Solare Wärmewende – Im Gespräch: Felix Landsberg (HIR) und Jan Walter (Difu)

Was haben Kommunen von Sonne im Wärmenetz? Wie können Kommunen passende Flächen für ein Solarthermie-Kollektorfeld finden? Und wie kann das Projekt SolnetPlus dabei helfen? Felix Landsberg vom Hamburg Institut und Jan Walter vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) sprechen hier im Podcast-Style über ihren Draht zu den solaren Wärmenetzen.

Asma Sohail2023-09-11T13:11:13+02:00Montag, 11. September, 2023|

FAQ – Fragen und Antworten zur solaren Fernwärme

FAQ-Fragen und Antworten zur solaren Fernwärme Frankfurt, Juni 2023 2 Dokumenten-Informationen: Autoren: Thomas Pauschinger, Kibriye Sercan-Çalışmaz AGFW-Projektgesellschaft für Rationalisierung Information und Standardisierung mbH (AGFW) Dirk Mangold, Anna Ulrichs Solites - Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme (Solites) Felix Landsberg, Marleen Greenberg Hamburg Institut Research gGmbH (HIR) Paul Ratz, Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH (Difu) Kontakt: Kibriye Sercan-Çalışmaz AGFW-Projektgesellschaft für Rationalisierung, Information und Standardisierung mbH, Stresemannallee 30, 60596 Frankfurt, www.agfw.de Version: Juni 2023 Arbeitspaket: AP3 Aktivierungsinitiative Wärmeversorgungsbranche Produkt: Handreichung „FAQ-Fragen und Antworten zur solaren Fernwärme“ Das vorliegende Dokument entstand im Rahmen des Verbundvorhabens „SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert (FKZ: 67KF0119A-D). Haftungsausschluss: Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den Autoren. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung des Fördermittelgebers wieder. Weder die Autoren noch der Fördermittelgeber übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. 3 Inhaltsverzeichnis 1 Technik Solarthermie ........................................................................................................ 5 1.1 Welche Arten von Kollektoren sind für die Einbindungen in Wärmenetze geeignet? A) ........ 5 1.2 Ist eine Nachführung der Sonnenkollektoren sinnvoll? A)....................................................... 5 1.3 Welche Möglichkeiten zum Frostschutz bestehen? S)............................................................ 6 1.4 Nimmt die Effizienz der Sonnenkollektoren über die Betriebsdauer ab? S) ........................... 6 1.5 Sind Hybridkollektoren (Strom und Wärme) für die solare Fernwärme geeignet? A) ............. 7 2 Wärmespeicher ................................................................................................................. 7 2.1 Benötigen in Wärmenetze eingebundene Solarthermieanlagen Wärmespeicher? A) ............ 7 2.2 Welche Möglichkeiten der saisonalen Wärmespeicherung bestehen? S) .............................. 8 3 Freiflächenentwicklung ..................................................................................................... 9 3.1 Sollten Kollektorfelder nicht eher auf Gebäudedächer? A) ..................................................... 9 3.2 Wieviel Landfläche ist zur Aufstellung einer bestimmten Kollektorfläche erforderlich? S) .... 10 3.3 Welche Flächen sind für eine Freiflächen-Solarthermieanlage nutzbar? H) ......................... 10 3.4 Wie weit kann die Freifläche vom Einbindepunkt entfernt sein? S) ...................................... 11 3.5 Welche Möglichkeiten zur mehrfachen Flächennutzung gibt es? H) .................................... 11 3.6 Kann die Fläche mehrfach zur Wärmeerzeugung genutzt werden (z.B. zusätzlich für ein Wärmepumpen-Sondenfeld)? A) ....................................................................................................... 12 3.7 Wie werden Kollektorfelder auf Freiflächen errichtet? A) ...................................................... 12 3.8 Wie gehe ich bei der Suche und Entwicklung von Freiflächen vor? H) ................................. 13 4 Umweltbelange ................................................................................................................14 4.1 Wie ist eine naturnahe Gestaltung von Freiflächenanlagen möglich? H) ............................. 14 4.2 Wie integrieren sich Anlagen gut in die Landschaft? H)........................................................ 14 5 Netzeinbindung ................................................................................................................15 5.1 Bis zu welchen Netztemperaturen kann Solarthermie eingesetzt werden? A) ..................... 15 5.2 Warum wirken sich niedrige Vor- und Rücklauftemperaturen günstig aus? S) ..................... 15 5.3 Ist eine stabile Versorgung bei fluktuierender Einstrahlung möglich? S) .............................. 16 5.4 Wie wirkt sich die fluktuierende Leistung auf das Wärmenetz aus? S) ................................. 16 5.5 Welche Möglichkeiten der Einbindung gibt es bei größeren FW-Netzen? S) ....................... 17 5.6 Mit welchen weiteren Wärmeerzeugern lässt sich Solarthermie kombinieren? A) ............... 17 6 Auslegung und Ertrag ......................................................................................................18 4 6.1 Welchen Wärmeertrag und welche Leistung erbringt eine Solarthermieanlage? S) ............ 18 6.2 Welche solaren Deckungsanteile lassen sich erreichen? S) ................................................ 19 6.3 Mit welchem Wärmeertrag je Hektar Landfläche kann man rechnen? S) ............................. 19 6.4 Wie funktionieren Verfahren zu Ertragsgarantie? A) ............................................................. 19 7 Wirtschaftlichkeit ..............................................................................................................20 7.1 Wie hoch sind die Investitionskosten für Solarthermieanlagen? A) ...................................... 20 7.2 Wie hoch sind die Kosten für Betrieb und Instandhaltung einer Solarthermieanlage? A) .... 21 7.3 Welche Wärmegestehungskosten werden erreicht? A) ........................................................ 21 7.4 Wie werden die Kosten für die Landfläche berücksichtigt H) ................................................ 22 7.5 Welche Fördermöglichkeiten für Solarthermieanlagen gibt es? A) ....................................... 22 8 Projektentwicklung ...........................................................................................................23 8.1 Welche Phasen sind bei der Projektentwicklung zu berücksichtigen? H) ............................. 23 8.2 Welche Genehmigungen und Gutachten sind einzuholen? H) ............................................. 23 8.3 Welche lokalen Akteure sind einzubinden? H) ...................................................................... 23 8.4 Was können Kommunen vorbereitend tun? D) ..................................................................... 24 5 Hinweis zur Verwendung dieses Dokuments Das vorliegende Dokument „FAQ-Fragen und Antworten zur solaren Fernwärme“ wurde als Vorlage und Antwortenpool für FAQ-Bereiche z.B. auf Internetseiten oder Leitfäden zum Thema solare Fernwärme erstellt. Inhalte aus diesem Dokument können mit Verweis auf dieses Dokument als Quelle verwendet werden. Die gelisteten Antworten wurden von den Projektpartnern des Vorhabens SolnetPlus jeweils federführend erstellt und sind nachfolgend gekennzeichnet mit A) AGFW, S) Solites, H) HIR und D) Difu. 1 Technik Solarthermie 1.1 Welche Arten von Kollektoren sind für die Einbindungen in Wärmenetze geeignet? A) Im Anwendungsbereich der Fernwärme kommen bei Netztemperaturen bis rund 110 °C Flachkollektoren und Vakuumröhrenkollektoren zum Einsatz. Entscheidend sind hier die Vor- und Rücklauftemperaturen des Wärmenetzes an der Einbindestelle in der Periode von März bis Oktober. Die Systemtechnik der spezialisierten Anbieter ist auf den Einsatz in Wärmenetzen und für große Kollektorfelder im Megawattbereich optimiert. Zum Einsatz kommen oft Groß-Kollektormodule (Reduzierung von Anschlüssen und Montagezeiten) mit guter Effizienz bei höheren Betriebstemperaturen sowie mit einer optimierten Hydraulik für große Kollektorfelder (Reduzierung der Pumpenarbeit und Anschlussleitungen). Bei höheren Netztemperaturen sind konzentrierende Kollektoren wie z.B. Parabolrinnenkollektoren geeignet, die für solare Prozesswärme und Kraftwerksanwendungen im Bereich von 100 - 400 °C entwickelt wurden. 1.2 Ist eine Nachführung der Sonnenkollektoren sinnvoll? A) Ob sich eine ein- oder zweiachsige Nachführung von Kollektoren lohnt, ergibt sich aus einer Kosten-Nutzen-Analyse. Besonders zu beachten ist hier der Betriebs- und Instandhaltungsaufwand für bewegte Teile und Antriebe der Nachführung. Generell empfiehlt es sich, die Anlagen so einfach wie möglich zu halten. Konzentrierende Kollektoren (wie z.B. Parabolrinnenkollektoren) müssen zumindest einachsig dem Sonnenstand nachgeführt werden. 6 1.3 Welche Möglichkeiten zum Frostschutz bestehen? S) In den Wintermonaten ist die Anlagentechnik des Kollektorkreises durch entsprechende Frostschutzvorkehrungen vor einem Einfrieren zu schützen. In der Praxis haben sich hier zwei Verfahren vielfach bewährt. Passiver Frostschutz: Verwendung eines Wasser-Propylenglykol-Gemisches als Wärmeträgermedium im Kollektorkreis. Je nach Klima am Standort der Solaranlage liegt der Propylenglykolanteil meist zwischen 20 und 40 %. Hierbei werden speziell für die in einer Solaranlage auftretenden Randbedingungen optimierte Fertiggemische verwendet, die auch als Solarflüssigkeit bezeichnet werden. Diese Solarflüssigkeit enthält oft zusätzliche Korrosionshemmer. Durch einen einfachen pH-Wert-Test kann die Solarflüssigkeit überprüft und bei Bedarf ausgetauscht werden. Die Praxiserfahrung zeigt, dass dies nur selten und meist erst nach einigen Betriebsjahren erforderlich werden kann. Bei sehr hohen Temperaturbelastungen kann die Solarflüssigkeit altern. Einzelne Stagnationsfälle führen bei fachgerecht realisierten Solaranlagen zu keinen Schäden. Aktiver Frostschutz bei Wasser als Wärmeträgermedium: Sehr gut gedämmte Kollektorbauteile wie z.B. Vakuumröhrenkollektoren kühlen auch bei langen Kälteperioden nur wenig aus. Um ein Einfrieren insbesondere des Wassers in den Verbindungsleitungen zu vermeiden, wird das Wasser im gesamten Kollektorkreis abhängig von der Außentemperatur regelmäßig umgewälzt. Das in den Vakuumröhren auch bei geringer Solareinstrahlung leicht erwärmte Wasser erhöht die Wassertemperatur in den Verbindungsleitungen. Bei sehr tiefen Außentemperaturen muss dem Kollektorkreis Wärme aus dem Fernheizwasser zugeführt und somit der Kollektorkreis frostfrei gehalten werden. Bei hierauf optimierten Regelungen des Kollektorkreises kann der Wärmebedarf für die Frostfreihaltung auf rund 2 bis 4% des Jahreswärmeertrages beschränkt werden. 1.4 Nimmt die Effizienz der Sonnenkollektoren über die Betriebsdauer ab? S) Viele Messungen an Realanlagen und umfangreiche Forschungsprojekte zeigen, dass die Effizienz der Solarkollektoren auch nach vielen Betriebsjahren (20 Jahre) noch dem Neuprodukt entspricht. Sie sinkt nicht oder in seltenen Fällen leicht um insgesamt weniger als 10% [SpeedColl 2015, SpeedColl2 2020]. 7 Solarkollektoren müssen bei Normalverschmutzungen und Anstellwinkeln im Rahmen der deutschen Dachdeckerrichtlinien (z.B.18 Grad Neigung gegen die Horizontale und steiler) nicht gesondert gereinigt werden. Nur bei stark verschmutzenden Umweltbedingungen kann eine Reinigung der Glasflächen zu empfehlen sein. Referenzen: SpeedColl 2015: SpeedColl „Entwicklung beschleunigter Alterungsprüfverfahren für solarthermische Kollektoren und deren Komponenten“, 2011 bis 2015, www.speedcoll.de SpeedColl2 2020: „Gebrauchsdauerabschätzung für solarthermische Kollektoren und deren Komponenten“, 2016 bis 2020, www.speedcoll2.de 1.5 Sind Hybridkollektoren (Strom und Wärme) für die solare Fernwärme geeignet? A) Hybridkollektoren eignen sich z.B. zur gemeinsamen Strom- und Niedertemperatur-Wärmeerzeugung für eine Wärmepumpe in Neubauten oder energetisch sanierten Gebäuden. Sie sind nicht geeignet, um Wärme auf Vorlauftemperaturniveau von Fernwärmenetzen zu erzeugen. Die Wärme steht in der Regel mit max. 35° C zur Verfügung, da die Stromerzeugung von Hybridkollektoren bei steigenden Temperaturen abnimmt. 2 Wärmespeicher 2.1 Benötigen in Wärmenetze eingebundene Solarthermieanlagen Wärmespeicher? A) Die Erforderlichkeit eines Wärmespeichers hängt vorrangig von der Auslegung der Solarthermieanlage und dem Bedarf der Netzseite ab. Diese wird durch den „solaren Deckungsanteil“ beschrieben, d.h. dem Verhältnis zwischen solarem Jahresertrag und dem Jahreswärmebedarf im Wärmenetz bzw. am Einbindepunkt. Typische Auslegungsfälle sind: » Bei niedrigen solaren Deckungsanteilen bis ca. 5 % kann i.d.R. die Solarwärme direkt und zu jedem Zeitpunkt vom Wärmenetz aufgenommen werden. Dies kann ohne Wärmespeicher erfolgen. Vielfach hat sich jedoch ein kleinvolumiger Wärmespeicher bewährt, der als hydraulische Weiche fungiert und eine bessere Steuerung der Netzpumpe ermöglicht. » Bei solaren Deckungsanteilen von rund 15 %, deckt die Solarthermie i.d.R. den Sommerbedarf im Wärmenetz und es ist ein Mehrtages-Pufferspeicher erforderlich (Anhaltswert 0,2 m³/m² Bruttokollektorfläche). Ein solcher Pufferspeicher ist insbesondere 8 erforderlich, wenn die Leistung der Solarthermieanlage die Engpassleistung an der Einbindestelle übersteigt. » Bei höheren solaren Deckungsanteilen nimmt das je m² Bruttokollektorfläche notwendige Wärmespeichervolumen stetig zu. Bei einem solaren Deckungsanteil von beispielsweise 50 % ist ein Langzeitwärmespeicher / saisonaler Wärmespeicher erforderlich (Anhaltswert 2 m³/m² Bruttokollektorfläche). Das geeignete Speichervolumen hängt von einer Reihe von Parametern ab und sollte von Fachkundigen mittels eines Rechenprogramms ermittelt werden. Bei komplexeren Konfigurationen und höheren solaren Deckungsanteilen empfiehlt sich eine Anlagensimulation auf Basis von Stundenwerten für ein gesamtes Betriebsjahr. 2.2 Welche Möglichkeiten der saisonalen Wärmespeicherung bestehen? S) Oberirdische Stahlspeicher sind seit langer Zeit Stand der Technik. Diese werden meist täglich be- und entladen und haben dadurch einen hohen Wärmenutzen. Saisonale Wärmespeicher hingegen dienen zur saisonalen Speicherung von Wärme. Diese werden daher im Extremfall im Sommer beladen und im Winter entladen. Durch den geringen Wärmenutzen müssen diese saisonalen Wärmespeicher wesentlich günstiger gebaut werden können. Seit ca. 1995 wurden hierzu vier verschiedene Speicherbauarten entwickelt: » Behälter-Wärmespeicher sind größtenteils im Untergrund integrierte Stahlbetonbehälter, die mit Wasser gefüllt sind. In der Bautiefe von 5–15 m sollte möglichst kein Grundwasser vorhanden sein. Die Wärmespeicher können als begehbare Hügel in das zu versorgende Gebiet integriert werden. Die Be- und Entladung des Speichers erfolgt mit Hilfe einer Schichtbeladeeinrichtung. » Erdbecken-Wärmespeicher werden ebenfalls in 5–15 m Tiefe in den Untergrund eingegraben. Es wird ein künstlicher "Teich" angelegt, mit Speichermaterial gefüllt und mit einem Deckel verschlossen. Als Speichermaterial wird Wasser, Wasser-Kies-Gemisch oder Wasser-Erdreich-Gemisch genutzt. Erdbecken-Wärmespeicher sind eher flach und weisen eine große Oberfläche auf. Be- und Entladen wird der Speicher entweder direkt oder indirekt. Bei einem direkten Be- und Entladen wird das erwärmte Wasser direkt in den Speicher eingespeist und entnommen. Beim indirekten Be- und Entladen ist der Speicher mit wasserdichten Kunststoff-Rohrleitungen durchzogen, welche keinen Kontakt mit dem Speichermaterial haben. » Erdsonden-Wärmespeicher nutzen den Untergrund zur Wärmespeicherung. Die gewonnene Wärme wird den Erdsonden zugeführt, in denen Wasser als Wärmeträger zirkuliert. Das Wasser gibt in der Solarsaison die Solarwärme an den Untergrund ab. In der Heizphase wird den Erdsonden kühleres Wasser zugeführt. Die Erdsonden entziehen dem Untergrund so die gespeicherte Wärme. » Aquifer-Wärmespeicher nutzen ebenfalls den Untergrund. Sie verwenden unterirdische, wasserführende Gesteinsschichten zur Wärmespeicherung, die durch Brunnenbohrungen 9 erschlossen werden. Die Bohrtiefe hängt hierbei von der Tiefe des zu nutzenden Aquifers ab. Als Speichermaterial dient das angetroffene Grund- oder Tiefenwasser. Das nutzbare Wasservorkommen muss durch geeignete geologische Formationen eingeschlossen sein, da sonst die gespeicherte Wärme nicht wieder entnommen werden kann. Die Wirtschaftlichkeit eines saisonalen Wärmespeichers ist neben seiner Bauweise stark durch die Systemeinbindung bestimmt. Um diese wirtschaftlich zu optimieren, ist meist eine dynamische Systemsimulation zu empfehlen, die die Systemeinbindung der Solarthermieanlage und des Wärmespeichers in das Fernwärmesystem in Stundenwerten über ein ganzes Betriebsjahr betrachtet. Die für das Gesamtsystem (Erzeuger und Wärmenetz) wirtschaftlichste Lösung kann auch einen Wärmespeicher erfordern, der nicht die günstigsten Baukosten aller Speichervarianten aufweist. Quelle: www.saisonalspeicher.de 3 Freiflächenentwicklung 3.1 Sollten Kollektorfelder nicht eher auf Gebäudedächer? A) Zwei Voraussetzungen für günstige Wärmegestehungskosten und somit einen wirtschaftlichen Betrieb von solarthermischer Wärmeerzeugung sind zum einen eine ausreichende Anlagengröße (Skaleneffekt) und zum anderen eine einfache, zeitsparende und kostengünstige Montagetechnik (siehe FAQ 3.7). Alternativen sind hier die Montage von Kollektorfeldern auf Gebäudedächern oder die Nutzung von Freilandflächen. Obwohl in den letzten Jahren auch für die Dachintegration bzw. Dachmontage von Kollektoren hochwertige Systemtechnik entwickelt wurde, sind die Kosten für die Realisierung von Kollektorfeldern bei Freiflächenanlagen im Vergleich deutlich geringer. Die kosteneffiziente Realisierung großer Freiflächen-Kollektorfelder mit mehreren 10 000 m² Kollektorfläche ist daher für die künftige Entwicklung der solaren Fernwärme essenziell. Die zusätzliche Nutzung ausreichend großer und geeigneter Gebäudedächer stellt eine sinnvolle Ergänzung dar. Die Eignung der Gebäudedächer ist hierbei stets zu prüfen (z.B. ausreichende Dachstatik). Im Vergleich zu Strom erzeugenden Photovoltaikmodulen zeigen Solarthermiekollektoren eine wesentlich geringere Empfindlichkeit auf kleinere Verschattungen. Es empfiehlt sich entsprechend den lokalen Gegebenheiten die Flächennutzungsprioritäten von Solarthermie- und Photovoltaikanlagen in Bezug auf ortsnahe Frei- und Gebäudeflächen zu betrachten. 