, sind die naturräumliche Lage, das Relief der Landschaft, Qualität und Art der angrenzenden Lebensräume sowie das lokale Arteninventar. Weiterhin sind die Vornutzung und Ausprägung des Lebensraumes sowie das geplante Flächenmanagement wichtige Faktoren. Ökologische Ausgestaltungen mit Kompensationswirkung In dem Papier des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung und des Ministeriums für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein „Grundsätze zur Planung von großflächigen Solar-Freiflächenanlagen im Außenbereich. Gemeinsamer Beratungserlass des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung und des Ministeriums für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung.“ wird aufgeführt, welche Maßnahmen zu der Reduzierung von Kompensation führen können (Punkt „D. Planungsempfehlungen zur Ausgestaltung der Anlagen“, ab Seite 12). Aufgeführt wird hier beispielsweise • eine kompakte Anordnung (großräumige Zäsur-Wirkungen werden vermieden), • eine maximale Größe von ca. 20 ha, • Vermeidung von Beeinträchtigungen im Sinne von § 13 BNatSchG, Gestaltung von Habitat-Strukturen zur Steigerung von Artenvielfalt, • die naturnahe Gestaltung in den Modulreihenzwischenräumen, • Umpflanzung fürs Landschaftsbild. o Obligatorische Eingrünungsmaßnahmen um Anlagen aufgrund des Landschaftsbildes können ggf. auch als Kompensationsmaßnahme in Bezug auf Eingriffe in den Naturhaushalt gezählt werden. • Aktive Kompensationsmaßnahmen auf der Fläche, wie z.B. o Kleingewässer bzw. Feuchtbiotope lassen sich sinnvoll als Ausgleich für eventuelle Austrocknung durch die Module zur Bodennähe einsetzen. o Gehölze, deren Pflanzung als Maßnahme für das Landschaftsbild durchgeführt wird, können ggf. auch als Kompensation im naturschutzfachlichen Kontext gesehen werden, wenn diese hierfür ebenfalls einen Mehrwert bringen. Die Doppelzählung einer Maßnahme ist hier also möglich. Weitere Punkte, die diskutiert werden sollten, um eine Vollkompensation auf der Eingriffsfläche zu ermöglichen, sind: 12 • Weitestgehende Vermeidung von Versiegelung → aktuell ist es bei Solar-FFA möglich, die Flächenversiegelung auf weit unter 5% zu beschränken. o Zu beachten gilt hier der zuvor aufgeführte Verweis, dass auch teils versiegelte Flächen einen ökologischen Mehrwert haben können, da dies Schotterflure miteinschließt, welche gefährdete Arten beherbergen können. • Inwiefern die Kompensation des Landschafsbildes vermieden werden kann, bzw. ob die Eingrünungsmaßnahmen innerhalb der Solar-FFA diesen Punkt ausreichend abdecken und somit externe Kompensation hierzu vermieden werden kann. • Ob Kompensationsbedarfe, die auf den temporären Bau beschränkt sind, ausgeklammert werden können, sofern das Vorhaben möglichst effizient geplant ist und Beeinträchtigungen zu 100% reversibel sind. 4.3 Verantwortungsbereiche Nationale Ebene Seitens nationaler Gesetzgebung ist es zielführend, wenn eine Klarstellung innerhalb der Bundesregelung erfolgt, damit nicht jedes Bundesland im Alleingang handeln muss und eine klare Ausrichtung aufgezeigt wird. Landesbehörde Auf Landesebene sollte die Prüfung und Anpassung der entsprechenden Verordnung erfolgen. In diesem Rahmen sollte ebenfalls dargelegt werden, unter welchen Bedingungen eine Vollkompensation innerhalb der Fläche möglich ist. Kommune Für Kommunen gestaltet sich die Durchführung einer Flächenanalyse als sinnvoll. In diesem Rahmen kann geprüft werden, welche Flächen sich für Solarthermie-Freiflächenanlagen eignen (siehe hierfür z.B. Günnewig, Johannwerner, Metzger, Kelm, & Wegner, 2022) und gleichzeitig die Möglichkeit bieten, diese Anlagen ökologisch auszugestalten. Hierdurch kann eine Priorisierung erfolgen, die dem „First come, first serve“-Prinzip entgegenwirkt. Dieses Vorgehen stellt ein proaktives, solares Flächenmanagement seitens der Kommune dar. 5 HANDLUNGSBEREICH: FESTSETZUNG UMSETZUNGSRAHMEN Um die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen zeit- und ressourceneffizient zu gestalten und gleichzeitig einen höheren naturschutzfachlichen Nutzen zu erzielen ist es wichtig, eine konkrete Herangehensweise aufzuzeigen und im gleichen Zuge Vorgänge und Regelungen zu evaluieren und auszubessern. Dies umfasst konkret die Vereinheitlichung der Bestimmung bzw. der Berechnungsmethode des Kompensationsumfangs, einen Leitfaden bzw. Verweise an Stellen/Agenturen, die durch die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen führen können, oder diese idealerweise übernehmen, um ihre Qualität sicherzustellen, sowie abschließend die Etablierung eines einheitlichen und zielführenden Monitoringsystems. 