Die Gemeinden Gräfelfing im Westen von München hat mit einer Machbarkeitsstudie ermitteln lassen, ob und wie ein Wärmenetz mit Geothermie, Solarthermie und eventuell Deutschlands größtem Erdbecken-Wärmespeicher machbar und wirtschaftlich vorteilhaft realisierbar wäre. Ideal erscheint ein gemeinsames Netz in Verbindung mit Gräfelfings Nachbargemeinde Planegg. Die will jetzt eine Anschlussstudie beauftragen, um die Potenziale eines interkommunalen Netzes zu ermitteln.

Die Gutachter vom Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) der Uni Stuttgart haben Mitte Juli in der Gemeinde Gräfelfing ihre endgültigen Ergebnisse präsentiert. Die Machbarkeitsstudie, die die Gemeinde Gräfelfing in Auftrag gegeben und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) über das Förderprogramm Wärmenetze 4.0 bezuschusst hat, arbeitet für zwei Leitszenarien verschiedene Versorgungsvarianten heraus. Die Gutachter kalkulierten für Gräfelfing und Planegg diverse Netzlängen, verschiedenste Erzeugungsvarianten, und zwar teils mit, teils ohne Wärmespeicher.

Mit oder ohne Saisonal-Wärmespeicher?

Der wesentliche Unterschied zwischen den Szenarien ist, ob das bereits vorhandene Wärmenetz im Ortsteil Martinsried von Gräfelfings Nachbargemeinde Planegg in das regenerative Versorgungskonzept integriert werden soll oder nicht. In diesem Fall würde laut IGTE-Gutachten der Großwärmespeicher auf jeden Fall Sinn machen.

Platz für diesen Wärmespeicher wäre an der Ortsgrenze von Gräfelfing zur Gemeinde Plan­egg. Dort existiert eine ausgebeutete 15 Meter tiefe Kiesgrube, deren Verfüllung bereits begonnen hatte, aber vorerst bis zum Abschluss der Machbarkeitsstudie gestoppt worden ist. Das Restvolumen der Grube würde einen Speicher von etwa 300.000 Kubikmeter erlauben. Sie bietet für einen Erbecken-Wärmespeicher nach dänischem Vorbild günstige Bedingungen, weil sie oberhalb des Grundwassers liegt. In Dänemark sind im vorigen Jahrzehnt mehrere solcher Speicher entstanden, die die Form eine umgekehrten Pyramide ohne Spitze haben. Mit Spezialfolie gegen das Erdreich abgeschirmt und mit einer schwimmenden Wärmedämmung abgedeckt speichern sie dort Sonnenenergie aus dem Sommer bis über den Winter. Zwischen den beiden Gemeinden im Münchener Umland mit zusammen 25.000 Einwohnern und ebenso vielen Arbeitsplätzen könnte Europas größter Erdbecken-Wärmespeicher entstehen.

17 Hektar für Solarthermie

Einerseits könnte dieser Speicher der geplanten Geothermieanlage in Martinsried als Puffer und – in einigen der untersuchten Szenarien – einer Wärmepumpe als Quelle dienen. Andererseits könnte er aber auch in großem Maße Solarwärme aufnehmen. Für deren Gewinnung sind zwei nahe gelegene Flächen von 5 und 12 Hektar im Bereich der Gemeinde Planegg avisiert, die Platz böten für bis zu 56.700 Quadratmeter Kollektorfläche.

Die sinnvolle Dimensionierung der einzelnen Anlagenkomponenten haben die Wissenschaftler:innen um den Solarthermieexperten Harald Drück auf Basis von Simulationssoftware ermittelt. In der größeren Ausbauvariante eines interkommunalen Wärmenetzes unter Einschluss des Planegger Ortsteils Martinsried würde ein Speicher von etwa 200.000 Kubikmetern in Verbindung mit Solarthermie und insbesondere im Falle einer Kombination mit einer Großwärmepumpe technisch eine sinnvolle Ergänzung sein. In diesem Szenario wäre ein Wärmebedarf von 83 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr zu decken. 60 GWh würde die Geothermie beisteuern, 20 GWh kämen von der Solarthermie im Wärmenetz.

Interkommunales Wärmenetz für Gräfelfing und Planegg?

Allerdings muss dies nicht das letzte Wort sein. Denn weil sich der Gemeinderat von Planegg vor Jahren mehrheitlich gegen eine Beteiligung an dieser Machbarkeitsstudie ausgesprochen hatte, hat das IGTE Wärmebedarf und Ausbauszenarien im Hauptteil von Planegg nicht berücksichtigt. Freilich mit Ausnahme des Ortsteils Martinsried, weil dort das Wärmenetz schon existiert. Angesichts der ermutigenden Ergebnisse der Machbarkeitsstudie und der geänderten energiepolitischen Großwetterlage ist mittlerweile allerdings auch in Planegg eine neuerliche Diskussion entstehen. Der dortige Gemeinderat hat jetzt beschlossen, eine Anschlussstudie zum Gräfelfinger Projekt in Auftrag zu geben.

Gegenüber den Solarthemen erklärte Harald Drück, Forschungskoordinator und Arbeitsgruppenleiter des IGTE, es sei nun an den Gemeinden, den Umfang und die Zielrichtung des weiteren Vorhabens zu diskutieren und zu beschließen. Trotz der Komplexität des Projektes empfiehlt er ein dreigleisiges Vorgehen, mit dem die Verantwortlichen nicht länger warten müssten: „Erstens: Bohren. Zweitens: Netzausbau vorantreiben. Drittens: Künftige Wärmeabnehmer akquirieren.“ Im jetzigen Stadium könne noch einiges offen gehalten werden, sagt Drück, aber: „Die Sache mit dem Speicher würde ich auf jeden Fall angehen.“

Drück kann sich übrigens vorstellen, abweichend von den dänischen Vorbildern, den Speicher nicht nur mit Wasser zu füllen, sondern als Kies-Wasser-Speicher auszuführen. Dadurch ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, meint er. Die Verfüllung mit qualifiziertem Bauschutt – als Variation von Kies – müsste nicht zugunsten des Speicherbaus abgeblasen werden. Das Abfallmaterial könnte vielmehr, so die Idee des Stuttgarter Forschers, als Speichermedium dienen. Da es in diesem riesigen Maßstab noch keine Erfahrungen mit dieser Speicher-Technologie gibt, schon gar nicht mit Bauschutt an Stelle von Kies, würde es sich freilich um ein Forschungsprojekt handeln.

Autor: Guido Bröer © Solarthemen Media GmbH

Foto: Herbert Stepp