10 3.2 Wieviel Landfläche ist zur Aufstellung einer bestimmten Kollektorfläche erforderlich? S) Der jährliche Solarertrag ist am größten, wenn die Solarkollektoren nach Süden ausgerichtet sind und sich die einzelnen Kollektorreihen nicht oder nur in den strahlungsarmen Wintermonaten verschatten. Eine kleinere Abweichung von der Südausrichtung bringt kaum Ertragseinbußen. Je nach Systemeinbindung und dem gewünschten Deckungsanteil ergibt sich die beste Ausrichtung und Neigung (Aufstellwinkel gegen die Horizontale) der einzelnen Kollektoren. Diese bestimmen durch den Sonnenverlauf die Verschattung der Kollektorreihen. Hieraus ergibt sich der zu empfehlende Abstand und damit der Flächenbedarf. Die meisten auf Freiflächen realisierten Kollektorfelder weisen einen Flächenbedarf auf, der das 2-fache bis 2,3-fache der Bruttokollektorfläche beträgt. 3.3 Welche Flächen sind für eine Freiflächen-Solarthermieanlage nutzbar? H) Einschränkungen in der Flächennutzung ergeben sich aus den Planungsvorgaben auf Ebene des Landes, des Landkreises und der Kommune. Flächen, die anderen Nutzungen vorbehalten sind, sind dort festgeschrieben und begründet. Bestimmte Flächen werden darin generell ausgeschlossen wie z.B. Naturschutzgebiete während andere unter einem Abwägungserfordernis eingestuft werden wie z.B. Landschaftsschutzgebiete, um dort Solaranlagen zu errichten. Nach Vorgaben vieler regionaler Raumordnungsprogramme oder Landesentwicklungspläne sind in der Regel Flächen, die sich in räumlicher Nähe zu bestehenden Infrastrukturen wie z.B. Autobahnen, Bahnschienen oder Gewerbegebieten befinden bevorzugt zu nutzen. Eine kurze Anbindelänge zum Wärmenetz ist in diesen Bereichen in den meisten Fällen allerdings nicht der Fall und individuell abzugleichen. Konversionsflächen wie u.a. Kiesgruben oder alte Kohlelager sind meistens auch als Vorzugsflächen genannt und teils ohne langes Bebauungsplanverfahren umsetzbar. Falls in den Flächennutzungsplänen (Sonderbaufläche/Sondergebiet „Solarenergie“) oder in B-Plänen (Sondergebiet „Solaranlagen“ oder „Solarthermie“) schon Flächen festgeschrieben sind, können diese genutzt werden. Daneben empfiehlt sich die Nutzung von Flächen, deren festgeschriebene Nutzung mit der Solarthermie vereinbar ist wie » Gewerbegebiete: Zulässig gem. § 8 BauNVO » Industriegebiete: Zulässig gem. § 9 BauNVO 11 Auf Grund der hohen Bodenpreise in Gewerbe- oder Industriegebieten und fehlender aktiver Entwicklung von Flächen zur Energieerzeugung ist in der Regel ein B-Plan Verfahren nötig. Damit ein B-Plan Verfahren möglichst ohne unerwartete Verzögerungen durchlaufen werden kann, empfiehlt es sich, als Projektträger frühzeitig mit den entsprechenden Behörden in Kontakt zu treten und bestenfalls mit der Kommune gemeinsam auf Basis einer strukturierten Flächenanalyse eine Solarstrategie zu entwickeln. Die besonderen Belange der Solarthermie wie die siedlungsnahe Umsetzung werden gemeinsam mit der Kommune erörtert und im Rahmen der Abwägungsprozesse eingeordnet. Kommunen sollten im Rahmen kommunaler Klimaschutzbemühungen Flächen zur Energienutzung aktiv im Rahmen der Flächenplanung ausweisen. Eine strukturierte Flächenanalyse gemeinsam mit dem Projektträger der Solarthermie bietet einen guten Auftakt, um die Flächenplanung “von der Fläche zum Projekt” zu denken und klimaneutrale Versorgung mit Strom und Wärme und kommunale Flächenplanung aufeinander aufzubauen. 3.4 Wie weit kann die Freifläche vom Einbindepunkt entfernt sein? S) Jede Solarthermieanlage benötigt eine Vor- und eine Rücklaufleitung, mit der sie in die Wärmeversorgung eingebunden wird. Diese Leitungen verursachen Installationskosten sowie Wärme- und Temperaturverluste. Wird angenommen, dass der Wärmeverlust der Anschlussleitung maximal 2% eines durchschnittlichen Solarwärmeertrags betragen soll, ergibt sich ein Anhaltswert von maximal 1 km Anschlussleitungslänge je 10.000 m² Bruttokollektorfläche. 3.5 Welche Möglichkeiten zur mehrfachen Flächennutzung gibt es? H) Die Mehrfachnutzung wird oft auch als Multicodierung bezeichnet. Hierbei wird eine Fläche nicht nur zur Erzeugung solarer Wärme genutzt, sondern es besteht parallel noch mindestens eine weitere Nutzungsart. Die Art der Mehrfachnutzung lässt sich wie folgt unterscheiden: » Soziale Multicodierung: Neben der energetischen Nutzung wird auch ein sozialer Mehrwert auf oder angrenzend zu der Fläche geschaffen. Die Ausgestaltung kann dabei je nach lokalen Anforderungen oder Wünschen sehr unterschiedlich ausfallen. In dicht bebauten Bereichen kann z.B. ein angrenzender Bürgerpark zur Naherholung angelegt werden, der neben der Fläche Freiraum bietet. In Solarparks in Randbereichen der Stadt können Natur- 12 oder Energielehrpfade mit Aussichtsplattformen kombiniert werden, um den Park für Ausflüge oder Lehrfahrten attraktiv zu gestalten. » Ökologische Multicodierung: Bei der ökologischen Multicodierung liegt der Fokus darauf die Fläche rund um und ggf. unter den Modulen möglichst wertvoll für Flora und Fauna zu gestalten. Was genau eine wertvolle Gestaltung ausmacht, ist an die Gegebenheiten und bestehenden Lebensräume vor Ort anzupassen möglichst in gemeinsamer Abstimmung mit den lokalen Behörden zu entwickeln. Kleinteilige Habitate lassen sich u.a. durch Totholzhaufen oder sandige Böschungen gestalten. Durch die Anlage von Tümpeln oder Teichen können Feuchtbiotope geschaffen werden. Hier gilt es die lokalen Anforderungen und Möglichkeiten früh in die Planung einzubinden und die Planung an den gewünschten ökologischen Zielzustand der Flächen auszurichten. » Landwirtschaftliche Multicodierung: Ein zusätzlicher landwirtschaftlicher Nutzen kann z.B. durch die Schafsbeweidung der Flächen zwischen den Modulen erreicht werden. Die natürliche Art der Mahd bringt viele Vorteile mit sich. Durch die im Vergleich zur maschinellen Bearbeitung der Flächen eher unregelmäßige Mahd, bleibt das Blütenangebot durchgehend erhalten. Über das Fell, die Klauen und den Kot verteilen die Schafe die Diasporen der Pflanzen. Damit sich Schafe und Lämmer nicht den Modultischen verletzen können, ist schon in der Planungsphase darauf zu achten, dass keine scharfen Kanten gelassen werden. Wird ein ausreichender Abstand zwischen den Modulreihen geplant (ca. 6m) können die Flächen zwischen den Reihen auch weiterhin mit großen Maschinen bewirtschaftet werden. Bei der Verwendung kleinerer Maschinen kann der Abstand entsprechend verringert werden. Die Arten der Multicodierung sind in der Umsetzung keineswegs strikt voneinander getrennt oder schließen sich gegenseitig aus, sondern sollten immer in bestmöglicher Kombination miteinander gedacht und umgesetzt werden. 3.6 Kann die Fläche mehrfach zur Wärmeerzeugung genutzt werden (z.B. zusätzlich für ein Wärmepumpen-Sondenfeld)? A) Sowohl Solarthermiefelder als auch oberflächennahe Geothermie-Sondenfelder für Wärmepumpen sollten bevorzugt ortsnah zum Wärmenetz liegen. Generell bietet eine solche Doppeltnutzung der Freifläche eine interessante Synergie bei kombinierter Nutzung von Solarthermie und Wärmepumpen für die Wärmeerzeugung. Größere, vorwiegend zum Heizen genutzte Erdwärmesondenfelder sollten über die Sommermonate regeneriert werden, was z.B. durch eine Solarthermieanlage erfolgen kann. Das Konzept wurde in Deutschland bisher noch nicht realisiert und erprobt. 3.7 Wie werden Kollektorfelder auf Freiflächen errichtet? A) Für die Errichtung von großen Kollektorfeldern sind geeignete Unterkonstruktionen (i.d.R. Stahl oder Aluminium) und Montagesysteme zur Aufnahme von Kollektor-Großmodulen 13 marktverfügbar. Eine Fundamentierung im Boden dient im Wesentlichen zur Aufnahme von Wind- und Schneelasten auf dem Kollektorfeld und wird meist als Rammfundamentierung (eingerammte Stahlprofil-Stützen) realisiert. Lässt die Bodenbeschaffenheit keine Rammfundamentierung zu (weicher oder felsiger Boden, Deponieflächen), kann die Fundamentierung über vorgefertigte Betonfundamente erfolgen. Die Montage ist in beiden Fällen reversibel, d.h. die Bodenbeschaffenheit kann zu einem späteren Zeitpunkt wieder vollständig hergestellt werden. Es findet keine bzw. im Fall von Betonfundamenten nur eine geringfügige Bodenversiegelung statt. 3.8 Wie gehe ich bei der Suche und Entwicklung von Freiflächen vor? H) Im ersten Schritt erfolgt eine Bestandsaufnahme der planerischen Vorgaben auf Landes- und Regionalebene und ggf. bestehender Voruntersuchungen. Auf kommunaler Ebene ist der Flächennutzungsplan zu betrachten. Auf Basis der Vorgaben sind die entsprechenden Layer und Daten (häufig öffentlich verfügbar, ggf. zusätzliche Daten bei Kommune erfragen) möglichst in einem Geoinformationssystem darzustellen und mit den Netzeinschränkungen und -anforderungen zu verschneiden. Über die Vorgaben der Ausschluss-, Abwägungs- und Positivbereiche auf Basis der Bestandsaufnahme kann eine Priorisierung in unterschiedliche Bereiche erfolgen, um darzustellen wo die raumplanerischen Widerstände am geringsten sind und möglichst Positivbereiche (i.d.R. in der Nähe von bestehenden räumlich relevanten Infrastrukturen) durch die Anlagenplanung belegt werden. In Ausschlussbereichen ist die Umsetzung nach den Vorgaben der Flächenplanung ausgeschlossen und kann nicht weiterverfolgt werden. In Bereichen, die einem Abwägungskriterium unterliegen, ist die Umsetzung nicht ausgeschlossen, allerdings liegen in diesem Bereich andere Belange vor wie z.B. Landschaftsschutzbereiche. Diese führen nicht zum Ausschluss, sollten aber aufgenommen werden, um abzubilden, dass in diesen Bereichen keine priorisierte Umsetzung erfolgen sollte. Über die Positivbereiche soll eben dieser Bereich der priorisierten Umsetzungen erfasst werden. Die Ergebnisse sind im Dialog mit dem Stadtplanungsamt bezüglich der Stadtentwicklung zu diskutieren. Zusätzlich sollte der Austausch mit den lokalen Naturschutzverbänden gesucht werden, um das lokale Wissen bezüglich besonders schützenswerter Bereiche in die Untersuchung aufzunehmen. Technisch-wirtschaftliche Vorgaben zur Netzeinbindung und die möglichen Entfernungen zum nächsten Einspeisepunkt bilden die Grundlage zur Machbarkeit der Umsetzung. Am Ende steht die Akquisefähigkeit der Fläche. Gibt es kein Interesse oder 14 keine Möglichkeit seitens der Flächenbesitzenden, die Fläche zu verkaufen oder zu verpachten, muss auf Flächen mit geringerer Priorisierung zurückgegriffen werden. 4 Umweltbelange 4.1 Wie ist eine naturnahe Gestaltung von Freiflächenanlagen möglich? H) Zur ökologischen Gestaltung von Freiflächenanlagen gibt es inzwischen mehrere erprobte Mittel. Der Einsatz von heimischem Saatgut (Gräser, Kräuter, Wildblumen) auf der Fläche der Anlage fördert beispielsweise nicht nur Pflanzen- sondern auch Insektenvielfalt, bietet zudem Nahrungsquellen für weitere Tiere und ermöglicht die Vernetzung von Biotopen. Das Einbeziehen von Einzelelementen wie Totholz, Steinhaufen oder Ähnlichem kreiert wichtige (Teil-)Lebensräume, die für verschiedene Tierarten für Nahrung, Fortpflanzung, Unterschlupf etc. von Bedeutung sind. Hierbei ist auf die Verwendung von ortsheimischen Materialien zu achten. Bei der Wahl von Modulhöhe und –abstand sollten ökologische Aspekte wie Beschattung von Pflanzen oder ggf. Zugang für beweidende Schafe mitgedacht werden. Auch die durch den Bau entstehenden Unebenheiten des Geländes (Reifenspuren, Aushebungen etc.) könnten genutzt werden für Pionierstadien, in denen sich Wasser ansammeln kann. Kleine Gewässerstrukturen dieser Art sind allgemein ein wichtiger Lebensraum für Amphibien und Reptilien und die Inklusion solcher Teilbiotope innerhalb von Freiflächenanlagen kann somit potenziell den ökologischen Wert der Fläche heben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass diese an Lebensräume dieser Tierarten angeschlossen sind. Sofern die Anlage von naturnahen Biotopen umgeben ist, ist es sinnvoll die Freiflächenanlage mit entsprechenden Trittsteinbiotopen an diese anzuschließen z.B. in Form von Hecken, Gräben oder Wiesen. 4.2 Wie integrieren sich Anlagen gut in die Landschaft? H) Die Gestaltung der Fläche kann dazu beitragen, die Anlage gut in die Landschaft zu integrieren. Eine Einhegung um das Gelände kann den optischen Effekt zusätzlich verringern. Hecken können zusätzlich als Nahrungshabitat oder Nistplatz genutzt werden. Ziel ist es, die Anlage in die vorhandene Struktur einzubinden. Besonders in den siedlungsnahen Bereichen sind bauliche Strukturen bereits vorhanden. 15 5 Netzeinbindung 5.1 Bis zu welchen Netztemperaturen kann Solarthermie eingesetzt werden? A) Bis rund 110 °C ist der Einsatz von „Standard-Technik“ sinnvoll möglich. Entscheidend sind hier die Vor- und Rücklauftemperaturen des Wärmenetzes an der Einbindestelle in der Periode von März bis Oktober. „Standard-Technik“ umschreibt hierbei die marktverfügbare Flachkollektor- und Vakuumröhren-Systemtechnik für große Kollektorfelder, die speziell für die Einbindung in Wärmenetze entwickelt wurde. Bei höheren Netztemperaturen sind konzentrierende Kollektoren wie z.B. Parabolrinnenkollektoren geeignet (siehe FAQ 1.1). 5.2 Warum wirken sich niedrige Vor- und Rücklauftemperaturen günstig aus? S) Die (reale) Wärmeleistung eines Solarthermiekollektors ist umso höher, je höher die solare Einstrahlung und je geringer seine Betriebstemperatur ist. Hierbei wirken mehrere physikalische Effekte zusammen. Leicht nachvollziehbar ist dies, wenn folgender Vergleich betrachtet wird: ist die Netzrücklauftemperatur, die der Solarkollektor erwärmen kann, mit z.B. 40 °C gering, ist dies auch bei geringer solarer Einstrahlung möglich. Muss der Solarkollektor z.B. 90 °C warmes Wasser erwärmen, benötigt er eine wesentlich höhere Leistung und damit hohe solare Einstrahlung. In diesem Fall kann an strahlungsärmeren Tagen kein solarer Wärmeertrag erzielt werden. Bei hohen Temperaturen ist eine höhere Wärmeleistung notwendig, da die Wärmeverluste eines Solarthermiekollektors gegenüber der Umgebung bei hohen Betriebstemperaturen höher sind als bei tieferen. Vakuumröhrenkollektoren zeigen hierbei eine geringere Empfindlichkeit als Flachkollektoren. Kann der Solarkollektor den Netzrücklauf um z.B. 5 K vorwärmen, ist daher ein höherer jährlicher Solarertrag erzielbar als bei einer notwendigen Erwärmung auf Netzvorlauftemperatur. Diese hydraulischen Einbindevarianten können den erzielbaren jährlichen Solarwärmeertrag maßgebend beeinflussen (mehrere 10%). Wie viel mehr Ertrag erhalte ich, wenn ich meine Rücklauftemperatur um 1 Kelvin senke? Dieser Wert kann je nach hydraulischer Einbindung, Regelungskonzept und Kollektorprodukt deutlich variieren. Bei gängigen Anlagenkonzepten kann grob von einem Mehrertrag von 3 bis 5 kWh/a je m² Bruttokollektorfläche ausgegangen werden, wenn die Rücklauftemperatur zum Kollektor um 1 Kelvin abgesenkt wird und die Solarthermieanlage im Vorwärmbetrieb arbeiten kann. 16 5.3 Ist eine stabile Versorgung bei fluktuierender Einstrahlung möglich? S) Eine Solarthermieanlage kann nur dann Wärme erzeugen, wenn die Sonne scheint und die Wärmeerzeugung ist umso höher, je stärker die solare Einstrahlung ist. Durch die Einbindung eines Wärmespeichers kann die solar erzeugte Wärme zwischengespeichert werden und entsprechend den Anfordernissen der Versorgung in das Wärmenetz abgegeben werden. Bei einer dementsprechenden Dimensionierung und Systemeinbindung von Solarkollektorfeld und Wärmespeicher ist eine stabile Versorgung sichergestellt. 