5.1 Hintergrund 13 Es wird bemängelt, dass Ausgleichsmaßnahmen nicht zu einem tatsächlichen Ausgleich führen bzw. deren Qualität mangelhaft ist (NDR, 2022). Die gesetzliche Vorgabe, naturschutzfachlichen Ausgleich zu schaffen, ist keineswegs zielführend, wenn dieser nur auf dem Papier passiert, aber schlussendlich nicht umgesetzt wird. Es ist nicht flächeneffizient, wenn Flächen für Kompensationsmaßnahmen markiert und für weitere Nutzungsformen blockiert werden, aber teils keinen naturschutzfachlichen Nutzen haben bzw. jahrelange Verzögerungen der Umsetzung folgen. Mögliche Gründe für diese Problematik umfassen u.a. fehlendes Fachwissen sowie fehlende Priorisierung seitens des Vorhabensträgers (welcher schlussendlich die Verantwortung für die Kompensation trägt) sowie das Fehlen eines Monitoringsystems, welches abseits von behördlichen Kontrollen existiert. Letzteres ist vielerorts durch Fachpersonal- und Ressourcenmangel nicht konsequent durchführbar, zum Teil liegt ihnen aber auch kein konkretes System zugrunde oder die Vorgaben variieren abhängig von der zuständigen Behörde. Ferner ist es nicht nachvollziehbar, warum die gleiche Beeinträchtigung durch einen Eingriff in unterschiedlichen Bundesländern zu unterschiedlichen Kompensationsumfängen führt, wie es derzeit der Fall ist (Internationales Institut für Wald und Holz NRW, 2010). Der Kompensationsumfang sollte gut begründet sein und bedarf aufgrund der gleichen Wirkweise in den Bundesländern keiner unterschiedlichen Bewertungsmethodik. Im Rahmen der „Anpassung der Flächenkulisse für PV-Freiflächenanalagen im EEG vor dem Hintergrund erhöhter Zubauziele“ (Günnewig, Johannwerner, Metzger, Kelm, & Wegner, 2022), welches im Auftrag des UBA verfasst wurde, wird sich ebenfalls für Schritte Richtung Vereinheitlichung ausgesprochen. Hier wird ausgeführt: “Die Aufnahme von Kriterien zur naturverträglichen Gestaltung im EEG würde den gegebenen Abstraktionsgrad der Bestimmungen deutlich reduzieren. Eine daran gebundene Verpflichtung der Standortkommune müsste flankiert werden über die zuständigen Naturschutzbehörden. Am Ende wäre die Umsetzung durch das stromabnehmende Energieunternehmen zu prüfen. Vorzuziehen wäre stattdessen, das naturschutzrechtliche Instrumentarium der Eingriffsregelung im Hinblick auf eine einheitlichere Verfahrensweise z. B. bzgl. des Umgangs mit Kompensationsleistungen zu adressieren. Damit hätte man sowohl das EEG-Regime als auch die PPA-Anlagen gleichermaßen im Blick.“ Mit Blick auf die Solarthermie scheint es sinnvoll, dem Ansatz des UBA zu folgen. Flächenkonzepte für FFA zur Nutzung solarer Energie sollten nicht über die Vermarkungskonzepte (EEG) gesteuert werden, sondern im Rahmen von Regelungen, die sich auf die bauliche Art und Auswirkung der Anlage beziehen – wie es im Rahmen der Eingriffsregelung der Fall ist. 5.2 Ausgestaltung Bestimmung Kompensationsumfang Es gibt bereits mehrere standardisierte Berechnungsmethoden zur Bestimmung von Kompensationsumfängen. Diese gilt es zu evaluieren und entweder a) eine Methode zu priorisieren und diese aufgrund von Bewährtheit und guter Begründbarkeit als Standard festzulegen, oder b) eine neue Methode als Standard festzulegen, die in Form des Best-Practice Ansatzes auf den bestehenden Methoden beruht. Die 2021 vom BfN veröffentlichte „Entwicklung eines Bewertungsmodells zum Landschaftsbild beim Stromnetzbau“ zeigt auf, wie eine solche Evaluation aussieht und wie eine bundesweit einheitliche Herangehensweise geschaffen werden kann. Bekannte, standardisierte 14 Berechnungsmethoden sind z.B. das Osnabrücker Modell (Landkreis Osnabrück, 1997), oder das Warendorfer Modell (Kreis Warendorf UNB, 2021). Umsetzung Ausgleichsmaßnahmen Abseits von diversen rechtlichen Bestimmungen zur Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen, sollte auch die Qualität und die Sinnhaftigkeit der Maßnahme im Fokus stehen. So gilt es zu bedenken, welche Beeinträchtigungen mit welcher naturschutz- oder landschaftsfachlichen Folge innerhalb der Solar-FFA anfallen und mit welcher Maßnahme diese sinnvoll ausgeglichen werden kann. Zwei Beispiele solcher Schlussfolgerungen, die innerhalb von Solar-FFA auftreten können, befinden sich in Tabelle 1. Um Sinnhaftigkeit, Qualität und rechtliche Bestimmungen zu erfüllen, bietet sich der Verweis auf einen entsprechenden Leitfaden zu Beginn des Projektes an und/oder der Verweis auf etablierte Maßnahmenträger, die diese Arbeit übernehmen. Bayern beispielsweise hat aktuell einen ausführlichen Handlungsleitfaden Qualitätsmanagement Kompensation (Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU), 2021), der sich um die Umsetzung von Maßnahmen dreht und auch Best-Practice-Beispiele enthält. Zudem sollten sich gängige Probleme bei der Wahl von Kompensationsflächen bzw. -maßnahmen bewusst gemacht werden, um diese proaktiv zu adressieren und Lösungswege aufzuzeigen. Beispiele für solche Probleme sind (Herden, Rassmus, & Gharadjedaghi, 2009): • Zu geringe Flächengröße für die angestrebte Maßnahme → Lebensgemeinschaften/Ökosystem kann sich nicht vollständig/typisch ausbilden. • Fehlende Habitatkontinuität verstärkt durch zu kurze zeitliche Vertragsbindung (dadurch wird die Habitatkontinuität auch perspektivisch nicht behoben). • Oft fehlen seltene und gefährdete Arten, welche einen direkten Effekt auf den “High Nature Value” haben. • Das Fehlen von Lebensraumverknüpfung bei vielen isolierten Einzelflächen. Beeinträchtigender Eingriff Mögliche Folge Sinnvolle Ausgleichsmaßnahme Module sehr bodennah Beschattung, evtl. Austrocknung Schaffung eines Feuchtbiotops/ Kleingewässers Umzäunung des Gebietes Abhängig von Landschaftsstruktur kann es zu einer Zerschneidung von