Betriebsergebnisse Solarthermieanlage Düsseldorf – Auszug aus EHP_10_2024
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www.solare-wärmenetze.de Infoblatt Nr. 20 Bei den solaren Wärmenetzen, also Nah- und Fernwärmenetzen, in die Solar thermieanlagen eingebunden sind, ist Baden-Württemberg Spitzenreiter unter den Bundesländern. 19 Anlagen mit über 60.000 Quadratmetern Kollektorfläche ernten im südwestlichen Bundesland thermische Solarenergie für Wärmenetze. Das ist mehr als ein Drittel der in ganz Deutschland registrierten Anlagen dieser Art. Clusterbildung über Jahrzehnte Das kommt nicht von ungefähr. Bei den solaren Wärmenetzen hat sich seit den frühen 2000er Jahren ein regionales Cluster gebildet. Neben Forschungsinstituten und innovativen Wärmenetzbetreibern umfasst es auch Hersteller. Über Jahrzehnte haben die Akteure eine stetige Unterstützung der jeweiligen Landesregierungen genossen. Hinzu kommt, dass Baden-Württemberg als erstes Bundesland bereits 2020 seine 104 größten Kommunen zu einer kommunale Wärmeplanung verpflichtet hat und zahlreiche kleinere Kommunen bei deren freiwilligen Wärmeplänen unterstützt. Der jüngste Schub bei den regenerativen Wärmenetzen, der auch die Solarthermie beflügelt, dürfte nicht zuletzt den örtlichen Diskursen um die Strategien der Wärmeversorgung als öffentlicher Daseinsvorsorge zu verdanken sein, die mit der Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung angestoßen worden sind. Erste solare Wärmenetze wurden im Ländle aber schon Anfang der 2000-er Jahre realisiert. Das waren für damalige Verhältnisse sehr anspruchsvolle Forschungs- und Demonstrationsanlagen, gefördert mit Bundesmitteln aus In Baden-Württemberg zeigt sich eine Häufung von solaren Wärmenetzen. Von frühen solarthermischen Demonstrationsanlagen über die Vorreiterrolle des Landes bei der kommunalen Wärmeplanung hat die Entwicklung inzwischen zu etlichen Solarenergiedörfern und städtischen Megawatt-Projekten geführt. SONNENCLUSTER IM „LÄNDLE“ BADEN-WÜRTTEMBERG IST BEI SOLARWÄRMENETZEN NR. 1 Seit 2013 versorgt diese Solaranlage mit rund 1100 Quadratmetern Kollektorfläche das deutsch-schweizerische Grenzdorf Büsingen. Die Anlage wurde seitdem zur vielfach nachgeahmten Blaupause für solare Wärmenetze im ländlichen Raum. Trendsetter: Büsingen Fotos: Guido Bröer Infoblatt Nr. 20 dem Programm Solarthermie 2000. Ihre Gemeinsamkeit: Es sollten in den ausgewählten, durchweg neuerrichteten Nahwärmesystemen solare Deckungsanteile von mehr als 50 Prozent erreicht werden. Dass das nur mit einer saisonalen Speicherung der Sommersonne für die dunklen Jahreszeiten möglich ist, liegt auf der Hand. Und so brachte das Programm nicht nur einen Entwicklungs schub für große Kollektorfelder, sondern wurde zugleich zur Initialzündung für verschiedene neue Typen von Großwärmespeichern. Ortsnamen aus dem Südwesten wie Neckarsulm, Crailsheim, Friedrichshafen, Eggenstein stehen bis heute in Fachkreisen für große Solarthermie. Die dortigen Pionieranlagen funktionieren ohne Ausnahme trotz einiger bei De monstrationsprojekten er wartbarer Kinderkrankheiten bis heute. So haben Monitoringprogramme an diesen Anlagen viel Erfahrungswissen gebracht, von dem die Branche heute profitiert. Der Markt tat sich schwer Gleichwohl hat sich nach diesen ersten sehr anspruchsvollen Projekten rund zehn Jahre lang in ganz Deutschland kein Markt für große Solarthermie-Systeme entwickelt. Solarthermie galt bestenfalls als exotisch, eigenwillig und teuer, während Fernwärmeversorger in Deutschland weiterhin auf Kraftwärmekopplung mit billigem Erdgas setzten. Die Wende kam erst ab Mitte der 2010-er Jahre, als das Ziel eines klimaneutralen Wärmesektors stär ker ins Bewusstsein von Politik, Öffentlichkeit und damit auch der Versorgerbranche drängte. Ein Meilenstein aus Sicht der Solarthermie war damals das Dorfwärmenetz im 1600-Einwohner-Ort Büsingen am Hochrhein. Das Bürgerenergieunternehmen Solarcomplex, das in der Bodenseeregion bereits mehrere Bioenergiedörfer auf Biogasbasis realisiert hatte, setzte hier erstmals auf die Kombination von Solarthermie mit Holzhackschnitzeln für die Wärmeversorgung. Hin ter grund war, dass Büsingen als baden-württembergische Gemeinde auf Schweizer Staatsgebiet liegt und deshalb für den Betrieb einer Biogasanlage kein Geschäftsmodell über das deutsche EEG zu realisieren gewesen wäre. Seit der Inbetriebnahme im Jahr 2013 entwickelte sich Büsingen zur Blaupause für eine ganze Reihe von auf lokale Wertschöpfung getrimmten Solardörfern – zunächst in der Bodenseeregion und dann auch anderswo. Derweil stieg auch im urbanen Raum das Interesse an der netzgebundenen Solarthermie als Baustein zur Dekarbonisierung bestehender Wärmenetze. Mit der 14.800-Quadratmeter-Kollektorfläche in Ludwigsburg-Kornwestheim (Foto Titelseite) war wiederum Baden-Württemberg seit 2020 für zwei Jahre Rekordhalter bei Solarthermieanlagen. Aktuell werden die Anlagen aber nicht nur größer, wie ein 29.000-Quadratmeter-Projekt in Bad Rappenau zeigt, sondern auch anspruchsvoller, was den prozentualen Anteil der Solardeckung betrifft. In Hechingen machen das die dortigen Stadtwerke mit Pioniergeist vor (Seite 4), indem sie für ein Neubaugebiet ein Wärmenetz mit 70 Prozent Solardeckung bauen. Dual-Use-Technik Solarthermie: Bad Rappenau Schon 2024 wird dieses Holzheizkraftwerk in Bad Rappenau durch die mit 29.000 Quadratmetern Kollektorfläche größte Flachkollektoranlage Deutschlands ergänzt. Die Anlage liefert nicht nur Fernwärme, sondern auch solare Prozesswärme für einen Futtermitteltrockner. Zugleich entlastet sie eine Biogasanlage von Aufgaben im Wärmenetz, sodass diese künftig ausschließlich Biomethan herstellen kann. Meilenstein: Crailsheim Das in mehreren Bauabschnitten ab 2003 in Betrieb genommene Vorzeigeprojekt der Stadtwerke Crailsheim markiert den Übergang von Demonstrationsanlagen zu wirtschaftlichen Solarwärmenetzen in Deutschland. Das Kollektorfeld auf einem Erdwall ermöglicht dank eines ausgeklügelten Speichersystems einen solaren Deckungsgrad von 50 Prozent und zeigt die Vereinbarkeit mit Naturschutz. www.solare-wärmenetze.de Die Energieagentur Kreis Ludwigsburg (LEA) betreut Städte und Gemeinden bei der Wärmeplanung. Raphael Gruseck, Kommunalberater der LEA, erklärt, welche Rolle große Solarthermieanlagen dabei spielen können. Was heißt kommunale Wärmeplanung? Ab diesem Jahr müssen alle Kommunen eine Wärmeplanung erstellen. Dabei wird die gesamte Kommune betrachtet, um eine klimaneutrale Wärmeversorgung sicherzustellen. Es geht weniger um einzelne Gebäude, sondern um das große Ganze: Wie kann der gesamte Ort klimaneutral mit Wärme versorgt werden. Entscheidender Schritt ist die Ermittlung, wo sich Wärmenetze eignen und in welchen Gebieten hingegen eine dezentrale Versorgung von Vorteil ist, die dann auf kurz oder lang zumeist durch Luftwärmepumpen erfolgen wird. Welchen Nutzen haben Bürger:innen von der kommunalen Wärmeplanung? Viele Gebäudeigentümer:innen denken ak tuell über ihre zukünftige Heizung nach. Durch die kommunale Wärmeplanung können Kommunen Ihren Bürger:innen Planungssicherheit bie ten, wo Wärmenetze entstehen werden und wo nicht. Welche Wärmequellen eignen sich für Wärmenetze? Je nach Kommune variieren die verfügbaren Wärmequellen. Wir betreuen beispielsweise einige Kommunen am Neckar, dort eignen sich Flusswärmepumpen sehr gut. Wo es solche Potenziale nicht gibt, ist Solarthermie neben Luftwärmepumpe und gegebenenfalls Abwärme und Geothermie eine wichtige erneuerbare Quelle für Wärmenetze. Als Energieagentur Kreis Ludwigsburg unterstützen wir viele Kommunen im Land kreis bei der Erstellung ihrer Wärmeplanung. Solare Wärme ist dabei eines der wenigen Potenziale, das bei nahezu allen Kommunen in ausreichendem Um fang vorhanden ist. Somit ist es ein wichtiges für Wärmenetze. Solarthermieanlagen werden deshalb künftig eine größere Rolle spielen. Wie groß sollte ein Kollektorfeld sein? Kleinere Solarthermieanlagen haben höhere spezifische Kosten. Für Freiflächenanlagen sind ausreichend große Wärme- oder Gebäudenetze notwendig, damit sie wirtschaftlich werden. Kleinere Anlagen können auch auf Schuldächern oder Turnhallen gebaut werden. Richtig interessant wird Solarthermie aber, wenn die Wärme im Sommer gespeichert und im Winter genutzt werden kann. Dafür sind saisonale Wärmespeicher die gute Möglichkeit. In Verbindung mit solchen Speichern können Solarthermieanlagen 50 bis 90 Prozent des Jahreswärmebedarfs abdecken. Sind große Solarthermieanlagen wettbewerbsfähig? Solarthermieanlagen liefern langfristig Wärme zu einem konstanten Preis unabhängig von der Inflationsrate. Ihre Wirtschaftlichkeit hängt von der Verfügbarkeit andere Wärmepotentiale und der Renditeerwartung des Betreibers ab. Trotz hoher Investionskosten kann Solarthermie langfristig wettbewerbsfähige Wärmepreise sichern. Bietet Biomasse nicht wesentlich mehr Versorgungssicherheit als Solarwärme? Biomasse ist begrenzt und wird für an dere Zwecke benö tigt, zum Beispiel für Hochtemperaturpro zesse oder zur stofflichen Nutzung. Für die Erzeugung von Raumwärme ist deshalb von einem geringeren Angebot und höheren Preisen auszugehen. Dagegen weist Solarthermie große Ausbaupotentiale auf und hat eine sehr hohe Flächeneffizienz. Hausbesitzer sorgen sich, mit Fernwärme ihre Unabhängigkeit zu verlieren. Die Frage ist nicht, ob man sich abhängig macht, sondern von wem. Kommunen soll ten frühzeitig Strategien für ihre Wär meversor gung entwickeln. Sie sollten darüber diskutieren, inwieweit sie die Wär meversorgung als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge betreiben – ähnlich wie sie bereits heute Wasser- oder Ab was serversorgung als kommunale Da seinsvorsorge betreiben. Solarthermieanlagen können jedenfalls langfristig stabile Preise sichern – sie verringern die Abhängigkeit von internationalen Energiemärkten mit großen Preissprüngen und sind eine gute Option für eine nachhaltige Wärmeversorgung. INTERVIEW: RAPHAEL GRUSECK Infoblatt Nr. 20 IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen vom Projekt SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Solites Steinbeis Innovation gGmbh Redaktion + Text: Guido Bröer, Solarthemen Veröffentlichung:Mai 2024 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt beim Autor und der Herausgeberin. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch Autor und Herausgeberin übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) PARTNER Die Stadtwerke Hechingen bauen für das Neubaugebiet Killberg IV ein Wärmenetz, das es in sich hat. Schon allein das Ziel, 70 Prozent des Jahreswärmebedarfs von einer Solarthermieanlage decken zu lassen, ist sportlich. Möglich macht das ein ausgeklügeltes Wärmeversorgungskonzept. Denn die im Sommer geerntete Solarenergie gilt es, bis in den Winter zu bevorraten und dann effizient zu nutzen. In einer Erddeponie wird ein Erdbecken-Wärmespeicher platziert, der 18.000 Ku bik meter Wasser fasst. Die Form des Speichers wurde dem aus der Umge bung herausragenden Erdhügel angepasst und dieser bereits seit 2020 so verdichtet, dass er den statischen Anforderungen seiner späteren Zweitnutzung als Energiespeicher gerecht werden kann. Kollektorfeld am Speicherhang Am Südhang des Speicherhügels sollen die Solarkollektoren mit 7600 Quadratmetern Bruttokollektorfläche Platz finden. So fügt sich das Kollektorfeld optisch gut in die vorhandenen Strukturen ein und spart nebenbei auch Grund fläche. Als zweite erneuerbare Wärmequelle neben der Solarthermie sieht das Energiekonzept für das Wärmenetz oberflächennahe Geothermie vor. Ein Erdsondenfeld mit 40 Sonden von jeweils 172 Meter Tiefe trägt vor allem in der Heizperiode zur Wärmeversorgung für das Neubaugebiet bei. Im Sommer wird das Erdsondenfeld mit Solarenergie rege ne riert, indem ein Teil des Rücklaufs des zu dieser Jahreszeit vollständig sonnengespeisten Wärmenetzes durch die Sonden geleitet wird. Übers Gesamtjahr gerech net, beträgt der Deckungsanteil der Erdsonden-gekoppelten Wärmepumpe 12 Prozent am Netzwärmebedarf Eine zentrale Rolle für das Zusammenspiel der Energiequellen Sonne und Geothermie spielen zwei mit Ökostrom betriebene Wärmepumpen. Sie kommen zum Einsatz, wenn im Winter die Temperatur der gespeicherten Solarwärme nicht mehr hoch genug ist, um das Netz direkt zu versorgen. Die eine Wärmepumpe mit 300 kW Heizleistung ist mit dem Erdsondenfeld gekoppelt und nutzt dessen Energie, um die Rücklauftemperatur des Wärmenetzes anzuheben. Die zweite Wär me pumpe mit 500 kW entnimmt im Winter Wärme aus dem Erdbecken-Wärmespeicher und bringt diese auf die vom Vorlauf des Netzes benötigte Temperatur von 68 Grad Celsius. Nur bei extremer Witterung sollen drei Biomethan-Spitzenlastkessel un ter stützen, die ansonsten nur als Redundanzkessel bereit stehen. Hechingen: Komplexes Wärmeversorgungssystem mit 70 Prozent Solardeckung Der Erdbecken-Wärmespeicher in Hechingen wird in eine vorhandene Erddeponie integriert. Die Bauarbeiten am Speicher sind im Frühjahr 2024 weit fortgeschritten. Foto: Stadtwerke Hechingen
Video Bracht: Eine Genossenschaft schafft die Energiewende Open preview
Video-Interview: Solarwende in Bad Rappenau Open preview
Foto: Guido Bröer www.solare-wärmenetze.de Infoblatt Nr. 18 So also duftet Baldrian! Dazu das stete meditative Rieseln des faserigen Beruhigungskrauts vom Förderband der Trock nungsanlage. Ein passender Ort für ein Mittagsschläfchen? – Nein, denn das rege Treiben auf dem Werksgelän - de der Bauer-Gruppe verhindert jedes Eindämmern. Es lärmen nicht nur die Sortier- und Schredderanlagen. Zwischen den drei Kuppeln einer Biogasanlage und dem Kesselgebäude des Altholzheizwerks erstreckt sich die betrieb same Baustelle einer neuen Lagerhalle. Überall sind Radlader und schwere Last wagen unterwegs. Aufpassen heißt es wegen der ständigen An- und Ablieferung biogener Wertstoffe. Ob Altholz aus der Sperrmüllsammlung, Grünschnitt von kommunalen Bauhöfen, Essensreste aus der umliegenden Gastronomie, Luzerne und Futtermöhren vom eigenen Acker – vieles, was sich unter dem Begriff Biomasse zusammenfassen lässt, nimmt den Weg über das bauersche Betriebsgelände vor den Toren Bad Rappenaus. All das wird gesammelt, sortiert, aufbereitet, verarbeitet, veredelt, weiterverkauft. Typische Bauer-Produkte sind Kompost, Rin den mulch, Blumenerde, Holzhackschnitzel diverser Körnungen, und Bestandteile getrockneten Tierfutters. Verschiedene Energiequellen Was sich nicht für den Verkauf weiterverarbeiten lässt, das wird zu Energie gemacht. In der Biogasanlage entsteht In Bad Rappenau setzt der private Fernwärmebetreiber künftig auf Solarenergie. Sein Motto: Biomasse ist zu wertvoll, um sie unnötig zu verheizen. Dank einer 29.000 Quadratmeter großen Solarthermieanlage können Biogasanlagen und ein Altholzheizwerk künftig effizienter arbeiten und höherwertige Produkte liefern, während die Solaranlage im Sommer das Fernwärmenetz und einen Futtertrockner versorgt. BIO-HEIZWERK MIT SOLARBOOSTER SOLARTHERMIE ZEIGT IN BAD RAPPENAU IHR MULTITALENT In Bad Rappenau entsteht das größte Flachkollektorfeld Deutschlands. Die Wahl fiel auf Solarkollektoren der Marke Savosolar vom finnischen Hersteller Meriaura. Größte Flachkollektoranlage Deutschlands Foto: Savosolar Infoblatt Nr. 18 aus Großküchenabfällen und Lebensmittelresten ganzjährig Strom und Fernwärme. Das Holzheizwerk, in dem ge ring belastetes Altholz verbrannt wird, trägt im Winter die Hauptlast der Fernwärmeversorgung für zurzeit etwa 200 Anschlüsse in Bad Rappenau und umlie genden Kommunen. Das Netz erweitert die Bauer Holzenergie Gmbh & Co. KG Jahr für Jahr mit eigener Planungsabteilung und eigenen Bautrupps. Kein Holz mehr im Sommer Zwar hat die Wärmeerzeugungskapazität der Anlagen durchaus noch weitere Reserven. Und dennoch bereiten die Gründer Bernd und Manfred Bauer einen radikalen Wandel für die Energieerzeugung ihrer Firmengruppe vor, in der mittlerweile auch die nächste Generation mit zusammen sechs Söhnen und Töchtern aktiv ist. Manfred Bauer fasst den Zukunftsplan so zusammen: „Im Sommer wird bei uns künftig kein Biogas mehr verbraucht und kein Holz mehr verbrannt. Wir müssen im Sommer die Sonne nehmen, wenn sie reichlich scheint.“ Möglich machen soll dies eine Solarthermieanlage mit 1.809 Großflächen-Solarkollektoren der Mar ke Savo solar. Zusammen haben sie eine Bruttokollektorfläche von 28.871 Quadratmeter. Das sind rund 10.000 Quadratmeter mehr als die bislang größte deutsche Solarthermieanlage bei den Stadtwerken Greifswald misst. Um genug Energie für mehrere verregnete Tage zu speichern, wird auf dem Firmengelände zugleich ein 8.000 Kubikmeter fassender druckloser Wärmespeicher ge baut. Durch die Lage des Stahltanks am höchsten Punkt des Fernwärmenetzes und durch seine ei ge ne Bauhöhe kann der Speicher zu gleich die Druckhaltung des Netzes auf 2,5 bar übernehmen. Solarfeld und Speicher sind eine feine Lösung für den Sommer und die Übergangsjahreszeiten. Dann lässt sich mit Solarwärme auch der Bandtrockner betreiben. Der trocknet – sofern nicht ausnahmsweise eine Ladung Baldrian be stellt ist – vor allem Tierfutter: Luzer ne, Möhren und allerlei andere Leckereien für Vierbeiner vom Kaninchen bis zum Reitpferd. Mit 3 Megawatt (MW) verbraucht der Trockner im Sommer mehr Wärme als das gesamte 20 Kilometer lange Fernwärmenetz. Das nimmt im Sommer etwa 2 MW auf; im Winter steigt sein Bedarf allerdings auf bis zu 12 MW. Deshalb lautet das Hauptthema der Energiewende in Manfred Bauers Augen: „Wie bekomme ich die Energie vom Sommer in den Winter. Wir brauchen etwas für die Dunkelflaute!“ Sonne für den Winter Indirekt leistet auch für dieses Problem die Solaranlage einen Lösungsbeitrag. Solarthermiefeld mit Photovoltaik-Nischen Um auf dem solarthermischen Kollektorfeld (grün) die Großflächenkollektoren effizient zu längeren Strings verbinden zu können und dennoch die verfügbare Fläche optimal auszunutzen, werden die dreieckigen Restflächen am nordwestlichen Rand mit Photovoltaikmodulen belegt (violett). Der mit der Solarwärme weitgehend zeitgleich anfallende Solarstrom kann für die Pumpen im Betriebsgebäude (rot) genutzt werden. Grafik: Martin Grün Dieser Baldrianhaufen wurde für einen Kunden aus der Pharmaziebranche mit Energie aus dem Holzheizwerk getrocknet. Künftig sollen bis zu 3 MW Trocknungsenergie aus der Solarthermieanlage abgezweigt werden. Die Trocknung vor allem von Tierfutter ist ein wichtiges Standbein des Familienunternehmens. Solaranlage liefert Fernwärme und industrielle Prozesswärme Foto: Guido Bröer www.solare-wärmenetze.de Manfred Bauer, zusammen mit seinem Bruder Bernd Ge schäfts führender Gesellschafter der Bauer-Firmengruppe, betreibt das Fernwärmenetz in Bad Rappenau bislang ausschließlich mit Bioenergie. Mit einem ehrgeizigen Investitionsplan wollen die Brüder die Fernwärme teilweise auf Solarenergie umstellen und dadurch ihre wertvollen Biomassepotenziale vielseitiger und nachhaltiger nutzbar machen. Manfred Bauer erläutert die Hintergründe des Plans. Hier auf Ihrem Werksgelände sieht man Biomasse in allen Varianten. Dabei soll es nicht bleiben. Was haben Sie vor? Die Biomasse ist bei uns ein wichtiger Bestandteil der Energieerzeugung und war die tragende Säule der letzten 15 Jahre für unser Fernwärmenetz. Jetzt möchten wir es aber in Richtung Brennstoffneutralität transformieren. Wir werden im Jahr 2024 eine