Sozialwissenschaftliche Begleitforschung zum Projekt SolnetBW II

Sozialwissenschaftliche Begleitforschung im Projekt SOLNET BW II HIC Hamburg Institut Consulting GmbH Bearbeiter: Dr. Hilmar Westholm, Dr. Annette Vollmer Im Auftrag des Hamburg Instituts Research gGmbH Hamburg, im Oktober 2019 HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 2 von 40 Inhalt 1. Aufgabenstellung und Vorgehen ........................................................................................ 4 1 Anfängliche Aufgabenstellung .................................................................................... 4 1 Abwandlung der Aufgabenstellung im Verlauf des Projektes .................................... 4 1 Vorgehen..................................................................................................................... 5 1 Aufbau dieses Berichts ................................................................................................ 7 2 Flächen bezogene Hemmnisse und mögliche Instrumente ................................................ 7 2.1 .................................................................................... 7 2.2 ......................................... 9 2.3 .................................................................................................. 10 3 Soziokulturelle und sozioökonomische Hemmnisse beim Bau von Wärmenetzen und mögliche Instrumente zu deren Überwindung ................................................................. 14 3.1 ................................................................. 14 3.2 ....................................... 15 3.3 ..................................................................................................... 16 4 Begünstigende und behindernde Einflussfaktoren .......................................................... 18 5. Herleitung von Narrativen ................................................................................................ 22 5.1 Narrative bezogen auf großflächige Solarthermie und Wärmenetze ...................... 24 5.2 Narrative bezogen auf großflächige Solarthermie ................................................... 25 5.3 Narrative bezogen auf Wärmenetze ........................................................................ 28 Anhänge .................................................................................................................................... 31 A.1 ......................................................... 31 A.2 Interviewpartnerinnen und partner und teilnehmende Beobachtung .................. 35 A.3 Empfehlungen ........................................................................................................... 36 A.4 Literatur- und Quellenverzeichnis ............................................................................ 39 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abb. 1: Lebenszyklus von Projekten zur Nutzung großflächiger Solarthermie und in den Reallaboren betrachtete Standorte 5 Abb. 2: Flächen bezogene Hemmnisse 8 Abb. 3 Zur Überwindung der Hemmnisse eingesetzte Instrumente 9 HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 3 von 40 Abb. 4 Eckpunkte, Charakteristika sowie Hemmnisse und eingesetzte Instrumente im Projekt Ludwigsburg 11 Abb. 5 Eckpunkte, Charakteristika sowie Hemmnisse und eingesetzte Instrumente im Projekt Radolfzell-Liggeringen 12 Abb. 6 (auch vorherige Seite) Eckpunkte, Charakteristika sowie Hemmnisse und eingesetzte Instrumente im Projekt Tübingen 13 Abb. 7 Eckpunkte, Charakteristika sowie Hemmnisse und eingesetzte Instrumente im Projekt Mössingen 13 Abb. 8 Sozio-kulturelle und sozio-ökonomische Hemmnisse in Bezug auf den Bau von u.a. mit großflächiger Solarthermie betriebenen Wärmenetzen 14 Abb. 9 Instrumente zur Überwindung der Hemmnisse 16 Abb. 11 Projekt Breitenholz ausgewählte Charakteristika, Hemmnisse und Instrumente 17 Abb. 12 Projekte im Rhein-Hunsrück-Kreis ausgewählte Charakteristika, Hemmnisse und Instrumente 18 Abb. 13 Flächenbedarf für Freiflächensolarthermie im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energieträgern 27 Tabelle 1 Zuordnung der untersuchten Projekte nach Projekttypen 6 Tabelle 2: Strukturelle, eher begünstigende und eher behindernde Einflussfaktoren 18 Tabelle 3 Übersicht der Narrative und möglicher Zielgruppen 23 Tabelle 4 Zuordnung der Interviewpartner*innen in den untersuchten Projekte zu Akteursgruppen 35 HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 4 von 40 1. Aufgabenstellung und Vorgehen 1.1 Anfängliche Aufgabenstellung Das Hamburg Institut liefert mit diesem Bericht die Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Begleitforschung zum Projekt Solnet BW II. Dieses Projekt basiert auf den Vorarbeiten von Solnet BW I. Ziel des Projektes Solnet BW II ist eine vermehrte Nutzung solarer Wärmenetze in Baden- Württemberg. Dafür sollen innovative weiterführende Lösungsansätze für die bestehenden Hemmnisse entwickelt werden. Als Hemmnisse wurden im Vorgängerprojekt SOLNET BW I u.a. die Flächenverfügbarkeit für solarthermische Großanlagen und die lückenhaften Kenntnisse und das mangelnde Vertrauen in die bzw. die fehlende Akzeptanz der solaren Wärmeerzeugung seitens der Verbraucher identifiziert. Weitere Hemmnisse werden im Rahmen des eigentlichen Projektes Solnet BW II adressiert, die beiden oben genannten Hemmnisse sollen gemäß Auftrag ergänzend bzw. vorrangig mit dem Instrumentarium der sozialwissenschaftlichen Forschung bearbeitet werden. Abgeleitet aus den identifizierten Hemmnissen wurden im Angebot folgende Ziele einer sozialwissenschaftlichen Begleitung beschrieben: 1. Steigerung der Akzeptanz des Baus von Wärmenetzen und/oder solarthermischen Anlagen in den Gemeinden 2. ggf. aktive Einbindung der Bürger in die Standortfindung und auswahl 3. 4. Gewinnung von Akteuren, die sich weitergehend am Aufbau eines lokalen Wärmenetzes mit solarer Einspeisung beteiligen (finanzielle Bürgerbeteiligung) Als Rahmen für die Bearbeitung dieser Zielsetzungen waren die sog. Reallabore in den Arbeitspaketen 2 (im Regionalverband Neckar-Alb RVNA) und 5 (der Klima- und Energieagentur Baden-Württemberg KEA) vorgesehen. 1.2 Abwandlung der Aufgabenstellung im Verlauf des Projektes Im Projektverlauf zeigte sich, dass sich alle in diesen Reallaboren vorgefundenen Projektbeispiele in den Anfangs Abb. 1 befunden haben und in der Bearbeitungszeit des Projektes von drei (bzw. 3,5 nach Verlängerung) Jahren nicht in die Phasen der genaueren Projektierung, geschweige denn des Baus geführt werden würden. HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 5 von 40 Abb. 1: Lebenszyklus von Projekten zur Nutzung großflächiger Solarthermie und in den Reallaboren betrachtete Standorte (eig. Darstellung; dunkel: AP 2, hell: AP 5) Dieser Umstand hatte auch zur Folge, dass einige Akteure, die zum Gelingen eines solchen Projektes beitragen würden bzw. ins Spiel kommen, während der Projektlaufzeit noch gar nicht auf dem Plan stehen würden (z.B. mögliche Betreiber wie z.B. Stadtwerke, Projektierer, Hersteller, Bürgerinnen und Bürger) und eine Stakeholderanalyse in allen Fällen somit unvollständig ausfallen müsse. Aufgrund dessen wurde klar, dass es methodisch unmöglich würde, allein aufgrund dieser Projekte verallgemeinerbare Schlussfolgerungen hinsichtlich des Gelingens von Projekten zur Nutzung großflächiger Solarthermie ziehen zu können. In Abstimmung mit dem Projektträger wurde aus diesem Grund Mitte 2018 die Aufgabenstellung abgewandelt: Neben den Projekten in den beiden Reallaboren sollten auch weitere außerhalb dieser (ggf. auch außerhalb Baden-Württembergs) einbezogen werden, möglichst auch in größeren Städten (z.B. Stuttgart), im Gesamtprojekt sollten auch noch die Im Vorgängerprojekt identifizierten Orte betrachtet und die seinerzeit kontaktierten Akteure erneut zum gegenwärtigen Stand und zwischenzeitlich aufgetretenen Hemmnissen befragt werden. Das bisherige Nicht- Zustandekommen umgesetzter Anlagen wäre demnach zu interpretieren. So war gewährleistet, dass die angestrebten Ziele (vgl. 1.1) weiter verfolgt und die damit verbundenen Fragestellungen bearbeitet werden konnten. 1.3 Vorgehen Am Anfang stand eine Recherche nach umgesetzten Projekten v.a. in Deutschland mit großflächiger Solarthermienutzung (Aperturfläche >1.000 qm) und deren Zuordnung nach den in SOLNET BW I herausgearbeiteten sechs Projekttypen (vgl. Tab. 1): Crailsheim, Büsingen, Senftenberg, Chemnitz. HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 6 von 40 Tabelle 1 Zuordnung der untersuchten Projekte nach Projekttypen (eigene Darstellung) Diese Recherche nach Beispielen wurde ergänzt um die über Projekte außerhalb der Reallabore, die sich in der fortgeschrittenen Planung befanden, nämlich um Radolfzell- Liggeringen, Ludwigsburg/Kornwestheim und Schopfloch (alle Baden-Württemberg), Simmern/Neuerkirch-Külz und Ellern (Rheinland-Pfalz). Da diese Projekte alle in Orten mit weniger als 100.000 Einwohnern liegen, ein wesentlicher Aspekt der Marktbereitung aber die skalierte Nutzung in den Großstädten ist, wurden auch angeregte bzw. in der Ideenphase noch nicht weiter entwickelte Projektbeispiele in Hamburg (Oberbillwerder) und Stuttgart (Botnang) in die Untersuchung einbezogen. In den beiden Reallaboren wurden zwischen November 2017 und Juni 2019 acht Vor-Ort- (teilweise ergänzt um telefonische) Interviews mit RVNA-Vertretern und Akteuren (kommunalen und privaten Planern, Bürgermeister, Stadtwerke- bzw. Bürgerinitiativ- und Genossenschaftsvertretern) in Wettersbach, Rottenburg, Tübingen, Schömberg, Mössingen und Breitenholz geführt sowie eine Bürgerveranstaltung in Uissigheim (mit dem Ortsvorsteher, Planern, Stadtwerkevertreter, Heizungsbauer, Projektierern, Betreibern kleiner Wärmenetze und sonstigen Bürgern) besucht. Außerhalb der Reallabore wurden zwischen März 2018 und Juni 2019 drei telefonische und vier persönliche Interviews durchgeführt bzw. im Rahmen von Tagungen mit zentralen Akteuren (Projektierern, Planern, kommunalen Akteuren) in den Prozessen (Radolfzell- Liggeringen, Ludwigsburg/Kornwestheim, Schopfloch, Rhein-Hunsrück-Kreis, Hamburg und Stuttgart) sowie mit Produzenten (Arcon-Sunmark) ausführlicher gesprochen. Von den Folgegesprächen nach SOLNET BW I wurde eines begleitet (Februar 2019 in Wurmlingen). Eine Liste der untersuchten Projekte mit einer Zuordnung der Interviewpartner* innen zu Akteursgruppen findet sich im Anhang A.2 in der Tabelle 4. Eine Vorversion des Berichts wurde (als PPT) zwischen April und Juni 2019 den Partnern aus AP 2, 5 und 6 vorgestellt, damit wesentliche Ergebnisse in deren Arbeitspakete einfließen konnten. Gleichzeitig wurden Anregungen der Projektpartner aufgenommen. Untersuchte Projekte Typ 1 SW zur Quartiersversorgung Typ 2 SW mit LWS für Wohngebiete + Quartiere Typ 3 Dezentral in Quartieren Typ 4 SW für Dörfer + Kleinstädte Typ 5 SFWS Strom/Wärme Typ 6 Dezentral in städt. FWS integr. ST (*) In Hirrlingen wurden keine Gespräche geführt, Informationen stammen ausschließlich vom Regionalverband Neckaralb (RVNA) Abkürzungen: "SW"-Solare Wärme; "(S)FWS"-(Solare) Fernwärme-Systeme; "ST"-Solarthermie, "DE"-Deutschland Typ lt. SOLNET BW I / Untersuchungsgruppe (Bislang) Nicht umgesetzte Projekte in Deutschland Umgesetzte Freiflächen-STBeispiele in DE Reallabor Neckaralb Reallabor KEA HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 7 von 40 1.4 Aufbau dieses Berichts Zunächst werden die Zielsetzungen sowie das Vorgehen der Begleitforschung dargestellt. Im Anschluss werden Hemmnisse mit Fokus auf die Flächensuche für Solaranlagen analysiert. Diese Analyse stützt sich auf Veröffentlichungen, Erfahrungen der SOLNET-BW-II-Projektpartner sowie Erkenntnisse aus den untersuchten Projekten. Für die einzelnen Hemmnisse werden mögliche Instrumente genannt, die zur Überwindung oder Abmilderung dieser Hemmnisse eingesetzt können. Diese Vorgehensweise wird entsprechend für das Thema Wärmenetze wiederholt. Im nächsten Schritt werden aus den untersuchten Projektbeispielen begünstigende und behindernde Einflussfaktoren herausgearbeitet, die positiv oder negativ auf die Realisierung eines solaren Wärmenetzes einwirken können. Aus den Hemmnissen und den Einflussfaktoren werden sodann Narrative hergeleitet, die in der weiteren Projektarbeit und darüber hinaus eingesetzt werden können. Im Anhang finden sich Steckbriefe der Projekte in den Reallaboren, eine Matrix zu den Interviewpartner* innen, aus den Beispielen abgeleitete Empfehlungen sowie eine Liste der verwendeten Literatur. 2 Flächen bezogene Hemmnisse und mögliche Instrumente Im ersten Abschnitt dieses Kapitels werden die Flächen bezogenen Hemmnisse benannt, dann wird auf bekannte Instrumente eingegangen, die an diesen Hemmnissen ansetzen, und schließlich wird im dritten Teil für die untersuchten Fallbeispiele die jeweils konkrete Konstellation von Hemmnissen und Instrumenten, die erfolgreich eingesetzt wurden, dargestellt. 2.1 Flächen bezogene Hemmnisse Die Identifikation und Sicherung geeigneter Flächen für Solarthermie (ebenso wie für die notwendigen Anlagen wie Speicher und ergänzende Heizkraftwerke) stellt die Schlüsselherausforderung beim Bau solarer Wärmenetze dar. Aufgrund der Ortsgebundenheit der Installationen kommt aus technischen Erwägungen eine Reihe von Flächen nicht in Frage, häufig führen ökonomische Überlegungen (u.a. Eigentumsverhältnisse und Flächenkaufpreis) zum Ausschluss weiterer Flächen. Spätestens bei der Prüfung der dann noch verbleibenden Flächen kommen politisch-soziale Hemmnisse zum Tragen, die hier im Weiteren vorrangig thematisiert werden. Die folgenden Hemmnisse in Bezug auf die Flächenfindung sind aus der Literatur (vgl. u.a. Böhnisch et al./ZSW, SOWI, DLR 2006, SOLNET BW 2015) und Praxis bekannt und werden hier durch Ergebnisse aus den untersuchten Beispielen und Reallaboren ergänzt. Diese Flächen bezogenen Hemmnisse lassen sich grob unter drei Oberthemen zusammenfassen: (Flächen-) Nutzungskonkurrenz, ästhetische Bedenken, wirtschaftliche Erwägungen (vgl. Abb. 2): HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 8 von 40 Abb. 2: Flächen bezogene Hemmnisse (eigene Darstellung) nannten die gravierendsten. Im städtischen Kontext ist dabei v.a. die Konkurrenz zu Wohnbau- und Gewerbenutzungen relevant, häufig auch die der Naherholung (Grünflächen im städtischen Bereich). Im ländlichen Raum sind dagegen eher Landwirtschaft und Naturschutz Flächenkonkurrenten. Diese Hemmnisse wurden in fast allen untersuchten Beispielen vorgefunden. Die Hemmnisse wirtschaftlicher Art haben in den Untersuchungsfällen dagegen eher zu Verzögerungen geführt, in den meisten Fällen konnte durch Gespräche bzw. Tauschgeschäfte eine Einigung erzielt werden. Ästhetische Bedenken spielten dagegen in den untersuchten Beispielen durchaus überraschenderweise nur eine untergeordnete Rolle. In einem Interview wurde zwar erwähnt, dass es vorteilhaft sei, dass die fragliche Fläche des Sichtbereichs der Bevölkejedoch nur die implizite Vermutung zugrunde, dass sich bei Grünfläche im Wasserschutzgebiet. Diese Fläche sollte als Gewerbegebiet ausgewiesen werden, wogegen eine Bürgerinitiative aktiv wurde. In diesem Fall stand die Vermutung im Raum, dass eine Diskussion um eine mögliche Solarthermieanlage zu diesem Zeitpunkt politisch auf wenig Akzeptanz stoßen würde. Da es sich auch hier aber um Befürchtungen handelte, ist nicht ganz eindeutig zu klären, ob in diesem Fall die Sorge vor dem Verlust von freiHIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 9 von 40 er Natur oder aber ästhetische Bedenken ausschlaggebend gewesen wären. In diesen beiden Fällen scheint also eher die Sorge der Planungsbeteiligten vor etwaigen ästhetischen Bedenken der Bürger*innen eine Rolle gespielt zu haben. Nur in Hamburg-Oberbillwerder spielen diese Bedenken in Bürgerversammlungen eine bedeutendere Rolle. 