vernetzten Habitaten kommen Vernetzung von Habitaten durch Korridore mit passenden, dem Lebensraumtyp entsprechenden Vernetzungselementen 15 Tabelle 1: Beispiele für Ausgleichsmaßnahmen entsprechend der Art der Beeinträchtigung im Kontext von Solar-FFA Monitoringsystem Die Studie von Rabenschlag et al. (2019), in deren Rahmen die Evaluierung von baurechtlichen Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt wurde, bietet Orientierungspunkte, wie ein zielführendes Monitoringsystem für Ausgleichsmaßnahmen ausgestaltet werden kann. Diese Studie empfiehlt das Monitoring von Flächen im Zusammenspiel mit einer „engmaschigen Flächenbetreuung in Sinne eines adaptiven Managements“ zu etablieren. Diese Herangehensweise ermöglicht eine frühe und wirkungsvolle Anpassung, sollten sich Maßnahmen nicht wie gewünscht entwickeln. Auch wird in der Studie betont, dass über die rein inhaltliche Erfassung hinaus Kontrollen von Fachpersonal (z.B. Ökolog:innen) notwendig sind und bei entsprechender Zustandsbewertung Sanktionen ausgesprochen werden. Desweiteren spricht sie sich dafür aus, dass diese Daten auf einer Plattform öffentlich zugänglich gemacht werden, so dass auch z.B. durch Verbände nachvollzogen werden kann, ob Ausgleichsverpflichtungen nachgekommen wurde. Die obengenannten Aspekte für ein sinnvolles Monitoringsystem wurden zum Teil ebenfalls von befragten Flächenagenturen aufgeführt. Weiteres Zudem sollte an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass der Ansatz der Realkompensation, welcher in Bundesländern wie beispielsweise Schleswig-Holstein durch entsprechende Agenturen bereits gut funktioniert, weiterhin gegenüber dem Ansatz der Ersatzgeldzahlung favorisiert werden sollte. Die Gefahr, die hierbei gesehen wird, ist, dass Ersatzgeldzahlungen nicht für eine umfangreiche Finanzierung gleichwertiger Kompensationsmaßnahmen ausreichen, da hierbei die dauerhafte (> 25 Jahre) Flächensicherung (Grunderwerb) sowie die Kosten für Personal, Verwaltung, und Herstellungs-, Entwicklungs- und Unterhaltungsmaßnahmen für mind. 25 Jahre berücksichtigt werden muss. 5.3 Verantwortungsbereiche Nationale Ebene Es sollte näher geprüft werden, ob eine einheitliche Herangehensweise an die Bestimmung des Kompensationsumfanges auf Basis bundesländerübergreifender Berechnungsmethoden auf nationaler Ebene umsetzbar und sinnvoll ist. Für ein einheitliches Monitoringsystem könnte ein Rahmen in Form von Mindestvoraussetzungen und -anforderungen festgelegt werden, um einen bundesweiten Qualitätsstandard zu garantieren. Beeinträchtigender Eingriff Mögliche Folge Sinnvolle Ausgleichsmaßnahme Module sehr bodennah Beschattung, evtl. Austrocknung Schaffung eines Feuchtbiotops/ Kleingewässers Umzäunung des Gebietes Abhängig von Landschaftsstruktur kann es zu einer Zerschneidung von vernetzten Habitaten kommen Vernetzung von Habitaten durch Korridore mit passenden, dem Lebensraumtyp entsprechenden Vernetzungselementen 16 Landesbehörde Auf Landesebene sollte die Evaluierung und ggf. Ausbesserung von Vorgängen und Regelungen bzgl. der Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen erfolgen. Dies umfasst auch und vor allem die Weiterentwicklung und Umsetzung eines effektiven und zielführenden Monitoringsystems (innerhalb festgelegter nationaler Rahmenbedingungen bzgl. der Ansprüche und des Qualitätsniveaus für ein Monitoringsystem). Aufgrund dieser Prozesse sollte auch die Erstellung bzw. Beauftragung entsprechender Leitfäden erfolgen, die diese Ergebnisse für die praktische Anwendung dokumentieren und zugänglich machen. Kommune Gerade bei der Anleitung der Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen können Kommunen eine zentrale Rolle einnehmen, indem sie von vornherein alle relevanten Informationen und Hinweise bzw. die entsprechenden Verweise transparent sichtbar machen (z.B. auf ihrer Homepage), oder diese Informationen bei Projektanfragen standardmäßig und unabhängig davon, ob dies konkret angefragt wurde, mitliefern um sicherzustellen, dass relevante Aspekte inkl. einer gewissen Qualität von Anfang an mitgedacht werden. In einem solchen Informationspool sollten auch etwaige Besonderheiten der Kommune dargestellt werden. Außerdem, ob es z.B. schon ausgewiesene Kompensationsflächen gibt , oder ob Ökokontomaßnahmen innerhalb der Kommune umgesetzt sind, bei denen der Kauf von Ökopunkten noch möglich ist. Auch die Empfehlung, auf einen etablierten Maßnahmenträger für Ausgleichsmaßnahmen zurückzugreifen, sollten die Kommunen zentral platzieren und dabei auf die entsprechenden, lokalen Institutionen verweisen. Projektierende Die Inanspruchnahme von empfohlenen Leitfäden und Hilfestellungen sowie die enge Zusammenarbeit und der Austausch mit der Kommune helfen bei einer effizienten und qualitativ hochwertigen Umsetzung. Zudem ist die Zusammenarbeit mit entsprechenden Agenturen zu empfehlen, da die Bereitstellung von Realkompensationen in Bundesländern wie z.B. Schleswig-Holstein mit Hilfe von gut aufgestellten Agenturen bereits gut funktioniert. Hierdurch werden sämtliche Aspekte, wie die dauerhafte Flächensicherung, Herstellungs-, Entwicklungs- und Unterhaltungsmaßnahmen sowie Personal- und Verwaltungskosten für mind. 25 Jahre mit abgedeckt. 