große Freiflächen-Solarthermieanlage in Betrieb nehmen. Dazu bauen wir jetzt auch einen großen Wärmespeicher, der die Solarwärme aufnimmt. Er soll außerdem im Winter als Puffer dienen, um günstigen Strom aus Überschusszeiten in Wärme umwandeln zu können. Denn perspektivisch planen wir in weiteren Schritten eine Power-to-Heat-Anlage, und vielleicht werden wir auch eine Groß wärme pumpe als Flusswasserwärmepumpe einsetzen. Sie und Ihr Bruder sind seit vielen Jahren erfolgreiche Biomasseunternehmer. Nun setzen Sie aber auf ganz andere erneuerbare Energien. Wie kommen Sie dazu? Wir finden Biomasse natürlich toll. Und wenn wir Deutschland mit Biomasse zu nahezu 100 Prozent energetisch versorgen könnten, wären wir glücklich. Leider wissen wir aber, dass wir nur ungefähr 20 Prozent unserer Energie mit Biomasse decken können. Schon in unserem eigenen Betrieb zeigt sich heute ein gewisses Ungleichgewicht: Wir versorgen unser Fernwärmenetz zu 100 Prozent mit Biomasse. Aber unser Einzugsgebiet für die Biomasse ist deutlich größer als unser Versorgungsgebiet. Daran erkennt man: Nachhaltig geht es nur, wenn wir möglichst viel Sonne einsetzen und den Rest, wenn die Sonne nicht scheint, mit Biomasse machen. Welche wirtschaftliche Perspektive verbinden Sie damit? Wir haben dann mehr Holz übrig aus dem Sommer. Daraus ergibt sich ein unternehmerischer Spielraum: Mit gleichem Holzeinzugsgebiet können wir mehr Kunden mit Wärme versorgen, weil wir das im Sommer nicht verbrauchte Holz im Winter nutzen können. Wir können dadurch deutlich mehr Immobilien CO2-neutral mit Wärme versorgen, ohne dass wir unsere Holzbezugsquellen ausweiten müssen. Wie hoch wird der Solaranteil sein? Die Solarthermie soll in dem Ausbauschritt, den wir 2026 erreichen, ungefähr 30 bis 40 Prozent unserer verkauften Wärme bereitstellen. Mittelfristig wollen wir die Temperaturen in unserem Netz, das jetzt Vorlauftemperaturen von 90 Grad hat und einen Rücklauf von 60 Grad, auf 80/50 Grad absenken, denn das ermöglicht uns eine effizientere Nutzung der solarthermischen Anlage und somit noch höhere Solaranteile. Welche Rolle spielt für Ihre Pläne die Stadt Bad Rappenau? Wichtig ist, dass die Kommune dem ganzen offen gegenübersteht. Da geht es um Leitungsrechte, da geht es um den Anschluss von kommunalen Gebäuden. Den Rest, die Akquise, den Ausbau, die Finanzierung, das regeln wir dann als privatwirtschaftliches Unternehmen. Aber sehr wichtig ist, dass die Stadt das Ganze wohlwollend begleitet. Für Ihre nachhaltigen Visionen stemmen Sie gerade Millioneninvestitionen. Wie sicher sind Sie, dass am Ende eine schwar ze Zahl steht? Wir gehen davon aus, dass der Invest sich rechnet. Aber natürlich ist auch eine gewisse Bereitschaft notwendig, auf neue Techniken zu setzen und auch in die Zukunft zu blicken. Wir werden die Energieversorgung in der Zukunft nicht so regeln können, wie wir es die letzten zehn Jahre gemacht haben. Wenn wir CO2-neutral werden wollen und müssen, dann geht es ohne die Sonne nicht. Da ist eine der einfachsten Maßnahmen, die im Sommer benötigte Wärme über Solarthermie zu gewinnen. INTERVIEW: MANFRED BAUER Foto: Guidio Bröer Infoblatt Nr. 18 IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen vom Projekt SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Solites Steinbeis Innovation gGmbh Text und Fotos: Guido Bröer, Solarthemen Veröffentlichung:Mai 2024 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt beim Autor und der Herausgeberin. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch Autor und Herausgeberin übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) PARTNER Denn jede Tonne Holz, die im Sommer nicht im Heizwerk verbrannt werden muss, lässt sich lagern und steht somit zusätzlich für den Winter zur Verfügung. Biogas-Veredelung Etwas komplizierter ist es bei der Biogasanlage, deren Abwärme bislang eben falls für das Fernwärmenetz nutzbar ist. Damit soll es künftig aber vorbei sein. Zwar lassen sich Küchenabfälle schlecht lagern und die Bakterien im Fermenter lassen sich auch nicht so einfach aus- und einschalten wie der Holzkessel. Deshalb muss die Biogasanlage auch künftig im ganzen Jahr weiterlaufen. Doch ihr Output, das Biogas, wird ab 2025 völlig anders verwertet. Es wird nicht mehr direkt verstromt in Blockheizkraftwerken; deren Abwär me entfällt also für die Fernwärme. Vielmehr soll sämtliches Biogas auf Erdgasqualität aufbereitet und ins öffentliche Gasnetz eingespeist werden, das über große Spei cherkapa zi täten verfügt. Doch damit nicht genug: Statt das bei der Gasreinigung abgespaltene CO2 wie üblich in die Atmosphäre entweichen zu lassen, soll es aufgefangen und in einer Methanisierungsanlage unter Zugabe von Was serstoff zu weiterem Biomethan verarbeitet werden. Der Wasserstoff wird dafür per Elektrolyse gewon nen. Da es im Bauer-Werk bald keine Bio gas-BHKW mehr gibt, soll Strom aus Photovoltaik (PV) die Elektrolyseure versorgen. Außer der Solarthermieanlage ist deshalb auf einem weiteren Acker eine Freiflä chen-PV-An la ge ge plant. Schon jetzt sind fast alle Hallendächer mit PV-Modulen belegt. Sie liefern unter anderem Strom für die zunehmend elektrifizierte Bauer-Fahrzeugflotte vom Dienst-Pkw bis hin zu bislang drei elektrischen 42-Tonner-Lkw. Gelebte Sektorenkopplung Wärme – Strom – Verkehr: Wer ein ge leb tes Beispiel für die vielbeschworene Sektorenkopplung kennenlernen will – und was die Solarthermie damit zu tun hat –, der komme nach Bad Rappenau. Bislang wurde Biogas aus Küchenabfällen und Grünschnitt in Bauers Biomasse-Technologiepark klassisch verstromt und die Abwärme wurde für das Fernwärmenetz und zur Futtermitteltrocknung genutzt. Künftig soll aber sämtliches Biogas auf Erdgasqualität aufbereitet und als Biomethan ins Gasnetz eingespeist werden. Dadurch wird der wertvolle Energieträger speicherbar. Doch auch das bei der Gasaufbereitung frei werdende CO2 soll nicht einfach in die Atmosphäre entweichen. Mithilfe „grünen“ Wasserstoffs soll es methanisiert werden. Biogas – zu wertvoll zum direkten Verheizen Foto: Guido Bröer
www.solare-wärmenetze.de Infoblatt Nr. 17 Bis vor wenigen Jahren galten innovative Wärmeerzeuger wie Wärmepumpen, So lar thermie-Kollektorfelder und Power-to-Heat-Anlagen für die Fernwärme bestenfalls als Fuel-Saver. Deren Megawattstundenpreis hatte zwar wettbewerbsfähig zu sein, aber ihre Einsatzbereitschaft und Berechenbarkeit spielte für die Versorgungssicherheit keine primäre Rolle, weil es ja stets fossile Backup-Aggregate gab. 100 Prozent CO2-freie Wärme Doch die Planungsmaximen der Fernwärmeversorger haben sich gewandelt. Im Lichte einer bis spätestens 2045 zu 100 Prozent klimaneutralen Wärmeerzeugung muss jede Investition in neue, langlebige Wärmeerzeugungskapazitäten bereits heute ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können. Das gilt auch für eine von Natur aus fluktuierende Energiequelle wie die Solarthermie. Einen zusätzlichen Schub hat diese Sichtweise durch die Energiekrise des Jahres 2022 mit explodierenden Erdgaspreisen erfahren. Stadtwerke, die in diesen Zeiten bereits eine Solarthermieanlage im Portfolio hatten, konnten sich über jede Megawattstunde freuen, die aus den Röhren- oder Flachkollektoren in ihre Netze strömte. Und bei den anderen Versorgern hat die Erdgasknappheit das Interesse an Solarwärme und anderen erneuerbaren Energien Ob in Verbindung mit Erdgas-BHKW, Holzkesssel, Wärmepumpe oder sogar Geothermie – Solarthermie bewährt sich in der Fernwärme im Zusammenspiel mit sehr unterschiedlichen Energieerzeugern und Speichern. Eine Solarthermieanlage übernimmt dabei verlässlich verschiedene Aufgaben im System. Beispiel Lemgo: Solarthermie mit Wärmepumpen und KWK Die Stadtwerke Lemgo zeigen, wie vielfältig ein moderner Fernwärme-Energiemix sein kann. Das Solarthermiefeld ar beitet zusammen mit Großwärmepumpen und Blockheizkraftwerken, die sich teils im grauen Betriebsgebäude im Hintergrund befinden. Eine Wärmepumpe mit 1 MW Leistung nutzt die Temperaturen des Flusses Bega, eine weitere die Restwär me aus dem Abwasser der benachbarten Kläranlage. SOLARTHERMIE ALS TEAMPLAYER KOLLEKTOREN PASSEN IN FAST JEDEN FERNWÄRME-MIX Infoblatt Nr. 17 deutlich gesteigert. Um allerdings im Zusammenspiel zu harmonieren, muss die Solarthermie „teamfähig“ sein. Solarthermie bringt Sicherheit Große Solarthermieanlagen seien eine schon seit vielen Jahren ausgereifte Technik, sagt Dirk Mangold, Leiter des Steinbeis-Forschungsinstituts Solites: „Die Solarthermie ist ein normaler Teil eines zukünftig emissionsfreien Erzeugerparks – mit einigen Vorteilen.