Große Solarthermie Systematische Risikoabschätzung als Entscheidungshilfe für Investoren
Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 8 www.solare-waermenetze.de Die Energiewende wird ohne eine Wärmewende nicht zu leisten sein. Soll das Ziel der Bundesregierung, bis 2050 einen „nahezu klimaneutralen Gebäudebestand“ zu haben, auch nur ansatzweise erreicht werden, führt an einem massiven Ausbau der erneuerbaren Wärmeversorgung kein Weg vorbei. Neben vielen Einzelmaßnahmen sind dafür auch Großprojekte unverzichtbar – vornehmlich im Bereich der solarthermisch unterstützten Fernwärme sowie Solarthermie-Anlagen zur Nah-Versorgung von Häuserensembles und Quartieren. DER MARKT WÄCHST UND WIRD PROFESSIONELLER Die Solarthermie hat zuweilen immer noch den Ruf einer Nischentechnologie, dabei ist der Weg zur Marktreife längst beschritten. Eingesetzt wird sie bereits seit Mitte der 1990er Jahre. Heutzutage gilt sie als ausgereift und effizient, so dass neben den unbestrittenen ökologischen Vorteilen zunehmend auch rein marktwirtschaftliche Argumente für Investitionen in solarthermische Anlagen sprechen. Als ein wichtiger Markttrend ist dabei zu beobachten, dass immer mehr Stadtwerke und Versorger in die Technologie investieren und Solarthermie in städtische Fernwärmenetze einbinden. Unterstützt wird dies von einer guten Fördersituation und von dem immer breiter werdenden Angebot. STRUKTURIERTES RISIKOMANAGEMENT Mit steigender Projektanzahl und -größe wächst auch der Bedarf an Finanzierung. Insbesondere wenn zusätzlich zur solarthermischen Großanlage der Bau von Speichern oder Wärmenetzen geplant ist, handelt es sich um sehr kapitalintensive Investitionen. Da auf breiter Basis nach wie vor Erfahrungen aus der Praxis fehlen, sind Finanzierungsfragen rund um die Solarthermie für viele Beteiligte noch unscharf und unsicher. Für ein tragfähiges Finanzierungskonzept ist daher eine professionelle Beurteilung der Risiken unabdingbar – denn die können je nach Projekt vielfältig sein. Relevant ist ein transparentes Risikomanagement für eine große und diverse Zielgruppe von Investoren, Kreditgebern, Banken und Versicherungen über Projektentwickler, Betreiber und gegebenenfalls auch Endkunden bis hin zu politischen Entscheidungsträgern. Große Solarthermie-Anlagen können einen wichtigen Beitrag zum Ausbau erneuerbarer Wärme leisten. Neben der rein technischen Leistung kommt es dabei vor allem auf die Wirtschaftlichkeit an. Diese seriös einschätzen zu können, ist für Kreditgeber und Projektentwickler ein Schlüsselfaktor bei der Investitionsentscheidung. Hierbei helfen eine systematische Betrachtung und Bewertung der Risiken. Solarthermie: Systematische Risikoabschätzung als Entscheidungshilfe für Investoren VORTEILE GROSSFLÄCHIGER emissionsfrei und echt erneuerbar ausgereift und marktverfügbar Leistungsbereich bis größer 100 MW mehr als 50 % des Wärmebedarfs können solar gedeckt werden langfristige Planungssicherheit bezüglich der Wärmegestehungskosten einfacher technischer Betrieb neue Chancen zur Erreichung kommunaler Klimaschutzziele SOLARTHERMIE Um sich einer Bewertung strukturiert und möglichst neutral zu nähern, ist es sinnvoll, die Risiken zunächst zu klassifizieren und thematisch zu gruppieren. Dafür bietet sich die Unterteilung in folgende fünf Kategorien an: technisch – wirtschaftlich – politisch/planerisch – vertraglich – sozial/umweltbezogen. Im nächsten Schritt werden die Risiken konkret definiert und Ansätzen zur Minimierung gegenübergestellt. Das können bereits vorhandene Argumente sein, die das Risiko abschwächen oder gar entkräften. Alternativ werden Strategien und Maßnahmen entwickelt, um das Risiko so weit wie möglich zu minimieren. Ist