2.2 Mögliche Instrumente zur Überwindung der Hemmnisse Prinzipiell gibt es verschiedene Instrumente, mit denen die oben aufgeführten Hemmnisse überwunden werden können. Teilweise setzen diese Instrumente an verschiedenen Hemmnissen an; aus diesem Grund wurden diese nach anderen Kriterien gruppiert. Die aufgeführten Instrumente wurden zum großen Teil in den untersuchten Beispielfällen -Lösung, sondern entscheidend sind immer die konkreten Verhältnisse vor Ort. Denn die Ausgangsbedingungen unterscheiden sich häufig sehr stark. Auffällig ist jedoch, dass es in vielen untersuchten Fällen ein Klimaschutzkonzept der Kommune gab und dass in einigen Fällen das örtliche Stadtwerk eine treibende Funktion 4) wirken positiv auf das Projekt insgesamt und somit auch auf die Flächenfindung. Die zur Überwindung der Hemmnisse eingesetzten Instrumente werden in Abb. 3 unter den Stichworten Priorisierung der Flächennutzung, Mehrfachnutzung, Umgang mit konkreten Flächenkonkurrenzen, Information und (noch zu schaffende) rechtliche Instrumente zusammengefasst: Abb. 3 Zur Überwindung der Hemmnisse eingesetzte Instrumente (eigene Darstellung) HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 10 von 40 2.3 Konkrete Konstellationen von Hemmnissen und Instrumenten in den Untersuchungsbeispielen In Bezug auf die Flächensuche werden hier insgesamt vier Beispiele näher dargestellt. Es handelt sich dabei um Ludwigsburg, Liggeringen bei Radolfzell, Mössingen sowie Tübingen, die beiden Letztgenannten Reallabore des RVNA. Die Projekte befinden sich in unterschiedlichen Phasen: Während die beiden erstgenannten bereits in der Realisierungsphase sind, steht in Tübingen noch die Erstellung einer Machbarkeitsstudie aus, das Projekt befindet sich also in einer frühen Phase genauso wie das Projekt Mössingen. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Hemmnisse ausgeprägt: Während in den beiden erstgenannten Fällen die Flächen bereits durch Beschlüsse der Gremien und Verhandlungen mit den Eigentümern gesichert sind und dort sehr konkrete Hemmnisse zu überwinden waren, steht dies in Tübingen und Mössingen noch aus. Die in den Konstellationen aufgeführten Instrumente sind auch vor diesem Hintergrund zu bewerten. Besonders hinzuweisen ist hier noch auf den Fall Ludwigsburg / Kornwestheim, auch wenn das im Folgenden Ausgeführte über den Bereich der sozialwissenschaftlichen Forschung hinausgeht. Die dortige Solarthermieanlage befindet sich im Außenbereich. In der Sitzungsvorlage für die Gemeinderatssitzung am 16.11.2017 ist zu diesem Thema ausgeführt: s Planen und Bauen ist die geplante Solarthermieanlage auf der Markung Kornwestheim privilegiert im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB, da sie der allgemeinen und öffentlichen Wärmeversorgung dient und ortsgebunden ist. Ein Diese Sichtweise ist nicht explizit im BauGB verankert, und da es bislang keine Rechtsprechung dazu gibt, bleibt abzuwarten, ob sie sich allgemein durchsetzt. Da es in zwei Fällen um jeweils zwei Flächen geht, ist die folgende Darstellung wie folgt gegliedert: Zunächst erfolgt eine Darstellung des Projektes mit ggf. übergeordneten Hemmnissen, im zweiten Schritt werden dann die konkreten Hemmnisse für die jeweiligen Flächen benannt. In den Fällen von Liggeringen und Mössingen entfällt dieser zweite Schritt, da es nur um eine Fläche geht. Im jeweils linken hellblauen Kasten der Abbildungen 4 bis 7 sind relevante Eckpunkte und Charakteristika des Projekts insgesamt benannt; in roten Kästen sind die Hemmnisse und grün schließlich die eingesetzten Instrumente dargestellt. HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 11 von 40 Abb. 4 Eckpunkte, Charakteristika sowie Hemmnisse und eingesetzte Instrumente im Projekt Ludwigsburg (eigene Darstellung) HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 12 von 40 Abb. 5 Eckpunkte, Charakteristika sowie Hemmnisse und eingesetzte Instrumente im Projekt Radolfzell-Liggeringen (eigene Darstellung) HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 13 von 40 Abb. 6 (auch vorherige Seite) Eckpunkte, Charakteristika sowie Hemmnisse und eingesetzte Instrumente im Projekt Tübingen (eigene Darstellung) Abb. 7 Eckpunkte, Charakteristika sowie Hemmnisse und eingesetzte Instrumente im Projekt Mössingen (eigene Darstellung) HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 14 von 40 3 Soziokulturelle und sozioökonomische Hemmnisse beim Bau von Wärmenetzen und mögliche Instrumente zu deren Überwindung Im ersten Abschnitt dieses Kapitels werden die Wärmenetz bezogenen Hemmnisse benannt, dann wird auf Instrumente eingegangen, die an diesen Hemmnissen ansetzen, und schließlich wird im dritten Teil für einige untersuchte Fallbeispiele die jeweils konkrete Konstellation von Hemmnissen und Instrumenten, die eingesetzt wurden, dargestellt. 3.1 Hemmnisse beim Bau von Wärmenetzen Die Wärme aus Freiflächen-Solarthermie-Anlagen kann gegenwärtig nur über verbrauchernahe Fernwärmenetze übertragen und genutzt werden. Abbildung 8 zeigt im Überblick, welche soziokulturellen und sozioökonomischen Hemmnisse in Bezug auf den Bau von u.a. mit großflächiger Solarthermie betriebenen Wärmenetzen durch Deskresearch und Interviews identifiziert und überwiegend auch in den untersuchten Reallaboren und weiteren Beispielen erkannt wurden (zu weiteren, beispielsweise auch technischen Hemmnissen in Bezug auf Wärmenetze vgl. auch Böhnisch et al. 2006). Dabei sind zwei Perspektiven zu unterscheiden die der Endkund*innen und die der Wärmenetzbetreiber. Die Hemmnisse lassen sich zudem noch grob unterteilen in ökonomische und solche, die sich auf die Versorgungs- und Infrastruktur beziehen. Abb. 8 Sozio-kulturelle und sozio-ökonomische Hemmnisse in Bezug auf den Bau von u.a. mit großflächiger Solarthermie betriebenen Wärmenetzen (eigene Darstellung) Aus Sicht der Endkund*innen ist bei den ökonomischen Erwägungen v.a. der Preis zu nennen, der oftmals zunächst nur den Brennstoffkosten für Heizöl gegenüber gestellt wird, nicht aber den Vollkosten (Betriebskosten zzgl. Anteilen für Heizkessel, (Lager-) Raum, Schornsteinfeger, Wartung etc.). In zwei Fällen gab es zudem bereits Erfahrungen mit extrem günstigen Fernwärmepreisen (Uissigheim) bzw. zunächst günstigen Fernwärmepreisen, die dann bei veränderter wirtschaftlicher Lage aber nicht mehr eingehalten werden konnten (Schömberg). HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 15 von 40 - nem Betreiber-Monopolisten zu nennen allerdings wurde dieses Hemmnis in den hier erfolgten Untersuchungen nicht explizit vorgefunden. telbar ist, für einen bestimmten Zweck (hier: Wärmeerzeugung oder -bereitstellung) zwei kostspielige Infrastrukturen bereitzuhalten. Aus diesem Grund ist der RVNA beim Reallabor- Scoping auch so vorgegangen, dass Orte mit Gasnetz nicht in die nähere Betrachtung einbei einer Dekarbonisierungsstrategie in den nächsten 30 Jahren ersetzt werden. Und nach gegenwärtigem Forschungsstand sind mögliche Ersatzbrennstoffe wie Wasserstoff oder synthetisches bzw. Bio-Methan aufgrund ihres schlechten Wirkungsgrades nicht für das Niederdrucknetz im Niedertemperaturwärmesektor geeignet. Aus diesem Grund wurde außerhalb der Reallabore mit dem Beispiel Stuttgart-Botnang ein Ortsteil in die Befragung einbezogen, der derzeit über ein Gasnetz verfügt, für den 2016 in einem integrierten Quartierskonzept zur energetischen Stadtsanierung auch die Möglichkeit der Nutzung von FF-ST über ein Wärmenetz von den Gutachtern empfohlen wurde. Dies wurde allerdings seinerzeit mit dem Argument des bestehenden Gasnetzes abgelehnt. In dem Interview wurde allerdings eingeräumt, dass mit der frühestens 2020 anstehenden Veröffentlichung einer Fortschreibung des Energiekonzeptes für die Stadt Stuttgart auch diese Herausforderung angegangen werde. 3.2 Mögliche Instrumente zur Überwindung der Hemmnisse Zur Überwindung dieser Hemmnisse können wiederum prinzipiell verschiedene Instrumente eingesetzt werden. In der Abbildung 9 sind die Hemmnisse rot dargestellt und die Instrumente zu ihrer Überwindung grün. In den 16 näher untersuchten Beispielen wurden bis auf eine Ausnahme alle Instrumente kontrolle und Genehmigung der Fernw dies in der Kompetenz des Bundes liegt, obliegt es nicht den Kommunen, hier eine Vorreiterfunktion einzunehmen. HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 16 von 40 Abb. 9 Instrumente zur Überwindung der Hemmnisse (eigene Darstellung) 3.3 Konkrete Konstellationen von Hemmnissen und Instrumenten in den Untersuchungsbeispielen Wie bereits erläutert, finden sich die oben genannten Instrumente alle bis auf die benannte Ausnahme in einigen Fallbeispielen wieder. Da von den 18 untersuchten Fallbeispielen derzeit (Stand: Juni 2019) nur vier umgesetzt sind, ist bei Fortgang der Projekte mit der (erfolgreichen) Nutzung dieser Instrumente in weiteren Beispielen zu rechnen. auch hier vier Beispiele näher dargestellt: Mössingen und Breitenholz im Reallabor RVNA sowie der Rhein-Hunsrück-Kreis (abgekürzt RHK, mit den Dörfern Neuerkirch-Külz und Ellern). Während die beiden Projekte im RHK beHIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 17 von 40 reits in der Realisierungsphase sind, befinden sich die beiden anderen Projekte noch in der Ideenphase. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Hemmnisse ausgeprägt: Während im Falle der Projekte im RHK von erfolgreich eingesetzten Instrumenten gesprochen werden -Projekten noch abgewartet werden. Die in den Konstellationen aufgeführten Instrumente sind auch vor diesem Hintergrund zu bewerten. Im linken hellblauen Kasten der Abbildungen 10 bis 12 sind jeweils relevante Eckpunkte und Charakteristika des jeweiligen Projekts insgesamt benannt; in roten Kästen sind die Hemmnisse und grün schließlich die eingesetzten Instrumente dargestellt. Abb. 10 Projekt Mössingen ausgewählte Charakteristika, Hemmnisse und Instrumente (eigene Darstellung) Abb. 11 Projekt Breitenholz ausgewählte Charakteristika, Hemmnisse und Instrumente (eigene Darstellung) HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 18 von 40 Abb. 12 Projekte im Rhein-Hunsrück-Kreis ausgewählte Charakteristika, Hemmnisse und Instrumente (eigene Darstellung) 4 Begünstigende und behindernde Einflussfaktoren Bei den untersuchten Projektbeispielen fällt auf, dass bei einigen die Ausgangsbedingungen deutlich günstiger sind als bei anderen. Ob ein Projekt erfolgreich ist oder nicht, hängt nicht ausschließlich an diesen Faktoren, dennoch erschweren ungünstige Bedingungen die Umsetzung und setzten die zu überwindenden Hürden für die Akteure höher. Erfolgs- bzw. behindernde Faktoren unterscheiden sich von den Hemmnissen dadurch, dass sie nicht so einfach mit einem Instrument überwunden oder geschaffen werden können, da sie Ergebnis längerfristiger Entwicklungen sind. Aus diesem Grund werden sie hier separat betrachtet. Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick; Erläuterungen zu den einzelnen Faktoren finden sich nachfolgend. Tabelle 2: Strukturelle, eher begünstigende und eher behindernde Einflussfaktoren Strukturelle Einflussfaktoren eher begünstigend (Erfolgsfaktoren) eher behindernd Nahwärmenetze (-inseln) vorhanden allerdings nur, wenn dazwischen ausreichende Wärmedichte Gasnetz vorhanden ländliche Gemeinde mit Flächenreserven eng besiedelte, wachsende Stadt Vorhandensein eines lokalen Klimaschutzkonzepts Gemeinde eigene Stadtwerke, Eigenbetriebe HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 19 von 40 Vorhandene Nahwärmenetze (-inseln) In den Untersuchungsbeispielen Tübingen und Ludwigsburg betrieben die Stadtwerke bereits fossil gespeiste isolierte Nahwärmenetze bzw. inseln (Mössingen), in Wurmlingen ist es ein Eigenbetrieb. Neben dem Bestreben, fossil betriebene und teilweise veraltete Kraftwerke durch die Einspeisung von solarer Wärme zu ersetzen, um zukünftig die Qualitätsanforderungen des EWärmeG erfüllen und so neue Kunden gewinnen zu können, war auch die Verbindung der vorhandenen Inselnetze ein wichtiger Treiber für das Projekt. In diesen Fällen muss nicht das komplette Netz neu errichtet werden, die Investitionskosten sind daher nicht ganz so hoch. Die Stadtwerke verfügen bereits über Erfahrungen mit dem Betreiben von Wärmenetzen. Außerdem können die vorhandenen Nahwärmeanschlüsse Vorbildcharakter entfalten, häufig gibt es bereits Interessenten für einen Neuanschluss. Nicht unterschlagen werden sollte allerdings der einschränkende Aspekt, dass es sich gerade bei Wärmenetz- Anschlusses von Gebieten bzw. Gebäuden (Wurmlingen) mit hoher Wärmedichte. Die Gebiete zwischen diesen Inseln haben sich seinerzeit möglicherweise wegen zu geringer Wärmedichte nicht gerechnet die Frage stellt sich dann, ob dies heute bei erhöhten Wärmedämmstandards, die die Wärmedichte nochmals verringern, anders sein sollte. Wenn mit einem Gasnetz bereits eine Netzinfrastruktur für Wärme vorhanden ist, wird die Argumentation für ein Wärmenetz schwieriger (vgl. Kap. 3.1) Wenn die Pariser Klimaschutzabkommen eingehalten werden sollen, muss jedoch auch der dene Niederdruckverteilersystem wird größtenteils überflüssig. Hier wird dann der Bau von Wärmenetzen eine sinnvolle Alternative (vgl. auch Kap. 5.3 (11)). Ländliche oder städtische Gemeinde Dichter besiedelte städtische Gebiete bieten zweifelsohne ein großes Potenzial für solare Wärmenetze, insbesondere weil mit relativ kurzen Wegen relativ viele Kund*innen angeschlossen werden können. Ebenso ist das CO2-Einsparpotenzial hoch. Dennoch liegen viele der bisher realisierten Projekte eher im ländlichen Raum. Die Gründe dafür sind vielfältig. , das wäre dann ein eher behindernder Faktor) und wenn dann noch ein engagierter Akteur vor Ort tätig ist (s. unten), lassen sich solche Projekte aufgrund ihrer Überschaubarkeit oftmals leichter realisieren. Ein weiterer, entscheidender Faktor aber spricht für ländliche Gemeinden: Der Nutzungsquasi günstiger. Diese Situation ist in Städten naturgemäß anders. Insbesondere in wachsenden Städten (z.B. Tübingen, Stuttgart, Hamburg) ist der Druck auf freie Flächen enorm. Die Stadt- bzw. Gemeindegrenzen, teilweise auch die Topografie, verkleinern die Spielräume. Wenn DeponieHIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 20 von 40 oder Altlastenflächen zur Verfügung stehen, können diese genutzt werden (Ludwigsburg, Schopfloch, Tübingen, Schömberg) auch wenn diese nicht in allen Fällen auf Gemeindegebiet liegen (Tübingen). In diesem Sinne stellt der Nutzungsdruck ein Hemmnis, der Gemeindetypus aber einen strukturellen Einflussfaktor dar. Lokales Klimaschutzkonzept Vielfach lag in den Städten und Gemeinden, die erfolgreich solare Wärmenetze realisiert haben, ein lokales Klimaschutzkonzept vor. Dieses hat verschiedene Effekte: Die politischen Gremien der Gemeinde Gemeinderat und Verwaltung, Bürgermeister und idealerweise auch die Bevölkerung verständigen sich auf das gemeinsame Ziel, Maßnahmen zum Klimaschutz durchzuführen. Als Baustein eines übergreifenden Ziels, das klar benannt und Konsens ist, fällt es argumentativ leichter, Vorbehalte gegen solare Wärmenetze zu überwinden. Klimaschutz und somit ggf. auch der Bau von Solarthermie werden von höchster Ebene unterstützt. Es werden systematisch Potenziale für CO2-Einsparungen untersucht, die Konzepte sind , stadteigene Akteure wie z.B. Stadtwerke sind angehalten, in ihrem Bereich Einsparmöglichkeiten aufzuzeigen all dies führt dazu, dass solare Wärmenetze mit hoher Wahrscheinlichkeit im Konzept selber oder in deren Umsetzung berücksichtigt werden. Im Rahmen eines Klimaschutzkonzepts kann auch aufgezeigt werden, dass die potenzielle CO2-Einsparung durch solare Wärmenetze im Vergleich zu anderen Maßnahmen hoch ist. An dieser Stelle ist noch einmal explizit darauf hinzuweisen, dass das Fachwissen über die Möglichkeit, kostengünstig mit Freiflächensolarthermie Wärme zu produzieren und mit Saisonalspeichern auch über mehrere Wochen vorhalten zu können, noch längst nicht bekannt ist weder in Fachkreisen (Stadtwerke, Stadtplanung) und (Kommunal-) Politik noch bei Bürgerinnen und Bürgern. So ist z.B. die Überzeugung weit verbreitet, dass Solarthermie auf Dächer gehöre (in Unkenntnis der Folgekosten) oder dass solarthermische Module in Wasserschutzgebieten nicht errichtet werden können. Es ist daher immer lohnend, an den entscheidenden Stellen eine gute Information zu betreiben. Gemeinde eigene Stadtwerke Gerade bei den untersuchten Beispielen im städtischen Kontext