“ Dazu gehört für den Wissenschaftler nicht nur, dass die Kosten einer solaren Kilowattstunde ab dem Zeitpunkt der Investition über Jahrzehnte im Voraus berechenbar und sicher sind. Vielmehr sei Solarwärme völlig emissionsfrei und erziele zudem den höchsten Energieertrag auf der Aufstellfläche im Vergleich zu allen anderen erneuerbaren Energien. Bei sehr kleinen solaren Deckungsanteilen werde die Solarwärme immer im Wärmenetz aufgenommen. Bei Anteilen ab rund 5 Prozent werde ein Wärmespeicher notwendig, so Mangold, wenn keine solar erzeugten Megawattstunden verschenkt werden sollten. Dieser Wärmespeicher gleiche den entsprechend der Sonneneinstrahlung fluktuierenden Solarertrag für das Wärmenetz aus. Ob das ein kleiner Pufferspeicher zur Abfederung von Erzeugungsspitzen sei, ein multifunktionaler Mehrtagesspeicher oder gar ein saisonaler Wärmespeicher, spiele für die Regelbarkeit der Solarthermieanlage zunächst mal keine Rolle. Vielmehr profitiere nicht nur die Kollektoranlage vom Speicher, betont Mangold: „Ein Wärmespeicher, der als zentrales Systemelement auch anderen Erzeugern wie Holzkessel, Wärmepumpen, Geothermieund Power-to-Heat-Anlagen dient, verbessert gleichzeitig deren Betriebseffizienz und damit die Wirtschaftlichkeit der gesamten Erzeugung. Ist die multifunktionale Nutzung des Wärmespeichers umfangreich, muss dessen Volumen im Vergleich zu einem reinen solaren Wärmespeicher gegebenenfalls erhöht werden. Durch Systemsimulationen kann das wirtschaftliche Optimum zwischen Speichergröße und Speicherkosten gefunden werden. Solche Simulationen sind auf jeden Fall notwendig, wenn ein saisonaler Wärmespeicher eingesetzt werden soll.” 70 Prozent Solardeckung 2024 sind in Deutschland mehrere saisonale Erdbecken-Wärmespeicher im Bau, die einen solaren Deckungs anteil bis zu 70 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs ermöglichen. Dazu trägt auch die geschickte Kombination der Solarthermie mit anderen Erzeugern bei. Im hessischen Dorf Bracht sollen zwei Wärmepumpen mit zusammen 1,2 MW die im unteren Bereich des Speichers enthaltene Restenergie unter Einsatz von Ökostrom auf ein höheres Temperaturniveau veredeln. Damit he - ben sie auch den Wirkungsgrad der Solarkollektoren, in dem diese mit nied- Das Anlagenschema des in Bau befindlichen Wärmenetzes in Bracht, Ortsteil der Stadt Rauschenberg, könnte zur Blaupause einer weitgehend solaren Dorfwärmeversorgung werden. Der Erdbecken-Wärmespeicher ermöglicht einen 70-prozentigen sola ren Deckungsgrad. Dass die Temperaturschichtung im Speicher mittels Wärme - pum pen verbessert wird, bringt der Solarthermieanlage dabei hohe Wirkungsgrade. Bracht: 70 % Solarthermie dank Saisonalspeicher + Wärmepumpe Für die Systemeinbindung einer Solarthermieanlage und das Zusammenspiel mit den anderen Wärmeerzeugern spielt der Speicher oft eine zentrale Rolle. Hier in Bernburg sorgen 150 m3 Speichervolumen dafür, dass die Solarthermieanlage mit den Blockheizkraftwerken harmoniert. Und er puffert die Solarleistung, die im Sommer mittags oft höher ist als die aktuelle Last im Fernwärmenetz. Pufferspeicher – Moderator zwischen verschiedenen Erzeugern Grafik: Uni Kassel www.solare-wärmenetze.de Jens Kühne, Bereichsleiter Erzeugung, Sektorkopplung & Speicher beim Fernwärmeverband AGFW, erklärt, wie in Fernwärmesystemen das Zusammenspiel von Solarthermie mit anderen nachhaltigen Energiequellen gelingt. Es gibt jetzt in Deutschland fast 60 große Solarthermieanlagen in der Fernwärme. Ist eine solche Anlage für Netzbetreiber noch eine Exotin im Erzeugerpark? Solarthermie ist in das ganz normale Portfolio eingegangen, das man sich als Netzbetreiber anschaut, wenn man Erzeugungsleistung hinzubauen möchte. Was macht Solarthermie für ein Stadt - werk dennoch zu etwas Besonderem? Besonders ist die Kostenstabilität. Man weiß von vornherein, wie hoch die Gestehungskosten der Energie in Zukunft sein werden – unabhängig davon, wie sich die Energiemärkte verhalten. Aber besonders ist auch, dass die Solarenergie nicht regel- und steuerbar ist. Das muss natürlich berücksichtigt werden. Und man muss auch die Gegebenheiten vor Ort in die Überlegungen einbeziehen. An welche Gegebenheiten denken Sie? Vor allem die Flächenverfügbarkeiten. Es müssen Genehmigungen erteilt werden. Man muss zusammen mit Umwelt- und Naturschutz schauen, dass auf technisch geeigneten Flächen auch tatsächlich eine Solaranlage gebaut werden kann. Wie kommen andere Erzeugungseinheiten im Netz mit der Solarthermie klar? Die einzelnen Anlagen sollten sich natürlich nicht „kannibalisieren“. Die Gefahr besteht im Sommer und in den Übergangsjahreszeiten, wenn die Solarthermie am meisten leisten kann. Wo eine Müll ver bren nungsanlage oder Industrieabwärme bereits einen Großteil der Sommerlast abdeckt, harmoniert das nicht so gut mit Solarthermie. Bei einer Geothermieanlage könnte es ähnlich sein. Anson - sten sehe ich kaum Einschränkungen. Aprilwetter: Hohe Sonneneinstrahlung wech selt mit dunklen Wolken. Dann drückt eine große Solaranlage starke Lastwechsel ins Netz. Muss sich der übrige Erzeugerpark darauf einstellen? Der übrige Anlagenpark muss sich nicht sehr darauf einstellen, wenn man die richtigen Vorkehrungen trifft. Wenn man zum Beispiel einen kleinen Zwischenspeicher einbaut, der die untertägigen Schwankungen ausgleichen kann, dann geht das recht gut. Dann werden solche Schwankungen in Megawattstärke nicht direkt ins Netz übergeben. Ansonsten sind aber auch größere Speicher sehr zu empfehlen, um die Fluktuation der Solarenergie tageweise auszugleichen. Muss die Solarthermie quasi ihren Speicher ins System mitbringen? Oder haben Wärmenetzbetreiber heutzutage ohnehin den Speicher auf dem Schirm, der dann zugleich den Einsatz einer Solarthermieanlage begünstigt? Viele haben den Speicher schon auf dem Schirm, um beispielsweise die KWKAnlagen stromgeführt fahren zu können. Aber mit einer Solarthermieanlage werden die Speicher um so wichtiger. Wer noch keinen Speicher hat, denkt den spätestens mit der Solarthermieanlage mit. Betrachtet ein Fernwärmebetreiber die Solarthermie vor allem als Fuel Saver? Ja. Aber sie kann auch zusätzliche Funktionen erfüllen. Beispielsweise kann sie eine Boosterfunktion übernehmen. Das müssen Sie erklären! Ich ersetze nicht einen anderen Wärmeerzeuger, sondern ich versuche in Netzbereichen, die weit von den im Sommer betriebenen Erzeugern weg liegen, durch die Solarther mieanlage samt Speicher eine Temperatursteigerung zu erreichen. Ist denn die Solarthermie für eine so tragende Rolle ausreichend berechenbar? Eine Solarthermieanlage, ein Gaskessel und ein Speicher könnten sich im Bundle als Netzbooster durchaus gut ergänzen. Kann man eine Solarthermieanlage in - zwi schen „von der Stange“ bestellen? Jedenfalls eher als vor fünf Jahren. Man kann mittlerweile auf standardisierte Produkte zurückgreifen und auch auf ein größeres Spektrum von Dienstleistungen. Die Hersteller haben sich weiterentwickelt. Sie bringen immer mehr Eigenleistung und Erfahrung in die Planung ein. Wie läuft der Erfahrungsaustausch dazu innerhalb der Versorgerbranche? Wir können als AGFW recht gute Unterstützung liefern und auch andere Verbände tun ihr Mögliches. Die Branche ist recht stark vernetzt, so dass man sich tatsächlich vor- und nach einer Solarinvestition gut austauschen kann. INTERVIEW: JENS KÜHNE Infoblatt Nr. 17 IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen vom Projekt SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Solites Steinbeis Innovation gGmbh Text und Fotos: Guido Bröer, Solarthemen Veröffentlichung: März 2024 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt beim Autor und der Herausgeberin. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch Autor und Herausgeberin übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) PARTNER rigen Rücklauftemperaturen arbeiten können. Außerdem hilft die Wärmepumpe, das Speichervolumen besser auszunutzen. Der Stromverbrauch der Wärmepumpe soll dabei nur 8 Prozent der Gesamtenergie ausmachen. Maximal ein Viertel des Jahresbedarfs sollen Holzkessel beisteuern. 70 Prozent Solarwärme sind auch das Ziel für ein Neubaugebiet der Stadt Hechingen. Auch hier sollen neben der großen So lar thermieanlage ein Erdbecken- Wär mepeicher sowie Wärmepumpen wirken. Zu sätz lich kommt oberflächennahe Geothermie aus einem Erdsondenfeld zum Einsatz, das über die Wärmepumpen ans Netz ange bun den ist. In He chingen werden die Erdsonden im Sommer mit dem Solarwärmeüberschuss auch regeneriert, sodass das Erdreich als weiterer Wärmespeicher wirkt. Das erhöht die Ausnutzung der Solarenergie weiter. Verschiedene Erzeugerparks Erzeugerparks mit Solarthermiekomponente werden immer vielfältiger. Fast schon ein Klassiker der ländlichen Ener giewende sind Dorfwärmenetze mit Holzfeuerungen, in denen eine Solarthermieanlage auf die vollständige Deckung des sommerlichen Wärmebedarfs ausgelegt wird. Seit rund 10 Jahren entstehen solche Anlagen in Deutschland. Dörfer wie Büsingen, Mengsberg oder Hallerndorf decken so seit Jahren ein Fünftel ihres Jahres- Wärmebedarfs von der Sonne. Weitaus komplexer ist der Erzeugerpark der Stadtwerke Greifswald, die aktuell die mit rund 18.700 Quadratmetern Kollektorfläche größte Solarthermieanlage Deutschlands betreiben. Die Anlage ist Teil eines sogenannten innovativen KWK-Systems (iKWK), zu dem auch ein Blockheizkraftwerk und ein Elektrodenkessel gehören. Letztere sollen es ermöglichen, den in der Region reichlich vorhandenen Windstrom bei Stromnetzengpässen sinnvoll zu nutzen. Die Greifswalder Fernwärme verfügt über weitere Blockheizkraftwerke, Kesselanlagen und eine große Luftwärmepumpe. Ihr Zwischenziel von 35 Prozent CO2-freier Fernwärmeerzeugung wollen die Stadtwerke erreichen, wenn bald der 5.500-Kubikmeter-Speicher in Be - trieb geht, der eine zentrale Rolle spielt. Heutzutage sind Solarthermieanlagen selbst in Fernwärmenetzen, die auf eine Grundlastversorgung aus Müllverbrennungsanlagen oder Industrieabwärme basieren, für Expert:innen nicht mehr undenkbar. Dirk Mangold erklärt, wa - rum: „Zum einen, weil beim Ausbau der Wärmenetze weitere erneuerbare Er - zeu gungskapazitäten gebraucht werden. Zum anderen, weil Multifunktionswärmespeicher ein Nebeneinander durchaus ermöglichen können.“ Deutschlands zurzeit größte Solarthermieanlage in Greifswald ist Teil eines komplexen Erzeugerparks mit BHKWs, Gaskesseln, Wärmepumpe, Elektrodenkessel und Speicher. Greifswald: Erzeugungsmix in der Transformation
Im Dorf Bracht, Nordhessen, wird für einen großen saisonalen Wärmespeicher gebaggert. Zukünftig liefert eine rund 13.000 Quadratmeter (Bruttokollektorfläche) große Solarthermieanlage die Wärme, die in diesen Wärmespeicher eingespeist wird. Genießen Sie unser Baggerballett von der Großbaustelle!