5.4 Wie wirkt sich die fluktuierende Leistung auf das Wärmenetz aus? S) Eine Solarthermieanlage kann nur die Leistung weitergeben, die durch die Sonne eingestrahlt wird. Die Wärmekapazität des Kollektorfeldes mindert dabei schon einen Teil der Dynamik. Ist ein Wärmespeicher zwischen dem Kollektorfeld und der Einbindestelle in das Wärmenetz integriert, kann dieser je nach seiner Größe die fluktuierende Leistung schwächen oder sogar glätten. Bei einer direkten Einbindung der Solarthermieanlage in ein Wärmenetz („dezentral“) ist nicht nur die variierende Leistung zu betrachten, sondern auch die ggf. vorhandene Notwendigkeit, die Einspeisetemperatur im engen Rahmen konstant zu halten. Hierzu wurden mehrere Konzepte für eine Einspeisestation entwickelt und in einer Piloteinbindung im Netz der Stadtwerke Düsseldorf untersucht [Forschungsvorhaben SWD.SOL 2018, SWD.SOL2 2022]. Es zeigte sich, dass eine detailliert auf die Einbindesituation angepasste Parametrierung der Regelparameter die Einspeisung der Solarwärme im engen Rahmen der Netzerfordernisse halten kann. Bei einer Einbindung der Solarthermieanlage auf Seite der Wärmeerzeugung („zentral“) können fluktuierende Leistungen und erzeugte Solar-Vorlauftemperaturen meist einfach innerhalb des Erzeugerparks passend für das Wärmenetz ausgeregelt werden. Referenzen: SWD.SOL 2018: SWD.SOL – Dezentrale Einbindung von Wärme aus erneuerbaren Energien in das KWK-Fernwärmesystem der Stadtwerke Düsseldorf AG SWD.SOL2 2022: Evaluierung der dezentralen Einbindung von solarer Wärme in das KWK-Fernwärmesystem der Stadtwerke Düsseldorf AG 17 5.5 Welche Möglichkeiten der Einbindung gibt es bei größeren FW-Netzen? S) Unabhängig von der Größe des Fernwärmenetzes können Solarthermieanlagen auf vielfältige Weise in Wärmenetze eingebunden werden. Folgende Einbindearten werden grundsätzlich unterschieden: » Zentrale Einbindung: Die Solarthermieanlage wird auf der Seite der Wärmeerzeugung in eine Heizzentrale eingebunden. » Dezentrale Einbindung: Die Solarthermieanlage wird in einen Strang des Wärmenetzes eingebunden, entfernt von zentralen Wärmeerzeugern. Die Einbindung kann mit oder ohne Wärmespeicher an der Einbindestelle erfolgen. Weiter wird unterschieden, wie die Solarthermieanlage in den Rücklauf-Vorlauf-Kreislauf eingebunden ist und welche Rolle sie im Zusammenhang mehrerer Wärmerzeuger spielt: » Rücklauf-Vorlauf-Einbindung: die Solarthermieanlage erhält die Rücklauftemperatur des Wärmenetzes und erwärmt diese auf die Vorlauftemperatur. Die Regelung der Solarthermieanlage muss hierbei alle Dynamiken der solaren Einstrahlung und des Massenstroms auf der Wärmenetzseite ausregeln. » Rücklauf-Rücklauf-Einbindung: die Solarthermieanlage erhält die Rücklauftemperatur des Wärmenetzes und erhöht diese um einen Mindestwert, z.B. um mindestens 5 K. Dieser vorgewärmte Rücklauf wird durch einen weiteren Wärmeerzeuger weiter erwärmt oder in einem Wärmespeicher gespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt durch die Solarthermieanlage weiter erwärmt. Diese Einbindung führt bei sonst gleichen Randbedingungen zu einem höheren Solarwärmeertrag als die Rücklauf-Vorlauf-Einbindung. » Manche der realisierten Solarthermieanlagen können die Einbindeart je nach Strahlungsangebot (der Sonne) wechseln, wie z.B. die Solarthermieanlage in Senftenberg. 5.6 Mit welchen weiteren Wärmeerzeugern lässt sich Solarthermie kombinieren? A) Solarthermie trägt i.d.R. zur Deckung der sommerlichen Grundlast im Wärmenetz bei bzw. deckt diese bei ausreichender Dimensionierung vollständig. Sie liefert weiter Beiträge zur Grundlast in den Übergangszeiten und an sonnigen Wintertagen. Betriebliche und/oder wirtschaftliche Vorteile ergeben sich insbesondere bei der Kombination mit Wärmeerzeugern, bei denen ein sommerlicher Minderbetrieb Betriebskosten und / oder Emissionen reduziert (Biomasse, Wärmepumpen, BHKW, fossile Heizwerke) bzw. bei denen der sommerliche Teillastbetrieb ineffizient oder nicht möglich ist (Biomasse). Ebenso ist eine 18 Kombination mit anderen Grundlasterzeugern möglich, wenn deren Leistung den sommerlichen Bedarf nur anteilig deckt. Durch große Fernwärmespeicher wird die Solarthermie mit höheren Deckungsanteilen und über längere Zeiträume grund- und mittellastfähig. Der kombinierte Betrieb mit anderen Grundlasterzeugern wird hierdurch flexibilisiert und möglich. Eine Gesamtoptimierung der Wärmeerzeugung erfolgt über die Jahresdauerlinie und mit speziellen Berechnungsprogrammen, welche für die Berechnung der Solarerträge und die Abbildung der Speicherkapazitäten geeignet sind. Ggf. sind netzhydraulische Betrachtungen von Netzabschnitten erforderlich. 6 Auslegung und Ertrag 6.1 Welchen Wärmeertrag und welche Leistung erbringt eine Solarthermieanlage? S) Die Wärmeleistung und der Wärmeertrag einer Solarthermieanlage hängt vom Produkt, der solaren Einstrahlung, der Einbindeart und von den Betriebstemperaturen ab. Letztere haben einen großen Einfluss, da der Wirkungsgrad von Solarthermieanlagen mit steigenden Betriebstemperaturen sinkt. Daher können keine festen, technologiespezifischen Werte für den Wärmeertrag angegeben werden. Es gilt, dass mit zunehmendem solaren Deckungsanteil am jährlichen Gesamtwärmebedarf die Betriebszeiten zunehmen, an denen die Solarthermieanlage hohe Betriebstemperaturen erreicht. Daher sinkt bei sonst gleichen Randbedingungen der jährliche Wärmeertrag je Quadratmeter Kollektorfläche mit zunehmendem solaren Deckungsanteil. Die Abhängigkeit des Wärmeertrages von mehreren Parametern erfordert eine Auslegung der Solarthermieanlage durch Berechnungs- oder Simulationsprogramme. Diese geben den zu erwartenden jährlichen solaren Wärmeertrag, den solaren Deckungsanteil etc. aus. Für Solarthermieanlagen mit jährlichen Deckungsanteilen bis 15 %, durchschnittlicher solarer Einstrahlung und sommerlichen Betriebstemperaturen im Wärmenetz von rund 55 °C Rücklauf und rund 80 °C Vorlauf ergeben sich jährliche, nutzbare Wärmeerträge zwischen rund 430 und 500 kWh je m² Bruttokollektorfläche und Jahr, je nach Kollektorprodukt und Standort. 19 6.2 Welche solaren Deckungsanteile lassen sich erreichen? S) Solarthermieanlagen können durch die Variation der Kollektorfeldgröße und des Wärmespeichervolumens auf eine große Bandbreite von solaren Deckungsanteilen am jährlichen Gesamtwärmebedarf ausgelegt werden. Solaranlagen, die auf Vorwärmung ausgelegt sind, erreichen Deckungsanteile von 3 bis 5%. Bei einer Vergrößerung der Kollektorfläche und der Einbindung eines Pufferspeichers kann die Solarthermieanlage über die Sommermonate die Wärmeerzeugung vollständig übernehmen. Je nach Jahreslastverlauf werden solare Deckungsanteile um die 15% erreicht. Solaranlagen mit saisonalem Wärmespeicher können Deckungsanteile bis nahezu 100% erreichen. Der Investitions- und Installationsaufwand steigt mit zunehmendem solaren Deckungsanteil überproportional an. Die größten bis jetzt in Europa realisierten solaren Deckungsanteile für Anlagen in Wärmenetzen liegen bei 50 bis 70 % des jährlichen Gesamtwärmebedarfs. 6.3 Mit welchem Wärmeertrag je Hektar Landfläche kann man rechnen? S) Wie in FAQ 6.1 und 6.2 beschrieben, hängt der Wärmeertrag einer Solarthermieanlage stark von den Betriebsbedingungen der Anlage ab, insbesondere von den Betriebstemperaturen, der solaren Einstrahlung und dem anvisierten solaren Deckungsanteil. Für Solaranlagen mit jährlichen Deckungsanteilen von 5 bis 15%, durchschnittlicher solarer Einstrahlung und sommerlichen Betriebstemperaturen im Wärmenetz von rund 55 °C Rücklauf und rund 80 °C Vorlauf ergeben sich jährliche, nutzbare Wärmeerträge zwischen rund 2 und 2,5 GWh je Hektar Bodenfläche und Jahr, je nach Kollektorprodukt und Standort. 6.4 Wie funktionieren Verfahren zu Ertragsgarantie? A) Ertragsgarantien werden i.d.R. zwischen dem Anlageneigner und dem Lieferunternehmen im Rahmen der Auftragsvergabe vereinbart. Sie sichern dem Anlageneigner eine vereinbarte Mindest-Leistungsfähigkeit der Solarthermieanlage zu bzw. verpflichten das Lieferunternehmen zu Ersatzzahlungen bei Nichterreichen der vereinbarten Leistungsfähigkeit. In der Praxis finden zwei Verfahren Anwendung. Garantie auf den eingespeisten solaren Nutzwärmeertrag: Das Lieferunternehmen garantiert einen absoluten jährlichen Ertrag, der sich aus den der Anlagenausschreibung zugrundeliegenden Angaben (z.B. Referenzwetterdatensatz und Lastdaten) abzüglich eines Sicherheitsabschlags ergibt. Der reale Ertrag wird dann an vereinbarter Stelle und über einen 20 vereinbarten Zeitraum (z.B. fünf Jahreszeiträume ab Inbetriebnahme) gemessen und dem garantierten Ertrag gegenübergestellt. Dieses Verfahren lässt i.d.R. Schwankungen in der jährlichen solaren Einstrahlung unberücksichtigt. Diese können bei über plusminus 10 % liegen. Garantie nach Leistungskurve: Bei diesem Verfahren basiert die Ertragsgarantie auf einer garantierten Leistungskurve für das gesamte Kollektorfeld einschließlich der Anbindeleitung, interner Verrohrung und Wärmeübertrager. Sowohl die Ertragsgarantie als auch zwei Verfahren zu deren Überprüfung sind in einer internationalen Norm ISO 24194:2022 beschrieben. Die Verfahren basieren entweder auf mehreren Kurzzeitmessungen von je einer Stunde oder mehrere Messungen über je einen Tag. Die aufgeführten Garantiebedingungen gelten ab der Inbetriebnahme der Solarthermieanlage für einen vereinbarten Zeitraum (z.B. ebenfalls fünf Jahre ab Inbetriebnahme). Mit dem Verfahren nach ISO 24194 kann die Garantie einmal jährlich überprüft werden. Hinweis: AGFW FW 316 - Empfehlungen für die Ausschreibung von Freiflächen-Solarthermieanlagen zur Einbindung in Wärmenetze in Kombination mit der Abgabe solarer Ertragsgarantien, AGFW, 2022 7 Wirtschaftlichkeit 7.1 Wie hoch sind die Investitionskosten für Solarthermieanlagen? A) Die Investitionskosten für eine Solarthermieanlage zur Einbindung in ein Wärmenetz umfassen das Kollektorfeld, die Anlagentechnik der Solarthermieanlage, den Wärmespeicher, die Anlagentechnik zur Anbindung an das Wärmenetz, die elektrische Anbindung und MSR-Technik, Planungs- und Baukosten. Die Investitionskosten sind stark von der Anlagengröße und den projektspezifischen Randbedingungen abhängig (z.B. Erforderlichkeit eines Wärmespeichers oder einer Technikzentrale) und sollten durch ein Indikativangebot bei Anbietern angefragt werden. Anhaltswerte für die Gesamtinvestition (Stand 2020) bewegen sich je nach verwendeter Technik und Anlagengröße zwischen 250 und 480 €/m² Bruttokollektorfläche [Thamling 2020] Die Berücksichtigung der Landkosten ist in FAQ 7.4 erläutert. Die spezifischen Investitionskosten sind bei in Wärmenetzen eingebundenen Großanlagen wesentlich geringer als bei Solarthermieanlagen auf Einzelgebäuden. 21 Referenz: Thamling 2020: Thamling et al., Perspektive der Fernwärme, Prognos AG und HIC Hamburg Institut Consulting GmbH, im Auftrag des AGFW | Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e. V., 2020] 7.2 Wie hoch sind die Kosten für Betrieb und Instandhaltung einer Solarthermieanlage? A) Die Wartung und Instandhaltung umfassen Sichtprüfungen der Anlage, die Prüfung der Wärmeträgerflüssigkeit (selten), die Pflege des Geländes sowie die Wartung und Instandhaltung der Anlagentechnik der Heizzentrale im gängigen Umfang. Die Wartungs- und Instandhaltungskosten können mit 0,7 % der Gesamtinvestition als jährliche Kosten angesetzt werden. Für die anfallenden Stromkosten kann der Strombedarf der Gesamtanlage mit rund 1 bis 1,5 % der erzeugten Wärmemenge angenommen werden. Die spezifischen Stromkosten sollten entsprechend der unternehmensspezifischen Bezugs- oder Eigenerzeugungskonditionen angesetzt werden. Als weitere jährliche Kosten sind Kosten für Versicherungen und ggf. Landpacht (siehe Link zu FAQ 7.4) sowie der Kapitaldienst für die Investition zu berücksichtigen. Quelle: Praxisleitfaden Solarthermie, März 2021, AGFW 7.3 Welche Wärmegestehungskosten werden erreicht? A) Die Gestehungskosten für die Solarwärme berechnen sich aus den Investitionskosten (siehe FAQ 7.1), den jährlichen Kosten (siehe FAQ 7.2) und dem Jahresertrag (siehe FAQ 6.1) unter der Annahme einer Lebensdauer von 25 Jahren für die Solarthermieanlage und eines unternehmensspezifischen kalkulatorischen Zinssatzes. Es können Wärmegestehungskosten von 55–60 €/MWh vor Förderung erzielt werden (5 % kalkulatorischer Zinssatz, ohne Kosten für die Landfläche, entspr. Berechnungsbeispiel im AGFW-Praxisleitfaden Solarthermie). Die Wärmegestehungskosten sind über die Lebensdauer der Solarthermieanlage weitgehend konstant, da sich ein hoher Anteil von der anfänglichen Investition ableitet. Die Solarthermie bietet somit ein geringes Investitionsrisiko und verringert die Abhängigkeit von Brennstoffkosten und -verfügbarkeiten. Quelle: Praxisleitfaden Solarthermie, März 2021, AGFW 22 7.4 Wie werden die Kosten für die Landfläche berücksichtigt H) Die Kosten für die Pacht oder den Kauf von Flächen können nicht pauschal beurteilt werden, sondern sind stark von den lokalen Bodenpreisen abhängig. Indikatoren für weniger hohe Preise können u.a. geringe Bodenzahlen sein, die auf geringere landwirtschaftliche Erträge der Flächen hinweisen. Auch Bereiche in Wasserschutzgebieten, die Auflagen für die Bewirtschaftung des Bodens wie z.B. den Düngemitteleinsatz enthalten, können sich preislich vorteilhaft auswirken. Da die Flächen zur solarthermischen Nutzung in starker Konkurrenz zur Photovoltaiknutzung stehen, sind die Kosten auch immer davon abhängig wie attraktiv eine Fläche für die Photovoltaiknutzung ist. Sind PV-Flächen nach EEG förderfähig wie z.B. entlang von Autobahnen oder Schienenwegen können meist höhere Pachtpreise gezahlt werden, da die Vergütung des erzeugten Stroms gesichert ist. Auf diesen Flächen können die Pachtpreise auf Grund der besonderen wirtschaftlichen Eignung höher ausfallen als in Bereichen, die nicht nach EEG förderfähig sind. Wenn der Pachtpreis für den/die Besitzer*in das alleinige Entscheidungskriterium ist, muss der Pachtpreis für die solarthermische Nutzung entsprechend höher ausfallen als bei einer geförderten Photovoltaiknutzung. 7.5 Welche Fördermöglichkeiten für Solarthermieanlagen gibt es? A) Es gibt auf Bundes- und Landesebene eine Vielzahl von Förderprogrammen, die zum Bau von Solarthermieanlagen in Verbindung mit Wärmenetzen in Anspruch genommen werden können. Einige dieser Förderprogramme zielen direkt auf die Nutzung und Anwendung solarthermischer Anlagen im Bereich der Fernwärme (z.B. Bundesförderprogramm für effiziente Wärmenetze, BEW). Andere Förderprogramme zielen auf Wärmesysteme ab, bei denen die Solarthermieanlage als ein Bestandteil einer systemischen Förderung bezuschusst werden kann. Dies betrifft vor allem die Förderung über das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG). Die Programme und ihre jeweiligen Konditionen unterliegen fortlaufenden Änderungen und sind über einschlägige Förderportale gelistet. Genannt sind hier mit dem jeweiligen Verweis: » Bundesförderung Effiziente Wärmenetze (BEW): Internetseite des BAFA » Bonus für innovative erneuerbare Wärme sowie Ausschreibungen der innovativen Kraft-Wärme-Kopplung (KWKG 2020, KWKAusV). 23 8 Projektentwicklung 8.1 Welche Phasen sind bei der Projektentwicklung zu berücksichtigen? H) Die Projektentwicklung solarthermischer Freiflächenanlagen gliedert sich i.d.R. in folgende Phasen: Flächenanalyse und Flächenakquise (ca. 4-8 Monate) Genehmigungsphase (ca. 15-24 Monate) a. Planungsanstoß durch z.B. Vorhabensträger b. Frühzeitige Behördenbeteiligung c. Aufstellungsbeschluss (förmliche Einleitung des Verfahrens) d. Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung (Beteiligung auf Basis eines Vorentwurfs) e. Abstimmung mit Behörden und Trägern öffentlicher Belange f. Öffentliche Auslegung des Planentwurfs (ein Monat) g. Feststellung des Bebauungsplans h. Bauantrag und Erteilung Baugenehmigung Bau und Inbetriebnahme (ca. 5-6 Monate) 8.2 Welche Genehmigungen und Gutachten sind einzuholen? H) Je nach örtlicher Situation können folgende Gutachten gefordert werden: » Blendgutachten (i.d.R. wenn Projekt in Straßennähe) » Statikgutachten / Baugrundgutachten » Versickerungsgutachten » Umweltverträglichkeit bzw. Umweltuntersuchungen unterschiedlicher Fachrichtungen (z.B. Prüfung der Verwendung von Glykol) » Faunistische Betrachtung und Biotopkartierung (Erfassung im Planungsgebiet, Auswertung der Ermittlungsergebnisse, Beratung Ausgleichsmaßnahme oder ökologische Aufwertung) » Weitere Gutachten im Einzelfall je nach lokalen Anforderungen im Plangebiet 8.3 Welche lokalen Akteure sind einzubinden? H) Als wichtige lokale Akteur*innen neben den Behörden sind im Allgemeinen einzubinden: 24 » Im Rahmen der Initiation / Projektidee: Akteure innerhalb der Kommunalverwaltung und Kommunalpolitik (Umwelt-, Klimaschutz-, Stadtplanungs- und Bauamt, Beschaffungs- und Wirtschaftsdezernat, (Ober-)Bürgermeister*in, Kämmerer/Kämmerin, Gemeinderats-mitglieder und -fraktionen etc.) » (lokale) Naturschutzverbände im Rahmen der frühzeitigen informellen Flächenanalyse » Landwirtschaftsverbände im Rahmen der Flächenakquise » Lokale Klimagruppen im Rahmen der öffentlichen Diskussion und Notwendigkeit von EE-Flächen in der Kommune » Stadtwerke, kommunale Eigenbetriebe oder lokale / regionale Bürgerenergiegenos-senschaften als Errichter und / oder Betreiber der Anlage » Lokale Wärmenetzbetriebe wenn Betriebskonzepte diskutiert werden » Energieagenturen, um Erfahrungen aus dem Land oder dem Landkreis / der Region zu nutzen » Ankerkunden (Wärmesenken) » (kommunale) Wohnungsbaugesellschaften, Gebäudeeigentümer*innen, Industrie- und Gewerbebetriebe / -gebiete » Im Rahmen der Projektumsetzung: weitere lokale Akteure wie z. B. Handwerksbetriebe, Banken, Hochschulen, Institute, Umweltvereine, Klima-Initiativen etc. 8.4 Was können Kommunen vorbereitend tun? D) Die Durchführung einer frühzeitigen Flächenanalyse vor der konkreten Projektplanung, z.B. im Zuge der Erstellung eines kommunalen Wärmeplans, unterstützt und beschleunigt den Entscheidungsprozess. Folgenden Schritte können vorbereitend erfolgen: » Betrachtung des Flächennutzungsplans sowie der planerischen Vorgaben auf Landes- und Regionalebene, mit dem Ziel auf Basis dieser Bestandsaufnahme eine Priorisierung potenzieller Flächen für erneuerbare Energiegewinnung vorzunehmen (siehe FAQ 3.8). » Prüfung auf für die Wärmeplanung und insbesondere für die Solarthermie relevante Aspekte bereits erstellter Karten und Darstellungen, z.B. für die Stadtplanung oder für Klimaschutzkonzepte » Je nach Kommunentyp und -größe bietet es sich an, frühzeitig Kontakt zu benachbarten Kommunen aufzunehmen, um eine interkommunale Flächenanalyse zu initiieren, die entsprechende Vorteile bieten kann (Erfassung von Randbereichen, Reduzierung des Aufwands und damit auch der Kosten für die einzelnen Kommunen, mehr Flächen zur Abwägung stehen zur Verfügung). » Erstellung von Klimaschutzkonzepten (Angaben zu Klimaschutzzielen, technisch und wirtschaftlich umsetzbare Einsparpotenziale, konkrete Handlungsfelder, wie bspw. Wärme- und Kältenutzung, und Maßnahmen) » Einleitung und Durchführung einer kommunalen Wärmeplanung, u.a. zur Ermittlung der technischen Potenziale einzubindender erneuerbarer Energiequellen wie bspw. Solarthermie unter Berücksichtigung von Ausschlusskriterien (siehe FAQ 3.8)