fällt auf, dass sie von lokal ansässigen und im Besitz der Gemeinde befindlichen Stadtwerken vorangetrieben wurden (Tübingen, Ludwigsburg, Liggeringen). Als Gemeinde eigener Akteur sind die Stadtwerke ebenso wie andere städtische Akteure dem Klimaschutzkonzept verpflichtet (Tübingen). HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 21 von 40 Als lokaler Akteur sind sie prädestiniert für ortsgebundene Wärmenetze und aufgrund dessen auch daran interessiert, Neukund*innen durch entsprechende Qualität der Wärmelieferung (Stichwort EWärmeG) zu gewinnen. Die Stadtwerke kennen die örtlichen Gegebenheiten und können lokale Netzwerke nutzen und sie bleiben vor Ort, wenn das Projekt abgeschlossen ist. Daraus ergibt sich ein Gefühl der Aus der Ortskenntnis ergibt sich auch die Möglichkeit, maßgeschneiderte Angebote für potenzielle Wärmekund*innen zu konzipieren und so etwaigen Vorbehalten quasi den Wind aus den Segeln zu nehmen Wir kaufen euch euer eingelagertes Erdöl für 60 ct/l Auch kommunale Eigenbetriebe, die vorher nichts mit dem Energiethema zu tun hatten, sondern z.B. mit Wasser und Abfall, kommen als potenzielle Treiber in Frage, denn sie haben Kenntnis von Zählerablesen, Störungsdiensten u. ä. Tätigkeiten, die auch bei der Wärmeversorgung wichtig sind (Ellern/Neuerkirch-Külz). Allerdings brauchen Stadtwerke eine gewisse Größe, um ambitionierte Projekte erfolgreich abwickeln zu können. In diesen Fällen ist es sinnvoll, externe Beratungsleistungen einzukaufen. Lokal verankerte Im Rahmen der geführten Interviews hat sich deutlich gezeigt, dass in fast allen Untersuchungsbeispielen einzelne oder wenige Akteure das Projekt wesentlich vorangetrieben haben. Sich von Schwierigkeiten nicht abschrecken zu lassen und kreativ nach Instrumenten zu suchen, mit deren Hilfe Hemmnisse ü - und sich auch von Schwierigkeiten nicht abhalten lassen, das Projekt weiter voranzutreiben. In den von uns untersuchten Fällen waren das Bürgermeister (Rhein-Hunsrück-Kreis, Mehrstetten), aber auch leitende Mitarbeitende bei lokal verankerten Stadtwerken (Liggeringen, Tübingen) und engagierte Bürgerinnen und Bürger (Neuerkirch-Külz, Breitenholz, Schopfloch, Mössingen). Ob solche Akteure vor Ort sind oder sich im Rahmen des Projekts dazu entwickeln, ist schwer vorherseh- und beeinflussbar. Fehlen sie bzw. wird die Idee von außen herangetragen, zeigte sich in einigen untersuchten Projektbeispielen, dass das Projekt ins Stocken gerät (Hirrlingen, Uissigheim). Genossenschaftsmodelle Genossenschaften können auf dem Vorteil der lokalen Verankerung aufbauen, verknüpft mit der Möglichkeit, die Wärmekund*innen zu Geschäftsteilhabenden zu machen. Dieses Modell ist insbesondere in Dänemark historisch verankert und dort in fast allen Kommunen zu finden, die solare Wärmenetze betreiben. Die Vorteile liegen auf der Hand: Dieses Modell sichert die lokale Wertschöpfung, bietet in vielen Fällen sogar Arbeitsplätze für die Ansässigen HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 22 von 40 und belässt die Kontrollmöglichkeiten vor Ort. In Deutschland findet sich dieses Betreibermodell in einigen Bioenergiedörfern wieder. Unter den untersuchten Beispielen finden sich drei, in denen ein Genossenschaftsmodell diskutiert bzw. sich derzeit in der Umsetzung befindet, darin bildet sich auch die Bandbreite der Einflussmöglichkeiten ab: In Schopfloch ging die Initiative stark von der Bürgerschaft aus und die Möglichkeit einer -Energie-Genossenschaft (BEG) wurde von Anbeginn verfolgt. Die Bürgerinnen und Bürger haben sich hier selbst ehrenamtlich die Kenntnisse angeeignet, wie eine Genossenschaft funktioniert, und auf den Anwendungsfall eines solaren Wärmenetzes übertragen. Jeder beteiligte Anschlussnehmer soll hier Mitglied in der Genossenschaft werden und hat so unmittelbaren Einfluss auf alle Entscheidungen zur Nahwärmeversorgung, insbesondere auch auf Entscheidungen zu Weiterentwicklungen und Preisanpassungen. 2018 wurde die Genossenschaft i.G. eingetragen, mit der eigentlichen Gründung (und damit der Einzahlung der Anteile) wird 2019 gerechnet allerdings zieht sich der Prozess inzwischen über sehr viele Jahre hin, was auch daran liegt, dass fast alle Vorarbeiten ehrenamtlich durchgeführt worden sind. Die Bürgerenergie Schopfloch eG i.G. wird auch von der Gemeinde Schopfloch unterstützt. In Breitenholz ist es eine etablierte Energiegenossenschaft aus dem unmittelbar benachbarten Tübingen die den Ort als Pionierfeld für das Wärmethema erkoren hat, weil hier auch führende Genossenschaftsmitglieder ansässig sind und überdies in ihren Hauptberufen über erforderliche Kernkompetenzen verfügen (Finanzwirtschaft, Netzbetreiber). Im Rhein-Hunsrück-Kreis wurde auch über die Option einer Energiegenossenschaft nachgedacht, hiervon jedoch Abstand genommen. Wesentliches Argument war, dass solche Genossenschaften von engagierten Einzelpersonen leben und das Gesamtkonzept zusammenzustürzen droht, wenn diese Personen ausscheiden. Gerade bei den langen Amortisationszeiten von Wärmenetzen sei dies eine große Herausforderung. Hier hat man stattdessen auf die kommunale Lösung der Eigenbetriebe zurückgegriffen. Die oben dargestellten Informationen aus den untersuchten Fallbeispielen bilden die Basis für tiv besetzen und in einen Rahmen einbetten, der die in der Bundes- und baden-württembergischen Landespolitik vorgegebene Zielmarke einer klimaneutralen Energiebereitstellung für 2050 zum Ausgangspunkt weiterer Anstrengungen macht und dies unterschiedlichen Zielgruppen vermitteln will. Diese Stories heben positive Eigenschaften solar betriebener Wärmenetze hervor, indem sie beispielsweise von guten Beispielen erzählen, für die jeweilige Zielgruppe gut verständlich, anschaulich und ggf. plakativ sind und dazu führen, das Thema positiv zu besetzen und in einen Kontext zu stellen, der das gesellschaftliche Ober eschleunigte Dekarbonisie- . HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 23 von 40 Solche Narrative können sowohl Handwerkszeug für die Erstellung von Vorträgen, Artikeln, Geschichten (z.B. als Aufhänger (Wanderausstellung, Marketingoffensiven u. ä.) sein. Folgende Zielgruppen sollen vorrangig angesprochen werden: Anlagenumsetzer, Planer ) Bürger*innen (BÜ) Kommunen, Kommunalvertreter (KV) Umweltministerium Baden-Württemberg (UM) Die folgende Tabelle stellt die Narrativtitel vor und ordnet sie den vier genannten Zielgruppen zu: Tabelle 3 Übersicht der Narrative und möglicher Zielgruppen (eigene Darstellung) Narrative und Zielgruppen (1) Es fließt weniger Geld aus der Region für fossile Brennstoffe woanders hin ab (2) Mehr regionale/kommunale Wertschöpfung: Es bleibt immer mehr Geld vor Ort! (3) Wohnhäuser CO2-frei und nachhaltig versorgen und die Luft im Ort sauber machen! (4) Langfristig kalkulierbare Wärmekosten (5) Felder mit Solarpaneelen als sichtbarer Teil unseres Lebensstils und der dadurch geformten Ästhetik (6) Aufwertung der Flächenqualität durch Biodiversifizierung (7) Solarthermie hat einen vergleichsweise niedrigen Flächenbedarf (8) Ideal, um alte Ortskerne mit hohem Wärmebedarf zu erschließen (9) Wärmenetze: Erhebliche Vorteile gegenüber privater Heizungsanlage (10) Mit Energiewende-Nahwärmenetzen Orte fit für die Zukunft machen (11) Erdgas ist fossil und muss deshalb mittelfristig ersetzt Narrative bezogen auf großflächige Solarthermie Narrative bezogen auf großflächige Solarthermie und Wärmenetze Narrative bezogen auf Wärmenetze HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 24 von 40 5.1 Narrative bezogen auf großflächige Solarthermie und Wärmenetze (1) Es fließt weniger Geld aus der Region für fossile Brennstoffe woanders hin ab (KV, BÜ, UM) Die ausschließliche Nutzung Erneuerbarer Energien im Allgemeinen und großflächiger Solarthermie im Besonderen ermöglicht eine weitgehende Unabhängigkeit vom Weltmarkt für fossile Energieträger. Heute werden in Deutschland etwa 15% der Wärme aus Erneuerbaren Energien bereitgestellt, der Rest wird aus fossilen Brennstoffen wie Stein- und Braunkohle, Erdöl und Erdgas gewonnen. Aus überwiegend fossil mit Wärme versorgten Regionen fließt Kaufkraft ab. Eine Siedlung mit 500 Erdöl-beheizten Gebäuden gibt beispielsweise im Jahr weit mehr als eine Million Euro nur an Kosten für die fossilen Brennstoffe aus, die nicht vor Ort gewonnen werden, sondern abfließen und als Kaufkraftverlust in der Region spürbar sind (Rechnung: 500 Gebäude mit jährlichem Heizölbedarf von durchschnittlich 3.000 Litern, Kosten von 0,75 EUR-Cent pro Liter Mittel der letzten 10 Jahre: 500*3.000*0,75=1,125 Mio. EUR).1 Legt man die 20-jährige Nutzungsdauer von privaten Heizungsanlagen zugrunde, so fließen hier über 22 Mio. EUR ab die absehbare Preissteigerung für seltener werdendes Öl und dadurch bedingt höhere Explorationskosten noch nicht eingerechnet. Daneben folgt ein politischer Effekt aus der ökonomischen Rechnung: Die Abhängigkeit von Erdöl exportierenden Staaten verringert sich bei einer veränderten energiepolitischen Strategie und mindert so das Risiko geostrategischer Konflikte. (2) Mehr regionale Wertschöpfung: Es bleibt immer mehr Geld vor Ort! (KV, BÜ, UM) Die Nutzung Erneuerbarer und regionaler Energiequellen ermöglicht die Verknüpfung von ökologischer mit ökonomischer Nachhaltigkeit: Die mögliche Existenzsicherung von Landwirtschaftsbetrieben wie beispielsweise eines Landwirtes im Reallabor Uissingen, der Holz anbietet für die das Wärmenetz betreibende Holzhackschnitzelanlage, und weitgehende Unabhängigkeit vom Weltmarkt für fossile Energieträger sind wichtige Faktoren einer positiven Bewertung von Nahwärmesystemen. Überwiegend mit heimischen Energieträgern versorgte Regionen bedeuten hohe Kaufkraftbindung und materielle Wohlstandssicherung. In einer Grobabschätzung der regionalen Wertschöpfung (gemessen als Umsatz) für den gut 100.000 Einwohner*innen zählenden Rhein-Hunsrück-Kreis werden die anteilige regionale Wertschöpfung (teilweise Anlagenbauer aus der Region) aus den Investitionskosten in Anlagen zur regenerativen Energieerzeugung errechnet, die regionale Wertschöpfung aus dem Betrieb, die gesamte kommunale Wertschöpfung (Einkommen, Gewinne und kommunale Steuereinnahmen) aus erneuerbarem Strom, erneuerbarer Wärme und Biokraftstoffen. Jedes Jahr verbleiben nach Berechnungen des Kreises mehr als 43 Millionen Euro an Wertschöpfung aus Erneuerbaren Energien im Kreisgebiet. Geld, das früher vor allem für den Import 1 Vgl. B. Müller (2018), Folie 50; Smartreflex/Solites (2017): Intelligente und flexible Lösungen für 100 % erneuerbare Wärmenetze in europäischen Kommunen. Case Study Schopfloch. HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 25 von 40 fossiler Brennstoffe ausgegeben werden musste, sorgt jetzt für Umsätze und Arbeitsplätze in der Region.2 (3) Wohnhäuser CO2-frei und nachhaltig versorgen und die Luft im Ort sauber machen! (KV, BÜ, UM) Durch eine solarthermische Freiflächenanlage entstehen im Betrieb keine Emissionen. Der Betrieb eines Wärmenetzes ermöglicht, dezentral von Einzelheizkesseln in allen Häusern erzeugte Luftverschmutzung über einem Ort zu vermeiden. Da Solarthermie nur einen Teil des Jahreswärmebedarfs decken wird, ist eine zusätzliche zentrale, mit biogenen Brennstoffen bestückte Heizanlage erforderlich, deren spezifische (je erzeugter kWh) Emissionen aber aufgrund besserer Filtersysteme weit unter den dezentralen Emittenten liegen. Hinzu kommt die Reduktion aufgrund des im Betrieb emissionsfreien solarthermischen Anteils. Für die Emissionsbilanz im Ort bedeutet dies einen zweifachen Gewinn: Der verringerte Einsatz von fossilen Brennstoffen führt zu einer Reduktion von Treibhausgasen, und gleichzeitig wird die Luft zum Atmen verbessert. (4) Langfristig kalkulierbare Wärmekosten (KV, BÜ) Die Kosten für die Bereitstellung von Wärme sind bei Solarthermie wesentlich besser im Voraus zu kalkulieren als für fossile Energieträger (Heizöl, Kohle, Erdgas), die kontinuierlich beschafft werden müssen und deren Preise den Schwankungen des Weltmarktes unterliegen. Da die Explorationskosten in den vergangenen 15 Jahren sehr stark gestiegen sind, ist davon auszugehen, dass auch die Endkundenpreise bei längerfristiger Betrachtung weiter wenn auch nicht in demselben Maße steigen. Die Investitionskosten für Solarthermie sind zwar höher, im laufenden Betrieb fallen jedoch nur Pachtpreise sowie Wartungs- und Instandsetzungskosten an. Unsicherheiten entstehen allenfalls durch die ergänzenden biogenen Brennregional bedingten Schwankungen und inflationsbedingten Preissteigerungen unterliegen (der Holzhackschnitzelpreis ist in den letzten zehn Jahren in etwa konstant geblieben).3 5.2 Narrative bezogen auf großflächige Solarthermie (5) Felder mit Solarpaneelen als sichtbarer Teil unseres Lebensstils und der dadurch geformten Ästhetik (UM, KV, BÜ, AP) Landschaften können als 2013, S. 12) aufgefasst werden. Energieerzeugung ist eine der wesentlichen Landnutzungssysteme in Mitteleuropa: Mit Stauseen wie der Alster in Hamburg zum Betrieb von Mühlen oder Laufwasserkraftwerken, mit Speicherseen wie in Schluchsee zum Betrieb von Pumpwasserkraftwerken 2 F.M. heute - in Deutschland 21.11.2018: Energie-Kommune des Jahrzehnts Energie- Kommune des Jahrzehnts 3 C.A.R.M.E.N. e.V. nach B. Müller 2018, Folie 9 HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 26 von 40 oder mit Hochspannungsleitungen haben mgeformt. Die Gewinnung von EE verändert die Landschaften erneut Raps- und Maisfelder, Kurzumtriebsplantagen, Windenergie-, PV- und eben großflächige Solarthermieanlagen, vielleicht auch verbunden mit regionstypischer Flora und Kleinfauna. Menschen nehmen abhängig von ihrem sozio-kulturellen Hintergrund Landschaften unterschiedlich wahr. Dies ist ein Ansatzpunkt für neue Erzählungen. Felder mit Solarpaneelen sind dann nichts Fremdes, Feindliches, Böses, sondern sie haben mit unserem Lebensstil zu tun. Sie sind ein produktiver Beitrag zu Versorgungsdienstleistungen, sie sind Teil unserer kulturlandschaftsprägenden Landwirtschaft. Aber wir sind uns als Gesellschaft noch nicht einig über den Wert und den Preis dieser Dienstleistung. Wir befinden uns in einem Suchprozess nach neuen Visionen für eine postfossile Zukunft in Zeiten des Klimawandels.4 (6) Aufwertung der Flächenqualität durch Biodiversifizierung (UM, KV, BÜ, AP) Durch den Bau solarer Freiflächenanlagen kann die ökologische Qualität der Flächen erheblich verbessert werden! Die Biodiversität der Flächen kann durch die Errichtung von Freiflächen- Solarthermieanlagen gegenüber der vorherigen Landnutzung erhöht werden, indem vielfältige heimische und bodenqualitätsadäquate Wildblumenmischungen ausgesät werden. Da die Anlagen keine Betonfundamente benötigen, sondern lediglich Metallgestänge am unteren und oberen Ende der Kollektoren in den Boden gerammt werden, kann die gesamte Fläche genutzt werden und ermöglicht sowohl schatten- als auch lichtliebenden Pflanzenund v.a. Insektenarten die Möglichkeit der Entfaltung. Gezielte Schafbeweidung sorgt dann nach der Aussamung dafür, dass sich die Arten selbständig vermehren können und nicht zu viel zusätzliche Biomasse in die Böden eingetragen wird. Das Beispiel Crailsheim zeigt auch, dass Bündnisse mit Naturschutzgruppen dazu führen, dass durch regelmäßige Pflege durch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer diese Flächen gezielt ökologisch weiter entwickelt werden können. Die Anlage in Ludwigsburg zeigt, wie auch auf solchen Flächen gezielt bestimmte Tierarten wie z.B. Eidechsen erhalten und in ihrem Lebensraum gefördert werden können. Auf diese Weise können auf bisherigen für den Naturschutz wertlosen Monokulturen wie Mais Synergien zwischen Erneuerbaren Energie und Naturschutz entstehen und die Flächen können je nach Landesrecht bei Nutzung als Ausgleichsflächen auch Ökopunkte bekommen. Bei Wahl des entsprechenden Kollektortyps und damit der Wärmeträgerflüssigkeit können die Anlagen auch in Wasserschutzgebieten errichtet werden. 