#KLIMAHACKS MACH DEIN PROJEKT: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE Sonderausgabe 2: Solare Wärmenetze - - - - - - - 2 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE - - - - - - / GUT VORBEREITET IST HALB GEPLANT: KOMMUNALE WÄRMEPLANUNG NUTZEN Durch die flächendeckende Einführung der bundesweiten Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung ergeben sich für Städte und Gemeinden tiefgreifende Veränderungen im Be reich der Wärmeversorgung. Bis zur Mitte des Jahres 2026 bzw. Mitte 2028 sind sie nun dazu verpflichtet, eine umfas sende Evaluierung ihrer Potenziale für die Generierung und Nutzung von Wärme aus erneuerbaren Energiequellen so wie für die effektive Nutzung von unvermeidbarer Abwärme vorzunehmen. Die flächendeckende Umsetzung der Wär meplanung schafft eine einheitliche Informationsgrundlage, die den kommunalen Akteuren eine stabile Grundlage für ihre Planungen bietet. Zum ersten Mal wird dabei eine ge zielte Analyse von Wärmenetzen vorgenommen und mit kla ren Zielen für die Dekarbonisierung versehen. Für den Um bau des Wärmeversorgungssystems ist es jedoch wichtig, dass Kommunen sich frühzeitig Gedanken zum Flächenbe darf machen und bereits vor oder zeitgleich zur Erstellung der kommunalen Wärmeplanung eine Analyse geeigneter Flächen für erneuerbare Energiegewinnung durchführen, um nachfolgende Entscheidungsprozesse hinsichtlich der Flächenausweisung im Bereich der erneuerbaren Energien zu unterstützen. Diese #Klimahacks-Sonderausgabe zum Thema Solarthermie beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle die räumliche Planung für eine erfolgreiche kommu nale Wärmewende spielt und wie Kommunen bei der Siche rung von Freiflächen für den Bau einer Solarthermieanlage vorgegangen sind. WEITERFÜHRENDE LINKS Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekabo nisierung der Wärmenetze (Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB), 2023): https://t1p.de/1tkon Standpunkt des Hamburg Instituts zum Wärmeplanungsgesetz (Hamburg Institut, 2023): https://t1p.de/ra8op Kommunale Wärmepläne in der Praxis – Eine Über sicht (Kompetenzzentrum Wärmewende (KWW), 2024): https://t1p.de/pfld7 Fragen und Antworten zum Thema Heizen (Minis terium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, 2024): https://t1p.de/65maa Solare Wärmewende – Was haben Kommunen von Sonne im Wärmenetz? (SolnetPlus, 2023): https://t1p.de/uwjbp Webinar zum erfolgreichen Einstieg in die Wärmeplanung: https://t1p.de/s9fx1 3 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE - - - - - / - - - - - - - - - - SOLARTHERMIE IN WÄRMENETZEN – FRAGEN UND ANTWORTEN Im Zuge der kommunalen Wärmeplanung müssen sich Kommunen zeitnah mit der Frage beschäf tigen, welche erneuerbaren Wärmequellen ge nutzt werden können, um die Wärmeversorgung klimafreundlicher zu gestalten. Die Nutzung von Freiflächen-Solarthermieanlagen in Wärmenetzen ist dabei eine vielversprechende und erprobte Technologie, die bereits in über 50 Kommunen deutschlandweit zum Einsatz kommt. Für eine kli maneutrale Wärmeversorgung ist es daher wich tig, dass sich kommunale Akteure die technischen und planerischen Grundlagen der Wärmebereit stellung durch erneuerbare Energien aneignen, gerade mit Blick auf die Potenzialanalyse im Zuge der kommunalen Wärmeplanung. Auf dieser Seite ist daher eine Auswahl an häufig gestellten Fragen zu Solarthermie in Wärmenetzen aufgeführt, um mögliche Wissenslücken zu füllen. INFO Im Rahmen des Projekts SolnetPlus haben die Projektpartner rund um den kommu nalen Fernwärmeverband AGFW grund legende Fragen und Antworten (FAQs) zur Umsetzung von solaren Wärmenetzen zusammengestellt. Der FAQ-Katalog bein haltet 36 wesentliche Fragen und Antworten bezüglich der Integration von Solarther mie in Wärmenetzen und ist hier abrufbar: https://t1p.de/l7n4g Wo gibt es bereits solare Nahund Fernwärme in Deutschland? Gelange hier zur Übersichtskarte: https://t1p.de/3ypxr TECHNIK SOLARTHERMIE Welche Arten von Kollektoren sind für die Einbindungen in Wärmenetze geeignet? Im Fernwärmebereich werden Flachkollektoren und Vakuumröhrenkollektoren bis zu Netztemperaturen von etwa 110 °C eingesetzt. Die entscheidenden Faktoren sind die Vor- und Rücklauftemperaturen des Wärmenetzes an der Einbindungs stelle von März bis Oktober. Die Systemtechnik spezialisierter Anbieter ist für den Einsatz in Wärmenetzen und großen Megawatt-Kollektorfeldern optimiert. Häufig kommen dabei Groß-Kollektormodule zum Einsatz, die Anschlüsse und Montage zeiten reduzieren und eine effiziente Leistung bei höheren Betriebstemperaturen bieten. Für höhere Netztemperaturen eignen sich konzentrierende Kollektoren wie Parabolrinnenkollektoren, die speziell für solare Prozesswärme und Kraftwerksan wendungen im Temperaturbereich von 100 bis 400 °C entwickelt wurden. FREIFLÄCHENENTWICKLUNG 1. Sollten Kollektorfelder nicht eher auf Gebäudedächer? Für wirtschaftliche solarthermische Wärmeerzeugung sind eine ausreichende An lagengröße (Skaleneffekt) und eine kostengünstige Montagetechnik entscheidend. Alternativen wie die Montage auf Gebäudedächern oder die Nutzung von Freiland flächen bieten sich an. Obwohl die Dachintegration von Kollektoren verbessert wurde, sind Freiflächenanlagen deutlich kostengünstiger. Die effiziente Realisie rung großer Freiflächen-Kollektorfelder ist für die Zukunft der solaren Fernwärme entscheidend, ergänzt durch die sinnvolle Nutzung geeigneter Gebäudedächer. Im Vergleich zu Photovoltaikmodulen sind Solarthermiekollektoren weniger anfällig für Verschattungen. Lokale Gegebenheiten sollten die Flächennutzungsprioritäten von Solarthermie- und Photovoltaikanlagen bestimmen. 4 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FREIFLÄCHENENTWICKLUNG 2. Wie werden Kollektorfelder auf Freiflächen errichtet? Für die Errichtung von großen Kollektorfeldern sind ge eignete Unterkonstruktionen (i. d. R. Stahl oder Alumini um) und Montagesysteme zur Aufnahme von Kollektor Großmodulen marktverfügbar. Eine Fundamentierung im Boden dient im Wesentlichen zur Aufnahme von Wind- und Schneelasten auf dem Kollektorfeld und wird meist als Rammfundamentierung (eingerammte Stahl profil-Stützen) realisiert. Lässt die Bodenbeschaffenheit keine Rammfundamentierung zu (weicher oder felsiger Boden, Deponieflächen), kann die Fundamentierung über vorgefertigte Betonfundamente erfolgen. Die Mon tage ist in beiden Fällen reversibel, d. h. die Bodenbe schaffenheit kann zu einem späteren Zeitpunkt wieder vollständig hergestellt werden. Es findet keine bzw. im Fall von Betonfundamenten nur eine geringfügige Bodenversiegelung statt. - - - - - - WIRTSCHAFTLICHKEIT Welche Wärmegestehungskosten werden erreicht? Die Kosten für die Erzeugung von Solarwärme setzen sich aus Investitions kosten, jährlichen Kosten und Jahresertrag zusammen, unter Berücksichtigung einer Lebensdauer von 25 Jahren für die Solarthermieanlage und eines indivi duellen kalkulatorischen Zinssatzes des Unternehmens. Vor Förderung können Wärmegestehungskosten im Bereich von 55-60 €/MWh erreicht werden. Diese Kosten bleiben über die Lebensdauer der Anlage weitgehend konstant, da ein erheblicher Teil auf die anfängliche Investition zurückzuführen ist. Die Investi tionskosten sind dabei stark von der Anlagengröße und den projektspezifischen Randbedingungen abhängig (z. B. Erforderlichkeit eines Wärmespeichers oder einer Technikzentrale). Festzuhalten ist, dass bei in Wärmenetzen eingebunde nen Großanlagen die Kosten wesentlich geringer sind als bei Solarthermieanla gen auf Einzelgebäuden. Solarthermie bietet somit geringe Investitionsrisiken und reduziert die Abhängigkeit von Brennstoffkosten und -verfügbarkeiten. - - - - - ERTRAG Welche solaren Deckungsanteile lassen sich erreichen? Solarthermieanlagen können durch die Anpassung von Kollektorfeld größe und Wärmespeichervolumen für verschiedene solare Deckungs anteile am jährlichen Wärmebedarf ausgelegt werden. Systeme für Vorwärmung erreichen 3-5 Prozent Deckungsanteil, während größere Kollektorflächen mit Pufferspeicher bis zu 15 Prozent Deckung über die Sommermonate ermöglichen. Anlagen mit saisonalem Wärmespeicher können sogar nahezu 100 Prozent erreichen. Der Investitionsaufwand steigt jedoch überproportional mit höheren solaren Deckungsanteilen. In Europa liegen bisherige Höchstwerte für solare Deckungsanteile in Wärmenetzen bei 50-70 Prozent. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - / 5 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FLÄCHENDECKENDE WÄRME: DIE VERBINDUNG VON RAUMPLANUNG UND SOLARTHERMIE Welche Rolle spielt die Raumplanung beim Gelingen der kommunalen Wärmewende? Konkreter: Was gilt es für Kom munen bei der räumlichen Planung von Freiflächen-Solar thermieanlagen zu beachten? Da Solarthermie in Deutsch land zunehmend an Bedeutung gewinnt und damit auch die Kulturlandschaft prägt, gewinnt diese Frage, auch im Kontext einer erfolgreichen Wärmeplanung, immer mehr an Bedeutung. Grundsätzlich gilt: Die Raumplanung in Deutschland, ba sierend auf dem Raumordnungsgesetz, strebt eine aus gewogene Entwicklung an, die soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte miteinander in Einklang bringt. Dieses Leitbild soll auch bei der Planung solarthermischer Freiflä chenanlagen berücksichtigt werden. Die Raumplanung er folgt auf den Ebenen der Länder, Landkreise und Kommu nen. Landesentwicklungsprogramme auf Landesebene und Regionalpläne auf Kreisebene sind entscheidend, um unter schiedliche Nutzungen des Raums, einschließlich Energie erzeugung, abzustimmen. Auf kommunaler Ebene werden Flächennutzungspläne und Bebauungspläne erstellt. Trotz der Bindung an übergeordnete Pläne spielt die Kom mune eine entscheidende Rolle. Regional- und Flächen nutzungspläne haben keine direkte Wirkung auf einzelne Grundstücke und bieten Investoren keine Rechtssicherheit. Das Planungsrecht für konkrete Grundstücke wird aus schließlich durch einen Bebauungsplan der Kommune ge schaffen. Die Steuerung der Flächennutzung liegt somit bei der Kommune, die verpflichtet ist, Flächen für erneuerbare Energien auszuweisen. Alternativ kann Baurecht durch Privi legierung im Außenbereich entstehen (s. § 35 BauGB; Link: https://t1p.de/36ve). Fällt eine Solaranlage nicht unter die Privilegierung, erfordert dies in der Regel ein Bebauungs planverfahren, um mögliche Beeinträchtigungen öffentli cher Belange zu verhindern, besonders bei widersprüchli chen Darstellungen im Flächennutzungsplan. Aufgrund der Wärmeerzeugung weisen Solarthermieanla gen spezifische räumliche Anforderungen auf. Die Flächen suche wird maßgeblich durch technisch-wirtschaftliche Anforderungen und die Entfernung zum Einspeisepunkt beeinflusst. Aufgrund der Wärmeverluste der Anschlusslei tungen konzentriert sich die Suche nach solarthermischen Freiflächen vornehmlich auf Gebiete in der Nähe von Wär menetzen oder Siedlungs- und Gewerbegebieten, da eine sinnvolle Anbindung nur innerhalb begrenzter Leitungslän gen realisierbar ist. Vor allem die soziale Multicodierung in Form von Parkanlagen bietet einen Ansatz, soziale Mehr werte neben der solaren Nutzung zu schaffen. Insgesamt bietet die Raumplanung einen geeigneten Rahmen, um ver schiedene räumliche Planungen miteinander in Einklang zu bringen und den Ausbau der Freiflächen-Solarthermie zu unterstützen. Quelle: Hamburg Institut Research, 2023 Blick auf die Freiflächen-Solarthermieanlage in Greifswald (Stadtwerke Greifswald GmbH) Klicke auf den Link, um noch tiefer in das Thema einzutauchen: https://t1p.de/3ght3 - - - - - - - - - - / 6 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE LEIPZIG UND FREUDENTAL Die Großstadt Leipzig mit ihrer für 2025 geplanten Freiflächen-Solarthermieanlage mit 65.000 m² Kollektorfläche und die Gemeinde Freudental im Landkreis Ludwigsburg zeigen stellvertretend, wie Kommunen bei der Flächensuche erfolgreich vorgehen können. Durch die Ausweisung eines neuen Bebauungsplans für ein als Energiestandort bezeichnetes Sondergebiet konnte die Stadt Leipzig Flächen planungsrechtlich absichern, um eine Solarthermie-Anlage in der Nähe von Wärmeverbrauchern zu realisieren. Dieser Ansatz beschleunigt das Verfahren, da der Flächennutzungsplan (FNP) im Parallelverfahren geändert wird und deshalb nicht auf die Neuaufstellung des FNP gewartet werden muss. Gleichzeitig schafft die Stadt Raum für zukünftige Entwicklungen auf der Fläche. Nicht nur planungsrechtlich, sondern auch nutzungsrechtlich wurden die entscheidenden Flächen in Leipzig über Erbpachtverträge gesichert. Bisher wurden die Flächen hauptsächlich intensiv landwirtschaftlich genutzt und wiesen eine geringe Biodiversität auf. Die geplante Installation der Solarkollektoren auf erhöhten Aufständerungen und die extensive Schafbeweidung lassen die Fläche unversiegelt und ungestört, was sich wiederum positiv auf die Biodiversität auswirken wird. Weitere Maßnahmen wie Vogelbrutgelegenheiten und Natursteinhaufen sollen ebenfalls zur ökologischen Aufwertung der Fläche beitragen. In Freudental hat der Nahwärmebetreiber Bürger Energie Neckar Enz (B.E.N.E.) eine Solarthermie-Großanlage mit 1,2 MW Leistung in Betrieb genommen. Diese Anlage versorgt das Nahwärmenetz der Gemeinde mit Solarwärme. Statt eines herkömmlichen Kollektorfelds wurde eine dreißigreihige Anordnung von einzelnen Kollektortischen mit einer Bruttokollektorfläche von jeweils rund 60 m² gewählt. Dies ermöglichte es, auch auf scheinbar unbrauchbaren Grundstücksflächen sinnvoll Solarthermie zu installieren. Die Anordnung liegt zudem in unmittelbarer Nähe zum Speicher, wodurch die Wärmeverluste über die Rohrleitungen minimiert werden. Quelle: Leipziger Stadtwerke: https://t1p.de/scgdl; Stadt Leipzig: https://t1p.de/h967z BEBAUUNGSPLAN „SONDERGEBIET ENERGIEGEWINNUNG“ DER STADT FREUDENTAL – VEREINFACHTE DARSTELLUNG Quelle: geänderte Abbildung nach Stadt Freudental, 2022 (https://t1p.de/90uyb) 7 | #KLIMAHACKS: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE STECKBRIEF ZUM NAHWÄRMENETZ IN BRACHT (STADT RAUSCHENBERG), NORDHESSEN KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE - - 1. Aufbau und Dimensionie rung des Wärmenetzes: - Betreibermodell ist eine eingetragene Ge nossenschaft. Die Hauptwärmequelle stellt eine große Freiflächen-Solarthermieanlage mit knapp 13.000 m² Kollektorfläche dar mit 70 Prozent Deckungsgrad. 25 Prozent wird über Biomasse bereitgestellt und der rest liche Bedarf durch eine Großwärmepumpe, welche ihre Primarenergie aus einem etwa 26.600 m³ großen Erdbeckenspeicher zieht. Die Wärme wird dann über ein ca. 9.700 m langes Wärmenetz verteilt. Der Betrieb der Solarthermieanlage ist für Herbst 2024 ge plant. - - - 2. Ablauf der Flächensuche: In Zusammenarbeit mit der Stadt hat ein Arbeitskreis der Genossenschaft potentielle Flächen bestimmt. Zu Beginn standen zwei Flächen zur Auswahl. Zur weiteren Analyse der Flächen mussten Probebohrungen (Erkenntnisse über die Wasserverhältnisse) und eine Kampfmittelprüfung durchgeführt werden. Für das Kollektorfeld wurde eine Fläche ausgewählt, die zum Teil in städti schem Besitz ist. Die Besitzer der übrigen Flächen signalisierten vorab Verkaufsbereit schaft zu einem festgelegten Preis. 3. Umweltrechtliche Anforderungen: Bei der Flächensuche stellte sich heraus, dass die siedlungsnahen Flächen zum größten Teil in einem Vogelschutzgebiet liegen. Trotzdem konnte eine Fläche gefunden werden, die sich außerhalb eines Vogelschutzgebietes befindet. Des Weiteren wurden Ausgleichsflächen verlangt, welche durch die Stadt frühzeitig sichergestellt wurden. 4. Arbeitsschritte für die Flächengenehmigung: Die Flächengenehmigung umfasst in Bracht in erster Linie die Änderung des Flächen nutzungsplans, eine B-Plan-Änderung sowie die Erstellung des Bebauungsplanes. - 5. Weitere Infos zum Genehmigungsprozess: Die Änderung des Flächennutzungsplans nimmt über das gesamte Vorhaben hinweg am meisten Zeit in Anspruch, da viele Gremien involviert sind. Die anfallenden Kosten werden zunächst durch die Stadt getragen und nach Realisierung des Projektes an die Genossenschaft weiterberechnet. Die nicht unwesentlichen Kosten für die Probebohrungen und die Kampfmitteluntersuchung trägt die Genossenschaft. Neben der Änderung des Flächennutzungsplanes wurden sogenannte Auszugswerte für das Solarfeld bestimmt, um die Tiefe der Rammung für die Aufständerung der Kollektoren festzulegen. Des Weiteren wurde eine Begehung durch einen Biologen beauftragt, um sicher zu stellen, dass keine seltenen Tierarten vertrieben werden oder ob Maßnahmen durchzuführen sind, um ein Brüten vor Baubeginn zu verhindern. 6. Einbindung der Zivilgesellschaft und potenzieller Wärmekunden: Zum einem wurden mehrere Informationsveranstaltungen mithilfe der Landesenergieagentur durchgeführt. Wichtige Unterstützungsarbeit leistete dabei der Lehrstuhl Solarwärme der Uni-Kassel. Des Weiteren fanden unzählige Haustürgespräche des Arbeitskreises statt. Weitere Informationen wurden über Printmedien in Form von Infobriefen verbreitet. Aktuelle Informationen zum Projektstand: https://t1p.de/4jmd6 - : : : : : : #KLIMAHACKS MACH DEIN PROJEKT: KOMMUNALE WEGE ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE IMPRESSUM Diese Klimahack-Ausgabe ist eine Initiative im Rah men des Projekts SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH (Difu), Gereonstr. 18-32, 50670 Köln Autor Paul Ratz Redaktion Esther Biro Gestaltung brandtwerk Bildnachweise Titel: Bild Landschaft mit Solaranlage: ©Foto Guido Bröer Seite 2: Bild Landschaft: ©Foto von Marcin Jozwiak- auf Pexels Seite 3: Bild Technik Solarthermie: ©Foto Guido Bröer Bild Freiflächenentwicklung: ©Foto von Bill Mead auf Unsplash Seite 4: Bild Freiflächentwicklung: ©Foto Guido Bröer Bild Wirtschaftlichkeit: Bild: ©Foto von Tech Daily auf Unsplash Seite 5: Bild Kollektoren: ©Foto Stadtwerke Greifswald GmbH Gefördert durch Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages Alle Rechte vorbehalten. Köln 2024 Diese Veröffentlichung wird kostenlos abgegeben und ist nicht für den Verkauf bestimmt.