keine Lösung zu finden, ist auch dies eine wichtige Erkenntnis für das weitere Vorgehen. Auf Basis einer solchen Auflistung bzw. Gegenüberstellung kann bereits eine erste Risikoanalyse und somit -bewertung erfolgen. BEISPIEL 1: HOHE INVESTITIONSKOSTEN ALS WIRTSCHAFTLICHES RISIKO? Im Gegensatz zu den bekannten und daher eingespielten Prozessen bei Investitionen in fossile Erzeugung folgen erneuerbare Anlagen einem anderen Geschäftsmodell. Die Anlagen selbst sowie Speicher bzw. Wärmenetze gehen zunächst grundsätzlich mit großen Investitionsvolumina einher. Betrachtet man aber die Kosten für Brennstoff, Wartung und Betrieb, so zeigen sich deutliche Kostenvorteile und Planungssicherheiten gegenüber fossil betriebenen Anlagen. Auch im Fall der solaren Wärmeerzeugung fallen die wesentlichen Kosten bei der Anschaffung an, die operativen Kosten sind hingegen in der Betriebsphase sehr gering. Brennstoffe werden nicht benötigt. Dieser Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 8 technisch Reifegrad der Technologie Materialermüdung Ausfall-Wahrscheinlichkeit Maximum der unproduktiven Zeiten wirtschaftlich Mengenrisiken durch Änderung der netzseitigen Wärmeabnahme Wetterrisiken (Abweichungen von der durchschnittlichen Sonneneinstrahlung, Unwetter) Vandalismus Finanzierungsrisiken (Bonität des Eigenkapitals, Zinsänderung, etc.) Risiken beim Bau wie Verzögerung oder Ausfall eines Herstellers/Dienstleisters Risiken während des Betriebs wie Ausfall von Komponenten oder Konkurs des Betreibers/Auftragnehmers politisch/planerisch Klimapolitik Steuerpolitik Flächenbereitstellung und Genehmigung Position der politischen Entscheidungsträger und Meinungsführer vertraglich Miet- und Pachtverträge Wärmelieferverträge mit Endkunden Abnahmevereinbarungen mit Netzbetreibern/Wärmelieferanten Dienstleistungsverträge Kreditverträge sozial/umweltbezogen Allgemeine politische „Stimmungslage“ Integration im Zusammenhang mit den Interessengruppen (öffentliche Einrichtungen, lokale Politik, Kunden usw.) Dynamik der Sozial- und Einkommensstrukturen Auswirkungen auf Umwelt/Landschaft ÜBERSICHT MÖGLICHER RISIKEN (AUSWAHL) Quelle: HAMBURG INSTITUT Aspekt der langfristigen Kostensicherheit dürfte sich angesichts des durch die CO2-Abgabe zu erwartenden Preisanstiegs für fossile Energieträger künftig umso mehr auszahlen. Zudem werden, ähnlich wie bei Photovoltaik- und Windkraftanlagen, mit zunehmender Marktausweitung perspektivisch auch die Preise für die Anlagentechnik sinken. FÖRDERMITTEL Um das wirtschaftliche Risiko zu managen, sollten sich die Projektbeteiligten darüber hinaus unbedingt frühzeitig mit dem Thema Förderung befassen. Interessant ist derzeit insbesondere das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) initiierte Marktanreizprogramm (MAP)1 zur Förderung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt. Hier kann zwischen einem KfW-Förderdarlehen mit attraktiven Tilgungszuschüssen oder direkten Investitionszuschüssen über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gewählt werden. Für große Solarthermieprojekte gegebenenfalls mit Wärmespeicher und/oder Wärmenetzen kommen die KfW-Programme 271, 281 „Erneuerbare Energien – Premium“2 oder auch eine Förderung über das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) in Frage. BEISPIEL 2: FLÄCHENKONFLIKTE ALS SOZIALES RISIKO? Bei der Planung solarthermischer Großanlagen gibt es potenzielle Hürden in sozialen, gesellschaftlichen sowie umweltbezogenen Bereichen. Trotz der im Vergleich sehr hohen Flächeneffizienz der Solarthermie gegenüber anderen Wärmeerzeugungsoptionen (wie etwa Bioenergie), können bei der Projektentwicklung Konflikte bei der Flächenbereitstellung