6 HANDLUNGSBEREICH: FOKUS AUF ÖKOKONTOMAßNAHMEN Die Nutzung des Ökokonto-Konzeptes sollte für Solar-FFA gestärkt werden, bei welchen eine Komplettkompensation innerhalb der Fläche nicht realisierbar ist. Um Synergien zu fördern und Rahmenbedingungen für eine einheitliche Qualität zu schaffen, sollten übergeordnete Instrumente auf Bundesebene näher geprüft werden, welche zu einer Vereinheitlichung bzw. Angleichung der Vorgaben auf Bundeslandebene führen könnten. Diese übergeordneten Ansätze sollten vor allem qualitative Rahmenbedingungen schaffen, während auf Bundeslandebene weiterhin länderspezifische Besonderheiten (z.B. vorhandenen Ökosysteme) berücksichtigt und geregelt werden können. 17 6.1 Hintergrund Wie bereits in 3.2 angeführt, wird an der aktuellen Handhabung von Kompensation laufend Kritik geübt, vor allem bezogen auf die Umsetzung und das Monitoring solcher Maßnahmen (Bronner & Flohr, 2015; Wonneberger, 2021). Es gilt zu schauen, wie die lokalisierten Problematiken angegangen und behoben werden können. Die Vereinheitlichung der ÖKVO kann zur Optimierung der Planungsprozesse führen und für eine gewisse Transparenz sorgen. Zudem besteht derzeit eine stetig wachsende Nachfrage an (naturschutzfachlichen) Ökopunkten, deren Trend keinen Abbruch vermuten lässt13. Auf dieser Grundlage appellieren wir, die Chancen von Ökokontomaßnahmen zu nutzen und bekannte Problematiken proaktiv anzugehen und auszubessern. Ein weiterer Vorteil von Ökokontomaßnahmen ist, dass der durch die Kompensationsflächensuche entstehende Druck genommen wird. Gerade Solar-FFA bieten sich für die Nutzung von Ökopunkten zur Kompensation an, da bestimmte Kritikpunkte an Ökokonten systematisch bereits wegfallen. So trifft hier zum Beispiel die generelle (großräumige) Flächenversiegelung durch Bauvorhaben nicht zu, die normalerweise bei der Nutzung von Ökopunkten nicht genügend berücksichtigt wird. 6.2 Ausgestaltung Die Schwachpunkte innerhalb der aktuell existierenden Systeme14 können durch eine umfangreiche Evaluierung und anschließende Ausbesserung und Neustrukturierung des Ökokontokonzeptes inkl. Einfluss von Best-Practice Erfahrungen aus unterschiedlichen Bundesländern adressiert werden. Diese Evaluierung umfasst ebenfalls eine aktive Befragung und Beteiligung von betroffenen Akteur:innen. Da diese Überarbeitung der bestehenden Konzepte weitverbreitete Problematiken adressieren soll und gleichzeitig Best-Practice Erfahrungen mit einbeziehen kann, sollte sich hierdurch ein Konzept ergeben, das in entsprechend verallgemeinerter Form auf Bundesebene gehoben werden kann und hierdurch wiederum eine klare Rahmenbedingung für alle Bundesländer schafft. Diese ÖKVO sollte unterscheiden zwischen festen Rahmenbedingungen, die zur Garantie eines gewissen Qualitätsniveaus notwendig sind, und Best-Practice-Empfehlungen, die den Freiraum lassen bundeslandspezifische Besonderheiten der vorhandenen Ökosysteme und Strukturen zu berücksichtigen. Der Ansatz der Evaluierung von bestehenden ÖKVO bietet die Grundlage für eine praxisorientierte Anpassung und sollte somit zu einer Verbesserung der Konzepte in vielen Bundesländern führen. Der Fokus sollte auf den bereits lokalisierten Problematiken liegen, namentlich der fehlenden bzw. qualitativ unbefriedigenden Umsetzung und dem Mangel an einem effektiven Monitoringsystem. Abseits davon sollte auch geklärt werden, wie mit dem Erhaltungszeitraum von Ökokontomaßnahmen umgegangen wird. Derzeit haben solche Maßnahmen einen festgelegten (Mindest-)Zeitraum, wie lange diese erhalten bleiben müssen. Gleichzeitig verfallen einmal erworbene Ökopunkte nicht, auch wenn der beeinträchtigende Eingriff erhalten bleibt, während die Ökokontomaßnahme ggf. nicht mehr existiert bzw. zumindest nicht mehr rechtlich verpflichtet ist, bestehen zu bleiben. 13 Aussage im Rahmen dieses Leitfadens befragter Agenturen. 14 Diese Systeme können abseits der ÖKVO auch noch angrenzende Verordnungen und Richtlinien enthalten, die zur Anwendung und Ausgestaltung von Ökokonten und Ökokontomaßnahmen notwendig bzw. strukturgebend sind. Zudem beinhalten diese Systeme auch diverse Akteur:innen, die im Themenkomplex Ökokonten zu verordnen sind und durch eine übergeordnete Ökokontoverordnung betroffen wären. 18 Entscheidend bei der Fokussierung auf Ökokontokonzepte ist, dass Ökokontoflächen in der Flächenplanung von Kommunen bereits Raum erhalten. Zusätzlich zu Flächen im Kommunalbesitz gibt es den Aspekt, dass das Angebot von Ökopunkten durch privat angelegte Ökokontomaßnahmen ergänzt wird. Hierzu führt vor allem der finanzielle Anreiz – vor allem dort, wo z.B. landwirtschaftlich Flächen nicht mehr besonders wirtschaftlich sind. Zudem ist auch bei der Umsetzung von Ökokontomaßnahmen – genau wie bei der Umsetzung von klassischen Ausgleichsmaßnahmen – die Übertragung an etablierte Maßnahmenträger zu empfehlen und anzuvisieren, um ein hohes Maß an Qualität und eine zielführende Umsetzung und Pflege zu garantieren. Die Befragung von Agenturen mit Schwerpunkt bzw. Spezialisierung auf Ökokontomaßnahmen ergab folgende Best-Practice Ansätze: • Die Abwicklung von Ökokontomaßnahmen läuft in Schleswig-Holstein insgesamt gut und bietet so die Grundlage für Best-Practice Empfehlungen. Die ÖKVO ist hier gut etabliert, anerkannt und rechtliche Unklarheiten wurden bereits mithilfe weiterer Erlässe konkretisiert. Ein Beispiel ist die geregelte Einbindung von Ökopunkten in die Bauleitplanung. Zusammen mit der zusätzlichen Vollzugshilfe zu ÖKVO (2017) ermöglicht dies die Realkompensation von vielen, großen Infrastrukturvorhaben. Die hierfür notwendigen hohen Flächenbedarfe lassen sich durch vorausschauende Planung und in Kooperation mit entsprechenden Institutionen (z.B. der Landgesellschaft) lösen. Außerdem ist es in Schleswig-Holstein durch die AgentAnerkVO inzwischen möglich, dass Vorhabensträger die genehmigungsrechtliche Verantwortung für die Kompensation – sprich die Kompensationsverpflichtung – auf eine anerkannte Agentur (nach AgentAnerkVO) übertragen. • Ein weiterer, wichtiger Aspekt ist die eindeutige Klärung der Dauer der Pflege- und Unterhaltungsverpflichtung. • Auch die Notwendigkeit für speziell geschultes Fachpersonal in den entsprechenden Behörden mit Blick auf die Maßnahmenbewertung, -planung und -umsetzung sollte nicht außer Acht gelassen werden. • Ein weiterer zentraler Aspekt ist der Einbezug der aktuellen Bewirtschaftenden von Ausgleichsflächen mit ihren Fähigkeiten und technischer Ausstattung. Dies beginnt bereits bei der Konzipierung von Ausgleichsmaßnahmen, reicht über die Steuerung und Betreuung, bis hin zum Monitoring. • Die naturschutzrechtlichen Ökokonten konnten auch in Baden-Württemberg das zentrale Problems des Umsetzungsdefizits sowie der stark zeitverzögerten Umsetzung lösen. Die Zinsansprüche, die bei vorgezogenen Maßnahmen vorliegen, führen zu einer zeitnahen Umsetzung nach der Genehmigung der entsprechenden Behörde. • Zudem wurde durch die ÖKVO in Baden-Württemberg ein einheitlicher Rahmen auf Bundeslandebene für die Bewertung bestimmter Schutzgüter geschaffen, der nun auch außerhalb der ÖKVO als Orientierung dient und angewandt wird. • Die wirtschaftliche Attraktivität solcher naturschutzrechtlichen Ökokonten durch eine entsprechende Vergütung ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Dieser finanzielle Anreiz bildet einen effektiven Hebel zur Umsetzung von wichtigen Naturschutzmaßnahmen, vor allem dann, wenn sich die Ökokontomaßnahme wirtschaftlicher stärker rentiert als die vorherige Bewirtschaftungsform. 19 • Generell kann darauf verwiesen werden, dass sich bei der Umsetzung von Ökokontomaßnahmen diverse Parallelen zu Kompensationsmaßnahmen finden lassen, da diese gleichermaßen sorgfältig und fachlich kompetent geplant, gesichert, umgesetzt und langfristig erhalten werden müssen. • Der Bundesverband der Flächenagenturen in Deutschland (BFAD) hat für seine Mitglieder bereits einen Qualitätsstandard für Flächenpools festgelegt. Dieser beinhaltet folgende fünf Kernaspekte: o Naturschutzfachliche Aufwertung o Langfristige Sicherung von Flächen und Maßnahmen o Langfristige Dokumentation des Entwicklungszustandes der Poolflächen o Fachliche Abstimmung und planerische Einbindung o Hohe Qualität der Planungsleistungen Im Gegensatz zu Best-Practice stehen die Hürden und Hemmnisse der aktuellen Ökokontokonzepte, die bestmöglich adressiert werden sollten. Dies umfasst Folgendes: • In Schleswig-Holstein wird darauf hingewiesen, dass die Unteren Naturschutzbehörden die ÖkokontoVO z.T. unterschiedlich auslegen. Dies kann beispielsweise zu Abweichungen bei der Ausgestaltung von Zuschlägen für Arten- und Biotopschutz führen. Eine Vereinheitlichung des Vorgehens in einem Bundesland würde die Planungssicherheit für die Ökokontobetreiber erhöhen. Auch auf die unterschiedlichen Qualitätsstandards der Ökokonten innerhalb eines Bundeslandes wird hingewiesen und, dass eine Vereinheitlichung zusammen mit einem verpflichtenden Monitoring die Voraussetzung ist, um Defizite zu beseitigen. • Es wird darauf hingewiesen, dass Ökokontomaßnahmen als Ersatzmaßnahmen eingestuft werden und hierdurch die funktionale Kompensation nicht immer gewährleistet ist. In Schleswig-Holstein wird dies teils durch weitere Erlässe adressiert. Für Waldökokonten ist beispielsweise durch die Erlasslage konkret festgelegt, für welche Eingriffe diese genutzt werden können. • Im allgemeineren Kontext stellt weiterhin der knappe Flächenmarkt sowie das geringe Angebot an Ankaufflächen Hindernisse für die Umsetzung von Ökokontomaßnahmen dar. • Zudem ist die Bilanzierungsmethodik für das Schutzgut Landschaftsbild (welches die Funktion Erholung d

Anna Laura Ulrichs2024-08-01T14:53:18+02:00Freitag, 1. Dezember, 2023|

Freiflächen-Solarthermie in der Raumplanung – Grundsatzpapier