Foto: Guido Bröer Bau eines iKWK-Systems in Lemgo Wie entsteht eigentlich eine solarthermische Großanlage? Hier geht’s zum Bau-Blog Lemgo
7/23 Fernwärme mit „Phasenverschiebung“ wird zunehmend ein Thema in Kommunen SAISONALWÄRMESPEICHER Kommunale Sicht auf das aktuelle Gesetzgebungs verfahren GEG UND WÄRMEPLANUNG Veränderte Gesetzeslage zeigt bereits Wirkung WINDKRAFTREPOWERING www.energiekommune.de Foto: Junus Emre Önal, Solmax eldorf, Bracht und Hechingen haben eines gemeinsam: Alle drei Orte dürften bald zu Pilgerstätten für energiebewegte Bür ger - mei ster und Stadtwerke-Direktorinnen werden. Denn auf der Suche nach Lösungen für das große Dilemma der Wärmewende, dass nämlich Energiebedarf und erneuerbares Energie angebot jahreszeitlich stark auseinandergehen, sind diese drei Kommunen den allermeisten anderen einen großen Schritt vor aus: Sie bauen sich jeweils einen Saisonalwärmespeicher. In allen drei Fällen sind dies wassergefüllte Erdbeckenwärmespeicher, wie sie in Däne mark bereits mehrfach gebaut wurden. Bewährt hat sich dort für die Becken die Form einer umgekehrten Pyramide. Der Bodenaushub kann zumeist verwendet werden, um rings um das Loch einen Wall aufzuschütten, sodass der Speicher später einige Meter über das umliegende Ter - rain hinausragt und das Volumen sich nach oben vergrößert. Ausgekleidet werden die Erdbecken mit etwas, das der Volksmund wohl als Teichfolie bezeichnen würde. Hersteller wie die auf diesem Gebiet zurzeit führende Firma Solmax hören das freilich nicht gern, handelt es sich doch um eine spezielle Kunststoff-Dichtungsbahn. Allein schon durch die thermischen Belastungen bis zu mehr als 90 Grad Celsius müssen diese Dichtbah nen eini ges aushalten. Aber noch kritischer ist ihre Rolle beim Wasser-Management für den Deckel der Speicherbecken. Denn der besteht aus einer dicken Dämmschicht, die nicht nass werden darf, um ihre Funk - tion dauerhaft zu erhalten. Einerseits können sich auf dem Deckel Wasserlachen bilden, die tonnenschwer werden können. Andererseits diffundiert durch jeden noch so dichten Kunststoff mit der Zeit Wasserdampf in die Dämmschicht, der irgendwie wieder heraus muss. Das Material muss also das Kunststück vollbringen, einerseits dicht und stabil zu sein, andererseits aber auch „atmen“ zu können. Prinzip: Goretex-Jacke, aber bitte viel länger haltbar! In Meldorf, unweit der schleswigholsteinischen Nordseeküste gelegen, hat man schon lange aufmerksam beobachtet, was die dänischen Nachbarn in Sachen Großwärmespeicher so treiben. Im Rahmen eines energetischen Quartierskonzeptes entstand dann 2016 die konkrete Idee für den Mel - dorfer Spei cher. Nun dürfte die Kommune mit gut 7.000 Einwohner:innen wahrscheinlich bald die erste sein, die einen solchen Speicher in Deutschland in Betrieb nimmt. Bereits vor einigen Monaten wurde die Baugrube ausgehoben, anschließend mit Dichtbahnen ausgekleidet und mit 45.000 Kubikme - tern Wasser befüllt (Foto). Inzwischen läuft die Installation des Deckels. Ausbau in Stufen Parallel wird schon am Fernwärmenetz gearbeitet, das ab Herbst die ersten zwölf kommunalen Gebäude versorgen soll und in einer nächsten Ausbaustufe den ganzen Norden Meldorfs. Bis 2035 soll im gesamten Stadtgebiet Fern wär - me zur Verfügung stehen. Der weitere Ausbau sei auch wich - tig, um die hohen Anfangsinvestitionen zu rechtfertigen, erklärt Peter Bielen - berg, Geschäftsführer der Wärmeinfra - struk tur Meldorf GmbH & Co. KG (Wimeg), einer zu 100 Prozent städtischen 12 Wärmenetze Energiekommune 7/2023 Für die Wärmewende in Kommunen werden Großwärmespeicher eine zentrale Rolle spielen. Sie speichern Industrieabwärme, Power to Heat und/oder Solarthermie. Aktuell nehmen einige Saisonalspeicher-Projekte in Deutschland Gestalt an. Großwärmespeicher: Dreh- und Angelpunkt der Wärmewende M Foto: Wimeg Wärmenetze Gesellschaft, die für die Realisierung der kommunalen Wärmewende gegründet worden ist. Bielenberg sagt: „Das alles geht nur, weil wir in Meldorf ein Umfeld haben, das viel Unterstützung bietet.“ Kommunalpolitik, Verwaltung und Bürgerschaft zögen bei der Wärmewende an einem Strang. Wichtig sei dabei auch, dass möglichst heimische Firmen an der Realisierung beteiligt seien. Alle Projektbeteiligten hätten sich zu einer Innovationspartnerschaft zusammengefunden, betont Bielenberg. Man habe eine Art runden Tisch gebildet, um das Projekt gemeinsam zu stemmen. „Denn wir brau chen Resilienz innerhalb der Zusammenarbeit.“ Resilienz, also die Fähigkeit, Krisen und schwierige Situationen zu überstehen, ist vielleicht auch eines der Motive für den großen Speicher. Gedacht war er primär, um die Abwärme einer Großdruckerei möglichst vollständig für die Fernwärme nutzen zu können. Zweite Wärmequelle ist eine bestehende Bio - gas anla ge. Lediglich als Redundanz und für die Spitzenlast sind Gaskessel ge - plant, die perspektivisch auch mit Biomethan oder Synthesegasen gefüttert wer den könnten. Doch aktuell forciert die Wimeg die Planungen für ein großes Solarkollektorfeld als weitere Wärmequelle. Bielenberg deutet an, dass dies schnel ler als zunächst geplant auf die Tagesordnung kam. Denn die Druckerei mache aktuell Kurzarbeit. Diese preiswerte Wärmequelle könnte also weni - ger verlässlich sein als die Sonne. Dank des Speichers – Stichwort Resilienz – ist aber ein Wechsel der Hauptwärme - quelle jederzeit eine Option. Das gilt beispielsweise auch, wenn künftig die regulatorischen Hürden fal - len, die bislang verhindern, dass im Norden Deutschlands bei Netzeng pässen oder negativen Strom prei sen Wind - strom mittels Großwärmepumpen und Elektrokesseln zu Fern wärme wird, statt ihn abzuregeln. Wohl dem, der dann einen großen Wärmespeicher hat. Genossenschafts-Speicher Auch im nordhessischen Dorf Bracht plant die dortige Energiegenos sen - schaft Solarwärme Bracht eG, ihren Erdbeckenspeicher, für den ab September gebaggert werden soll, von Anfang an mit einer Großwärmepumpe zu kombinieren. Freilich wird der Ökostrom für die Wärmepumpe lediglich 8 Prozent der gesamten Energiequellen für das neue Wärmenetz ausmachen. Den Löwenan teil von 67 Prozent der Wärme sollen thermische Solarkollektoren mit einer Bruttokollektorfläche von 12.000 Quadratmetern liefern. Das restliche Viertel steuern Biomassekessel bei. Mit ihrem Konzept beschreitet die Bürgerenergiegenossenschaft, die sich aus den rund 180 künftigen Energieabnehmer: innen zusammensetzt, in mehr - fa cher Hinsicht Neuland. Nicht nur weil ein solch hoher solarer Deckungsgrad bislang in solaren Wärmenetzen noch nie angestrebt wurde. Er wäre ohne den Saisonalspeicher nicht möglich. Eine technische Neuerung ist auch die Geometrie des Erdbeckenspeichers. Er soll bei einem Volumen von etwa 26.000 Kubikmetern und einer Tiefe von 15 Metern deutlich schmaler und somit effizienter konstruiert sein als andern orts. Denn im Gegensatz zu den sandigen Untergründen in Meldorf und bei den dänischen Vorbildern erlaubt der feste - re Boden in Bracht einen steileren Böschungswinkel von etwa 30 Grad. Dadurch kann die teure Deckelkon struk - tion deutlich kleiner ausfallen. Die Wärmepumpe verbessert die Temperaturspreizung, indem sie dem unteren Bereich des Speichers Energie entzieht und ihn weiter abkühlt. Das wie derum wirkt sich positiv auf die Solar ern te der Kollektoren aus. Denn je küh ler der Rücklauf zu den Kollektoren ist, desto höher ihr Wirkungsgrad. Was die innovative Technik des Speichers betrifft, so ist Helgo Schüt ze, Vorstandsmitglied der Energiegenossenschaft, sehr optimistisch. Klar, gebe es Risiken, „aber es gibt auch ausrei - chend Erfahrung. Wir sehen uns jeden - falls nicht mehr im Experimentalbereich.“ Etwas Sorgen bereitet Schütze allerdings der Zeitplan. Durch Auflagen des Fördergebers, der eine europaweite Aus schreibung fordere, verschiebe sich der Baubeginn jetzt nochmal um sechs Wochen, berichtet er. Dennoch hofft der Genossenschaftler, bis zum Wintereinbruch die Erdarbeiten abschließen und 14 Wärmenetze den Speicher ausklei den zu können. Danach wartet auf die Genoss:innen noch eine weitere Geduldsprobe. Denn entgegen früherer Annahmen erlaube das kommunale Trinkwassernetz, aus dem der Speicher befüllt werden müsse, lediglich eine tägliche Entnahme von 180 Kubikme tern. Wenn sich da keine andere Lösung finde, werde es also mehr als ein halbes Jahr dauern, bis der Speicher mit 26 Millionen Liter gefüllt sei, sodass der Deckel montiert werden könne, sagt Schütze. Dieses praktische Thema beschäf - tigt auch Markus Friesenbichler, Chef der Stadtwerke Hechingen im Zollern - albkreis. Den möglichen Engpass sieht er allerdings weniger in der Zapfmenge als in der Verfügbarkeit von Osmoseanlagen mit ausreichender Kapazität. Denn das Wasser, mit dem solche Speicher befüllt werden und das darin jahrzehntelang verbleiben soll, muss von einem sauren in einen leicht basischen Zustand versetzt werden, um die Metallteile im Speicher nicht anzugreifen. 