4 Vgl. F. v. Borries / B. Kasten 2013, S. 29 HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 27 von 40 (7) Solarthermie hat einen vergleichsweise niedrigen Flächenbedarf (UM, KV, BÜ, AP) Der Flächenanspruch für mit großflächigen Solarthermieanlagen erzeugte Wärme ist gering, wenn man ihn mit der Fläche vergleicht, die benötigt wird, um Mais oder Holz anzubauen und den gleichen Energieertrag zu erzeugen. In Abbildung 13 wird der Flächenvergleich anschaulich anhand von Flächen um die Stadt Stuttgart dargestellt: Der kleine innere rote Kreis zeigt die Fläche, die für die Bereitstellung von 15% der in Deutschland bereitgestellten Fernwärme erforderlich wäre. Der etwas größere Kreis zweigt, wieviel Fläche derzeit in Deutschland für Photovoltaik genutzt wird, der hellgrün dargestellte Kreis zeigt, wieviel Fläche zum Anbau von Biomasse erforderlich wäre, um den im roten Kreis dargestellte Energieertrag aus Solarthermie zu erzielen. (Nur am Bildrand zu erkennen ist das Ausmaß der heute für Energiepflanzen in Deutschland bereits genutzten Fläche.) Abb. 13 Flächenbedarf für Freiflächensolarthermie im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energieträgern (Quelle: Pauschinger 20195) Am Beispiel Hirrlingen wurde (theoretisch) aufgezeigt, dass für einen 60% Deckungsgrad der im Ort benötigten Wärme bei Nutzung von Biomasse (Kurzumtriebsplantage) 146 ha Land beansprucht würden und für einen ergänzenden 40%-Deckungsgrad durch Solarthermie 2,4 ha6. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Rechnung nicht mit einfacher Proportionalität fortgeführt werden kann der Deckungsanteil des insgesamt benötigten Wärmebedarfs hängt auch von weiteren Faktoren wie insbesondere der Größe der Speicher ab: Am Beispiel der Anlagengröße in Schopfloch wurde berechnet, dass bei einem Wärmebedarf von 7.600 5 Vgl. Th. Pauschinger / M. Sandrock (2019): Einsteigen bitte! Einschätzung zur Marktentwicklung bei solaren Wärmenetzen. Vortrag auf dem 3. Solaren Wärmeforum in Stuttgart am 4.6.2019 6 Vgl. M. Schwarz (2017): Nahwärmeuntersuchung Hirrlingen, Holzgerlinen/Hirrlingen, Folie 27 HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 28 von 40 MWh/a bei einem angestrebten solaren Deckungsanteil von 5% 0,2 ha Land erforderlich wären, bei 15% 0,4 ha, bei 30% 1,2 ha und bei 50% 2,4 ha.7 Beim Vergleich von Solarthermie mit Holz ergibt sich ein Verhältnis von 1:60: Ein Hektar Wald hat im Durchschnitt einen jährlichen Zuwachs von zehn Festmetern, wobei aus einem Festmeter Holz etwa 2.000 kWh Heizenergie gewonnen werden können, was pro Hektar und Jahr etwa 20 MWh ergibt. Dagegen benötigt eine Solarthermieanlage mit einem Reihenabstand von 1:2 gut 3.000 qm Fläche und erzeugt mehr als 400 kWh pro Quadratmeter, was im Produkt mehr als 1,2 Mio. kWh je Hektar und Jahr entspricht und damit einem 60stel der Waldfläche. 8 Der Vergleich soll nicht die Nutzung von Biomasse infrage stellen, diese wird unbedingt z.B. zur Deckung der Winterspitzen oder zur Erzeugung von Hochtemperaturprozesswärme darüber hinaus auch benötigt. 5.3 Narrative bezogen auf Wärmenetze (8) Ideal, um alte Ortskerne mit hohem Wärmebedarf zu erschließen (KV, BÜ) Nahwärmesysteme mit Solarthermie und anderen EE betrieben sind ideal, um alte Ortskerne mit hoher Wärmedichte zu erschließen.9 Aufgrund des alten Gebäudebestands besteht hier ein hoher spezifischer Wärmebedarf. Von hier ausgehend kann das Netz peu à peu verlängert werden, wenn beispielsweise der Wärmebedarf aufgrund durchgeführter Dämmmaßnahmen verringert wird oder ein Neubaugebiet ausgewiesen werden soll. Die Wärmewende gelingt in kleinen Ortschaften schneller, weil von der ersten Informationsveranstaltung bis zur ersten Wärmelieferung 1,5 bis maximal 2 Jahre vergehen dann können ein ganzes Quartier oder Dorf oder Stadtteil umgestellt sein. Dies hat die Firma Solarcomplex im Bodenseegebiet vorgeführt. Im Gegensatz dazu handeln private Heizungs- bzw. Hauseigentümer erst, wenn der Leidensdruck hoch genug und die Anlage völlig veraltet ist .10 (9) Wärmenetze: Erhebliche Vorteile gegenüber privater Heizungsanlage (BÜ) Der Bau von Wärmenetzen verschafft den angeschlossenen Endkundinnen und Endkunden erhebliche Vorteile: Kosten für Investitionen in Kesselanlagen, Schornstein bzw. Tanklager entfallen, es sind keine Reparaturen am Kessel erforderlich, keine Wartungs-, Erneuerungs- 7 Vgl. T. are Raumplanung - Regionae Wärmestrategie, in: Tagungsreader Tagung SOLNET BW II, 23.10.2018, S. 22 8 Zur Deckung der Hälfte des jährlichen Wärmebedarfs von 10 GWh (erforderlich für ein Dorf mit etwa 160 Haushalten werden etwa (7,6*100/2,4=) 3,1 ha Fläche benötigt. Bei der ausschließlichen Nutzung von Holz würde die sechzigfache Fläche benötigt; vgl. B. Müller (2019), Folie 15 9 F.M. Uhle in: SWR Fernsehen: natürlich! Solarthermie - Energie ohne Umwege, 17.07.2018 (https://www.ardmediathek.de/ard/player/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzEwMzkyMDc/) 10 B. Müller (2019), a.a.O., Folie 18 HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 29 von 40 oder Schornsteinfegerkosten, es wird keine Zeit für den Brennstoffeinkauf- und kein Platz für dessen Lagerung notwendig. Zudem wird ein Raum im Haus frei und die Luft im Haus (keine Geruchsbelästigung mehr durch Öl) sowie im gesamten Ort (kein Gestank aus Schornsteinen) wird verbessert. In Liggeringen wurde der Standort der Heizzentrale nach der Hauptwindrichtung festgelegt und damit die Immissionslage im Ort wesentlich verbessert. Bei anderen Infrastrukturleistungen (Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Stromerzeugung) wird wie selbstverständlich seit über hundert Jahren auf zentrale Institutionen zurückgegriffen. Ein Fernwärmeanschluss benötigt auf Hauseigentümerseite nur eine Wärmeübergabestation (Platzbedarf etwa wie Elektrozählerkasten) und einen (Zwischen-) Speicher für Warmwasser sowie die Einbindung ins Verteilnetz im Haus, zwei Kernbohrungen durch die Hausaußenwand für die Anschlussleitungen sowie die Anschlussleitungen bis zum Abzweig von der Hauptleitung etwa 3.000 EUR , mehr nicht. (10) Mit Energiewende-Nahwärmenetzen Orte fit für die Zukunft machen (KV, BÜ) Die Ziele der Energiewende können zu einer neuen Aufbruchsstimmung gerade in mittelgroßen Ortschaften führen: Man kann diese Orte fit für die Zukunft machen wenn Nahwärmenetze verlegt werden, wird diese Gelegenheit, langfristig die Infrastruktur zu modernisieren, auch dafür genutzt, Glasfaserkabel mit zu verlegen oder Abwasserkanäle, Straßen und Gehwege zu sanieren. Die Tiefbaukosten können so aufgeteilt werden. Das führt auch in Dörfern in abgelegenen Regionen dazu, dass deren Häuser eine IT-Infrastruktur mit Datengeschwindigkeiten bis zu 300mbit/s bekommen, was selbst Großstadthäuser in Deutschland häufig nicht haben. Die Ortschaften werden aufgewertet. Wohnungsleerstand gehört dann der Vergangenheit an; junge, gut ausgebildete Menschen schätzen die Lebensqualität und ziehen aus Ballungsräumen (zurück) in ländliche Regionen und suchen dort nach Häusern. So wird auch der demografische Wandel bewältigt.11 Orte mit Nahwärmenetzen sind für jede regenerative Energiestruktur gerüstet, weil ein Wärmenetz selbst nur eine Verteilstruktur ist, hinsichtlich der Energiequelle ist man sehr flexibel. Nahwärmenetze sind zukunftsfest, weil sie technologieoffen sind. Die Kommune muss dabei als Vorbild vorausgehen aus kleinen Impulsen kann dank der entstehen. 11 Uhle 2019: Der Rhein-Hunsrück-Kreis - Heimat der Energiewende-Vormacher (AT) Faktensammlung für Textanimationen HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 30 von 40 (11) Erdgas ist fossil und muss deshalb mittelfristig ersetzt werden z.B. durch Wärmenetze (UM, KV) system wird größtenteils überflüssig. Statt dezentraler Einzelöfen wird hier der Bau von Wärmenetzen eine sinnvolle Alternative. Synthetische biogene mit EE erzeugte Gase (Biomethangas oder über Überschusswindstrom elektrolytisch hergestellter Wasserstoff) sind aufgrund aufwändiger Wandlungsketten mit vergleichsweise geringer Gesamteffizienz keine Alternative im Wohnungswärmemarkt. Sie sind dann vorrangig für Prozesswärme einsetzbar. 12 12 Vgl. Fraunhofer ISE (2013): Energiesystem Deutschland 2050. Sektor- und Energieträgerübergreifende, modellbasierte, ganzheitliche Untersuchung zur langfristigen Reduktion energiebedingter CO2-Emissionen durch Energieeffizienz und den Einsatz Erneuerbarer Energien, Freiburg i. Brsg. HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 31 von 40 Anhänge A.1 RVNA Bitz (Zollernalbkreis), Frohnstätten (Lkr. Reutlingen), Gomadingen (LK Reutlingen), Münsingen / Nagoldsheim (Lkr. Reutlingen) und Rosenfeld (Zollernalbkreis) wurden in der Frühphase des Projektes SOLNET BW II im Screening-Prozess durch RVNA erwogen (2017), aber exkludier und nicht weiter betrachtet (vgl. Kap. 1); Mehrstetten wird im AP 3 von Solites einbezogen. Ammerbuch-Breitenholz (Landkreis Tübingen) Einwohnerzahl (gerundet): 750 EW (Ortsteil Breitenholz), Gemeinde Ammerbuch: 11.500 EW Geplante Dimensionierung: Bislang noch unklar, angelehnt an Büsingen (gut 1.000 qm, kein saisonaler Wärmespeicher), Holzhackschnitzel Flächentypus ST: Friedhofserweiterungsfläche, ggf. auch ldw. Nutzfläche Derzeitige Energieträger: Heizöl, Kaminholz (kein Erdgas, kein Nahwärmenetz) Interessante Aspekte: Wesentliche Stakeholder sind die Bürger-Energie Tübingen eG (als geplante Tochter der Energiegenossenschaft Tübingen mit Stadtwerken und Volksbank als Kapitalgeber), Ortschaftsrat, Bürgermeisterin, Planungsbüro ebök Tübingen, Gemeinderat; Planungsbeginn und stand (Phase): 2018 (Vorplanung, Machbarkeitsstudie liegt vor); Prozess läuft "von unten" und wird nicht von oben initiiert Weiterführende Informationen: http://www.buerger-energie-tuebingen.de/ Hirrlingen (Landkreis Tübingen) Einwohnerzahl (gerundet): 3.025 EW Geplante Dimensionierung: Vorschlag aus Master-Arbeit (zu abgängiger Holzhackschnitzelanlage): 9.300 m² Kollektorfläche, 10.000 m³WE bzw. 225 MWh Langzeitspeicher Flächentypus ST: diverse prinzipiell infrage kommende (u.a. ldw. Nutz-) Flächen) Derzeitige Energieträger: Heizöl, Kaminholz (kein Erdgas), Holzhackschnitzel für kleines NWNetz Interessante Aspekte: Beginn 2016, bislang nur Autor der Masterarbeit, RVNA und Bürgermeister involviert; kein Gasnetz, hat kleines NW-Netz [Öl- und Holzhackschnitzelkessel 160kW für 7 Liegenschaften, Wärmebedarf: 880.750 kWh/a, Trassenlänge: 275m; Kommune ist Betreiberin); offenbar wenig Interesse am Thema, Bürger-Energiegeno Tübingen hat Angebot gemacht, um Flächen für PV zu nutzen Weiterführende Informationen: M. Schwarz (2017) (unveröffentlicht, über RVNA) HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 32 von 40 Mössingen (Landkreis Tübingen) Einwohnerzahl (gerundet): 20.500 EW Geplante Dimensionierung: bis 10.000qm solar, ohne saisonalen Wärmespeicher, 8 vorh. BHKW (überwiegend Erdgas, zudem Deponiegas, Heizöl), Holzhackschnitzelheizkessel, Abwärme aus Holzverkohlung Flächentypus ST: ehemalige Hausmülldeponie Derzeitige Energieträger: Heizöl, Gas für BHKW (8 Erdgas-/Deponiegas-befeuerte BHKW mit kleinen Netzen, von Stadtwerken betrieben), keine Verbindung dieser Inselnetze miteinander, Kaminholz Interessante Aspekte: Wesentliche Stakeholder sind Bürgergruppe (Netzwerk Streuobst Mössingen e.V.), Stadtwerke, Baubürgermeister, Gemeinderat, Landratsamt), Planungsbeginn 2016 (Vorplanung, Machbarkeitsstudie liegt vor); aber nicht mehr aus Not eine Tugend machen (ein Fünftel der Mössinger Gemarkung besteht aus Streuobstwiesen, die damit die Landschaft entscheidend prägen. Ein Viertel davon sind so genannte Allmandteile, eine Mössinger Besonderheit, die die historische Bedeutung dieser Wirtschaftsflächen bezeugt; Fa. i. Vital Carbon zeigt Interesse an einer Ansiedlung in Mössingen, Wirtschaftlichkeit nur bei Wärmeabnahme gegeben, Machbarkeitsstudie erstellendes Büro GEF schlägt Nutzung von FF-ST vor, im Regionalplan vorgesehene Grünzäsuren kein Hinderungsgrund für Standort lt. RVNA Weiterführende Informationen: http://www.energiebuendel-und-flowerpower.de/wpcontent/ uploads/Dr_Michael_Weiss_Vital_Carbon_Karbonisierung_Biomasse_151110_o.pdf Rottenburg (Landkreis Tübingen) Einwohnerzahl (gerundet): 43.500 Geplante Dimensionierung: um 1.000 qm (Ideenphase) Derzeitige Energieträger: Erdöl, Gas (Netz wird von SW ausgebaut), kleines FW-Netz Flächentypus ST: bislang nicht näher definiert (evtl. Lärmschutzwall, Dächer) Planungsbeginn und stand (Beginn, Phase): Ideen (von außen) Interessante Aspekte: Wesentliche Stakeholder: RVNA, Planungsamtsleiterin; Idee 2017 (nicht über -Stadium hinaus); Thema der solaren Freiflächen wird von Verwaltung und Stadtwerken kritisch gesehen, insbesondere in der Nähe von Wohnbebauungen, sofern die Anlagen nicht auf Dächern integriert werden können; nur kleine Neubaugebiete als Versorgungsgebiet vorgeschlagen Dimensionierung von ST scheint Stadt unklar zu sein HIC (2019): Sozialwissenschaftliche Begleitforschung Solnet BWII Seite 33 von 40 Schömberg (Zollernalbkreis) Einwohnerzahl (gerundet): 4.500 Geplante Dimensionierung: nichts Genaues, eher klein (1.000 qm) Flächentypus: ehem. Hausmülldeponie (Schötzingen) Derzeitige Energieträger: Erdöl, kleines FW-Netz auf Holzhackschnitzel-Basis Planungsbeginn und stand (Beginn, Phase): Ideen (von außen) Interessante Aspekte: Vortrag Solites u.a. 2017: Idee; Stadt hatte Ende 2017 Anteile einer Gesellschaft übernommen, die Gasnutzung ausbauen will und Gasnetze legen will (u.a. im Oberen Schlichemtal); Konflikt Naturschutz EE-Nutzung bedarf Entscheidung von oben (zunächst RVNA: Auf für ST infrage kommender Deponiefläche sieht Regionalplan Grünzug vor, 2017 noch Problem eines Präzedenzfalles, jetzt aber gelöst durch Kriterienliste des RVNA; belastete Vorgeschichte mit schlecht kalkuliertem NW-Netz über Holzhackschnitzel: Kosten steigen diese Vorgeschichte wurde nicht angesprochen bei Veranstaltung mit Solites; Stadt hat kaum eigene Flächen (nur Handtuch-groß), ökonomisch schlechter dran als andere Kommunen in B-W; Demografie-Probleme (muss Schule geschlossen werden?); Zementwerk (von Holcim) in der Nähe, das große Abwärmemengen hat (50.000 Haushalte-Äquivalent); mobiler Transport der Wärme angedacht Tübingen Einwohnerzahl (gerundet): 88.000 EW Geplante Dimensionierung: z. Zt. auf Teilfläche Schinderklinge ca. 30.000 m², Teilfläche ca. 15.000 m² Flächentypus ST: Freifläche auf Deponie (teilweise auf Gemarkung der Nachbargemeinde), Freifläche im Wasserschutzgebiet Derzeitige Energieträger: Vier bestehende Fernwärme-Netze in Besitz der Stadtwerke (bislang mit Erdgas, Kraft- Wärme-Kopplung gespeist, sowie weitere in Drittbesitz betrieben mit Biogas / Holzhackschnitzeln); Ziel der Stadtwerke Tübingen (SWT) ist, die Netze zu einem zusammenzufassen und weiter auszubauen Planungsbeginn und stand (Beginn, Phase): Ideen, Flächen-Screening Wesentliche Stakeholder: Stadtwerke Interessante Aspekte: Planungsbeginn ca. 2016 (Flächenscreening); Stadtwerke wesentlicher Treiber, Grundlage Klimaschutzkonzept von 2016 (laut aktuellem Beschluss soll Tübingen bis 2030 klimaneutral HIC (2019): S

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:52+01:00Mittwoch, 1. Januar, 2020|

Instrumente zur Marktförderung – Fallstudie Solare Gewächshäuser in Hamburg