Asma Sohail2023-08-21T09:33:59+02:00Montag, 21. August, 2023|

Freiflächen-Solarthermie in der Raumplanung – Grundsatzpapier

POLICY PAPER/GRUNDSATZPAPIER ZUR FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE IN DER RAUMPLANUNG erstellt von HIR Hamburg Institut Research und Solites im Rahmen des Projekts SolnetPlus Juli 2023 Solarthermie-Freiflächenanlagen müssen auf allen Planungsebenen ausdrücklich und zusätzlich zu Photovoltaik-Anlagen adressiert werden. Solarthermische Freiflächenanlagen können die Dekarbonisierung von Wärmenetzen sehr effektiv unterstützen, weil die Sonnenenergie durch die direkte Umwandlung zu Wärme sehr effizient genutzt wird. Durch den geringen Bedarf zusätzlicher Energieträger wie u.a. Strom können die Wärme-erzeugungskosten langfristig gering und die Wärmepreise weitgehend unabhängig von globalen Energiemärkten gestaltet werden. Dass sich die Freiflächen-Solarthermie in den vergangenen Jahren noch nicht stärker verbreitet hat, lag neben den sehr geringen Bezugskosten für fossile Brennstoffe auch an dem geringen Bekanntheitsgrad der Technik und den Hemmnissen in der Planung der Anlagen. Das Hamburg Institut hat sich in den Jahren 2022- 2023 im Rahmen des Forschungsprojekts SolnetPlus mit den Planungs- und Genehmigungshemmnissen auseinandergesetzt und die folgenden Politikempfehlungen entwickelt: 1. Solarthermie sollte in der Raumplanung auf Bundesebene Vorrang vor Photovoltaik eingeräumt bekommen. Alle Maßnahmen, die die räumliche Steuerung von Photovoltaikanlagen adressieren, sollten agen" betitelt werden, um die Solarthermie im Begriff einzuschließen. Im Rahmen der räumlichen und planungsrechtlichen Steuerung wie z.B. über das BauGB sollte bei Maßnahmen, die den Ausbau von solaren Anlagen beschleunigen, die Solarthermie gegenüber der Photovoltaik gesondert behandelt werden. Die Privilegierung von solaren Anlagen im 200 m-Korridor entlang von Autobahnen und Schienen ist klar auf die Belange der Photovoltaik ausgerichtet. Die solarthermische Erzeugung sollte als Anlage privilegiert werden, ohne räumliche Vorgaben. Solarthermische Freiflächenanlagen sollten aus wirtschaftlich-technischen Gründen möglichst nah an den Wärmeverbrauchern liegen. Im Gegensatz dazu haben Photovoltaik-Freiflächenanlagen kein derartiges Erfordernis und können weiter entfernt von den Verbrauchern liegen. 2. Bezüglich steuerlicher und erbschaftsrechtlicher Belange ist die Solarthermie mindestens im gleichen Maße wie die Photovoltaik zu adressieren. Alle Maßnahmen, die die finanzrechtlichen Aspekte von Photovoltaikanlagen adressieren, scheint. 3. Solarthermie ist in der Raumplanung auf Landesebene gesondert zur Photovoltaik zu betrachten. Landesraumordnungsprogramme oder Landesentwicklungsprogramme sollten klar benennen, dass solarthermische Anlagen auch in Bereichen mit hohen räumlichen Widerständen nicht generell auszuschließen sind. Stattdessen sind die (scheinbaren) räumlichen Widerstände unter erhöhtem Abwägungsbedarf zu prüfen oder als besonders geeignet für Solarthermie darzustellen, wenn ein Wärmenetz in der Nähe liegt oder geplant ist. Hintergrund ist, dass sich der Suchbereich für solarthermische Freiflächen stark auf die Gebiete in der Nähe zu Wärmenetzen / Siedlungsbereichen beschränkt, da die Anbindung nur unter begrenzten Leitungslängen sinnvoll umsetzbar ist. Gunstflächen bzw. besonders geeignete Flächen für die solare Nutzung sollten sich nicht nur an den Fördervorgaben des EEG (Ausrichtung an der Photovoltaik) orientieren. Stattdessen sollten sie u.a. die räumliche Vorprägung stärker in Betracht ziehen und besonders geeignete Flächen dort vorsehen, wo auch solarthermische Anlagen besonderes Umsetzungspotenzial aufweisen wie z.B. in räumlicher Nähe zu bebauten Bereichen wie Siedlungs- und Gewerbegebieten. 4. Länder und Landkreise / Regionen sollten die Kommunen bei der Flächenanalyse unterstützen und den Kommunen Potenzialatlanten zur Verfügung stellen, die die Ausschluss- und Abwägungsbereiche auf den vorgelagerten Ebenen zur kommunalen Planung abbilden. Da auf absehbare Zeit eine Vielzahl von Kommunen eine Wärme- oder Energieplanung erstellen wird, sollten die Daten der vorgelagerten Planungsebenen aggregiert bereitgestellt und laufend aktualisiert werden, um die Datenbeschaffung effizient zu gestalten und mehr Ressourcen für die Abstimmung der Konzepte und Flächen auf kommunaler Ebene zu schaffen. In Gesetzgebungsverfahren sollte darauf geachtet werden, Länder und Landkreise in dieser Aufgabe zu stützen. 5. Kommunen sollten sich aktiv in die Flächenbereitstellung und -konzeption inklusive der Kompensationsflächen einbringen. Zusätzlich zu den Projektflächen und Nutzungskonzepten, die im Rahmen einer strukturierten Flächenanalyse und begleitet durch eine Solarstrategie ermittelt werden, sollten Kompensations- bzw. Ökokontoflächen für ausgewählte (solarthermische) Projekte vorgehalten werden. Durch dieses Vorgehen kann der zeitliche Gesamtplan des Projekts gestrafft werden, wenn die Flächensuche für solarthermische Anlagen von Beginn an systematisch erfolgt. Eine weitere zeitlich nachgelagerte Suche nach Kompensationsflächen muss in diesen Fällen nicht mehr erfolgen, was die Umsetzung beschleunigt. In Gesetzgebungsverfahren sollte darauf geachtet werden, dass Kommunen in der nicht vorhabenbezogenen (Bauleit-)Planung von solaren Freiflächen gestützt und Hürden abgebaut werden. Weitere Infos zum Projekt unter: www.solare-waermenetze.de Weitere Inhalte zu Freiflächen-Solarthermie und Raumplanung auch unter: https://www.solare-waermenetze.de/solare-waermenetze/solarthermie-freiflaechen-raumplanung/ Dieses Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages unter dem Förderkennzeichen 67kf0119c gefördert.