70 Prozent Solaranteil Auch in Hechingen, wo es für die Stadtwerke darum geht, ein Neubaugebiet mit etwa 560 Wohneinheiten bei 68 Grad Vorlauftemperatur zu versorgen, strebt man für das neue Wärmenetz einen Solaranteil von 70 Prozent an. Ne - ben dem bereits in Bau befindlichen Erdbeckenspeicher, der hier in einer Bodendeponie platziert wird, soll oberflächennahe Geothermie zum Einsatz kommen. Es handelt sich dabei um ein Erdsondenfeld, dessen 28 Bohrungen mit tels einer Wärmepumpe thermisch genutzt werden. Im Sommer läuft der Wärmestrom dann in anderer Richtung: In die Sonden wird Solarenergie aus dem Kollektorfeld gepumpt, um das Temperaturniveau im umliegenden Erd reich zu regenerieren. Auch was die Aufstellung der Kollektoren betrifft, haben sich die Hechin - ger zusammen mit ihren Beratern vom Steinbeis-Forschungsinstitut Solites etwas Besonderes ausge dacht: Die mehr als 7.000 Quadrat meter Kollektorfläche sollen an der Böschung des hier kom - plett oberirdisch in die Erddeponie integrierten Spei chers Platz finden. Sieben Jahre hat es gebraucht, bis das Hechinger Solarspeicher-Projekt nach ersten Ideen in einer Bürgerbeteiligung seine aktuelle Gestalt erreicht hat. Heute ist sich Friesenbichler sicher: „Es war die richtige Entscheidung. Es gehört aber auch ein Gemeinderat dazu, der voll dahintersteht und bereit ist, sowas zu bauen. Denn uns ist klar: Wir bauen hier nicht Stand der Technik, sondern Stand der Wissenschaft.“ Guido Bröer Energiekommune 7/2023 Dirk Mangold, Leiter des Steinbeis- Forschungsinstituts Solites, forscht seit den 1990er-Jahren an saisonalen Wärmespeichern. Er leitet den Ar - beitskreis Saisonalwärmespeicher. Energiekommune: Seit Jahrzehnten gibt es in Deutschland saisonale Wär - mespeicher. Wann wird man sie endlich von der Stange kaufen können? Mangold: Solche Großwärmespeicher müssen immer maßgeschneidert werden: Das Speicherkonzept richtet sich beispielsweise nach dem Erzeugungs - mix eines Wärmenetzes, nach der Flä - chenverfügbarkeit, der Art des geologischen Untergrunds, dem Bedarf der angeschlossenen Verbraucher und der Systemeinbindung des Spei chers. Die einzelnen Bauweisen der verschiedenen Speichertypen werden sicherlich zunehmend standardisiert werden. Energiekommune: Ist denn die Tech - nik überhaupt schon ausgereift? Mangold: Insofern ja, als es langjährige Erfahrungen gibt, aus denen die richtigen Schlüsse gezogen wurden. Eine Kommune und ein Wärmenetz - be treiber, die sich gut beraten lassen, können heute davon ausgehen, einen Speicher zu erhalten, der über Jahr - zehnte zuverlässig seine Aufgabe er - füllt. Die seit 1995 in Deutschland realisierten Pilotspeicher funktionieren immer noch! Aber richtig ist auch: Alle Speichertypen sind noch in der Ent - wicklung und es gibt noch keinen klar beschreibbaren „Stand der Technik“. Energiekommune: Was ist der we - sent liche Unterschied heutiger Saiso - nalspeicher gegenüber jenen, die Sie seit 1995 wissenschaftlich begleitet haben? Mangold: Die Anlagen sind viel näher an die Wirtschaftlichkeit gerückt. Zum Teil liegt das daran, dass sie größer geworden sind. Aber auch technisch komplexer, um komplexere Aufgaben übernehmen zu können. Dabei dienen die Großwärmespeicher nicht nur zur saisonalen Wärmespeicherung, sondern als sogenannter Multifunk - tions-Wärmespeicher. Diese speichern Energieüberschüsse aus dem Sommer in den Winter, dienen zu - gleich als Pufferspeicher zur Glättung von Lastspitzen, überbrücken zeitliche Differenzen zwischen dem Ange - bot an regenerativer Wärme und dem Wärmebedarf, ermöglichen Sektor - kopplung und Ähnliches.. Damit er - höht sich der Nutzen des Wärmespei - chers und dadurch verbessert sich sei - ne Wirtschaftlichkeit. Energiekommune: Das klingt noch ein bisschen weit weg ... Mangold: Ist es aber nicht. Wir haben aktuell eine stark steigende Nachfrage im Markt. Zur Dekarbonisierung von Wärmenetzen werden wir schon in den nächsten Jahren viel mehr solcher Großwärmespeicher benötigen. INTERVIEW MIT SPEICHEREXPERTE DIRK MANGOLD Foto: Solites Solarthermie für Bad Rappenau spart Brennstoff zur weiteren Veredelung Der private Betreiber des Fernwärmenetzes in Bad Rappenau hat eine 29.000 Quadratmeter große Solarthermieanlage bestellt. Sie soll Brennstoff sparen und ist Teil eines innovativen Gesamtkonzepts, in dem am Ende neben Fernwärme auch klimaneutrales Gas für das Erdgasnetz erzeugt wird. Seit 2007 betreibt die Firma Bauer Holzenergie in Bad Rappenau ein Fernwärmenetz. Dessen Energie stammt bislang aus drei Biogasanlagen und einem Holzheizwerk. Im kommenden Jahr sollen eine Photovoltaikanlage und eine große Solarthermieanlage hinzukommen. Letztere hat Firmenchef Manfred Bauer in der vergangenen Woche beim finnischen Hersteller Savosolar bestellt. Die Flachkollektoren sollen ab 2024 einen entscheidenden Beitrag zur Wärmewende in Bad Rappenau leisten. Und beide Solaranlagen – Solarthermie und Photovoltaik – sollen Bauers Firma ganz neue Zukunftsperspektiven eröffnen. „Wir müssen in die Brennstoffneutralität kommen“, lautet das Credo von Manfred Bauer, der ursprünglich nur ein Kompostwerk am Firmenstandort betrieb und sich im Laufe der Jahre zu einem umfassenden Energiedienstleister mit diversen Standbeinen gemausert hat. Holz und vor allem Biogas seien zu wertvoll, um damit Fernwärme zu erzeugen, wenn das auch die Sonne leisten könne, ist Bauer überzeugt. Lieferten die Blockheizkraftwerke (BHKW) der Biogasanlagen bislang Abwärme für das Wärmenetz, so wird dies in Zukunft kaum noch möglich sein, denn Bauer will das Biogas, das nur zu etwas mehr als der Hälfte aus Methan (CH4) und im Übrigen aus Kohlendioxid (CO2) besteht, komplett zu Biomethan in Erdgasqualität aufbereiten. Das CO2 muss er zu diesem Zweck abscheiden. Allerdings will er das Klimagas nicht einfach in die Umgebung entlassen, sondern in Verbindung mit Wasserstoff (H2) zu weiteren Methanmengen veredeln. An dieser Stelle kommt die Photovoltaikanlage ins Spiel, die unmittelbar am Betriebsgelände entstehen soll. Ihr Strom soll nämlich vorrangig in einen Elektrolyseur fließen, der den Wasserstoff für die Methanisierung erzeugt. Und auch die Solarthermieanlage hat eine Doppelfunktion. Sie ist groß genug, dass mit Energiemengen, die im Sommer nicht für die Fernwärme benötigt werden, eine Tierfutter- Trocknungsanlage gespeist werden kann. Das Futter, unter anderem für Pferde und Kaninchen, hat Bauer bislang mit Wärme aus den Biogas-BHKW getrocknet. gb Freiflächen-Solarthermie in Greifswald hautnah erleben Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) bietet am 12. September eine Exkursion zur derzeit größten Solarthermieanlage Deutschlands in Greifswald an. Wie sieht eigentlich der Betrieb einer Freiflächen-Solarthermieanlage in der Praxis aus? Die Antwort finden Kommunalvertreter: innen und Interessier te bei einem Besuch der 2022 in Betrieb gegan ge nen Freiflächen-Solarthermieanlage in der Hansestadt Greifswald. Mit Informationen aus erster Hand vermittelt die Exkursionsveranstaltung des Difu, wie die Kommune die Sonnenenergie für ihr Wärmenetz effektiv nutzt. Am Veran stal tungs tag erhalten Teinnehmer:innen am Vormittag Einblicke zum derzeitigen Stand der Freiflächen-Solarthermie in Deutschland und einen ersten Überblick zur Solarthermieanlage in Greifswald. Am Nachmittag steht eine Besichtigung der Freiflächen-Anlage sowie der nahe gelegenen KWK-Anlage mit dem Bereichslei ter der Stadtwerke Greifswald auf dem Programm. Die Teilnahme an der Exkursion ist kostenfrei. Reisekosten können nicht übernommen werden. gb Info und Anmeldung: https://difu.de/veranstaltungen Difu, Paul Ratz, ratz@difu.de, Tel. 0221 340308-11 Wärmenetze GREENER FUTURE TURNING INTO A www sales@ +43 4212 28 136-0 w.greenonetec.com @greenonetec.com Solche Kollektoren von Savosolar sollen Bad Rappenau beheizen. Foto: Savosolar Jetzt testen! Ich bestelle ein kostenloses Probe-Abonnement des Infodienstes Energiekommune für 3 Monate (3 Energiekommune-Hefte/PDF-E-Paper) Das Abo verlängert sich zum Preis von 49,- Euro (print) bzw. 29,- Euro (PDF) inkl. MwSt., wenn es nicht eine Woche vor Ablauf des dritten Probemonats gekündigt wird. Ich möchte Energiekommune beziehen als Printheft PDF-E-Paper Firma, Institution Name, Vorname Straße PLZ, Ort E-Mail Datum, Unterschrift Antwort: per Fax an (05731) 83469 per Mail an: vertrieb@solarthemen.de Solarthemen Media GmbH • Bültestraße 70 b • 32584 Löhne Der Infodienst für den lokalen Klimaschutz Monatlich gedruckt oder als E-Paper 4/21 Wie Bürgerwi ndkraftanlagen trotz vieler Hemmnisse effizient repowered werden können. NEUER WINDPARK IM ALTEN REVIER Solarstrom gemeinsam zu speichern macht Sinn. SPEICHER IM QUARTIER Wie kommunale E-Ladesäulen nutzerfreundlich werden. ALLES AUF EINE KARTE www.energiekommune .info Foto: Guido Bröer Der Infodienst für den lokalen Klimaschutz Foto: Maximilian Kamps / Agentur Blumberg / www.neue-weststadt.de