Solar district heating Instrumente zur Markunterstützung Fallstudie zur Untersützung der Markteinführung von SDH Dieses Projekt wurde im Rahmen des Förderprogramms Nr. 691624 der Europäischen Union für das Forschungs- und Innovationsprogramm "Horizont 2020" gefördert Thema: Fallstudie – Solare Nachbarschaftsgewächshäuser in Hamburg, Deutschland Beschreibung: Die Fallstudie bewertet die technische, wirtschaftliche und rechtliche Machbarkeit des Konzepts "Solare Nachbarschaftsgewächshäuser" im Kontext der Metropolregion Hamburg. Außerdem werden zwei potenzielle Standorte in der Stadt Hamburg untersucht. Datum: 15.11.2018 Autoren: Simona Weisleder, Christian Maaß und Gerrit Fuß, Hamburg Institut Dokument Download: www.solar-district-heating.eu/en/knowledge-database/ Zusammenfassung Region: Metropolregion Hamburg Beteiligte Partner: • Wärmeverbraucher (Mieter, Wohnungsbaugesellschaften, Gewerbe- und Industrieunternehmen) • Nachbarschaften, lokale Klimaschutz- und Garteninitiativen und soziale Einrichtungen • Wärmeversorger und DH-Unternehmen (z. B. lokale Energieunternehmen, Auftragnehmer ...) • Solarthermieanlagen Hersteller, Gewächshaus- oder Gartenbaubetriebe • Stadt Hamburg Kurze Beschreibung der Maßnahme: Fallstudie "Solare Nachbarschaftsgewächshäuser" Freiflächen-Solarthermieanlagen erzeugen kostengünstige erneuerbare Fernwärme. Die Umsetzung scheitert jedoch häufig an der Bereitstellung geeigneter Flächen. „Solare Nachbarschaftsgewächshäuser“ ist ein vom Hamburger Institut entwickeltes Konzept - sie ermöglichen eine multifunktionale Nutzung städtischer Freiräume: für Solarthermie und Urban Gardening. Sie versorgen Nachbarschaften mit erneuerbarer Wärme und gesundem Essen, fördern den Aufbau von Gemeinschaften und die öffentliche Akzeptanz der Technologie. Solar district heating Instrumente zur Markunterstützung Fallstudie zur Untersützung der Markteinführung von SDH Dieses Projekt wurde im Rahmen des Förderprogramms Nr. 691624 der Europäischen Union für das Forschungs- und Innovationsprogramm "Horizont 2020" gefördert Ausgangssituation Freiflächen-Solarthermieanlagen sind eine besonders kostengünstige und wettbewerbsfähige Möglichkeit, regenerative Fernwärme zu erzeugen. Die Umsetzung solcher Projekte in Deutschland in urbanen Räumen scheitert jedoch meist an einem harten Wettbewerb um die knappe und teure Fläche. Diese Ausgangsituation erfordert multifunktionale Ansätze, die Projekte für klimafreundliche und schadstofffreie Wärme realisieren und weitere Vorteile für die Städte und ihre Nachbarschaften bringen. Da immer mehr Menschen - vor allem in städtischen Räumen – von der Idee begeistert sind, ihre eigenen Lebensmittel anzubauen und mehr über die Nahrungsmittelproduktion und einen ökologischen Lebensstil lernen wollen, ist eine Kombination dieser Interessen mit der solaren Wärmeerzeugung vielversprechend. Bei der Bewegung "Urban Gardening" geht es nicht nur darum, frisches und gesundes Essen zu produzieren, sondern auch um Gemeinwesen und Bildung. "Solare Nachbarschaftsgewächshäuser" kombinieren Freiflächen-Solarthermieanlagen mit Urban Gardening in Gewächshäusern. Während die erzeugte Wärme in ein bestehendes Nahwärmenetz eingespeist oder an einen großen Wärmeverbraucher abgegeben werden kann, eröffnen die Gewächshäuser neue Möglichkeiten für die jeweiligen Quartiere. Ziele Solar district heating Instrumente zur Markunterstützung Fallstudie zur Untersützung der Markteinführung von SDH Dieses Projekt wurde im Rahmen des Förderprogramms Nr. 691624 der Europäischen Union für das Forschungs- und Innovationsprogramm "Horizont 2020" gefördert Die "Solaren Nachbarschaftsgewächshäuser" zielen auf den Aufbau sozialer und ökologischer Infrastrukturen: Die nachhaltige, kostengünstige und kommunale Selbstversorgung mit frischen Lebensmitteln ("Urban Gardening") wird mit neuen Technologien zur Erzeugung erneuerbarer Wärme kombiniert. Die Fallstudie soll eine erste technologische, wirtschaftliche und rechtliche Analyse der "Solaren Nachbarschaftsgewächshäuser" geben. Verbindungen zu relevanten Interessengruppen sollen hergestellt werden. Darüber hinaus werden zwei konkrete Flächen in Hamburg evaluiert, die mögliche Standorte für ein solches Projekt sein könnten. Die Ergebnisse der Fallstudie sollen die Grundlage bilden, um notwendige Partner wie die Stadt Hamburg, Wärmeversorger, Wohnungsunternehmen und andere zu erreichen. Maßnahmen und Aktionen Die Fallstudie untersucht die technologische, wirtschaftliche und rechtliche Machbarkeit des Konzepts in deutschen Städten. Dies geschieht in engem Kontakt mit möglichen Stakeholdern wie Urban-Gardening- Initiativen, Solarthermie-Anlagen Herstellern und Gewächshausbauunternehmen. Außerdem werden zwei mögliche Standorte in der Stadt Hamburg evaluiert: Hamburg-Altona/Eimsbüttel In den Stadtteilen Altona und Eimsbüttel ist ein innovatives und nachhaltiges Projekt zum Lärmschutz der Bürger/innen vor der naheliegenden Autobahn geplant. Im Zuge des zweispurigen Ausbaus der Autobahn A7 wird die gesamte Trasse in diesem Gebiet durch oberirdische Tunnel abgedeckt. Der gewonnene Platz soll für neue Parks und kleine Stadtgärten genutzt werden. Über die zusätzlich gewonnene Lebensqualität hinaus werden Quartiere wieder miteinander verbunden, die einst durch den Bau der Autobahn geteilt wurden. "Solare Nachbarschaftsgewächshäuser" wären eine innovative Lösung für kleine städtische Gärten auf dem neuen Autobahndeckel. Die Fallstudie untersucht, ob und wie eine Realisierung möglich ist. Nach einer Analyse der relevanten Stakeholder, potenziellen Partner und Wärmekunden soll die Idee den Behörden der Stadt vorgestellt werden. Solar district heating Instrumente zur Markunterstützung Fallstudie zur Untersützung der Markteinführung von SDH Dieses Projekt wurde im Rahmen des Förderprogramms Nr. 691624 der Europäischen Union für das Forschungs- und Innovationsprogramm "Horizont 2020" gefördert (Quelle: http://www.hamburg.de/fernstrassen/a7-deckel/) Hamburg-Harburg Im Stadtteil Harburg wurde im Rahmen des "Integrierten Quartierskonzepts" "Südöstliches Eißendorf/ Bremer Straße" die Möglichkeit untersucht, Solarthermie in das Wärmenetz einer lokalen Wohnungsgenossenschaft zu integrieren. Es wurden zwei mögliche Standorte vorgeschlagen, die sich für eine Freiflächensolarthermie- Anlage eignen würden. Derzeit werden die jeweiligen Standorte von einem Erdbeeranbauern und Kleingärten genutzt. In der Fallstudie soll die Möglichkeit der Umsetzung "Solarer Nachbarschaftsgewächshäuser" untersucht werden. Die Ergebnisse werden der Wohnungsgenossenschaft und den Grundeigentümern vorgelegt. Solar district heating Instrumente zur Markunterstützung Fallstudie zur Untersützung der Markteinführung von SDH Dieses Projekt wurde im Rahmen des Förderprogramms Nr. 691624 der Europäischen Union für das Forschungs- und Innovationsprogramm "Horizont 2020" gefördert Barrieren und Möglichkeiten "Solare Nachbarschaftsgewächshäuser" bieten als integrierte Lösung viele Möglichkeiten, um Grundbedürfnisse der Bewohner/innen nach Energie, Nahrung und Gemeinschaft zu decken. Im Rahmen der Fallstudie führten Gespräche mit einer Urban-Gardening-Initiative, einem Solarthermie-Anlagenhersteller und einer Gewächshausbaugesellschaft zu einer allgemein positiven Resonanz. Sowohl aus städtebaulicher als auch aus solarthermischer Perspektive wurde das Konzept als machbar angesehen. Dennoch bleiben Hindernisse für die Umsetzung bestehen. Während eine viel versprechende Perspektive für die multifunktionale Landnutzung in Städten gegeben ist, müssen Interessenvertreter und Entscheidungsträger überzeugt werden. Darüber hinaus müssten in einigen Fällen Bebauungspläne geändert werden, um "Solare Nachbarschaftsgewächshäuser“ zu realisieren. Und schließlich bedarf die Finanzierung der Gewächshäuser und des Urban Gardening-Projekts einer weiterführenden Analyse. Ergebnisse Die Fallstudie konnte zeigen, dass die "Solaren Nachbarschaftsgewächshäuser" sowohl für die solarthermische Wärmeproduktion als auch für den städtischen Gartenbau geeignet sind. Es gibt keine großen technologischen Herausforderungen für die Realisierung des Konzepts, da die Technologien auf dem Markt verfügbar sind. Die Gewächshäuser und die Aufständerungen für die Solarthermie-Kollektoren würden spezielle Konstruktionen, aber keine neuen Technologien benötigen. Wirtschaftlich sind die Investitionskosten für die Solarthermieanlagen geringfügig höher als für normale Freiflächensolarthermie-Anlagen, da die Aufständerungen eine spezielle Konstruktion erfordern. Diese wären etwa doppelt so teuer wie Standardlösungen. Auf der anderen Seite machen die Stahlkonstruktionen nur etwa 10% der Investitionskosten aus. Daher könnten die Kosten der Wärmeproduktion wettbewerbsfähig sein. Die Investitionskosten für die Gewächshäuser und die Betriebskosten des Urban-Gardening-Projekts müssten auf zusätzlichen Wegen finanziert werden. Aus Nutzergebühren, Stadtentwicklungsfonds, Forschungsgeldern und Spenden könnten Fördermittel bezogen werden. Aus rechtlicher Sicht würden die "Solaren Nachbarschaftsgewächshäuser" in der Stadt Änderungen in den Bebauungspläne notwendig machen. Am Rande der Städte sind Gewächshauskonstruktionen ohne Änderung der Bebauungspläne möglich, da es sich um landwirtschaftliche Infrastruktur handelt. Von den beiden in dieser Fallstudie untersuchten Standorten erschien der Standort im Bezirk Harburg vielversprechender als der Standort in den Stadtteilen Altona und Eimsbüttel. Dort ist der Planungsprozess für den Bereich Lärmschutzdeckel weit fortgeschritten. Eine Änderung des derzeitigen Plans, erscheint zu diesem Zeitpunkt schwierig. In Harburg werden die Flächen jedoch für eine partielle Nutzung für "Solaren Nachbarschaftsgewächshäuser" als machbar erachtet. Solar district heating Instrumente zur Markunterstützung Fallstudie zur Untersützung der Markteinführung von SDH Dieses Projekt wurde im Rahmen des Förderprogramms Nr. 691624 der Europäischen Union für das Forschungs- und Innovationsprogramm "Horizont 2020" gefördert Erkenntnisse Die Fallstudie für die "Solaren Nachbarschaftsgewächshäuser" konnte zeigen, dass Akteure aus verschiedenen Bereichen offen für neue Lösungen sind, um der Konkurrenz um die raren Fläche im städtischen Kontext zu begegnen. Auch wenn die Ergebnisse der Fallstudie positiv anmuten, müssen durchaus neue Herausforderungen bei der Entwicklung der "Solaren Nachbarschaftsgewächshäuser" bewältigt werden. Ein solches Projekt macht einen ganzheitlichen Ansatz notwendig, der von Anfang an auf Urban-Gardening-Initiativen, Wärmeversorger, Wohnungsunternehmen und Entscheidungsträger eingeht. Noch mehr als in anderen Energieprojekten kann nur ein offener und gemeinschaftlicher Prozess zur erfolgreichen Realisierung führen. Da sich die Rahmenbedingungen und Ziele an jedem Standort und in jeder "Urban Gardening"-Gruppe unterscheiden, macht es keinen Sinn ein allgemeingültiges Konzept von "Solaren Nachbarschaftsgewächshäuser" zu erstellen, sondern jeweils individuelle Lösungen zu entwickeln, die der gleichen Idee folgen. Zusammenfassend wurde in den Gesprächen mit den Akteuren aus der Landwirtschaft und den Gewächshausbauern deutlich, dass die Kombination von Solarthermiekollektoren und Gewächshäusern im Bereich Urban Gardening vielversprechend ist. Für professionelle Landwirte wären weitere geldwerte Vorteile nötig, um mögliche Verschattungen im Gewächshaus auszugleichen. Konzepte wie bei der Agro-PV (http://www.agrophotovoltaik.de/english/agrophotovoltaics/) sollten für Freiflächensolarthermie-Anlage in Betracht gezogen werden. ┘ Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den Autoren. Sie spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Europäischen Union wider. Weder die Europäische Kommission noch die Autoren sind verantwortlich für die Verwendung der darin enthaltenen Informationen ┌

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Dienstag, 1. Mai, 2018|

Studie – Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg

SolnetBW Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg Grundlagen | Potenziale | Strategien SolnetBW ist ein Verbundvorhaben zum Thema solare Wärmenetze, das im Rahmen des Förderprogramms BWPLUS mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft durch den beim Karlsruher Institut für Technologie eingerichteten Projektträger gefördert wird. Förderkennzeichen: BWE13030 Förderzeitraum: 01.11.2013 – 30.04.2016 Gefördert durch: Projektkoordinator: Solites - Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme Projektpartner: AGFW | Projektgesellschaft für Rationalisierung, Information und Standardisierung mbH Hamburg Institut Research gemeinnützige GmbH (HIR) Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH (KEA) [im Unterauftrag von Solites] Haftungsausschluss: Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Juni 2015 SolnetBW Vorwort Das Land Baden-Württemberg verfolgt bei der Energiewende ehrgeizige Ziele: Bis 2050 wollen wir gegenüber 2010 50 % des Energieverbrauchs einsparen, 80 % der Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen und die energiebedingten Treibhausgasemissionen um 90 % senken. Dabei ist auch weiterhin eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung zu gewährleisten. Die Energiewende wird dabei nicht ohne eine Wärmewende zu leisten sein, denn in Baden- Württemberg wird annähernd so viel Energie für die Wärmebereitstellung verbraucht wie für Kraftstoff und Strom zusammen. Am gesamten Endenergieverbrauch hat der Wärmesektor einen Anteil von 47 %. Daher steckt in der richtigen Wärmegewinnung und -versorgung ein enormes Potenzial. Insbesondere Wärmenetze bieten eine Verteilstruktur, die flexibel an zukünftige Erzeugungstechnologien anpassbar ist und auch erneuerbare Wärme – wie Solarthermie, Erdwärme oder industrielle Abwärme – in Quartiere, Gemeinden und urbane Zentren bringen kann. In zahlreichen Kommunen in Baden-Württemberg sind Wärmenetze bereits vorhanden. Wo immer auf Grund der Bebauungsstruktur eine ausreichende Wärmeabnahme vorliegt, sollte die Errichtung von Wärmenetzen geprüft werden. Eine für Baden-Württemberg aussichtsreiche Option stellen solarthermische Großanlagen in Verbindung mit Wärmenetzen dar. Dänemark ist Vorreiter bei dieser Technik. Dort kommen solche Anlagen bereits vielerorts zum Einsatz und liefern erneuerbare und emissionsfreie Wärme für die kommunale Versorgung zu konkurrenzfähigen Kosten. Ebenso wegweisend ist in Dänemark die Teilhabe der Bürger an der örtlichen Wärmeversorgung. Aber auch in Baden-Württemberg wurde hier schon Vorbildliches geleistet: Vier von elf bundesdeutschen Pilotanlagen zur solaren Nahwärmeversorgung mit saisonalem Wärmespeicher wurden in Baden-Württemberg mit Unterstützung des Landes und des Bundes errichtet. Institute und Akteure aus Baden-Württemberg sind führende Know-how-Träger auf diesem Gebiet. Dies sind beste Voraussetzungen, um solare Wärmenetze auch hier in der Breite einzuführen und zur Spitze aufzuschließen. Die vorliegende Studie wurde im Rahmen des vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft geförderten Projekts SolnetBW erarbeitet. Die Studie präsentiert die vielfältigen Möglichkeiten zur Integration der Solarthermie in Nah- und Fernwärmesysteme. Sie liefert Grundlagen, zeigt Potenziale und Handlungsstrategien auf und bietet hiermit allen beteiligten Akteuren bei der Entwicklung neuer Projekte und Aktivitäten Unterstützung. Franz Untersteller MdL Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg 1 Inhaltsverzeichnis 1 Kurzfassung ........................................................................................................................ 3 2 Einführung........................................................................................................................... 6 3 Analyse der Ausgangssituation ........................................................................................... 9 3.1 Stand der Technik und der Markteinführung ........................................................................ 9 3.2 Integrationsoptionen für Solarthermie in der Fernwärmeversorgung ................................. 13 3.2.1 Typen von Solarthermieanlagen in Fernwärmesystemen .................................................. 15 3.2.2 Technische Eignung von Fernwärmesystemen für die Einbindung solarthermischer Großanlagen als Erzeugungstechnologie .......................................................................... 29 3.3 Wirtschaftlichkeit der Solarthermie in der Fernwärmeversorgung ...................................... 34 3.3.1 Kostenannahmen .............................................................................................................. 34 3.3.2 Fördermöglichkeiten .......................................................................................................... 35 3.3.3 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ........................................................................................... 36 3.3.4 Beispielrechnung............................................................................................................... 37 3.3.5 Überblick Wärmegestehungskosten für Solarthermieanlagen in Fernwärmesystemen ...... 