Anna Laura Ulrichs2023-08-02T15:27:28+02:00Mittwoch, 2. August, 2023|

Klimahacks #1 Freiflächen-Solarthermie für die Wärmewende

WÄRMENETZE FÜR DIE WÄRMEWENDE Wärme macht mehr als 50 Prozent des gesamten Endener gieverbrauchs in Deutschland aus. Die Anteile erneuerba rer Energien im Wärmesektor stiegen in den letzten Jahren zwar an, mit 17,4 Prozent im Jahr 2022 ist mit Blick auf die erklärte Wärmewende aber noch viel zu tun. Vor allem die Fernwärmeerzeugung ist immer noch fossil geprägt. Erneu erbare Energien machten 2021 einen Anteil von lediglich 22 Prozent aus (dena, 2023). Die Dekarbonisierung der Fern wärme stellt also einen zentralen Baustein für eine erfolgrei che Wärme- bzw. Energiewende dar. Mit dem Bundesgesetz zur kommunalen Wärmeplanung und der GEG-Novelle (Ge bäudeenergiegesetz) zur Förderung des klimafreundlichen Heizens ab 2024 stehen zwei wichtige politische Instrumen te zum Gelingen der Wärmewende in den Startlöchern. Bei der Umsetzung dieser Aufgabe nehmen Kommunen eine zentrale Rolle ein. Je nach lokalen Rahmenbedingungen steht ihnen eine Vielzahl an erprobten und technisch aus gereiften Optionen zur Verfügung. Für Fernwärmenetze, die vor allem in dicht besiedelten Gebieten ihr Vorteile ausspie len, kommen verschiedene erneuerbare Energiequellen in Frage, z.B. Großwärmepumpen, Geothermie oder Solarther mie. Solare Wärmenetze, die mittels Freiflächen-Solarther mieanlagen Wärme aus der Sonnenstrahlung gewinnen, fin den in den letzten Jahren immer mehr Anwendung. Durch diese Art der erneuerbaren Energieerzeugung leisten sie einen großen Beitrag zur Wärmewende und damit auch zur Klimaneutralität bis 2045. / - 2 | #KLIMAHACKS: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR DIE WÄRMEWENDE Deutschland weit - gibt es in 14 von 16 Bundesländern Solarthermieanlagen für Wärmenetze Solare Wärmenetze sind eine erprobte und marktverfügbare Technologie über 50 Fernwärme-Solarthermieanlagen sind mittlerweile im Betrieb – Tendenz steigend - - - - - 100 % emissionsfrei und erneuerbar über 50 % solare Deckungsanteile sind realisierbar in Kombination mit saisonalen Speichern SOLARES WÄRMENETZ - WAS IST DAS EIGENTLICH? Klick auf den Link für mehr Infos https://t1p.de/1ypq0 WEITERFÜHRENDE LINKS News, Veranstaltungen, Erfahrungsberichte u.v.m. zu solaren Wärmenetze: https://www.solare-waermenetze.de/ Wie gelingt die Dekarbonisierung der Fernwärme? – Impulspapier der Deutsche Energie-Agentur (dena), Stand Juni 2023: https://t1p.de/j6u3h Wie funktioniert ein solares Wärmenetz? (AGFW, 2022): https://y2u.be/My4zBuhYHn0 Was ist ein Wärmenetz? (Agentur für Erneuer bare Energien (AEE), 2022): https://y2u.be/DNfWynbxwiA SOLARTHERMIE – THINK BIG 3 | #KLIMAHACKS: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR DIE WÄRMEWENDE In Deutschland versorgen bereits über 50 Solarthermiean lagen städtische Fernwärmenetze, Solarenergiedörfer oder Quartiere mit erneuerbarer Wärme – teilweise bereits seit vielen Jahren. 2022 war in diesem Zusammenhang ein Re kordjahr, da hierzulande mehr Solarthermieanlagen in Be trieb gingen als je zuvor. Vor allem ein Trend zeichnet sich in diesem Zusammenhang ab: Die Anlagen werden größer. Die Vorteile für Kommunen liegen auf der Hand, da neben dem wichtigen Beitrag zum Klimaschutz auch wirtschaftli che Aspekte eine Rolle spielen. Weil die Sonne verlässlich scheint und dafür keine Rechnung schickt, wird auch etwas für die Versorgungssicherheit getan und für stabile Ener giepreise. - - - - - Im Jahr 2022 sind gleich zwei Großanlagen in Betrieb ge gangen: Mit 13 Megawatt (MW) Leistung steht in Greifswald die derzeit größte deutsche Freiflächen-Solarthermieanla ge und in der alten Hansestadt Lemgo hat die mit 6 MW drittgrößte Anlage ihren Betrieb aufgenommen. Weitere - - Großanlagen befinden sich derzeit in der Planungs- und Genehmigungsphase, wie etwa die Anlage in Leipzig, die ab 2025 41 MW Leistung erbringen und damit ganzjährig etwa zwei Prozent des Gesamtwärmeverbrauchs von Leip zig erzeugen soll. In den Sommermonaten soll der Anteil dann rund 20 Prozent des Leipziger Fernwärmebedarfs ab decken. - - Auch beim solaren Deckungsanteil rücken die Kommunen in neue Sphären vor. Initiiert durch eine Bürgerenergiege nossenschaft soll in der nordhessischen Ortschaft Bracht eine Anlage mit einem 13.000 Quadratmeter großen Kol lektorfeld und einem knapp 27.000 Kubikmeter großen Erd becken-Wärmespeicher entstehen. Durch die Kombination von Solarthermieanlage und Wärmespeicher soll ein sola rer Deckungsanteil von fast 70 Prozent erreicht werden. Zwei Drittel der gesamten Wärme, die das Dorf benötigt, sollen also zukünftig von der Sonne lokal und emissionsfrei bereitgestellt werden. / - - - - SOLARE WÄRMENETZE IN DEUTSCHLAND – EINE ÜBERSICHT Klick auf den Link für die Detailansicht: https://t1p.de/3ypxr SOLARTHERMIE IN WÄRMENETZEN … 1. trägt als lokale und erneuerbare Energiequelle zur Versorgungssicherheit bei 2. stärkt langfristig die lokale Wertschöpfung und fördert die Identifikation von Wärmekund*innen 3. garantiert stabile Wärmekosten zwischen 40-70 €/MWh, vor Förderung 4. sorgt für Sicherheit bei den Verbraucher*innen, da Wärmekosten Jahrzehnte im Voraus berechenbar sind 5. kommt für verschiedene Betriebsmodelle in Frage: Genossenschaft, Stadtwerke etc. > https://t1p.de/ad58y 6. ist mit einer ökologischen Aufwertung der Flächen kombinierbar > https://t1p.de/q7583 - - - - - - - - - - - - - DARUM GEHT ES: 4 | #KLIMAHACKS: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR DIE WÄRMEWENDE In manchen Bundesländern (u.a. Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein) gibt es sie bereits, für alle Bundeslän der soll sie zeitnah kommen – die kommunale Wärmepla nung. Im Ergebnis erhalten Kommunen einen Fahrplan mit dem Ziel, nachhaltige Wärmeversorgungssysteme zu ent wickeln, die auf erneuerbaren Energien und ggf. Abwärme basieren. Solarthermie-Großanlagen können dabei eine wichtige Rolle spielen – sofern entsprechende siedlungsna he Freiflächen zur Energie- bzw. Wärmegewinnung ausge wiesen sind, die in ein Wärmenetz integriert werden können. Weil große Solarthermieanlagen auf eine direkte räumliche Anbindung an ein Wärmenetz angewiesen sind, stellt der Flächenbedarf die wohl größte Herausforderung dar. Die se Anlagen müssen in der Nähe von Wärmesenken, also Verbrauchern, installiert werden. Im Gegensatz zu Strom kann Wärme nicht über große Entfernungen transportiert werden, da dies zu hohen Energieverlusten und Kosten führen würde. Dachflächen sind nur begrenzt als Alternati ve geeignet, da die Kosten für die Installation auf Dächern höher sind als für große Freiflächenanlagen. Dadurch sind auch die Kosten für die produzierte Wärme höher. Die Suche nach geeigneten Flächen für solche Anlagen erfordert eine frühzeitige und sorgfältige Planung und Berücksichtigung verschiedener Faktoren. Insbesondere an siedlungsnahen Standorten steht die fehlende Verfügbarkeit von Flächen jedoch oft dem schnellen Ausbau von Freiflächen-Solarther mie entgegen. Entscheidend ist, dass Kommunen proaktiv geeignete Energiegewinnflächen suchen, identifizieren und anschließend für die Nutzung von Solarthermie reser vieren. In diesem Zusammenhang kann die kommunale Wärmeplanung als Instrument für die Planung und Auswei sung von Flächen für die Energiegewinnung genutzt wer den. Mit dieser Klimahack-Ausgabe sollen Kommunen und kommunale Akteure daher einen Überblick erhalten, was eine Kommune in Bezug auf die Flächenproblematik vorbe reitend unternehmen kann. Darüber hinaus vermittelt diese Ausgabe eine Vorstellung von den wichtigsten Schritten bei einer Projektentwicklung, zum Beispiel welche Genehmi gungen und Gutachten einzuholen und welche Akteure vor Ort einzubinden sind. / - - - FLÄCHENEFFIZIENZ VON ERNEUERBAREN ENERGIEN Photovoltaik 100 – 150 kWh/a je m2 Modul 50 – 75 kWh/a je m2 Boden Biomasse 4 – 5 kWh/a je m2 Boden Solarthermie* * bei ca. 15 % solarem Deckungsanteil am jähr lichen Gesamtwärmebedarf 400 – 500 kWh/a je m2 Modul 200 – 250 kWh/a je m2 Boden - bis zu 3,5 x effizienter je Fläche als Photovoltaik bis zu 50 x effizienter je Fläche als Biomasse FLÄCHENEFFIZIENZ VON ERNEUERBAREN ENERGIEN Erneuerbare Energiegewinnung, egal ob Strom oder Wärme, braucht entsprechende Flächen. Aber wie flächeneffizient arbeiten erneuerbare Energien? Bei einem Blick auf die Flächeneffizienz fällt auf, dass die Solarthermie im Vergleich zur Photovoltaik oder Biomasse effizienter arbeitet. Das liegt vor allem am hohen Wirkungsgrad solarthermischer Anlagen, die etwa die Hälfte der einstrahlenden Energie in nutzbare Wärme umwandeln können. Auf die Fläche bezogen arbeitet eine Solarthermieanlage etwa 3,5-mal effizienter als Photovoltaik. Im Vergleich mit Biomasse ist der Flächeneffizienzvorteil noch größer: Entsprechend der Herkunft der Biomasse ist er zwischen 20-mal (z.B. bei Kurzumtriebsgehölzen und -gräsern) bis 50-mal (z.B. bei Biogas) so groß. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Wärme gewinnung über Solarthermie eine sehr effiziente Flächennutzung darstellt. Für die Entscheidungs findung spielen aber noch weitere Faktoren wie Wirtschaftlichkeit, Umweltauswirkungen und spezi fische Anwendungsanforderungen eine wichtige Rolle. Eine integrierte Betrachtung verschiedener Faktoren ermöglicht eine umfassendere Bewertung der Energieerzeugungstechnologien. ES - - - - - - - - - - - - - - - - - FOKUS KOMMUNALE WÄRMEPLANUNG 5 | #KLIMAHACKS: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR DIE WÄRMEWENDE Das Wichtigste vorneweg: Ein kommunaler Wärmeplan ist als Fahrplan bzw. strategische Grundlage zu verstehen, der die Kommunen auf dem Weg zu einer erfolgreichen Wär mewende kontinuierlich begleitet und bei der Entschei dungsfindung unterstützt. Der kommunale Wärmeplan er möglicht es, den zukünftigen Wärmebedarf einer Kommune mit einer auf erneuerbaren Energiequellen basierenden Wärmeversorgungsinfrastruktur abzustimmen. Dadurch wird für alle Beteiligten eine sichere Planung und Investi tion gewährleistet. Darüber hinaus erhält die kommunale Bauleitplanung wichtige Erkenntnisse über den zu sichern den Flächenbedarf für die künftige Wärmeversorgung. Das verdeutlicht noch einmal, wie wichtig eine frühzeitige Flä chensuche sowie -sicherung ist. Die Umstellung auf klimafreundliche Wärme erfordert eine drastische Reduzierung des Wärmebedarfs in den Gebäu den. Es ist jedoch offensichtlich, dass auch in Zukunft noch erhebliche Mengen an Energie für Raumwärme, Warmwas ser und Prozesswärme benötigt werden. Um den Gebäude bestand klimaneutral zu machen, muss also nach und nach der Großteil dieser Energie aus verschiedenen erneuer baren Energie- und Abwärmequellen gewonnen werden. Aufgrund der begrenzten Transportmöglichkeiten von Wär me im Vergleich zu Strom ist es wichtig, diesen Transfor mationsprozess unter Berücksichtigung der lokalen Gege benheiten zu gestalten. Dabei spielen die Kommunen eine zentrale Rolle. Jede Kommune entwickelt in ihrem kom munalen Wärmeplan einen individuellen Weg hin zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung, der die örtlichen Gege benheiten bestmöglich berücksichtigt. Ein solcher Plan ist immer in einen fortlaufenden Prozess eingebettet: Er dient als strategische Grundlage, um konkrete Entwicklungspfa de zu identifizieren und die Kommune zukunftsfähig in Be zug auf die Wärmeversorgung zu machen. / - - ABLAUF DER KOMMUNALEN WÄREMPLANUNG Klicke hier für mehr Infos: https://t1p.de/yiomr KOMMUNALE WÄRMEPLANUNG Kurzgutachten Kommunale Wärmeplanung (UBA, 2022): https://t1p.de/dmmsj Handlungsleitfaden: Kommunale Wärmeplanung der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH (KEA-BW) (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirt schaft, 2020): https://t1p.de/dqf8s Leitfaden Kommunale Wärmeplanung (Klima schutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN), 2022): https://t1p.de/x8njb Kompetenzzentrum Kommunale Wärmeplanung (KWW): https://www.kww-halle.de/ ROADMAP 6 | #KLIMAHACKS: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR DIE WÄRMEWENDE WO SIND DIE FLÄCHEN? • Identifiziere geeignete Energiegewinnflächen noch vor der eigentlichen Projekt entwicklung - • Flächenanalyse durchführen durch Betrachtung des Flächennutzungsplans sowie der planerischen Vorgaben auf Landes- und Regionalebene, mit dem Ziel auf Basis dieser Bestandsaufnahme eine Priorisierung potentieller Flächen für erneuerbare Energiegewinnung vorzunehmen • Die Durchführung einer kommunalen Wärmeplanung liefert wertvolle Erkennt nisse zur Planung und Ausweisung von Flächen für die Energiegewinnung sowie zu den Potenzialen einzubindender erneuerbarer Energiequellen wie beispiels weise Solarthermie unter Berücksichtigung von Ausschlusskriterien - - • Tipp: starte mit der Flächenanalyse bereits in Vorbereitung auf die Kommunale Wärmeplanung, um nachfolgende Entscheidungsprozesse mit Blick auf die Flächenausweisung im Sinne der Solarthermie zu unterstützen • Literaturtipp: Flaschenhals Fläche – Flächenhemmnissen durch Flächenanalyse strukturiert begegnen (Solites, 2022): https://t1p.de/5b4zs WAS GIBT’S DENN SCHON? • Prüfe bereits erstellte Karten und Darstellungen auf für die Wärmepla nung und insb. für die solare Fernwärme relevante Aspekte, die im Zuge anderer Maßnahmen, z.B. für die Stadtplanung oder im Zuge eines Klima schutzkonzepts, bereits erstellt wurden - - • Ein Klimaschutzkonzept enthält beispielsweise Angaben zu den Klima schutzzielen. Es zeigt die technisch und wirtschaftlich umsetzbaren Einsparpotenziale auf und benennt konkrete Handlungsfelder, wie etwa Wärme- und Kältenutzung - - - BEI DEN NACHBARN FRAGEN Abhängig von der Kommunengröße bietet es sich an Kontakt zu benachbarten Kommunen aufzunehmen, um eine inter kommunale Flächenanalyse zu initiieren. Folgende Synergien können sich daraus ergeben: - • Erfassung von Randbereichen, da Flächen unabhängig von Gemeindegrenzen betrachtet werden • Reduzierung des Aufwands und damit auch der Kosten für die einzelnen Kommunen • Mehr Flächen zur Abwägung stehen zur Verfügung WANN BEI WEM MELDEN? Binde bestimmte Akteure sowohl intern als auch extern frühzeitig in die Planung mit ein, um Unterstützung und poten tielle Interessenskonflikte berücksichtigen zu können, vor allem mit Blick auf die Ausarbeitung von Lösungsansätzen: Phase – Projektidee • Unterstützer*innen innerhalb der Kommunalverwaltung und -politik finden: z.B. Umwelt-, Klimaschutz-, Stadtplanungs- und Bauamt, Beschaffungs- und Wirtschaftsdezernat, (Ober-)-Bürgermeister*in, Kämmerer/Kämmerin, Gemeinderatsmitglieder und -fraktionen etc.) • Regionale oder Landes-Energieagenturen kontaktieren, um Erfahrungen aus dem Land oder dem Landkreis oder der Region einzubinden • Bürgerschaft und insbesondere lokale Klima-Initiativen und Umweltvereine informieren, um Akzeptanz und Unterstützung über die Notwendigkeit von Energiegewinnflächen in der Kommune zu schaffen Phase – Flächenanalyse • Kontaktiere die verschiedenen (lokalen) Naturschutz- und Umweltverbände – weil sie zum Teil auch be- und verhindern können! Phase – Flächenakquise • Nimm frühzeitig den Kontakt zu Landwirtschaftsverbänden auf, um über geeignete Flächen in den Dialog zu treten Phase – Projektplanung • Trete auf der Suche nach dem passenden Betriebskonzept mit potentiellen Betreibern in Kontakt, z.B. Stadtwerke, kommu nale Eigenbetriebe oder lokale/regionale Bürgerenergiegenossenschaften als Errichter und/oder Betreiber der Anlage Phase – Projektumsetzung • Weitere lokale Akteure wie z. B. Handwerksbetriebe, Banken, Hochschulen, wissenschaftliche Institute etc. können bei der Projektumsetzung unterstützen 7 | #KLIMAHACKS: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR DIE WÄRMEWENDE WORAUF NOCH WARTEN? • Im Rahmen der Kommunalrichtlinie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) wird die Erstellung eines kommunalen Wärmeplans für Kommunen und kommunale Zusammenschlüsse gefördert: https://t1p.de/rnd5q Bezuschusst werden: - Ausgaben für fachkundige externe Dienstleister*innen zur Planerstellung, und/oder Organisation und Durch führung der Beteiligung von Akteur*innen sowie begleitende Öffentlichkeitsarbeit - - Wichtig: Gesetzliche verpflichtend durchzuführende Maßnahmen sind von der Förderung ausgeschlossen. Sofern jedoch Kommunen - zum Beispiel aufgrund ihrer Größe - rechtlich (noch) nicht zu einer Wärmeplanung verpflichtet sind, ist eine Förderung über die Kommunalrichtlinie möglich • Bundesförderprogramm effiziente Wärmenetze (BEW): https://t1p.de/68o10 - Direkte Förderung von 40 Prozent der Planungs- und Investitionskosten für eine Solarthermieanlage für Wärmenetze - Förderung von 50 Prozent der Kosten für die Erstellung einer Machbarkeitsstudie • Ausschreibungen der „innovativen Kraft-Wärme-Kopplung“ für Investoren/Betreiber: https://t1p.de/y889y WO GIBT’S BEREITS ERFAHRUNGEN? • Die Gemeinde Hallerndorf in Oberfranken betreibt seit über fünf Jahren ein Wärmenetz mit Sonne und Holz – ein Erfahrungsbericht: https://t1p.de/twl1x • Die Stadtwerke Bernburg an der Saale teilen ihre Erfahrungen mit dem Betrieb einer Fernwärme-Solaranlage: https://t1p.de/fj16p • Für die Stadtwerke Lemgo betreibt der Fernwärmeverband AGFW einen Blog mit Videos und Einträgen zum Bau der im Oktober 2022 fertiggestellten Solarthermie anlage: https://t1p.de/orkq4 - SONST NOCH WAS? • Diese Wissensdatenbank enthält vertiefende Informationen zu solaren Wärmenetzen, z.B. Infoblätter zu aktuellen Themen, Erfahrungsberichte und Videos von Solarthermie-Anlagen und mehr: https://t1p.de/lqy1a • Mit dem Berechnungstool „ScenoCalc Fernwärme (SCFW)“ kann der solare Nutzwärmeertrag von in Wärmenetze eingebundenen Solarthermie anlagen grob dimensioniert werden: https://www.scfw.de/ - #KLIMAHACKS MACH DEIN PROJEKT: FREIFLÄCHEN-SOLARTHERMIE FÜR DIE WÄRMEWENDE IMPRESSUM Diese Klimahack-Ausgabe ist eine Initiative im Rah men des Projekts SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. - Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH (Difu), Gereonstr. 18-32, 50670 Köln Autor: Paul Ratz Redaktion: Guido Bröer (Solarthemen), Anna Ulrichs (Solites) Gestaltung: brandtwerk Bildnachweise: Titel: Bild Landschaft mit Solaranlage: ©Guido Bröer Seite 2: Grafik: ©Solites Seite 6: Bild Lupe: ©Foto von Markus Winkler auf Unsplash Bild Telefonanruf: ©Foto von David Hahn auf Unsplash Seite 7: Bild Daumen hoch: ©Foto Sincerely Media auf Unsplash Gefördert durch: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages Alle Rechte vorbehalten. Köln 2023 Diese Veröffentlichung wird kostenlos abgegeben und ist nicht für den Verkauf bestimmt. Herausgeber Autor Redaktion Gestaltung Bildnachweise durch