entstehen. Gerade im urbanen Bereich sind Freiflächen nur begrenzt verfügbar, entsprechend vielfältig sind die Ansprüche auf deren Nutzung, etwa für Wohnraum. Bereits realisierte Projekte zeigen, dass hier durchaus kreative Lösungen möglich sind. Als Beispiel sei die Nutzung ehemaliger Deponieflächen genannt: Aufgrund von Altlasten weder für Wohnungsbau noch für Landwirtschaft geeignet, kann die Solarthermie solche Brachflächen sinnvoll aufwerten. LOKALE AKTEURE FRÜHZEITIG EINBEZIEHEN Auch Umweltaspekte wie der Schutz bestimmter Tierarten können einer reibungslosen Umsetzung entgegenstehen. Umso wichtiger ist daher, das Gelände vorab einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Mit einem ökologischen Flächenkonzept kann es jedoch gut gelingen, mit dem Bau der Anlage die Biodiversität gegenüber dem ursprünglichen Zustand zu erhöhen. Grundsätzlich gilt: Eine transparente Planung sowie das frühzeitige Einbeziehen der lokalen Bevölkerung und Politik sind elementar, um soziale und umweltbezogene Risiken zu minimieren. Zur Steigerung der Akzeptanz und der Identifikation mit dem Projekt vor Ort können auch finanzielle Bürgerbeteiligungen oder Energiegenossenschaften als Betreibermodell in Betracht gezogen werden. 1https://www.erneuerbare-energien.de/EE/Navigation/DE/Foerderung/ Marktanreizprogramm/marktanreizprogramm.html 2https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/ Energie-Umwelt/Finanzierungsangebote/Erneuerbare-Energien- Premium-(271-281)/#4 www.solare-waermenetze.de FAZIT Eine zukunftsfähige Wärmeversorgung auf erneuerbarer Basis, niedrige Wärmepreise bei hohen CO2-Einsparungen, geringe operative Kosten – die Vorteile großer Solarthermie-Anlagen liegen auf der Hand. Die Frage nach der Finanzierung stellt sich hingegen komplexer dar. Vor der Investition in die Anlage lohnt es sich in jedem Fall, in eine professionelle Risikoanalyse zu investieren. Durch die Übersicht von Risikodefinition und Minimierungsstrategien entsteht eine hilfreiche Grundlage, um die beteiligten Akteure zu überzeugen und das Vertrauen in Großprojekte zur Ökologisierung der Heizsysteme zu stärken. Ein Patentrezept kann es hierbei jedoch nicht geben. Vielmehr ist eine differenzierte Betrachtung notwendig, denn durch die jeweils individuellen Parameter wie geografische Lage, Modellauswahl, Beteiligungsstruktur etc. hat jedes Projekt seine ganz eigenen Risiken. Dennoch werden mit jeder realisierten Anlage der Erfahrungsschatz und die Sicherheit auf allen Seiten größer – im Sinne der Wärme- und damit auch der Energiewende. Gefördert durch: www.solare-waermenetze.de Energiekommune IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen von Solnet 4.0, einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Vorhaben zur Marktbereitung für solare Wärmenetze. Die Projektpartner sind das Steinbeis Forschungsinstitut Solites, der Fernwärmeverband AGFW, das Hamburg Institut sowie die Herausgeber der Zeitschrift Energiekommune. Herausgeber: HIR Hamburg Institut Research gGmbH Redaktion: Dr. Matthias Sandrock, Philippa Kreis Fotos: Dr. Matthias Sandrock Veröffentlichung: Juli 2020 Haftungsausschluss: Das dieser Publikation zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter dem Förderkennzeichen 03EGB0002A gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieses Dokuments liegt bei den AutorInnen. Weder der Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 8 Im Gespräch: Michael Seeger und Ute Mann aus dem Fachbereich Erneuerbare Energien der DKB Deutsche Kredit Bank AG Wie gehen Sie als Bank grundsätzlich an eine Finanzierungsanfrage für eine große Solarthermieanlage heran? Michael Seeger: „Seit Mitte der 1990er Jahre begleiten wir