37 3.4 Rechtliche Rahmenbedingungen ...................................................................................... 40 3.4.1 Der europäische Rechtsrahmen ........................................................................................ 40 3.4.2 Der nationale Rechtsrahmen ............................................................................................. 43 3.4.3 Regelungsrahmen auf Landesebene ................................................................................ 53 3.4.4 Kommunale Planungsinstrumente ..................................................................................... 56 3.4.5 Eigentümerstrukturen und Bürgerbeteiligung .................................................................... 62 3.4.6 Zusammenfassung ............................................................................................................ 69 4 Wärmebedarf und Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg .................................... 71 4.1 Einflussfaktoren auf den Wärmebedarf und die Fernwärmeversorgung ............................ 71 4.1.1 Gemeinden in Baden-Württemberg ................................................................................... 71 4.1.2 Bevölkerung und Beschäftigte in Baden-Württemberg ...................................................... 72 4.1.3 Gebäudebestand und Gebäudeentwicklung ...................................................................... 74 4.2 Analyse und Entwicklung des Wärmebedarfs der Haushalte und des Sektor Gewerbe Handel Dienstleistung in Baden-Württemberg ................................................................... 80 4.2.1 Wärmebedarf – IST-Zustand ............................................................................................. 80 4.2.2 Entwicklung des Wärmebedarfs ........................................................................................ 81 4.3 Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg – IST-Zustand .......................................... 84 4.4 Potenziale der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg .......................................... 86 4.5 Potenziale der Solarthermie in der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg ........... 91 4.6 Zusammenfassung Wärmebedarfsentwicklung, Fernwärmepotenziale und technische Potenziale der Integration der Solarthermie ...................................................................... 96 2 5 Konkrete Fallstudien zur Nahwärmeversorgung ................................................................ 97 5.1 Einbindung solarthermischer Großanlagen – Beispiel Neuhengstett ................................. 97 5.1.1 Beschreibung des Versorgungsgebiets ............................................................................. 97 5.1.2 Entwurf des Nahwärmenetzes......................................................................................... 100 5.1.3 Anlagentechnik und Auslegung ....................................................................................... 102 5.1.4 Wirtschaftlichkeitsrechnung ............................................................................................. 106 5.1.5 Zwischenfazit .................................................................................................................. 117 5.2 Einbindung Solarthermischer Großanlagen – Beispiel Scharenstetten ............................ 118 5.2.1 Ausgangssituation ........................................................................................................... 118 5.2.2 Entwurf des Nahwärmenetzes......................................................................................... 120 5.2.3 Auslegung ....................................................................................................................... 122 5.2.4 Wirtschaftlichkeitsrechnung ............................................................................................. 124 5.2.5 Zwischenfazit .................................................................................................................. 131 5.3 Wärmekosten in Abhängigkeit zunehmender Wärmedämmung ...................................... 132 5.4 Langfristiger Einfluss der Wärmedämmung ..................................................................... 134 5.4.1 Szenario 2050 – Beispiel Scharenstetten ........................................................................ 134 5.4.2 Einfluss der Wärmedämmung auf die Netzauslegung ..................................................... 138 5.5 Schlussfolgerungen aus den Fallstudien ......................................................................... 142 5.6 Bestehende Biomasse-Heizwerke in Baden-Württemberg .............................................. 144 6 Strategieentwicklung ....................................................................................................... 146 6.1 Entwicklungsansätze zur Markteinführung solarer Wärmenetze ...................................... 146 6.1.1 Durchführung landesweiter Informations- und Beratungsaktivitäten zu solaren Wärmenetzen .................................................................................................................. 147 6.1.2 Anbahnung konkreter Projekte für neue Wärmenetze mit Anteil Solarthermie ................. 147 6.1.3 Anbahnung konkreter Projekte zur Integration von Solarthermie in bestehende Wärmenetze .................................................................................................................... 149 6.1.4 Abbau von Hemmnissen durch Stärkung der Bürgerbeteiligung ...................................... 149 6.1.5 Entwicklung von Geschäftsmodellen für solare Wärmelieferung ..................................... 150 6.1.6 Verbesserung des Rechts- und Förderrahmens für solare Wärmenetze ......................... 151 6.2 Ausbau und Optimierung der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg .................. 151 Anhang Anlagensteckbriefe .......................................................................................................... 153 Quellenverzeichnis ....................................................................................................................... 178 Abbildungsverzeichnis .................................................................................................................. 182 Tabellenverzeichnis ...................................................................................................................... 185 3 1 Kurzfassung Vor dem Hintergrund des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts (IEKK) der Landesregierung Baden-Württemberg beleuchtet diese Studie die Möglichkeiten und Erfordernisse einer vermehrten Nutzung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg. Hierzu werden die bestehenden technischen und wirtschaftlichen sowie rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen analysiert, Potenziale ermittelt und darauf basierend konkrete Strategien und Handlungsempfehlungen für eine verstärkte Ausbaudynamik und Markteinführung dieser Technologie aufgezeigt. Solare Wärmenetze beruhen auf dem Einsatz solarthermischer Großanlagen, die in Nah- oder Fernwärmenetze eingebunden sind und auf diese Weise zur zentralen Wärmeversorgung von Quartieren, Wohngebieten, Dörfern oder Städten beitragen. Je nach Einbindung werden sie daher auch als solare Nahwärme oder solare Fernwärme bezeichnet. Die erforderlichen großen Kollektorfelder werden auf Freiflächen installiert oder in Gebäudedachflächen integriert. Es kommen dabei meist Flachkollektoren oder Vakuumröhrenkollektoren zum Einsatz. Zahlreiche Großanlagen im Leistungsbereich bis maximal 50 MWth, werden inzwischen vor allem in den Ländern Dänemark, Schweden, Österreich aber auch in Deutschland und in Baden-Württemberg in Wärmenetzen betrieben. In diesen Ländern wurden aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen, verschiedene Typen und Varianten solarer Nah- und Fernwärmesysteme realisiert. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale sind:  die Art der Einbindung der thermischen Solaranlage (z.B. eine zentrale Einbindung am Heizwerk oder eine dezentrale Einbindung an einem beliebigen Ort im Fernwärmenetz)  die Größe des Wärmenetzes, in welches die Solarthermieanlage eingebunden ist. Die Bandbreite reicht hier von Nahwärmesystemen zur Versorgung von Neubaugebieten und Quartieren (Beispiele Stuttgart Burgholzhof, 1.700 m² Kollektorfläche und Crailsheim, 7.300 m² Kollektorfläche) über Systeme zur Versorgung von Energiedörfern (Beispiel Büsingen, 1.090 m² Kollektorfläche) bis hin zur Einbindung in große städtische Fernwärmesysteme (Beispiel Wels in Österreich, 3.400 m² Kollektorfläche). Die Vielfalt dieser Anlagentypen ist bei der Technologiebewertung und bei der Entwicklung von Maßnahmen zu berücksichtigen, da sich die spezifischen Randbedingungen und auch die beteiligten Akteure deutlich unterscheiden. Die Wirtschaftlichkeit von solarthermischen Großanlagen hängt ebenso vom Anlagentyp ab. Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung erfolgt in der Regel anhand der Wärmegestehungskosten. Bei den untersuchten Anlagentypen wurden in günstigen Fällen Wärmegestehungskosten ohne Förderung bis minimal 50 €/MWh sowie mit öffentlicher Förderung bis minimal 30 €/MWh ermittelt, womit die Solarthermie in zahlreichen Anwendungen eine wirtschaftlich konkurrenzfähige Erzeugungsoption ist. Die wesentlichen Voraussetzungen für günstige Wärmegestehungskosten sind eine ausreichende Anlagengröße (> 1 MWth), eine einfache Anlagentechnik (z.B. Freilandaufstellung), solare Deckungsanteile an der Gesamt-Wärmeerzeugung bis 20 % sowie niedrige Netztemperaturen. Einen wesentlichen Anteil der Wärmegestehungskosten stellen bei Solarthermieanlagen die Kapitalkosten dar, wohingegen die Betriebskosten eine untergeordnete Rolle spielen. Dies führt zu einer langfristigen Kalkulierbarkeit, Planungssicherheit und Stabilität der Wärmegestehungskosten. Praktische Beispielrechnungen, bei denen solarthermische Großanlagen 4 in zwei bereits durchgeführte Machbarkeitsstudien zu Wärmenetzen integriert wurden, zeigen exemplarisch, dass die Solarthermie kostenneutral mit Biomasse-Heizwerken kombiniert werden kann und dies sich langfristig positiv auf die Endkundenwärmepreise auswirken kann. Der rechtlich-politische Rahmen für solare Nah- und Fernwärme umfasst einerseits den Rechtsrahmen für die klassische leitungsgebundene Wärmeversorgung sowie andererseits die Errichtung von solarthermischen Großanlagen. Die Analyse fokussiert insbesondere auf die Fragestellung, welche Instrumente die Nutzung der Solarthermie in bestehenden und neuen Wärmenetzen fördern könnten. Die Studie zeigt jedoch, dass beim derzeit bestehenden Rechtsrahmen (EnEV, EEWärmeG, KWKG und EWärmeG Baden-Württemberg) kein wirksamer Treiber die Integration erneuerbarer Wärme wie z.B. der Solarthermie in die leitungsgebundene Wärmeversorgung effektiv fördert. Lediglich die Investitionsförderung durch die Förderprogramme des Bundes und des Landes Baden-Württemberg sind als Treiber zu nennen. Um die Markteinführung der solaren Nah- und Fernwärme einzuleiten, wäre es daher sinnvoll, auch den rechtlichen Rahmen weiterzuentwickeln. Kernelemente sind hier, die Effizienztechnologie KWK und die Wärmebereitstellung aus erneuerbaren Energien möglichst harmonisch in ein Gesamtsystem zu integrieren (in dem die Vorzüge beider Technologien zur Geltung kommen) sowie mittelfristig steigende Anteile erneuerbarer Wärme auch im Fernwärmebereich zu ermöglichen. Auch auf der Ebene der Landespolitik und des kommunalen Planungsrechts kann der Rechtsrahmen weiterentwickelt und optimiert werden, um vor Ort die Umsetzung von Projekten zu fördern. Dies betrifft z.B. die Stärkung der Handlungsoptionen der Kommunen im Bauplanungsrecht durch eine entsprechende landesrechtliche Kompetenzzuweisung und eine stärkere Berücksichtigung der solaren Nah- und Fernwärme im EWärmeG Baden-Württemberg. Darüber hinaus sollte auch ein veränderter Rahmen für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger entwickelt werden. Dabei geht es nicht nur darum, Akzeptanz in der Bevölkerung für neue Infrastrukturprojekte zu erreichen. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich auch finanziell mit konkreten Projekten an der Energiewende. Auch aus rein wirtschaftlichen Gründen kann die Mobilisierung privaten Kapitals vorteilhaft sein. Ausgehend von bestehenden Analysen der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg wurde unter Berücksichtigung der hierbei ermittelten Netzdaten eine Potenzialanalyse der Solarthermie in der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg durchgeführt. Es wurden vier unterschiedliche Szenarien untersucht. Neben dem solaren Deckungsbeitrag wurden auch die Potenziale für solare Deckungsbeiträge in Abhängigkeit der Gemeindegröße bzw. der gesamten Wärmenetzeinspeisung eines Fernwärmesystems ermittelt. Entsprechend den angenommenen Szenarien könnten zwischen 3,5 PJ und 10 PJ der Fernwärmenetzeinspeisung in Baden-Württemberg (entsprechend 8,7 % bis 25 %) durch Solarthermie gedeckt werden. Insgesamt wäre hierfür eine Kollektorfläche von 3,5 Mio. m² bis 10,9 Mio. m² Flachkollektoren bzw. 2,1 Mio. m² bis 6,1 Mio. m² Vakuumröhrenkollektoren erforderlich. Es würden sich durchschnittliche Anlagengrößen zwischen 6.000 m² und 18.600 m² bei Flachkollektoren bzw. zwischen 4.300 m² und 12.800 m² bei der Verwendung von Vakuumröhrenkollektoren ergeben. Bei der weiterführenden Marktbearbeitung sollte auf Anlagentypen fokussiert werden, die sowohl eine gute Wirtschaftlichkeit als auch ein hohes Umsetzungspotenzial aufweisen. Vorrangig sind dies: 5  Großflächige Freilandanlagen mit einer thermischen Leistung über 1 MW und solaren Deckungsanteilen von 10 – 20 % in neu entstehenden, kleineren Wärmenetzen, wie sie in den letzten Jahren vielfach in sogenannten ‚Energiedörfern‘ realisiert wurden.  Großflächige Solarthermieanlagen mit einer thermischen Leistung über 1 MW und solaren Deckungsanteilen bis 15 % in Bestandsnetzen (auch in größeren städtischen Fernwärmenetzen). Die Umsetzbarkeit hängt hier im Wesentlichen von einer stimmigen Integration des Wärmeerzeugers Solarthermie in das Gesamtsystem ab, die zu einer Steigerung der Gesamteffizienz führt. Darüber hinaus bestehen günstige Umsetzungsmöglichkeiten im Bereich von Quartiers- und Siedlungskonzepten sowie bei Projekten der Wohnungswirtschaft. Vorteile entstehen bei der Integration der Solarthermie in Nah- und Fernwärmesysteme insbesondere durch die langfristige Planungssicherheit bezüglich der Wärmegestehungskosten, die Nutzung erneuerbarer und emissionsfreier Wärme, das damit verbundene positive Image und die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung sowie durch den einfachen technischen Betrieb solcher Anlagen. Hemmende Faktoren sind oft fehlende Kenntnisse bzw. mangelndes Vertrauen in Bezug auf die solare Wärmeerzeugung seitens der Wärmeversorger sowie die Verfügbarkeit geeigneter Flächen. Technische Hemmnisse für eine Realisierung bestehen nur in wenigen Fällen. Auf der Basis der oben beschriebenen Ergebnisse werden die Entwicklung und Umsetzung folgender Handlungsansätze und Aktionen empfohlen, die unmittelbar auf die Markteinführung solarer Nah- und Fernwärme und die Umsetzung konkreter Projekte in Baden-Württemberg zielen:  Projektanbahnung neuer Wärmenetze mit einem Anteil solarthermischer Erzeugung  Projektanbahnung für die Integration von Solarthermie in bestehende Wärmenetze  Informations- und Beratungsaktivitäten  Stärkung der Bürgerbeteiligung  Entwicklung von Geschäftsmodellen für solare Wärmelieferung  Verbesserung des Rechts- und Förderrahmens für solare Nah- und Fernwärme Darüber hinaus ist die Entwicklung und Umsetzung übergeordneter Ansätze erforderlich, die einen zukunftsorientierten Ausbau und die Optimierung der leitungsgebundenen Wärmeversorgung insgesamt zum Ziel haben. Der Ausbau der Fernwärmeinfrastruktur in Baden-Württemberg, verbunden mit einer technisch-ökologischen Optimierung und der Berücksichtigung sozioökonomischer und verbraucherorientierter Aspekte, würde mittelbar auch die grundlegenden Entwicklungschancen für die solare Nah- und Fernwärme verbessern. 