POLICY PAPER/GRUNDSATZPAPIER ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE IN DER RAUMPLANUNG erstellt von HIR Hamburg Institut Research und Solites im Rahmen des Projekts SolnetPlus Juli 2023 Solarthermie-Freiflächenanlagen müssen auf allen Planungsebenen ausdrücklich und zusätzlich zu Photovoltaik-Anlagen adressiert werden. Solarthermische Freiflächenanlagen können die Dekarbonisierung von Wärmenetzen sehr effektiv unterstützen, weil die Sonnenenergie durch die direkte Umwandlung zu Wärme sehr effizient genutzt wird. Durch den geringen Bedarf zusätzlicher Energieträger wie u.a. Strom können die Wärme-erzeugungskosten langfristig gering und die Wärmepreise weitgehend unabhängig von globalen Energiemärkten gestaltet werden. Dass sich die Freiflächen-Solarthermie in den vergangenen Jahren noch nicht stärker verbreitet hat, lag neben den sehr geringen Bezugskosten für fossile Brennstoffe auch an dem geringen Bekanntheitsgrad der Technik und den Hemmnissen in der Planung der Anlagen. Das Hamburg Institut hat sich in den Jahren 2022- 2023 im Rahmen des Forschungsprojekts SolnetPlus mit den Planungs- und Genehmigungshemmnissen auseinandergesetzt und die folgenden Politikempfehlungen entwickelt: 1. Solarthermie sollte in der Raumplanung auf Bundesebene Vorrang vor Photovoltaik eingeräumt bekommen. Alle Maßnahmen, die die räumliche Steuerung von Photovoltaikanlagen adressieren, sollten agen" betitelt werden, um die Solarthermie im Begriff einzuschließen. Im Rahmen der räumlichen und planungsrechtlichen Steuerung wie z.B. über das BauGB sollte bei Maßnahmen, die den Ausbau von solaren Anlagen beschleunigen, die Solarthermie gegenüber der Photovoltaik gesondert behandelt werden. Die Privilegierung von solaren Anlagen im 200 m-Korridor entlang von Autobahnen und Schienen ist klar auf die Belange der Photovoltaik ausgerichtet. Die solarthermische Erzeugung sollte als Anlage privilegiert werden, ohne räumliche Vorgaben. Solarthermische Freiflächenanlagen sollten aus wirtschaftlich-technischen Gründen möglichst nah an den Wärmeverbrauchern liegen. Im Gegensatz dazu haben Photovoltaik-Freiflächenanlagen kein derartiges Erfordernis und können weiter entfernt von den Verbrauchern liegen. 2. Bezüglich steuerlicher und erbschaftsrechtlicher Belange ist die Solarthermie mindestens im gleichen Maße wie die Photovoltaik zu adressieren. Alle Maßnahmen, die die finanzrechtlichen Aspekte von Photovoltaikanlagen adressieren, scheint. 3. Solarthermie ist in der Raumplanung auf Landesebene gesondert zur Photovoltaik zu betrachten. Landesraumordnungsprogramme oder Landesentwicklungsprogramme sollten klar benennen, dass solarthermische Anlagen auch in Bereichen mit hohen räumlichen Widerständen nicht generell auszuschließen sind. Stattdessen sind die (scheinbaren) räumlichen Widerstände unter erhöhtem Abwägungsbedarf zu prüfen oder als besonders geeignet für Solarthermie darzustellen, wenn ein Wärmenetz in der Nähe liegt oder geplant ist. Hintergrund ist, dass sich der Suchbereich für solarthermische Freiflächen stark auf die Gebiete in der Nähe zu Wärmenetzen / Siedlungsbereichen beschränkt, da die Anbindung nur unter begrenzten Leitungslängen sinnvoll umsetzbar ist. Gunstflächen bzw. besonders geeignete Flächen für die solare Nutzung sollten sich nicht nur an den Fördervorgaben des EEG (Ausrichtung an der Photovoltaik) orientieren. Stattdessen sollten sie u.a. die räumliche Vorprägung stärker in Betracht ziehen und besonders geeignete Flächen dort vorsehen, wo auch solarthermische Anlagen besonderes Umsetzungspotenzial aufweisen wie z.B. in räumlicher Nähe zu bebauten Bereichen wie Siedlungs- und Gewerbegebieten. 4. Länder und Landkreise / Regionen sollten die Kommunen bei der Flächenanalyse unterstützen und den Kommunen Potenzialatlanten zur Verfügung stellen, die die Ausschluss- und Abwägungsbereiche auf den vorgelagerten Ebenen zur kommunalen Planung abbilden. Da auf absehbare Zeit eine Vielzahl von Kommunen eine Wärme- oder Energieplanung erstellen wird, sollten die Daten der vorgelagerten Planungsebenen aggregiert bereitgestellt und laufend aktualisiert werden, um die Datenbeschaffung effizient zu gestalten und mehr Ressourcen für die Abstimmung der Konzepte und Flächen auf kommunaler Ebene zu schaffen. In Gesetzgebungsverfahren sollte darauf geachtet werden, Länder und Landkreise in dieser Aufgabe zu stützen. 5. Kommunen sollten sich aktiv in die Flächenbereitstellung und -konzeption inklusive der Kompensationsflächen einbringen. Zusätzlich zu den Projektflächen und Nutzungskonzepten, die im Rahmen einer strukturierten Flächenanalyse und begleitet durch eine Solarstrategie ermittelt werden, sollten Kompensations- bzw. Ökokontoflächen für ausgewählte (solarthermische) Projekte vorgehalten werden. Durch dieses Vorgehen kann der zeitliche Gesamtplan des Projekts gestrafft werden, wenn die Flächensuche für solarthermische Anlagen von Beginn an systematisch erfolgt. Eine weitere zeitlich nachgelagerte Suche nach Kompensationsflächen muss in diesen Fällen nicht mehr erfolgen, was die Umsetzung beschleunigt. In Gesetzgebungsverfahren sollte darauf geachtet werden, dass Kommunen in der nicht vorhabenbezogenen (Bauleit-)Planung von solaren Freiflächen gestützt und Hürden abgebaut werden. Weitere Infos zum Projekt unter: www.solare-waermenetze.de Weitere Inhalte zu Freiflächen-Solarthermie und Raumplanung auch unter: https://www.solare-waermenetze.de/solare-waermenetze/solarthermie-freiflaechen-raumplanung/ Dieses Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages unter dem Förderkennzeichen 67kf0119c gefördert.