Finanzierungen im Bereich der Erneuerbaren Energien, wir haben uns mit der Branche entwickelt und standardisierte Projektfinanzierungen etabliert. Mit einem Kreditvolumen von rund 11 Mrd. Euro – hauptsächlich im Stromsektor – sind wir der größte Finanzierer erneuerbarer Energien in Deutschland. Unser Engagement wollen wir weiter ausbauen und investieren deswegen auch in Wärmeprojekte und Sektorenkopplung. Die Solarthermie stellt dabei ein noch relativ neues Feld für uns dar. Im Vergleich zu Stromprojekten spielen bei Wärmevorhaben deutlich mehr Faktoren eine Rolle: vielfältigere Konzepte, mehr Akteure (Abnehmer wie Erzeuger) sowie andere Technologien. Hierfür entwickeln wir aktuell passende Finanzierungsansätze, die den Besonderheiten der Projekte gerecht werden. Diese aufzusetzen und neue Standards zu definieren, ist ein spannender Prozess, in dem wir uns aktuell befinden. Dabei hilft uns die langjährige Erfahrung im Strombereich.“ Was sind dabei zentrale Fragestellungen? Ute Mann: „Bei der Beurteilung aller Anfragen – egal ob aus dem Strom-, Wärmeoder einem anderen Bereich – verfolgen wir neben der rein cashflow-basierten Betrachtungsweise auf Einzelprojektebene einen konzeptbasierten Ansatz. Dazu nehmen wir die Akteure mit ihrem Unternehmenskonzept und die Unternehmensstrategie ganzheitlich in den Blick. Die Konzeptanalyse ist die wesentliche Grundlage unserer Kreditentscheidung. Wir schauen auf die Projektdetails mit ihren wichtigsten Risikotreibern, nehmen eine Plausibilisierung der technologie- und verfahrensspezifischen Annahmen vor und setzen uns mit den wesentlichen vertraglichen, gesetzlichen und regulatorischen Grundlagen auseinander. Wir befassen uns intensiv mit den betriebswirtschaftlichen Planungsrechnungen und Sensitivitätsanalysen, aber auch mit den Akteuren sowie deren Expertise im technischen und kaufmännischen Bereich. Schlussendlich geht es bei alldem um die Frage, wie eine Rentabilität aus dem Projekt darzustellen ist.“ Michael Seeger: „Ganz entscheidend ist für uns natürlich die Technologie. Mit unseren hauseigenen Ingenieuren betrachten wir die Anlagen-Konfiguration und bewerten die technologische Machbarkeit sowie eventuelle Risiken. Ab bestimmten Anlagengrößen ziehen wir auch externe Expertise hinzu. So benötigen wir bei einer Solarthermieanlage im Megawattbereich Ertragsgutachten für einen belastbaren Nachweis, welche Erlöse aus dem Vorhaben generiert werden können.“ Wie gehen Sie mit unterschiedlichen Eigentümerstrukturen um? Ute Mann: „Es kann einen großen Unterschied machen, ob die Finanzierung beispielsweise mit einem Wohnungswirtschaftsunternehmen im Hintergrund oder in einem kommunalen/öffentlichen Kontext erfolgt – Stichwort Bonität. Das heißt aber nicht, dass dies andere Strukturen wie Energiegenossenschaften ausschließt. Im Gegenteil: Wir haben uns früh mit Bürgerbeteiligungsmodellen beschäftigt und in der Vergangenheit bereits entsprechende Finanzierungslösungen entwickelt. Teilhabe ist aus unserer Sicht unverzichtbar für die Energiewende. Im Zuge der Risikobetrachtung kann es hierbei allerdings schon zu höheren Anforderungen kommen, etwa in Bezug auf Laufzeiten oder Eigenkapitalanteile.“ Was erwarten Sie im Hinblick auf die Zinsentwicklung? Ute Mann: „Die Zinsentwicklung ist immer eng an die Marktentwicklung geknüpft. Wir erwarten, dass Projekte im Bereich erneuerbare Wärme weiter zunehmen – insbesondere auch im Zusammenhang mit Sektorenkopplung. Je größer der Markt wird, desto besser werden auch die Konditionen – auch weil Prozesse standardisiert werden. Bei PV- und Windprojekten haben wir diesen positiven Effekt auf die Finanzierungskosten bereits gesehen.“ „Neue Finanzierungsansätze erforderlich“