6 2 Einführung Der Umbau der Energieversorgung mit dem Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien deutlich zu erhöhen und sie in wenigen Jahrzehnten zur tragenden Säule des Energiesystems zu machen, erfolgt bislang mit einem starken Fokus auf die Stromversorgung, während der Wärmesektor in vielen Belangen zurückbleibt. Dies wird der hohen Bedeutung der Wärmeversorgung für die Energieversorgung und den Klimaschutz in keiner Weise gerecht. Mehr als die Hälfte des Endenergiebedarfs in Deutschland wird in Form von Wärme benötigt. Auch bei der mit großer Vehemenz geführten Debatte um die Kosten der Energiewende liegt der Fokus bisher vor allem auf den gestiegenen Strompreisen. Verdrängt wird dabei, dass die Kosten eines Haushaltes für Raumwärme und Warmwasser im Durchschnitt etwa doppelt so hoch sind wie die Stromkosten. Auch ist die Preissteigerung in den letzten zwanzig Jahren bei den Wärmekosten deutlich höher gewesen als bei den Stromkosten. Die soziale Bedeutung der Wärmeversorgung wird damit für die Haushalte, die Wirtschaft und für die Kommunen zunehmend wichtiger. Ohne eine ambitionierte Wärmewende kann somit die Energiewende nicht erfolgreich sein. Dies erfordert die Erschließung der Potenziale bei der Energieeffizienz und gleichzeitig die langfristige Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energieträger. Neben dem Klimaschutz und der Kostenstabilität trägt dies auch maßgeblich zur Versorgungssicherheit bei, denn der Einsatz erneuerbarer Energien vermindert die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten. Anders als bei der Strom- und Gasversorgung sind in der Wärmeversorgung die Erzeugung, die Verteilung und der Verbrauch lokal bzw. regional verortet. Somit ist die Wärmeversorgung vor allem eine lokale Aufgabe und auch im Verantwortungsbereich der Kommunen angesiedelt. Sie stehen vor der großen Herausforderung – im Einklang mit den nationalen und europäischen Klimaschutzzielen – die lokale Wärmeversorgung langfristig klimaneutral zu gestalten. Die bisherigen Strategien in Deutschland setzen dabei vor allem auf eine kontinuierliche Reduzierung des Energiebedarfs der bestehenden Gebäude. Es ist jedoch erkennbar, dass die bisherigen Sanierungsraten des Gebäudebestandes bei weitem nicht ausreichen, um die ambitionierten Klimaschutzziele im Wärmesektor erreichen zu können. Es ergibt sich die Aufgabe auch für die kommunale Wärmepolitik, ein volkswirtschaftliches Optimum zwischen Gebäudeeffizienz und dem Einsatz erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung zu finden. Im Vergleich zum Stromsektor ist jedoch die Integration erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung weit weniger fortgeschritten. Der Anteil erneuerbarer Energien liegt derzeit bei etwa 11 % und ist damit nur etwa halb so groß wie im Strombereich. Neben dem geringen Anteil erneuerbarer Energien am Wärmemarkt ist auch die Art der Energieträger problematisch. Mehr als 90 % der erneuerbaren Wärme basiert auf Biomasse. Die Hälfte davon wird in Kleinanlagen (z.B. Kaminöfen) mit geringen Wirkungsgraden und hohen Schadgasemissionen verbrannt. Weiter kann die Biomasse auf lange Sicht aufgrund von Nutzungskonkurrenzen nur einen begrenzten Beitrag leisten. Die tiefe Geothermie ist nur an geeigneten Standorten nutzbar. Aus diesen Gründen räumt das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) der Landesregierung Baden-Württemberg der Solarthermie und speziell den solaren Wärmenetzen einen hohen Stellenwert ein: Die Solarthermie weist eine hohe Verfügbarkeit auf und die Verteilung über Wärmenetze an die Verbraucher ist in vielen Fällen, z.B. aus Gründen der Effizienz oder der Kostendegression, vorteilhaft gegenüber einer Wandlung in einer Vielzahl von Einzelanlagen. 7 Generell hat sich die Solarthermie in Deutschland als Technologie zur Warmwasserbereitung und Unterstützung der Raumheizung in Wohngebäuden mit großer Verbreitung bewährt. Thermische Sonnenkollektoren und die zugehörigen Systemlösungen haben einen hohen technischen Standard erreicht, die den Einsatz der Solarthermie auch in kälterem Klima und für höhere Anwendungstemperaturen bis 120 °C ermöglicht. In Deutschland sind thermische Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 12,3 GWth entsprechend einer Gesamtkollektorfläche von 17,5 Mio. m² installiert. In Baden-Württemberg liegt die Nutzung der Solarthermie dabei rund 50 % über dem Bundesdurchschnitt. Über 90 % dieser Anlagen sind jedoch auch hier Kleinanlagen ( 1.000 m³). Hierbei sind vier Speichertechnologien entstanden, die jeweils in mindestens einer Pilotanlage umgesetzt und betrieben wurden. Die Wärmespeicher sind hierbei als erdvergrabene saisonale Wärmespeicher in solar unterstützte Nahwärmeversorgungen größerer Gebäudekomplexe oder ganzer Siedlungen integriert. In neueren Projekten, wie z.B. in Hamburg5 werden große Wärmespeicher vermehrt auch zur Optimierung des KWK-Betriebs von Wärmenetzen eingesetzt, um sowohl Schwankungen in der Wärmeleistungsanforderung auszugleichen, als auch die Strom- und Wärmebereitstellung zu entkoppeln. Gleichzeitig bieten die Wärmeversorger E.ON Hanse Wärme GmbH und Hamburg Energie GmbH in Hamburg ein Modell zur dezentralen Einbindung solarer Wärme in ihre Fernwärmenetze an. Ein wichtiger Schritt in Richtung einer breiteren Umsetzung der Technologie im Bereich der Energiedörfer wurde im Jahr 2013 in Büsingen im Süden Baden-Württembergs umgesetzt. Der regionale Energieversorger Solarcomplex AG realisierte dort Deutschlands erste große solarthermische Freilandanlage mit einer Kollektorfläche von 1.090 m², die in Kombination mit einem Biomasse-Heizwerk und einem neu verlegten Wärmenetz die lokale Wärmeversorgung darstellt (vgl. Abbildung 4). Weitere Anlagen sind in Planung und folgen in den kommenden Jahren. Abbildung 4: Heizwerk des Bioenergiedorfs Büsingen mit 1.090 m² Vakuumröhrenkollektoren und einem Biomassekessel (Quelle: Ritter XL Solar GmbH) In Schweden werden derzeit Erfahrungen mit dezentraler Wärmerückspeisung von größeren bei Endkunden installierten Solaranlagen in Fernwärmenetze gesammelt. Weiter wurden in Österreich vier solarthermische Großanlagen in der Stadt Graz und eine Anlage in der Stadt Wels realisiert, die ihre Wärme dezentral in das städtische Fernwärmenetz einbinden. Im Rahmen des Vorhabens SDHplus werden die Aktivitäten zur Marktbereitung auf zwölf europäische Länder ausgeweitet. Bemerkenswerte Entwicklungen in ‚Einsteiger-Ländern‘ sind die Realisierung erster netzgekoppelter Großanlagen in Norwegen (9 MWth) und in Frankreich (350 kWth) sowie eine in Realisierung befindliche Anlage in Italien (700 kWth). 5 Schmidt, Mangold: Der Multifunktions-Wärmespeicher in Hamburg-Bramfeld – innovative Erweiterung der ältesten deutschen Solarsiedlung, OTTI - 20. Symposium Thermische Solarenergie, Bad Staffelstein, 2010 12 Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass für solare Fernwärmesysteme insbesondere für folgende Situationen oder Ansätze gute Marktchancen bestehen:  die Ergänzung reiner Heizwerke mit Solarthermie  die Kombination mit KWK-Anlagen, bei denen aufgrund höherer Anteile von Strom aus Windenergie und Photovoltaik im Netz andere Fahrweisen erforderlich werden  die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Vermarktungsansätze für Fernwärme in Kombination mit Solarwärme Nachfolgend werden diese Ansätze detailliert erläutert. 13 3.2 Integrationsoptionen für Solarthermie in der Fernwärmeversorgung Im folgenden Kapitel werden aufbauend auf dem Stand der Technik und der Markteinführung die Integrationsoptionen für die Solarthermie in der Fernwärmeversorgung erläutert. In den unterschiedlichen Ländern wurden dabei aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen, verschiedene Konzepte solarer Nah- und Fernwärmesysteme verfolgt. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale sind:  die Art der Einbindung der thermischen Solaranlage (zentrale vs. dezentrale Einbindung).  die Größe des Wärmenetzes, in welches solare Wärme eingespeist wird. Die Bandbreite reicht hier von Nahwärmesystemen zur Versorgung mehrerer Gebäude (Beispiel Stuttgart Burgholzhof, 1.700 m² Kollektorfläche) über Systeme zur Versorgung von Neubaugebieten (Beispiel Crailsheim, 7.300 m² Kollektorfläche) oder Bioenergiedörfern (Beispiel Büsingen, 1.090 m² Kollektorfläche) bis hin zur Einbindung in große städtische Fernwärmesysteme (Beispiel Wels in Österreich, 3.400 m² Kollektorfläche).  die Größe und Auslegung der thermischen Solaranlage. Diese spiegeln sich im erzielten solaren Deckungsanteil am Gesamtwärmebedarf wider. So kann eine Solaranlage zur Vorwärmung mit Deckungsanteilen von etwa 5 % genutzt werden. Eine Volldeckung durch die Solaranlage in den Sommermonaten wird typischerweise bei Deckungsanteilen zwischen 10 und 20 % erreicht. Hohe Deckungsanteile von 20 bis über 50 % sind in Kombination mit Langzeitwärmespeichern möglich. Die unterschiedliche Art der Einbindung, d.h. einerseits die zentrale Einbindung und andererseits die dezentrale Einbindung, wird im Folgenden anhand zweier Grafiken genauer erläutert (vgl. Abbildung 5 und Abbildung 6)6. 6 Pauschinger et. al: SDH-Guidelines, www.solar-district-heating.eu, Juni 2012, letzter Zugriff: 23.10.2014 14 Zentrale Einbindung Die thermische Solaranlage wird zentral am Standort des Heizwerks oder Heizkraftwerks eingebunden, oftmals in Kombination mit einem großen saisonalen Wärmespeicher. Bei weiter entfernten, z.B. gebäudeintegrierten Kollektorfeldern, kann die Solarwärme über ein Solarnetz zur Heizzentrale gebracht werden, damit dort ebenfalls eine zentrale Einbindung in das Wärmenetz erfolgen kann. Die meisten solarthermischen Großanlagen wurden bisher aufgrund der einfacheren technischen Handhabung zentral in ein Wärmenetz eingebunden. Abbildung 5: Zentrale Einbindung in Nah- und Fernwärmenetze (Quelle: Solites) Dezentrale Einbindung Die thermische Solaranlage wird dezentral an einem geeigneten Ort in das Fernwärmenetz eingebunden. Die Solaranlage verfügt dabei oftmals über keinen eigenen Wärmespeicher und gibt ihre Wärme direkt an das Netz ab. Dies ist möglich wenn entweder an der Einbindungsstelle stets eine ausreichende Wärmelast vorliegt oder eine Speicherung über das Wärmenetz erfolgen kann (z.B. durch an anderer Stelle im Wärmenetz angeschlossene Speicherkapazitäten oder eine Temperaturerhöhung des Wärmenetzes). Abbildung 6: Dezentrale Einbindung in Nah- und Fernwärmenetze (Quelle: Solites) 15 3.2.1 Typen von Solarthermieanlagen in Fernwärmesystemen Im Folgenden werden verschiedene Typen von Solarthermieanlagen in Fernwärmesystemen beschrieben, die sich bezüglich der Art und Größe der Solarthermieanlage, der Größe des Fernwärmesystems und somit auch hinsichtlich organisatorischer Aspekte unterscheiden. Insgesamt werden hierbei sieben Anlagentypen differenziert: Typ 1: Solare Wärmenetze zur Quartiersversorgung Typ 2: Solare Wärmenetze mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere Typ 3: Dezentral eingebundene Solaranlagen in Quartieren Typ 4: Solare Wärmenetze für Dörfer und kleinere Städte Typ 5: Solare Fernwärmesysteme mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung „Smart District Heating“ Typ 6: Dezentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Großanlagen Typ 7: Zentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Großanlagen In aufsteigender Reihenfolge nimmt tendenziell die Größe des Wärmenetzes zu, beginnend mit Lösungen für Quartiere und Wohngebiete, oft auch als Nahwärmesysteme bezeichnet, bis hin zu Einbindungen in große städtische Fernwärmeversorgungen. Die verschiedenen Anlagentypen werden in den nachfolgenden Kapiteln näher beschrieben. 16 Typ 1: Solare Wärmenetze zur Quartiersversorgung Sowohl bei der Sanierung als auch beim Neubau urbaner Quartiere oder Wohnsiedlungen bieten sich lokale Wärmenetze, oftmals als Nahwärmesysteme bezeichnet, als eine Option zur Wärmeversorgung an (vgl. Abbildung 7). Aufgrund der lokalen Begrenzung und je nach Gebäudetyp und Haustechnik können solche Wärmenetze mit niedrigen oder mittleren Netztemperaturen betrieben werden, wodurch sie sich für die Einbindung einer thermischen Solaranlage besonders eignen. Der jährliche solare Deckungsanteil am Gesamtwärmebedarf beträgt bei den realisierten Projekten bis zu 20 % und wird durch die Einbindung eines Kurzzeitspeichers in der Heizzentrale erreicht. Der Hauptteil des Wärmebedarfs wird meistens über Heizkessel oder einen Anschluss an ein größeres Wärmenetz an der Heizzentrale bereitgestellt. Abbildung 7: Dachintegrierte Solarkollektoren auf Mehrfamilienhäusern (linkes Bild, Quelle: Solites); Solare Nahwärme Stuttgart Burgholzhof (rechtes Bild, Quelle: EnBW Energie Baden-Württemberg AG) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen zur Quartiersversorgung aufgelistet. Tabelle 1: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen zur Quartiersversorgung Wärmeabgabe gesamtes Netz 0,5 – 10 GWh/a Einbindung der Solaranlage zentral Nennleistung der Solaranlage 0,2 – 2 MWth Solarer Deckungsanteil 10 – 20 % der Wärmenetzeinspeisung Technik Aufgrund der beschränkten Flächenverfügbarkeit in Quartieren, werden die Kollektorflächen oftmals in die Dächer umliegender Gebäude integriert. Seitens der Anbieter stehen hierfür geeignete Systemlösungen mit Großflächenkollektoren zur Verfügung (z.B. Solarroof). Bei zahlreichen Projekten hat es sich als wirtschaftlich erwiesen, die Wärme von den verteilten Kollektorfeldern zur Heizzentrale zurückzuführen und dort zentral über einen Pufferspeicher einzubinden. Dieser ermöglicht eine bedarfsgerechte Bereitstellung der erzeugten Solarwärme. Durch größere Kollektorflächen und tageweise Speicherung der Solarwärme werden solare Deckungsanteile am Gesamtwärmebedarf von bis zu 20 % erreicht. Der Hauptteil des Wärmebedarfs wird meistens über Heizkessel oder einen Anschluss an ein größeres Wärmenetz an der Heizzentrale bereitgestellt. 17 Organisatorisches Bei der Realisierung einer solar unterstützen Nahwärmeversorgung ist die frühzeitige Zusammenarbeit von Anlagenplanern, Anlagenbetreibern, Bauherren und Architekten von entscheidender Bedeutung. Dabei muss eine exakte Abstimmung von Wärmenetz, Solarkollektoren und der entsprechenden Wärmenachfrage erfolgen. Nahwärmenetze werden in der Regel von Kontraktoren oder Stadtwerken betrieben. Daher kommt der Kommune bei der Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für solche Projekte eine wichtige Rolle zu. Diese hat durchaus Möglichkeiten, insbesondere die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Darauf wird in Kapitel 3.4 (Rechtliche Rahmenbedingungen) genauer eingegangen. Wirtschaftlichkeit Bei der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (siehe Kapitel 3.3) ergaben sich für diesen Anlagentyp solare Wärmegestehungskosten im Bereich von 55 bis 106 €/MWh (netto ohne Förderung) bzw. von 37 bis 73 €/MWh (netto mit Förderung). Ein entscheidender Faktor für die Wirtschaftlichkeit derartiger Anlagen sind die Mehrkosten für die Realisierung der verteilten Kollektorfelder auf den Gebäuden, insbesondere für die Dachintegration und die Wärmerückführung zur Heizzentrale. Durch eine kostengünstige Ausführung der Kollektorfelder in unmittelbarer Nähe der Heizzentrale können die Wärmegestehungskosten deutlich reduziert werden. Günstigere Wärmegestehungskosten können auch bei eher moderaten solaren Deckungsanteilen am Gesamtwärmebedarf durch die damit verbundenen hohen spezifischen Solarerträge erzielt werden. Besonderheiten Bei Neubausiedlungen ist, infolge steigender Anforderungen an die Gebäudehülle durch die EnEV, genau und individuell zu prüfen, ob ein Wärmenetz aufgrund des geringeren verbleibenden Wärmebedarfs rentabel realisierbar ist. Falls dies der Fall ist, profitiert davon insbesondere die Solaranlage, da die niedrigen Rücklauftemperaturen im Wärmenetz entscheidend für möglichst hohe Solarerträge sind. Bei dem heutzutage wesentlicher häufiger auftretenden Fall eines Sanierungsgebiets, ist die Wärmebedarfsdichte im Vergleich zur Neubausiedlung in der Regel höher, was der Wirtschaftlichkeit von Wärmenetzlösungen zuträglich ist. Die im Wärmenetz vorherrschenden höheren Temperaturen stellen zudem kein Hindernis für die Einbindung von Solarthermie dar, da mit heutigen Solarkollektoren ein entsprechendes Temperaturniveau erreicht werden kann. Ausgewählte Anlagenbeispiele Im Anhang wird exemplarisch die solare Nahwärme Stuttgart Burgholzhof vorgestellt. Weitere Anlagen befinden sich auch im europäischen Ausland, wie z.B. in Schweden (Vallda Heberg)7. Weiterführende Informationen Weiterführende Informationen finden sich in [Milles 2005]8 sowie in [Solarthermie2000]9. 