Anna Laura Ulrichs2024-06-25T15:23:02+02:00Montag, 31. Juli, 2023|

Auszug aus: Energiekommune 07/23

7/23 Fernwärme mit „Phasenverschiebung“ wird zunehmend ein Thema in Kommunen SAISONALWÄRMESPEICHER Kommunale Sicht auf das aktuelle Gesetzgebungs verfahren GEG UND WÄRMEPLANUNG Veränderte Gesetzeslage zeigt bereits Wirkung WINDKRAFTREPOWERING www.energiekommune.de Foto: Junus Emre Önal, Solmax eldorf, Bracht und Hechingen haben eines gemeinsam: Alle drei Orte dürften bald zu Pilgerstätten für energiebewegte Bür ger - mei ster und Stadtwerke-Direktorinnen werden. Denn auf der Suche nach Lösungen für das große Dilemma der Wärmewende, dass nämlich Energiebedarf und erneuerbares Energie angebot jahreszeitlich stark auseinandergehen, sind diese drei Kommunen den allermeisten anderen einen großen Schritt vor aus: Sie bauen sich jeweils einen Saisonalwärmespeicher. In allen drei Fällen sind dies wassergefüllte Erdbeckenwärmespeicher, wie sie in Däne mark bereits mehrfach gebaut wurden. Bewährt hat sich dort für die Becken die Form einer umgekehrten Pyramide. Der Bodenaushub kann zumeist verwendet werden, um rings um das Loch einen Wall aufzuschütten, sodass der Speicher später einige Meter über das umliegende Ter - rain hinausragt und das Volumen sich nach oben vergrößert. Ausgekleidet werden die Erdbecken mit etwas, das der Volksmund wohl als Teichfolie bezeichnen würde. Hersteller wie die auf diesem Gebiet zurzeit führende Firma Solmax hören das freilich nicht gern, handelt es sich doch um eine spezielle Kunststoff-Dichtungsbahn. Allein schon durch die thermischen Belastungen bis zu mehr als 90 Grad Celsius müssen diese Dichtbah nen eini ges aushalten. Aber noch kritischer ist ihre Rolle beim Wasser-Management für den Deckel der Speicherbecken. Denn der besteht aus einer dicken Dämmschicht, die nicht nass werden darf, um ihre Funk - tion dauerhaft zu erhalten. Einerseits können sich auf dem Deckel Wasserlachen bilden, die tonnenschwer werden können. Andererseits diffundiert durch jeden noch so dichten Kunststoff mit der Zeit Wasserdampf in die Dämmschicht, der irgendwie wieder heraus muss. Das Material muss also das Kunststück vollbringen, einerseits dicht und stabil zu sein, andererseits aber auch „atmen“ zu können. Prinzip: Goretex-Jacke, aber bitte viel länger haltbar! In Meldorf, unweit der schleswigholsteinischen Nordseeküste gelegen, hat man schon lange aufmerksam beobachtet, was die dänischen Nachbarn in Sachen Großwärmespeicher so treiben. Im Rahmen eines energetischen Quartierskonzeptes entstand dann 2016 die konkrete Idee für den Mel - dorfer Spei cher. Nun dürfte die Kommune mit gut 7.000 Einwohner:innen wahrscheinlich bald die erste sein, die einen solchen Speicher in Deutschland in Betrieb nimmt. Bereits vor einigen Monaten wurde die Baugrube ausgehoben, anschließend mit Dichtbahnen ausgekleidet und mit 45.000 Kubikme - tern Wasser befüllt (Foto). Inzwischen läuft die Installation des Deckels. Ausbau in Stufen Parallel wird schon am Fernwärmenetz gearbeitet, das ab Herbst die ersten zwölf kommunalen Gebäude versorgen soll und in einer nächsten Ausbaustufe den ganzen Norden Meldorfs. Bis 2035 soll im gesamten Stadtgebiet Fern wär - me zur Verfügung stehen. Der weitere Ausbau sei auch wich - tig, um die hohen Anfangsinvestitionen zu rechtfertigen, erklärt Peter Bielen - berg, Geschäftsführer der Wärmeinfra - struk tur Meldorf GmbH & Co. KG (Wimeg), einer zu 100 Prozent städtischen 12 Wärmenetze Energiekommune 7/2023 Für die Wärmewende in Kommunen werden Großwärmespeicher eine zentrale Rolle spielen. Sie speichern Industrieabwärme, Power to Heat und/oder Solarthermie. Aktuell nehmen einige Saisonalspeicher-Projekte in Deutschland Gestalt an. Großwärmespeicher: Dreh- und Angelpunkt der Wärmewende M Foto: Wimeg Wärmenetze Gesellschaft, die für die Realisierung der kommunalen Wärmewende gegründet worden ist. Bielenberg sagt: „Das alles geht nur, weil wir in Meldorf ein Umfeld haben, das viel Unterstützung bietet.“ Kommunalpolitik, Verwaltung und Bürgerschaft zögen bei der Wärmewende an einem Strang. Wichtig sei dabei auch, dass möglichst heimische Firmen an der Realisierung beteiligt seien. Alle Projektbeteiligten hätten sich zu einer Innovationspartnerschaft zusammengefunden, betont Bielenberg. Man habe eine Art runden Tisch gebildet, um das Projekt gemeinsam zu stemmen. „Denn wir brau chen Resilienz innerhalb der Zusammenarbeit.“ Resilienz, also die Fähigkeit, Krisen und schwierige Situationen zu überstehen, ist vielleicht auch eines der Motive für den großen Speicher. Gedacht war er primär, um die Abwärme einer Großdruckerei möglichst vollständig für die Fernwärme nutzen zu können. Zweite Wärmequelle ist eine bestehende Bio - gas anla ge. Lediglich als Redundanz und für die Spitzenlast sind Gaskessel ge - plant, die perspektivisch auch mit Biomethan oder Synthesegasen gefüttert wer den könnten. Doch aktuell forciert die Wimeg die Planungen für ein großes Solarkollektorfeld als weitere Wärmequelle. Bielenberg deutet an, dass dies schnel ler als zunächst geplant auf die Tagesordnung kam. Denn die Druckerei mache aktuell Kurzarbeit. Diese preiswerte Wärmequelle könnte also weni - ger verlässlich sein als die Sonne. Dank des Speichers – Stichwort Resilienz – ist aber ein Wechsel der Hauptwärme - quelle jederzeit eine Option. Das gilt beispielsweise auch, wenn künftig die regulatorischen Hürden fal - len, die bislang verhindern, dass im Norden Deutschlands bei Netzeng pässen oder negativen Strom prei sen Wind - strom mittels Großwärmepumpen und Elektrokesseln zu Fern wärme wird, statt ihn abzuregeln. Wohl dem, der dann einen großen Wärmespeicher hat. Genossenschafts-Speicher Auch im nordhessischen Dorf Bracht plant die dortige Energiegenos sen - schaft Solarwärme Bracht eG, ihren Erdbeckenspeicher, für den ab September gebaggert werden soll, von Anfang an mit einer Großwärmepumpe zu kombinieren. Freilich wird der Ökostrom für die Wärmepumpe lediglich 8 Prozent der gesamten Energiequellen für das neue Wärmenetz ausmachen. Den Löwenan teil von 67 Prozent der Wärme sollen thermische Solarkollektoren mit einer Bruttokollektorfläche von 12.000 Quadratmetern liefern. Das restliche Viertel steuern Biomassekessel bei. Mit ihrem Konzept beschreitet die Bürgerenergiegenossenschaft, die sich aus den rund 180 künftigen Energieabnehmer: innen zusammensetzt, in mehr - fa cher Hinsicht Neuland. Nicht nur weil ein solch hoher solarer Deckungsgrad bislang in solaren Wärmenetzen noch nie angestrebt wurde. Er wäre ohne den Saisonalspeicher nicht möglich. Eine technische Neuerung ist auch die Geometrie des Erdbeckenspeichers. Er soll bei einem Volumen von etwa 26.000 Kubikmetern und einer Tiefe von 15 Metern deutlich schmaler und somit effizienter konstruiert sein als andern orts. Denn im Gegensatz zu den sandigen Untergründen in Meldorf und bei den dänischen Vorbildern erlaubt der feste - re Boden in Bracht einen steileren Böschungswinkel von etwa 30 Grad. Dadurch kann die teure Deckelkon struk - tion deutlich kleiner ausfallen. Die Wärmepumpe verbessert die Temperaturspreizung, indem sie dem unteren Bereich des Speichers Energie entzieht und ihn weiter abkühlt. Das wie derum wirkt sich positiv auf die Solar ern te der Kollektoren aus. Denn je küh ler der Rücklauf zu den Kollektoren ist, desto höher ihr Wirkungsgrad. Was die innovative Technik des Speichers betrifft, so ist Helgo Schüt ze, Vorstandsmitglied der Energiegenossenschaft, sehr optimistisch. Klar, gebe es Risiken, „aber es gibt auch ausrei - chend Erfahrung. Wir sehen uns jeden - falls nicht mehr im Experimentalbereich.“ Etwas Sorgen bereitet Schütze allerdings der Zeitplan. Durch Auflagen des Fördergebers, der eine europaweite Aus schreibung fordere, verschiebe sich der Baubeginn jetzt nochmal um sechs Wochen, berichtet er. Dennoch hofft der Genossenschaftler, bis zum Wintereinbruch die Erdarbeiten abschließen und 14 Wärmenetze den Speicher ausklei den zu können. Danach wartet auf die Genoss:innen noch eine weitere Geduldsprobe. Denn entgegen früherer Annahmen erlaube das kommunale Trinkwassernetz, aus dem der Speicher befüllt werden müsse, lediglich eine tägliche Entnahme von 180 Kubikme tern. Wenn sich da keine andere Lösung finde, werde es also mehr als ein halbes Jahr dauern, bis der Speicher mit 26 Millionen Liter gefüllt sei, sodass der Deckel montiert werden könne, sagt Schütze. Dieses praktische Thema beschäf - tigt auch Markus Friesenbichler, Chef der Stadtwerke Hechingen im Zollern - albkreis. Den möglichen Engpass sieht er allerdings weniger in der Zapfmenge als in der Verfügbarkeit von Osmoseanlagen mit ausreichender Kapazität. Denn das Wasser, mit dem solche Speicher befüllt werden und das darin jahrzehntelang verbleiben soll, muss von einem sauren in einen leicht basischen Zustand versetzt werden, um die Metallteile im Speicher nicht anzugreifen. 70 Prozent Solaranteil Auch in Hechingen, wo es für die Stadtwerke darum geht, ein Neubaugebiet mit etwa 560 Wohneinheiten bei 68 Grad Vorlauftemperatur zu versorgen, strebt man für das neue Wärmenetz einen Solaranteil von 70 Prozent an. Ne - ben dem bereits in Bau befindlichen Erdbeckenspeicher, der hier in einer Bodendeponie platziert wird, soll oberflächennahe Geothermie zum Einsatz kommen. Es handelt sich dabei um ein Erdsondenfeld, dessen 28 Bohrungen mit tels einer Wärmepumpe thermisch genutzt werden. Im Sommer läuft der Wärmestrom dann in anderer Richtung: In die Sonden wird Solarenergie aus dem Kollektorfeld gepumpt, um das Temperaturniveau im umliegenden Erd reich zu regenerieren. Auch was die Aufstellung der Kollektoren betrifft, haben sich die Hechin - ger zusammen mit ihren Beratern vom Steinbeis-Forschungsinstitut Solites etwas Besonderes ausge dacht: Die mehr als 7.000 Quadrat meter Kollektorfläche sollen an der Böschung des hier kom - plett oberirdisch in die Erddeponie integrierten Spei chers Platz finden. Sieben Jahre hat es gebraucht, bis das Hechinger Solarspeicher-Projekt nach ersten Ideen in einer Bürgerbeteiligung seine aktuelle Gestalt erreicht hat. Heute ist sich Friesenbichler sicher: „Es war die richtige Entscheidung. Es gehört aber auch ein Gemeinderat dazu, der voll dahintersteht und bereit ist, sowas zu bauen. Denn uns ist klar: Wir bauen hier nicht Stand der Technik, sondern Stand der Wissenschaft.“ Guido Bröer Energiekommune 7/2023 Dirk Mangold, Leiter des Steinbeis- Forschungsinstituts Solites, forscht seit den 1990er-Jahren an saisonalen Wärmespeichern. Er leitet den Ar - beitskreis Saisonalwärmespeicher. Energiekommune: Seit Jahrzehnten gibt es in Deutschland saisonale Wär - mespeicher. Wann wird man sie endlich von der Stange kaufen können? Mangold: Solche Großwärmespeicher müssen immer maßgeschneidert werden: Das Speicherkonzept richtet sich beispielsweise nach dem Erzeugungs - mix eines Wärmenetzes, nach der Flä - chenverfügbarkeit, der Art des geologischen Untergrunds, dem Bedarf der angeschlossenen Verbraucher und der Systemeinbindung des Spei chers. Die einzelnen Bauweisen der verschiedenen Speichertypen werden sicherlich zunehmend standardisiert werden. Energiekommune: Ist denn die Tech - nik überhaupt schon ausgereift? Mangold: Insofern ja, als es langjährige Erfahrungen gibt, aus denen die richtigen Schlüsse gezogen wurden. Eine Kommune und ein Wärmenetz - be treiber, die sich gut beraten lassen, können heute davon ausgehen, einen Speicher zu erhalten, der über Jahr - zehnte zuverlässig seine Aufgabe er - füllt. Die seit 1995 in Deutschland realisierten Pilotspeicher funktionieren immer noch! Aber richtig ist auch: Alle Speichertypen sind noch in der Ent - wicklung und es gibt noch keinen klar beschreibbaren „Stand der Technik“. Energiekommune: Was ist der we - sent liche Unterschied heutiger Saiso - nalspeicher gegenüber jenen, die Sie seit 1995 wissenschaftlich begleitet haben? Mangold: Die Anlagen sind viel näher an die Wirtschaftlichkeit gerückt. Zum Teil liegt das daran, dass sie größer geworden sind. Aber auch technisch komplexer, um komplexere Aufgaben übernehmen zu können. Dabei dienen die Großwärmespeicher nicht nur zur saisonalen Wärmespeicherung, sondern als sogenannter Multifunk - tions-Wärmespeicher. Diese speichern Energieüberschüsse aus dem Sommer in den Winter, dienen zu - gleich als Pufferspeicher zur Glättung von Lastspitzen, überbrücken zeitliche Differenzen zwischen dem Ange - bot an regenerativer Wärme und dem Wärmebedarf, ermöglichen Sektor - kopplung und Ähnliches.. Damit er - höht sich der Nutzen des Wärmespei - chers und dadurch verbessert sich sei - ne Wirtschaftlichkeit. Energiekommune: Das klingt noch ein bisschen weit weg ... Mangold: Ist es aber nicht. Wir haben aktuell eine stark steigende Nachfrage im Markt. Zur Dekarbonisierung von Wärmenetzen werden wir schon in den nächsten Jahren viel mehr solcher Großwärmespeicher benötigen. INTERVIEW MIT SPEICHEREXPERTE DIRK MANGOLD Foto: Solites Solarthermie für Bad Rappenau spart Brennstoff zur weiteren Veredelung Der private Betreiber des Fernwärmenetzes in Bad Rappenau hat eine 29.000 Quadratmeter große Solarthermieanlage bestellt. Sie soll Brennstoff sparen und ist Teil eines innovativen Gesamtkonzepts, in dem am Ende neben Fernwärme auch klimaneutrales Gas für das Erdgasnetz erzeugt wird. Seit 2007 betreibt die Firma Bauer Holzenergie in Bad Rappenau ein Fernwärmenetz. Dessen Energie stammt bislang aus drei Biogasanlagen und einem Holzheizwerk. Im kommenden Jahr sollen eine Photovoltaikanlage und eine große Solarthermieanlage hinzukommen. Letztere hat Firmenchef Manfred Bauer in der vergangenen Woche beim finnischen Hersteller Savosolar bestellt. Die Flachkollektoren sollen ab 2024 einen entscheidenden Beitrag zur Wärmewende in Bad Rappenau leisten. Und beide Solaranlagen – Solarthermie und Photovoltaik – sollen Bauers Firma ganz neue Zukunftsperspektiven eröffnen. „Wir müssen in die Brennstoffneutralität kommen“, lautet das Credo von Manfred Bauer, der ursprünglich nur ein Kompostwerk am Firmenstandort betrieb und sich im Laufe der Jahre zu einem umfassenden Energiedienstleister mit diversen Standbeinen gemausert hat. Holz und vor allem Biogas seien zu wertvoll, um damit Fernwärme zu erzeugen, wenn das auch die Sonne leisten könne, ist Bauer überzeugt. Lieferten die Blockheizkraftwerke (BHKW) der Biogasanlagen bislang Abwärme für das Wärmenetz, so wird dies in Zukunft kaum noch möglich sein, denn Bauer will das Biogas, das nur zu etwas mehr als der Hälfte aus Methan (CH4) und im Übrigen aus Kohlendioxid (CO2) besteht, komplett zu Biomethan in Erdgasqualität aufbereiten. Das CO2 muss er zu diesem Zweck abscheiden. Allerdings will er das Klimagas nicht einfach in die Umgebung entlassen, sondern in Verbindung mit Wasserstoff (H2) zu weiteren Methanmengen veredeln. An dieser Stelle kommt die Photovoltaikanlage ins Spiel, die unmittelbar am Betriebsgelände entstehen soll. Ihr Strom soll nämlich vorrangig in einen Elektrolyseur fließen, der den Wasserstoff für die Methanisierung erzeugt. Und auch die Solarthermieanlage hat eine Doppelfunktion. Sie ist groß genug, dass mit Energiemengen, die im Sommer nicht für die Fernwärme benötigt werden, eine Tierfutter- Trocknungsanlage gespeist werden kann. Das Futter, unter anderem für Pferde und Kaninchen, hat Bauer bislang mit Wärme aus den Biogas-BHKW getrocknet. gb Freiflächen-Solarthermie in Greifswald hautnah erleben Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) bietet am 12. September eine Exkursion zur derzeit größten Solarthermieanlage Deutschlands in Greifswald an. Wie sieht eigentlich der Betrieb einer Freiflächen-Solarthermieanlage in der Praxis aus? Die Antwort finden Kommunalvertreter: innen und Interessier te bei einem Besuch der 2022 in Betrieb gegan ge nen Freiflächen-Solarthermieanlage in der Hansestadt Greifswald. Mit Informationen aus erster Hand vermittelt die Exkursionsveranstaltung des Difu, wie die Kommune die Sonnenenergie für ihr Wärmenetz effektiv nutzt. Am Veran stal tungs tag erhalten Teinnehmer:innen am Vormittag Einblicke zum derzeitigen Stand der Freiflächen-Solarthermie in Deutschland und einen ersten Überblick zur Solarthermieanlage in Greifswald. Am Nachmittag steht eine Besichtigung der Freiflächen-Anlage sowie der nahe gelegenen KWK-Anlage mit dem Bereichslei ter der Stadtwerke Greifswald auf dem Programm. Die Teilnahme an der Exkursion ist kostenfrei. Reisekosten können nicht übernommen werden. gb Info und Anmeldung: https://difu.de/veranstaltungen Difu, Paul Ratz, ratz@difu.de, Tel. 0221 340308-11 Wärmenetze GREENER FUTURE TURNING INTO A www sales@ +43 4212 28 136-0 w.greenonetec.com @greenonetec.com Solche Kollektoren von Savosolar sollen Bad Rappenau beheizen. Foto: Savosolar Jetzt testen! Ich bestelle ein kostenloses Probe-Abonnement des Infodienstes Energiekommune für 3 Monate (3 Energiekommune-Hefte/PDF-E-Paper) Das Abo verlängert sich zum Preis von 49,- Euro (print) bzw. 29,- Euro (PDF) inkl. MwSt., wenn es nicht eine Woche vor Ablauf des dritten Probemonats gekündigt wird. Ich möchte Energiekommune beziehen als Printheft PDF-E-Paper Firma, Institution Name, Vorname Straße PLZ, Ort E-Mail Datum, Unterschrift Antwort: per Fax an (05731) 83469 per Mail an: vertrieb@solarthemen.de Solarthemen Media GmbH • Bültestraße 70 b • 32584 Löhne Der Infodienst für den lokalen Klimaschutz Monatlich gedruckt oder als E-Paper 4/21 Wie Bürgerwi ndkraftanlagen trotz vieler Hemmnisse effizient repowered werden können. NEUER WINDPARK IM ALTEN REVIER Solarstrom gemeinsam zu speichern macht Sinn. SPEICHER IM QUARTIER Wie kommunale E-Ladesäulen nutzerfreundlich werden. ALLES AUF EINE KARTE www.energiekommune .info Foto: Guido Bröer Der Infodienst für den lokalen Klimaschutz Foto: Maximilian Kamps / Agentur Blumberg / www.neue-weststadt.de