Anna Laura Ulrichs2023-08-02T15:27:28+02:00Mittwoch, 2. August, 2023|

Solarwärmenetze aus Behördensicht

10 Wärmenetze elix Landsberg, Berater beim Hamburg-Institut hat in den ver- gangenen Wochen viel mit Bau- ämtern, unteren Naturschutzbehörden und Stadtwerken gesprochen. Mit Hilfe qualitativer Interviews versucht der Wissen schaft ler ein Bild der aktuellen Genehmigungspraxis für große Solar- thermieanlagen zu zeichnen. Die Studie des Hamburg-Instituts soll Aufschluss darüber geben, wo es bei den Geneh- migungsprozessen für große Solarther- mieanlagen in Deutschland noch hakt, was gut läuft und wie es noch besser laufen könnte. Finanziert wird die Studie aus Mitteln des Bundesumwelt- ministeriums im Projekt SolnetPlus. Noch sind die Befragungen nicht abgeschlossen. Doch erste Trends lie - ßen sich schon erkennen, verriet Lands- berg der Energiekommune: „Meist geht es in der einen oder anderen Weise um das Thema Fläche.“ Denn große Solar- thermieanlagen für die Fernwärme wer- den heute zumeist auf Freiflächen reali- siert und benötigen Platz. Im Gegensatz zu Photovoltaikprojektierern sind Fern- wärmebetreiber bei der Standortsuche für Solarkollektoren allerdings deutlich weniger flexibel. Die Anlagen können nicht allzu weit von den Wärmenetzen und den Verbrauchern entfernt gebaut werden. Andernfalls würde der Lei- tungsbau die Kosten steigern und der Netzverlust die Effizienz senken. Nach Landsbergs Erkenntnissen lief es in den bisherigen Projekten meist so, dass für ein bestimmtes Solarprojekt eine Fläche gesucht wurde. Ist ein po- tenzielles Gelände gefunden, dann lan- det der Fall bei den kommunalen Ge- nehmigungsbehörden. Zwischen Pro- jektierer und Behörde ist zu klären, ob, wie und unter welchen Auflagen eine Freiflächen-Solarthermieanlage an die- sem Standort genehmigt werden kann. Zumeist geschehe dies im Rahmen ei - nes vorhabenbezogenen Bebauungs- plans, weiß Landsberg zu berichten. Es seien aber auch Anlagen auf bereits be- stehenden Bebauungsplänen geneh - migt worden. Ferner seien im Außenbe- reich einige Anlagen auf Basis der Privi- legierung für Versorgungsinfrastruktur nach § 35 des Baugesetzbuches reali- siert worden. Welche Gutachten sind nötig? Egal auf welcher dieser Grundlagen der Genehmigungsprozess laufe, stets sei es für die zuständigen Unteren Bau- und Naturschutzbehörden ein Sprung ins kalte Wasser. „Da schwingt immer eine gewisse Unsicherheit mit, weil die Behörde es zum ersten Mal macht“, sagt Landsberg. „Es fängt damit an, welche Gutachten überhaupt einzuholen sind. Wir sind bei unseren Befragungen auf Blendgutachten gestoßen, auf Versicke- rungsgutachten, auf Umweltgutachten zu Natur- und Artenschutz, sogar auf Verkehrsgutachten wegen des Liefer- verkehrs für die ergänzende Hack- schnitzelfeuerung.“ Für diese Gutach - ten gebe es wegen der individuellen Er- fordernisse vor Ort keine Standards, so Landsberg: „Hilfreich wäre aber aus Sicht der Behörden, wenn es ein Muster gäbe, welche Gutachten nicht für jedes Projekt individuell erstellt werden müs- sen.“ Für die Mitarbeiter:innen der Äm- ter ergäben sich weitere Unsicherhei - ten, „welche Träger öffentlicher Belan- ge überhaupt zu beteiligen sind und welches Maß an Aus gleichsmaß nah - men unter welcher Art der Flächenge- staltung zu fordern ist.“ Mitunter sei es in den vom Hamburg-Institut unter - such ten Projek ten möglich gewesen, die Kollektorfel der so naturverträglich zu gestalten, dass sich kein weiterer Ausgleichsbe darf ergeben habe. Teils hätten die Anlagenbetreiber die Ämter überzeugen können, dass sie intensiv genutztes Ackerland in eine extensive Beweidung überführten. Es fehle aber eine klare Richtschnur für solche Behör- denentscheidungen, sagt Landsberg. Zwar komme es vor Ort immer auf den Einzelfall an, und deshalb sei die kommunale Planungshoheit so wichtig, betont Landsberg. Und dennoch wünschten sich viele der Befragten kla- rere Regeln und Vorgaben für den Ge- nehmigungsprozess: „Zum Beispiel wäre eine Vorgabe der Länder sinnvoll, wie Ausgleichsmaßnahmen zu quantifi- zieren sind oder welche Auflagen für die Nutzung der Flächen zwischen den Kollektorreihen sowie für deren Abstän- 4/2022Energiekommune Solarwärmenetze aus Behördensicht Wenige Kommunen haben bislang Fernwärme-Solarthermieanlagen im Stadtgebiet. Auf welche Hürden sind sie in den Genehmigungsverfahren gestoßen, wie sind sie zum Ziel gekommen und was können andere daraus lernen? Das ist Thema einer Befragung. F Foto: Guido Bröer de oder Bauhöhen gelten sollten.