7 Dalenbäck: Vallda Heberg – Initial experiences, SDH conference, Hamburg, 3rd June 2014 8 Milles: Solare Nahwärme in neuen Wohnsiedlungen, BINE Projektinfo 01/2005 9 Solarthermie2000: Langzeitverhalten von thermischen Solaranlagen im bundeseigenen Bereich, Solarthermie2000 Teilprogramm 1, www.solarthermie2000.de 18 Typ 2: Solare Wärmenetze mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere Bei Wohngebieten und Quartieren kann der im vorangegangen Abschnitt beschriebe Anlagentyp durch einen Langzeitwärmespeicher ergänzt werden, so dass höhere solare Deckungsanteile von bis zu 50 % erzielt werden. Der Wärmespeicher dient dabei zur saisonalen Speicherung der Solarwärme vom Sommer bis in die Heizperiode. In Deutschland wurden seit 1996 insgesamt elf solarthermische Großanlagen mit saisonaler Wärmespeicherung realisiert. Vier dieser elf Pilotanlagen wurden in Baden-Württemberg (Friedrichshafen, Neckarsulm, Crailsheim (vgl. Abbildung 8) und Eggenstein-Leopoldshafen) errichtet. Abbildung 8: Solare Nahwärme Hirtenwiesen in Crailsheim, Deutschlands größte Solarthermieanlage mit einer Kollektorfläche von 7.300 m² (Nennleistung zur Wärmeerzeugung: 5,1 MWth) (Quelle: Solites) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere aufgelistet. Tabelle 2: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere Wärmeabgabe gesamtes Netz 2 – 10 GWh/a Einbindung der Solaranlage zentral Nennleistung der Solaranlage 2 – 20 MWth Solarer Deckungsanteil 20 – 50 % der Wärmenetzeinspeisung Technik Das zentrale Element eines solchen Systems bildet der Langzeitwärmespeicher, der einen Großteil der in den Sommermonaten erzeugten Solarwärme aufnimmt und bis in die Heizperiode speichert. Nur über eine derartige saisonale Wärmespeicherung lassen sich solare Deckungsanteile am Gesamtwärmebedarf von 50 % und mehr erreichen. In Deutschland wird die Entwicklung saisonaler Wärmespeicher seit Mitte der 90er Jahre gefördert. Im Rahmen von Forschungsvorhaben wurden vier Speichertechnologien entwickelt (Behälter-, Erdbecken-, Erdsonden- und Aquifer19 Wärmespeicher), die jeweils in mindestens einer Pilotanlage praktisch demonstriert und betrieben wurden. Saisonale Wärmespeicher sind erst ab einer Größe von ca. 1.000 m³ technisch und wirtschaftlich machbar und erfordern daher eine Mindestgröße des Nahwärmesystems. Organisatorisches Derart komplexe Systeme werden in der Regel von Stadtwerken oder größeren Unternehmen der Versorgungswirtschaft realisiert und betrieben. Damit solche umfassenden Systeme erfolgreich umgesetzt werden können, muss die Systemplanung mit der Entwicklung des Gebiets und der Bauplanung einhergehen, insbesondere wenn es sich um mehrphasige Bauvorhaben handelt. Wirtschaftlichkeit Bei der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (siehe Kapitel 3.3) ergaben sich für diesen Anlagentyp solare Wärmegestehungskosten im Bereich von 73 bis 154 €/MWh (netto ohne Förderung) bzw. von 48 bis 102 €/MWh (netto mit Förderung). Im Vergleich zu Anlagentyp 1 ergeben sich höhere Wärmegestehungskosten. Dies liegt daran, dass bei diesen Systemen auch sehr hohe solare Deckungsanteile am Gesamtwärmebedarf von 50 % erreicht werden können und für die damit verbundene saisonale Wärmespeicherung großvolumige Wärmespeicher benötigt werden, deren Investitionskosten vollständig der solaren Wärmeerzeugung zugeordnet werden. Besonderheiten Das Ziel derzeitiger Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu saisonalen Wärmespeichern ist, die Technologien bis zum Jahr 2020 zur Marktbereitschaft zu führen. Eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von solaren Nahwärmesystemen mit Langzeitwärmespeicher kann durch eine Mehrfachnutzung des Wärmespeichers mit sogenannten Multifunktions- Wärmespeichern erreicht werden. Diese werden auch für die Speicherung industrieller Abwärme, KWK-Optimierung und Power-to-heat-Anwendungen verwendet. Ausgewählte Anlagenbeispiele Im Anhang wird exemplarisch die solare Nahwärme Hirtenwiesen in Crailsheim vorgestellt. Weitere Anlagen in Baden-Württemberg befinden sich in Neckarsulm, Friedrichshafen und Eggenstein- Leopoldshafen. Weiterführende Informationen Weiterführende Informationen finden sich in [Schneider 2013]10, [Mangold et al. 2012]11 sowie in [Saisonalspeicher.de]12. 10 Schneider: Sonnenenergie in der Erde speichern, BINE Projektinfo 01/2013 11 Mangold et al.: Forschungsbericht zum BMU-Vorhaben "Technisch-wirtschaftliche Analyse und Weiterentwicklung der solaren Langzeit-Wärmespeicherung" (Dez. 2007 bis Feb. 2011), Solites, 2012 12 Saisonalspeicher.de: Wissensportal für saisonale Wärmespeicherung, www.saisonalspeicher.de, letzter Zugriff: 24.10.2014 20 Typ 3: Dezentral eingebundene Solaranlagen für Quartiere Bei mit Fernwärme versorgten Quartieren kann eine thermische Solaranlage auch dezentral in das Wärmenetz eingebunden werden. Dadurch haben beispielsweise Wohnungsgesellschaften die Möglichkeit, eine etwas größer dimensionierte Solaranlage zu installieren, deren Wärmeerzeugung über dem Wärmebedarf des Quartiers liegt, da die erzeugte Solarwärme vollständig an das Fernwärmenetz abgegeben wird (vgl. Abbildung 9). Bei Wärmebedarf wird über eine Standardübergabestation Wärme aus dem Fernwärmenetz bezogen. Auf diese Weise wird das Wärmenetz als Speicher genutzt. Ein hausinterner Pufferspeicher entfällt, sodass solche Anlagen einfach und kostengünstig realisiert werden können. Abbildung 9: Dezentral eingebundene Solaranlage in Gardsten (SE) (linkes Bild); Übergabestation zur Wärmeabgabe an das Netz des Herstellers Armatec (rechtes Bild, Quelle: Armatec/Solites) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von dezentral eingebundenen Solaranlagen in Quartieren aufgelistet. Tabelle 3: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von dezentral eingebundenen Solaranlagen in Quartieren Wärmeabgabe gesamtes Netz 20 – 5.000 GWh/a Einbindung der Solaranlage dezentral Nennleistung der Solaranlage 0,2 – 2 MWth Solarer Deckungsanteil bis zu 100 % des Wärmebedarfs des Quartiers, geringe Anteile an der gesamten Wärmenetzeinspeisung Technik Die Solarkollektoren geben über eine Übergabestation zur Wärmeabgabe (siehe Abbildung 9, rechtes Bild) die erzeugte Wärme an den netzseitigen Vorlauf der Hausanschlussleitung ab. Übersteigt die Wärmeerzeugung den momentanen Eigenverbrauch des Gebäudes, wird die Solarwärme dem Fernwärmenetz zugeführt. Andernfalls wird die Solarwärme über eine Standardübergabestation zum Wärmebezug an das Gebäude geliefert. Somit wird bei diesem System kein zusätzlicher Pufferspeicher benötigt. Jedoch muss die Leistung der thermischen Solaranlage im Verhältnis zur Größe des Wärmenetzes klein sein. Diese Systeme eignen sich insbesondere für Wärmenetze oder Wärmenetzbereiche, die im Sommer auf niedrigeren Temperaturen, z.B. zwischen 60°C und 80°C, betrieben werden. 21 Organisatorisches Bei diesem Modell befinden sich die Solaranlagen meist im Eigentum von Wohnungsgesellschaften. Der Betrieb erfolgt ebenfalls durch diese oder durch lokale Versorger. Aktuelle Auswertungen haben ergeben, dass beim professionellen Betrieb durch Unternehmen der Versorgungswirtschaft wesentlich bessere Betriebsergebnisse erzielt werden. Eine Abrechnung erfolgt zwischen den Wohnungsgesellschaften und dem Wärmenetzbetreiber. Dabei wird die vom Wärmemengenzähler erfasste solare zugeführte Wärme, ähnlich wie bei der PV-Stromeinspeisung, vergütet. Der Wärmebezug erfolgt hingegen über Standardverträge. Generell hat sich gezeigt, dass die Standardisierung und getrennte Behandlung von Abgabe und Bezug hinsichtlich Kosten und Abwicklung am günstigsten sind. Wirtschaftlichkeit Bei der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (siehe Kapitel 3.3) ergaben sich für diesen Anlagentyp solare Wärmegestehungskosten im Bereich von 55 bis 74 €/MWh (netto ohne Förderung) bzw. von 36 bis 48 €/MWh (netto mit Förderung). Die relativ geringeren Wärmegestehungskosten resultieren daher, dass die Solaranlage meistens einfach und kostengünstig realisiert werden kann, da kein zusätzlicher Pufferspeicher installiert werden muss und die spezifischen Solarerträge je nach Temperaturniveau im Wärmenetz sehr hoch sein können. Besonderheiten In Schweden wurde dieser Anlagentyp bereits mehrfach realisiert. Insbesondere Wohnungsgesellschaften äußerten dort den Wunsch, thermische Solaranlagen auf ihren Gebäuden zu installieren. Daher wurde ein Geschäftsmodell entwickelt, welches das Einbringen von Solarwärme in das Fernwärmenetz ermöglicht. Vom Systemkomponentenhersteller Armatec wurde für diese Art der Systemeinbindung eine vorgefertigte Übergabestation zur Abgabe der Solarwärme an das Wärmenetz entwickelt. Der Wärmebezug für das Gebäude erfolgt über eine separate Standardübergabestation. Ausgewählte Anlagenbeispiele Im Anhang wird exemplarisch die dezentrale Einbindung Gardsten in Göteborg (SE) vorgestellt. Weitere Anlagen befinden sich in Malmö (SE) (Propellern 2 und Augustenborg), Skive (DK) (Hoeslev School) und in Hillerod (DK) (Elmegarden). Weiterführende Informationen Weiterführende Informationen finden sich in [Dalenbäck 2010]13, [Dalenbäck 2012a]14, [Dalenbäck 2012b]15 sowie in [Schlegel 2014]16. 13 Dalenbäck: Success factors in Solar District Heating, www.solar-district-heating.eu, CIT Energy Management AB, Göteborg, SE, Dezember 2010 14 Dalenbäck: Boundary conditions and market obstacles for Solar District Heating, www.solar-district-heating.eu, CIT Energy Management AB, Göteborg, SE, Juli 2012 15 Dalenbäck: Market for Solar District Heating, www.solar-district-heating.eu, CIT Energy Management AB, Göteborg, SE, August 2012 16 Schlegel: Technisch-ökonomische Analyse und Bewertung von Anlagen zur dezentralen Einspeisung von Solarwärme in Fernwärmenetze, Masterarbeit, Solites / Universität Stuttgart, März 2014 22 Typ 4: Solare Wärmenetze für Dörfer und kleinere Städte In Deutschland, Österreich, Dänemark und Schweden werden Wärmenetze vielfach zur Wärmeversorgung von Dörfern und kleineren Städten im ländlichen Raum genutzt. Einen besonderen Fall stellen in Deutschland Bioenergiedörfer dar, die ihren Strom- und Wärmebedarf aus heimischen Rohstoffen und erneuerbaren Energiequellen decken, bisher meist in Verbindungen mit Biogasanlagen. Eine alternative Erzeugungsvariante stellt die Kombination aus einer solarthermischen Großanlage in Verbindung mit einem Biomassekessel dar. Die Solarthermieanlage deckt hierbei die Last in den Sommermonaten ab, so dass der ungünstige Teillastbetrieb des Biomassekessels (abnehmende Wirkungsgrade und steigende Emissionen) vermieden werden kann (vgl. Abbildung 10). Abbildung 10: Heizwerk des Bioenergiedorfs Büsingen mit einem Biomassekessel und 1.090 m² Vakuumröhrenkollektoren (Quelle: Ritter XL Solar GmbH) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen für Dörfer und kleinere Städte aufgelistet. Tabelle 4: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen für Dörfer und kleinere Städte Wärmeabgabe gesamtes Netz 2 – 100 GWh/a Einbindung der Solaranlage zentral Nennleistung der Solaranlage 0,5 – 50 MWth Solarer Deckungsanteil 10 – 20 % der Wärmenetzeinspeisung, Volldeckung in den Sommermonaten Technik Im ländlichen Raum können die Kollektorflächen der thermischen Solaranlage oft auf Freiflächen in Nähe der Heizzentrale installiert werden, was zu sehr günstigen spezifischen Anlagenkosten führt. Zur Dimensionierung der Solaranlage wird die maximale Sommerlast im Wärmenetz angesetzt, welche sich aus dem sommerlichen Wärmebedarf (meist zur Trinkwassererwärmung) und den Wärmeverlusten des Netzes zusammensetzt. In der Regel ergeben sich solare Deckungsanteile von 10 bis 20 % des Gesamtwärmebedarfs. 23 Organisatorisches Derartige Anlagen werden oftmals durch die Initiative von engagierten Bürgern vor Ort auf den Weg gebracht. Die Realisierung und der Betrieb erfolgt dann entweder durch eine eigens gegründete Genossenschaft oder durch einen lokalen Versorger. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Umsetzung stellt die Einbindung und konkrete Beteiligung der Bürger dar. Durch eine gemeinschaftliche Durchführung erhöht sich bei den Anwohnern in der Regel auch die Akzeptanz und die Bereitschaft sich an das Wärmenetz anzuschließen. Bei der Umsetzung durch eine Genossenschaft stellt insbesondere die dauerhaft geforderte Professionalität bei der Realisierung, dem Betrieb und der Kundenbetreuung eine Herausforderung dar. Weitere Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung ist die Zusammenarbeit mit einem kompetenten Planer im Bereich Wärmenetze und erneuerbare Energien. Wirtschaftlichkeit Bei der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (siehe Kapitel 3.3) ergaben sich für diesen Analgentyp solare Wärmegestehungskosten im Bereich von 55 bis 99 €/MWh (netto ohne Förderung) bzw. von 36 bis 66 €/MWh (netto mit Förderung). Durch den Anspruch einer Energiegenossenschaft, eine langfristig preisstabile und auf erneuerbaren Energien basierende Wärmeversorgung sicherzustellen, die nicht auf Profitmaximierung abzielt, sind meist moderate Wärmepreise realisierbar. Im spezifischen Fall einer thermischen Solaranlage kommt dazu, dass diese in den Sommermonaten vorrangig die Energieversorgung übernimmt und in der Übergangszeit den Biomasseheizkessel unterstützt. Auf diese Weise werden die Betriebskosten des Biomasseheizkessels gesenkt und dessen Lebensdauer deutlich verlängert, da der Kessel nicht durchgehend in Betrieb ist. Günstige Wärmegestehungskosten sind jedoch erst für größere Solaranlagen größer 1 MWth und solare Deckungsanteile bis 20 % möglich. Die langfristige Stabilität der Wärmegestehungskosten von Solaranlagen ermöglicht es, einen Teil der Wärmegestehungskosten der Fernwärmeversorgung zu fixieren. Besonderheiten Die geringen Wärmedichten im ländlichen Raum stellen besondere Herausforderungen bezüglich einer kostengünstigen Realisierung des Gesamtsystems und insbesondere des Wärmenetzes dar. Ausgewählte Anlagenbeispiele Im Anhang wird exemplarisch das Bioenergiedorf Büsingen vorgestellt. Weitere Anlagen befinden sich in Dänemark (z.B. Rise, Aero) und Österreich (z.B. Nahwärme Eibiswald). 24 Typ 5: Solare Fernwärmesysteme mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung „Smart District Heating“ Eine Weiterentwicklung des vorherigen Typs stellen solare Fernwärmesysteme dar, bei denen solarthermische Großanlagen mit weiteren Technologien zur Strom- und Wärmeerzeugung sowie mit großen Wärmespeichern kombiniert werden. Die Funktionsweise der dabei entstehenden ganzheitlichen Energieversorgungssysteme wurde durch drei Pilotanlagen in Dänemark demonstriert und dort mit dem Begriff „Smart District Heating“ bezeichnet (vgl. Abbildung 11). Abbildung 11: 18.000 m² Kollektorfläche des Systems in Braedstrup (DK) (Quelle: Solites, Braedstrup Fjernvarme) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Fernwärmesystemen mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung aufgelistet. Tabelle 5: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Fernwärmesystemen mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung „Smart District Heating“ Wärmeabgabe gesamtes Netz 2 – 100 GWh/a Einbindung der Solaranlage zentral Nennleistung der Solaranlage 0,5 – 50 MWth Solarer Deckungsanteil 10 – 50 % der Wärmenetzeinspeisung, Volldeckung in den Sommermonaten Technik Zentrales Element solcher Systeme ist ein großvolumiger Wärmespeicher, d

Julian Kuntze2023-03-22T11:50:53+01:00Mittwoch, 1. Juli, 2015|
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