Asma Sohail2023-07-11T11:15:06+02:00Dienstag, 11. Juli, 2023|

Solardorf mit Erfahrung: Hallerndorf heizt seit 5 Jahren mit Sonne und Holz

www.solare-wärmenetze.de Auf Google Maps ist die Heizzentrale am Ortsrand von Hallerndorf mit der So larkollektor-Wiese in Fußballfeldgröße nicht zu übersehen. Besuchende müssen aber erst unmittelbar davor stehen, um die Anlage zu entdecken. Büsche, Bäume und eine Kurve der wenig befahrenen Landstraße versperren die Sicht vom Ort aus. So unscheinbar hätte man sich ein Energieprojekt nicht vorgestellt, das 5 Jahre nach seiner bundesweit beachteten Inbetriebnahme aktueller ist denn je. BETREIBERIN IN DER NÄHE Rebecca Schneider ist auf leisen Reifen gekommen. Das Elektroauto, mit dem grünen Schriftzug der Naturstrom AG hat sie vor der holzverkleideten Heizzentrale geparkt. Seine Wärmenetzprojekte koordiniert das in Düsseldorf ansässige Ökoenergie-Unternehmen aus seiner Filiale im nur sieben Kilometer von Hallerndorf entfernten Eggolsheim. Von dort bis Hallerndorf fährt Rebecca Schneider 10 Minuten mit dem E-Mobil. Allzu oft muss die In der fränkischen 4200-Einwohner-Gemeinde Hallerndorf betreibt die Naturstrom AG seit Ende 2016 ein Wärmenetz. Das Fazit von Betreiber-Unternehmen und Kommune fällt sehr zufrieden aus. Mit den Jahren hat der Öko-Energieversorger Betriebserfahrungen gesammelt, in die er hier offen Einblick gewährt. Hallerndorf legt Wert auf Nachhaltigkeit Die Heizzentrale in Hallerndorf zeigt schon von außen Naturverbundenheit. Hallerndorf war eines der ersten Dörfer in Deutschland, die sich für eine zentrale Beheizung mittels Sonne und Holz entschieden haben. Mit der Betreiberin, der Naturstrom AG, deren Wärmeabteilung im nahe gelegenen Eggolsheim ihren Sitz hat, fand die Kommune den passenden Partner. SOLARDORF MIT ERFAHRUNG HALLERNDORF HEIZT SEIT 5 JAHREN MIT SONNE UND HOLZ Alle Fotos: Guido Bröer Betriebsleiterin der Wärmeprojekte von Naturstrom diesen Weg allerdings nicht fahren. Sie überwacht die Anlage am Computer. Die Ingenieurin öffnet die Eingangstür zur Heizzentrale: Drinnen ein komplexes Szenario aus Rohren, Kesseln, Pumpen – ein Eldorado für Fernwärmetechniker:innen. Im Zentrum dominieren vier verschieden große rot-graue Heizkessel den Raum. Und doch ist es an diesem Hochsommertag morgens um 10 Uhr im Gebäude nicht viel wärmer als draußen. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Im Sommerbetrieb bleiben die Kessel in der Regel ausgeschaltet. Dann versorgt allein die Solarthermieanlage das Wärmenetz mit derzeit 112 angeschlossenen Gebäuden. SOLARKOLLEKTOR-WIESE Die Vakuumröhren-Kollektoren mit etwa 1300 Quadratmetern Kollektorfl äche sind in 11 Reihen auf einer Wiese unmittelbar neben dem Heizhaus angeordnet. Energie, die nicht unmittelbar im Netz gebraucht wird, wandert zunächst in einen 85 Kubikmeter fassenden zylinderförmigen Speicher. Nachdem am Abend die Sonne untergegangen ist, übernimmt der Speicher die Versorgung. Und es gibt einen weiteren Speicher im Heizhaus. Der speichert nicht Wärme, sondern Strom und ist nicht größer als eine Waschmaschine. Es handelt sich um eine Lithium-Ionen- Batterie, die mit der Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gebäudes gekoppelt ist. Sie dient vor allem der Notstromversorgung. Der Großteil des Stroms aus der 26 Kilowatt starken Photovoltaikanlage wird für den Eigenstrombedarf der Heizzentrale genutzt. Den meisten Strom benötigen hier die großen, im Dauerbetrieb laufenden Pumpen. KONTROLLZENTRUM Direkt gegenüber dem Notstromspeicher hängt ein großer Monitor an der Wand. Rebecca Schneider kann auf diesem Display sämtliche Betriebsdaten der Anlage ablesen. Auf einem Schaubild sind alle Elemente des Netzes verzeichnet. So lassen sich die Wärmefl üsse innerhalb der Heizzentrale und hinüber ins Dorf erkennen und erklären. Hallerndorf wird über zwei separat zu steuernde Fernwärmetrassen mit zusammen etwa sechs Kilometer Länge versorgt. Der eine Fernwärmestrang versorgt das Kerndorf samt der öffentlichen Gebäude – unter anderem Schulzentrum und Kindergarten. Der zweite wurde eigens für ein Neubaugebiet eingerichtet. In dem hat die Gemeinde die Grundstücke gleich mit Fernwärmeanschluss verkauft. In den Neubauten ist der Dämmstandard der Gebäude höher, so dass die Fernwärme mit geringeren Vorlauftemperaturen betrieben werden kann als im Rest des Ortskerns, wo viele Altbauten zu versorgen sind. Sind in der Fernwärmeleitung für das Neubaugebiet 70/50 (Vorlauf/ Rücklauf) Grad Celsius das Maß der Dinge, so läuft die Hauptleitung in der Regel auf einem höheren Temperaturniveau von 76/55 Grad. Typ: Ländliche Fernwärmeversorgung auf Basis von Holzhackschnitzeln und Solarthermie. Netz: Zwei Stränge, zusammen 6 km Solarkollektoren: CPC-Vakuumröhrenkollektoren Hersteller: Ritter XL Solar Bruttokollektorfl äche: 1304 m2 Aufstellfl ächefl äche: 2400 m2 Montage: Bodenrammung Wärmeträger: Fernwärme-Wasser Solarspeicher: 85 m3 Solarertrag pro Jahr 560.000 kWh Solar-Deckungsgrad 20 Prozent des Gesamtwärmebedarfs Kesselanlagen: Vier Hackschnitzelkessel, 1 x 550 kW, 1 x 360 kW, 2 x 155 kW Inbetriebnahme: 2016 TECHNISCHE DATEN Die Solarkollektoren sind das Highlight der Hallerndorfer Dorfwärme. Die Vakuumröhrenkollektoren, die in den fünf Betriebsjahren stets störungsfrei liefen, bringen dank der Vakuumisolierung auch im Frühjahr und Herbst gute Erträge. Das Highlight der solaren Dorfwärmeversorgung www.solare-wärmenetze.de TEMPERATUR-SPREIZUNG Die Vakuumröhrenkollektoren haben mit diesem Temperaturniveau keinerlei Probleme. Sie könnten sogar Temperaturen über 100 Grad liefern. Und dennoch: Je niedriger die Vorlauftemperaturen und je größer die sogenannte Spreizung zwischen Vor- und Rücklauftemperatur, desto effi zienter lässt sich das System betreiben. Ist dieser Teil der Systemoptimierung für jeden Fernwärmebetreiber eine heikle Aufgabe, so ist sie für den Betreiber eines „solaren“ Wärmenetzes gewissermaßen die Königsdisziplin. Denn je niedriger das Temperaturniveau insbesondere im Rücklauf der Fernwärme, desto höher ist der Wirkungsrad der Kollektoren und umso mehr Brennstoff kann die Solaranlage ersetzen. Das benötigte Temperaturniveau im Netz ist allerdings von den einzelnen Gebäuden und auch vom Verbrauchsverhalten der angeschlossenen Wärmekunden abhängig. Dabei begrenzt das schwächste Glied in der Kette die Möglichkeiten zur Effi zienzsteigerung: Denn auch im Gebäude mit dem schlechtesten Heizsystem oder dem ungünstigsten Verbrauchsverhalten haben Fernwärmekunden Anspruch auf warme Räume und eine heiße Dusche. Das gilt auch, wenn dieses Gebäude am letzten Ende der Wärmeleitung läge. Verbesserungen lassen sich somit kaum durch Drehen an den Stellschrauben in der Heizzentrale erzielen, sondern fast ausschließlich über individuelle Beratung der Gebäudeeigentümer:innen bzw. Bewohner:innen. Auch das gehört zu den Aufgaben von Rebecca Schneider. Sie schaut sich die Verbräuche der einzelnen Kund:innen und Kunden deshalb regelmäßig an. Bei statistischen Auffälligkeiten könne man aktiv mit den Leuten reden, sagt die Betreibsleiterin: „Aber wir stehen dabei noch am Anfang.“ Individuelle Beratungsarbeit sei nämlich sehr aufwändig. „Wir lassen deshalb hier in Hallerndorf gerade die Anschlüsse im Rahmen einer Bachelorarbeit untersuchen. Die Studentin schaut sich jeden einzelnen Anschluss an. Die Daten dafür sind aus den letzten fünf Jahren vorhanden“, sagt Schneider. Im nächsten Schritt könne die Naturstrom AG dann überlegen, wie man auf die Kunden zugehe. Neben individuellen Beratungen sei eine der Ideen, für die Haushalte eine Belohnung für eine individuell besonders hohe Spreizung zwischen Vor- und Rücklauf eines Gebäudes auszuloben. In den ersten fünf Betriebsjahren der Hallerndorfer Dorfversorgung konzentrierte sich die Naturstrom AG aber zunächst auf Verbesserungen innerhalb der Heizzentrale. Der große 550-kW-Holzkessel links hat zwei der zunächst vier kleineren mit jeweils 155 kW ersetzt. Das hat für zusätzliche Heizleistung gesorgt und das System insgesamt fl exibler und noch weniger störanfällig gemacht. Gewachsener Heizkesselpark mit verschiedenen Leistungen Da Holzhackschnitzel kein uniformer Brennstoff sind, sondern in der Beschaffenheit mehr oder weniger variieren, ist die Fördetechnik nicht trivial. Gelegentlich kann es in den Verteilungen zu Blockaden kommen, die sich aber zumeist leicht von den teilzeitbeschäftigten Hausmeistern vor Ort beheben lassen. Brennstoff-Verteilung: Hier kann es mal hakeln UMBAU DER KESSELFLOTTE Während die Zahl der Fernwärmeanschlüsse von rund 60 bei Inbetriebnahme 2016 auf inzwischen 112 gewachsen ist, hat Naturstrom im Jahr 2019 zwei kleinere Kessel von jeweils 155 kW Heizleistung durch einen größeren mit 550 kW ersetzt. Neben dem Neuen besteht der Kesselpark nunmehr aus zwei weiteren 155-kWKesseln und einem mittelgroßen mit 360 kW, die alle bereits seit 5 Jahren ihren Dienst tun. Wer genau hinschaut, erkennt die zwischenzeitige Umstellung noch an einer kleinen Unregelmäßigkeit in der hölzernen Außenwand des Gebäudes: Wo einst zwei kleine Löcher für die Abgasrohre der 155-kWBrenner waren, ist per Stichsäge Platz geschaffen worden für ein größeres. „Mit dem Kesseltausch haben wir nicht nur die maximale Heizleistung erhöht. Der Neue läuft auch deutlich robuster und damit wartungsärmer“, berichtet Betriebsleiterin Schneider. Apropos Wartung: Bei einer Holzhackschnitzelanlage müsse während der Kessel-Laufzeiten in der Heizperiode doch regelmäßig nach dem Rechten geschaut werden, erläutert Schneider. Sie zieht den Vergleich mit den genormten und deshalb weniger störanfälligen Holzpellets, die Naturstrom in einigen kleineren Netzen und in größeren Wohnobjekten verbrennt: „Hackschnitzel sind günstiger im Einkauf, aber aufwändiger im Betrieb.“ In Hallerndorf beschäftigt das Unternehmen dafür zwei technisch versierte Rentner auf Minijob-Basis. Deren Routineaufgabe ist unter anderem die manuelle Entleerung der stählernen Aschetonnen. Deren äußere Form ähnelt typischen rollbaren Haushaltsmülltonnen. Die Asche wird in einem Absetzcontainer auf dem Außengelände zwischengelagert, der, wenn er voll ist, von einem Entsorgungsunternehmen ausgetauscht wird. Gesondert zu sammeln und zu entsorgen sind die noch feineren Stäube, die Elektrofi lter dem Rauchgas entziehen. Die Rauchgasreinigung sorgt dafür, dass es auch bei ungünstigen Windrichtungen im Ort nicht nach Lagerfeuer riecht. Beschwerden wegen Geruchsbelästigung habe es noch nie gegeben, weiß Rebecca Schneider zu berichten. HOLZZUFUHR KANN HAKELN Mitunter müssen sich die örtlichen Heizwärter neben der Asche-Entsorgung auch der Zufuhr des Brennstoffs widmen. Jeder der vier Kessel wird in Hallerndorf über ein separates System von Förderschnecken aus dem Holzbunker mit Hackschnitzeln versorgt. Und dabei kann es zum Stau kommen. „Es kommt leider immer wieder vor, dass ein längerer Spreißel eine Blockade erzeugt“, sagt Schneider. Was Dieser große Monitor im Heizhaus zeigt Naturstrom-Bereichsleiterin Rebecca Schneider jederzeit, was mit der Anlage los ist. Dasselbe Bild sieht sie auf dem PC im Büro, wo sie normalerweise alle Wärmeversorgungen des Unternehmens fernüberwacht. Der große Bildschirm bewährt sich gelegentlich auch, um Besuchergruppen die Funktionsweise der Anlage zu veranschaulichen. Kontrollmonitor im Heizhaus Im Sommer ist ausreichend Zeit für Wartungsarbeiten und Reparaturen an Kesseln und Fördertechnik. Denn während der Sommermonate heizt die Sonne in Hallerndorf. Die Kessel werden in der warmen Jahreszeit nur als Reserve gebraucht und stehen normalerweise monatelang still. Im Sommer ist Zeit für Wartungsarbeiten www.solare-wärmenetze.de in Bayern „Spreißel“ heißt, kennt man im Norden Deutschlands als Holzsplitter oder -span. Aufgabe des diensthabenden Heizwerkers sei es dann, das sperrige, oft faserige Holzstück über eine Revisionsöffnung zu entfernen. In der Regel sei das aber kein großes Problem. HOLZQUALITÄTEN Lästiger sei es, wenn unten im Holzbunker einzelne Förderschnecken kein Material mehr bekämen, obwohl der Bunker noch gut gefüllt sei. Auch dieses Problem hat mit der Qualität der Hackschnitzel zu tun: Wenn zu viel loser Staub oder auch zu viel schlecht gehackte faserige Bestandteile enthalten sind, dann rutscht der Brennstoff im Bunker weniger gleichmäßig und nicht so verlässlich nach. Im Extremfall können sich über den Entnahmeeinrichtungen hölzerne Gewölbe bilden, die von den Mitarbeitern von außen mit langen Lanzen zum Einsturz gebracht werden müssen. GLEICHMÄSSIGE QUALITÄT Je gleichmäßiger das Holz dank möglichst scharfer Messer zerhackt wurde, desto weniger Ärger macht später das Hackgut. In Hallerndorf werden Hackschnitzel der Klasse G 30 verwendet. Diese Bezeichnung für die Stückigkeit beziehungsweise die Korngröße der Hauptfraktion des Hackgutes bezieht sich auf eine noch sehr gebräuchliche österreichische Norm, die mittlerweile aber durch eine europaweite Norm abgelöst wurde. G 30 entspricht weitgehend der neuen, europaweiten Bezeichnung P16. Die Qualität wird am Häcksler eingestellt und durch den Einsatz passender Siebe gewährleistet. In puncto Hackgut habe man in fünf Betriebsjahren in Hallerndorf bereits einiges an Erfahrungen sammeln können, berichtet die Betriebsleiterin. Anfangs habe Naturstrom fertige Hackschnitzel anliefern lassen; doch mit dessen Qualität war man nicht so zufrieden. Und so ordern die Einkäufer der Naturstrom AG mittlerweile ganze Lastwagenladungen mit Stämmen zum Hallerndorfer Heizhaus. Die lagern hinter dem Gebäude. Der Betreiber hat sogar eigens eine Lagerfl äche dafür neu bauen lassen. Schneider erklärt: „Den Lagerplatz haben wir eingerichtet, um nicht so sehr von Preisschwankungen abhängig zu sein.