“ Solche Vorgaben seien größtenteils Ländersache, erklärt Landsberg. Ein Beispiel: In Schleswig-Holstein wurde für Solarparks die Vorgabe ge- macht, auf die Abstände zwischen Boden und Unterkante der Module Acht zu geben. Umweltverbände fordern hier sogar die Festsetzung einer Min- desthöhe, um Schafen zu ermöglichen darunter hindurch zu schlüpfe., In NRW hingegen bestand eine Genehmigungs- behörde aus optischen Gründen auf einer Maximalhöhe der Kollektor-Ober- kante von 2 Metern über Grund. Einen konkreten Tipp hat Felix Lands berg in dieser Situation für alle Fernwärmebetreiber und -Planungsbü- ros, die mit der Idee einer solaren Frei- flächenanlage schwanger gehen: „Spre- chen Sie sehr frühzeitig mit der Umwelt- behörde beziehungsweise der Unteren Naturschutzbehörde. Wenn man früh in den Dialog geht, kann man spätere Pro- bleme vermeiden.“ Öffentlichkeit einbinden Das gelte im Prinzip auch für die Beteili- gung der Öffentlichkeit, meint Lands - berg. Immerhin laufe diese bei Projek - ten zur Fernwärmeversorgung meist besser als mitunter bei großen Photo- voltaikparks, wo sich schon allein des - halb Widerstand rege, weil ein externer Investor eine Kommune mehr oder we- niger mit seinen Plänen überraschte. Der lei sei von Solarthermieprojekten bislang kaum bekannt, so Landsberg: „Solare Wärmenetze entstehen meist aus der Mitte der kommunalen Gesell- schaft. Der vorgelagerte Planungspro - zess findet vor Ort statt. Die Betreiber sind oft in der Kommune ansässig. Und auch die Nutznießer, die Wärmeabneh- mer, leben in der Gemeinde. Idealerwei- se gibt es sogar eine finanzielle Beteili- gung der Bürgerinnen und Bürger an den Anlagen. Sei es, dass diese genos- senschaftlich organisiert sind oder dass der finanzielle Nutzen über den Quer- verbund eines Stadt werks der Allge- meinheit zugute kommt.“ Wenn alles gut läuft, dann gibt es mit der Flächenfindung und Genehmi- gung für eine große Solarthermieanlage keine besonderen Probleme. Dennoch sind die Wissenschaftler:innen des Hamburg-Instituts mittlerweile zu der Überzeugung gekommen, dass der Pro- zess der Flächensuche insge samt vom Kopf auf die Füße gestellt werden muss, um bei der Energiewende mit der nöti- gen Geschwindigkeit voranzukommen. Landsberg: „Unser Credo lautet ,von der Fläche zum Projekt, nicht vom Projekt zur Fläche.‘“ Will heißen: Kommunen werden im Zuge der Energiewende so viele Flächen für die Energieernte aus- weisen müssen, dass ein systematisches Flächenscreening für die verschiedenen regenerativen Energien das Gebot der Stunde ist. Landsberg sagt: „Die meisten Kommunen müssen erstmal die Grund- lagen legen für den erforderlichen Ab- wä gungs prozess. Sie müssen sich fra - gen: Wieviel Energie können und müs- sen wir auf unserem Stadt- oder Gemeindegebiet erzeugen. Dafür be - darf es einer interkommunalen struktu- rierten Flächenanalyse.“ Mit diesem Begriff beschreibt Landsberg ein Vorgehen, das eigentlich sogar über die neuesten Vorgaben einer kommunalen Wärmeplanung hinaus- geht, wie sie in Baden-Würtemberg vor- exerziert wird und laut Ankündigung der Bundesregierung demnächst auch bundesweit Pflichtaufgabe werden soll: „Wärmeplanung ist sehr gut und wich- tig. Aber dabei ist auch die Sektoren- kopplung, also die Verknüpfung mit dem Strombereich zu bedenken. Es muss ein generelles Umdenken stattfin- den, wie Stadtgesellschaften mit Flä- chen umgehen.“ Guido Bröer Wärmenetze Felix Landsberg hat Genehmigungsbe- hör den und Projektierer zu Erfahrungen mit großen Solarthermieanlagen befragt. Foto: Hamburg-Institut

Maren2024-05-31T16:04:26+02:00Freitag, 1. April, 2022|
Nach oben