“ GEHACKT WIRD VOR ORT Nun kommt nach Bedarf ein Lohnunternehmer, der mit einem mobilen Häcksler aus den Stämmen vor Ort Hackschnitzel herstellt. Im Winter muss der Ortstermin im Abstand von 10 Tagen bis zwei Wochen stattfi nden. Bei Bedarf wird der Dienstleister ein paar Tage vorher angerufen. Bei dessen Auswahl sei man durchaus wählerisch, verrät Rebecca Schneider. „Es gibt mehrere Dienstleister, die wir nutzen. Wir haben aber unseren Favoriten, der stets gute Qualität geliefert hat.“ Das könne unter anderem mit dem materialschonenden Materialaustrag per Förderband zu tun haben, über den die vorzugsweise verwendete Häckselmaschine verfüge. Das Förderband gilt als materialschonender im Vergleich zum herkömmlichen Gebläseaustrag. Und ohnehin spart das Hacken vor Ort gegenüber der Fertig-Anlieferung mindestens einen Umladevorgang, der das empfi ndliche Hackgut belasten könnte. THEMA RESTFEUCHTE Ein weiteres Thema ist die Restfeuchte des Holzes, die für die in Hallerndorf verwendeten Kesseltypen optimalerweise bei 30 bis 35 Prozent liegt. Ist das Im Sommer gibt es für die Betreuer der Anlage nicht viel zu tun. Die wichtigste Aufgabe ist das Mähen des Grases zwischen den Kollektorreihen. Dies aber nicht zu oft, um auf dem Gelände des Kollektorfeldes eine vielfältige Flora und Fauna zu fördern.. Weil die Pfähle der Kollektorgestelle in den Boden gerammt wurden, wird durch die Anlage kaum Fläche versiegelt. Natur zwischen den Kollektoren Hackgut zu feucht, kann das ebenfalls zu Komplikationen in den Förderanlagen führen. Vor allem aber würde dies die Kesselleistung und die Energieausbeute verringern. Um den Wassergehalt zu verdampfen, müsste ein Teil des im Holz enthaltenen Brennwertes geopfert werden. Mit dem eingekauften Stammholz, das im Freien gelagert wird, sei man bislang bezüglich der Restfeuchte gut gefahren, berichtet Rebecca Schnei der. So offen die Ingenieurin, die das Hallerndorfer Projekt von Anfang an begleitet hat, über die Betriebserfahrungen mit der Anlage spricht, so wenig kommt die augenfällige Besonderheit der Anlage, das große Solarthermiefeld, zunächst in ihrem Bericht vor. Erstaunlich – liefert doch die Solarthermie rund 20 Prozent des gesamten Jahres-Wärmebedarfs. Und während der Sommermonate deckt sie den Wärmebedarf im Netz vollständig ab, so dass die Heizkessel allenfalls während einer extremen Schlechtwetterperiode einspringen müssten. Doch dass die Expertin darüber wenig Worte verliert, ist offenbar ein gutes Zeichen, denn: „Die Anlage läuft einfach von Anfang an reibungslos. Mit dem Kollektorfeld haben wir nichts zu tun gehabt.“ KAUM KINDERKRANKHEITEN Die einzige Kinderkrankheit äußerte sich seinerzeit auf akustische Art und wurde vom Hersteller Ritter XL Solar längst behoben. Im Bereich der Ausdehnungsgefäße hatte es in den Anfangsjahren mitunter laut geknallt, wenn die Solaranlage an schönen Som- Das Wärmenetz wurde von der Gemeinde von Beginn an kräftig beworben und das Projekt im Sinne der Wärmewende unterstützt. Im Interview spricht Bürgermeister Gerhard Bauer über die Erfahrungen mit dem innovativen System. Hallerndorf war eine der ersten Kommunen in Deutschland, die sich für die Versorgung durch ein Wärmenetz auf Basis von Biomasse und Solarthermie entschieden haben. Würden Sie diese Entscheidung heute wieder so treffen? Gerhard Bauer: Es war ja ein Pioniervorhaben, das auch schon mehrfach ausgezeichnet wurde. Bei einem weiteren Vorhaben dieser Art würde man nicht alles nochmal exakt so machen. Man lernt ja aus solchen Pionierprojekten. Die Technik hat sich weiterentwickelt und sicherlich kann man Optimierungen vornehmen. Vielleicht würden wir uns inzwischen als Kommune sogar überlegen, ein solches Projekt selbst oder in einer Genossenschaft zu verwirklichen. Grundsätzlich aber haben wir keine schlechten Erfahrungen gemacht. Bislang ist ja nur ein Teil der Gemeinde per Wärmenetz erschlossen. Denken Sie über eine Erweiterung nach? Dazu gab es bereits Gespräche. Das bestehende Wärmenetz ist leider laut Betreiber jedoch aus technischen Gründen nicht erweiterbar. Allenfalls könnte man das Bestandsnetz begrenzt nachverdichten. Für eine wesentliche Erweiterung des Netzes müsse man jedoch ein neues Wärmenetz und Heizhaus in Erwägung ziehen. Ist das Wärmenetz bei den Hallerndorfer Bürgerinnen und Bürgern noch ein großes Thema oder ist es so selbstverständlich, dass man nicht mehr drüber redet? Das Wärmenetz ist seit Ende 2016 in Betrieb. Von daher ist es kein hochpräsentes Thema mehr. Gerade in der jetzigen Zeit mit explodierenden Rohstoffpreisen und Energiewende kommt das Thema Wärmenetz aber immer wieder mal auf den Tisch. Wie sieht‘s mit der Zufriedenheit der Nutzer und Nutzerinnen aus? Nach meiner Wahrnehmung sind die Nutzerinnen und Nutzer zufrieden. Es läuft gut. Nur ganz am Anfang gab es kleine Problemchen, die aber schnell gelöst wurden. Manche Hausbesitzer nutzen Fernwärme, der Nachbar hat noch seine Ölheizung. Wie unterschiedlich erlebt Hallerndorf die Energiepreisexplosion seit Beginn des Ukraine-Krieges? Auch die Preise für Holzhackschnitzel sind ja explodiert. Daher sind Preissteigerungen auch bei der Fernwärme zu erwarten. Preissteigerungen sorgen in allen Bereichen allgemein für eine gewisse Unzufriedenheit. Die Unsicherheit auf den Märkten und die Volatilität in den Preisen für fossile und auch für erneuerbare Energien sorgen bei den Menschen für viele Fragen auf, die es gerade in diesen Zeiten keine Antworten gibt. Immerhin spart die große Solarthermieanlage Brennstoff ein, sodass die Preissteigerung weniger hoch ausfallen dürfte als ohne Solar-Anteil? Das schon, aber das wird nicht so stark wahrgenommen. Denn im Winter läuft die Anlage weitgehend über Holzhackschnitzel, die massiv teurer geworden sind. Und diese Kosten werde natürlich auch hier weitergegeben. Letztendlich wird es auch hier mit Preissteigerungen enden - wenn auch in einem „geringeren“ Rahmen. BÜRGERMEISTER GERHARD BAUER: „ES LÄUFT GUT“ Foto: Gemeinde Hallerndorf: www.solare-wärmenetze.de mertagen in Stagnation ging. Wer sich in dem Moment im Heizhaus aufhielt, habe einen ziemlichen Schreck bekommen, erinnert sich Rebecca Schneider. Rolf Meißner, Leiter Forschung und Entwicklung beim Solaranlagen-Hersteller Ritter, bestätigt dies und erklärt: „Dampfgeräusche sind im Zusammenhang mit der Stagnation des Kollektorkreislaufs ein großes Thema. Dafür kann es eine Vielzahl von Gründen geben. In Hallerndorf hatten wir die Diffusoren, die für eine Entspannung des Dampfes und dessen Kondensation sorgen, – in durchaus guter Absicht – zu groß dimensioniert. Dadurch kam es dort zu plötzlichen Druckabfällen, die diese Geräusche verursachten.“ Problem erkannt, Problem gebannt: Seitdem Ritter die Diffusoren gegen kleinere ausgetauscht habe, sei es mit den Geräuschen vorbei, bestätigt Betriebsleiterin Schneider. Und bei den neueren Anlagen setzt Ritter XL seit einigen Jahren auf ein patentiertes Verfahren zur automatischen Druckabsenkung im Stagnationsfall. Das geschieht bereits im Kollektorfeld. Dank der Druckabsenkung entlade sich das Kollektorfeld bereits bei einer Siedetemperatur vom 100 bis maximal 115 Grad Celsius in die Auffangbehälter, erläutert Meißner. Geräusche durch Dampfschläge und ähnliches seien so mit quasi ausgeschlossen. SPEICHER OPTIMIERBAR? Weniger erfolgreich tüfteln die Naturstrom- Expert:innen bislang an einem Steuerungsproblem im Zusammenhang mit dem 85 Kubikmeter großen Pufferspeicher. Dieser wird über einen Wärmetauscher von der Solaranlage mit Wärme beladen. Das Problem: In bestimmten Konstellationen an schönen Tagen schaltet der Speicher die Solaranlage vorzeitig ab, obwohl seine Kapazitätsgrenze noch nicht erreicht ist. Einige Prozent an wertvoller Solarwärme gingen dadurch wohl verloren, schätzt die Betriebsleiterin. Die Ursache haben die Techniker: innen in einem Lochblech ausgemacht, dass in den 10 Meter hohen Speicher waagerecht eingezogen ist, um unerwünschte Konvektionsströme zu unterbinden. Der Nachteil des Lochblechs scheint zu sein, dass bei hoher Sonneneinstrahlung dadurch die Wärme nicht schnell genug nach oben steigen kann. Der Speicher, der seinerzeit von einem anderen Anbieter als die eigentliche Solaranlage konzipiert und geliefert worden sei, erreiche unten, wo die Energie der Solaranlage eingespeist werde, früher seine Maximaltemperatur als in der Mitte. Das allerdings sei in der Steuerung nicht Nachdem die Naturstrom AG anfangs fertige Hackschnitzel gekauft hatte, beschafft sie jetzt Rundholz und lässt es von einem Dienstleister vor Ort hacken und sieben. Das hat vor allem Qualitätsgründe. Holzlagerplatz in der Nähe des Hackschnitzel-Bunkers Der Schrank im Hintergrund beherbergt den Plattenwärmetauscher. Hier wird die Energie aus dem Solarfeld an das Fernwärmenetz übergegeben. Im Vordergrund zu sehen sind zwei Reserve-Aschetonnen Wärmetauscher im Schrank IMPRESSUM Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen vom Projekt SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Solites Steinbeis Innovation gGmbh Redaktion: Guido Bröer, Solarthemen Veröffentlichung: April 2023 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) PARTNER vorgesehen, und es führe zum unerwünschten Abschalten der Anlage. Geht eine Solarthermieanlage einmal in Stagnation, fährt der Solarkreislauf normalerweise nicht am gleichen Tag, sondern erst am kommenden Morgen wieder an. Eine optimale Lösung des Problems scheint es nicht zu geben, denn ein Komplettumbau des Speichers wäre schon aus fi nanziellen Gründen völlig unangemessen. Aktuell wird daher überlegt, wie man die Konsequenzen des Konstruktionsfehlers in der Pionieranlage mildern kann. Möglicherweise werde man die Anschlüsse der Solareinspeisung höher legen, über das kritische Lochblech, erklärt Schneider. Damit würde man allerdings die nutzbare Kapazität des Speichers deutlich verringern. POSITIVES FAZIT Schneiders Konsequenz: Beim nächsten Mal würde Naturstrom eine solche Anlage, zumindest den kompletten Solarteil einschließlich Speicher, wohl eher aus einer Hand schlüsselfertig konzipieren und bauen lassen. An ihrer grundsätzlich positiven Bewertung der Hallerndorfer Solaranlage ändert dieser Wermutstropfen allerdings nichts. Schneider sagt: „Die Solarthermieanlage, mit der wir noch nicht einmal Fläche versiegeln, weil sie in den Boden gerammt ist, erachte ich als sehr, sehr sinnvoll. Es ist wichtig, den wertvollen Rohstoff Holz einzusparen. Und es würde mir persönlich in der Seele weh tun, wenn wir im Sommer bei 30 Grad Außentemperatur die Kessel laufen lassen müssten.“ Nach ihrer Solarthermieanlage in Hallerndorf betreibt die Naturstrom AG inzwischen in Moosach bei München und in Markt Erlbach, nicht weit von Hallerndorf weitere solare Wärmenetze. Die Pumpen der beiden Fernwärme- Heizkreise sind jeweils doppelet ausgelegt. Der linke Strang mit den kleineren roten Pumpen versorgt das Neubaugebiet. Mit den grauen Pumpen rechts wird das Hauptnetz des Dorfes beschickt. Doppelte Sicherheit

Anna Laura Ulrichs2023-04-04T12:36:22+02:00Dienstag, 4. April, 2023|

Solarthermische Großanlage in Greifswald

Solare Wärmenetze: Solarwärme für Greifswald. Ein Meilenstein im Schritt der Dekarbonisierung von Fernwärmenetzen! Mit fast 19.000 m² Kollektorfläche ist im September 2022 Deutschlands größte Solarthermie-Anlage in Greifswald in Betrieb gegangen. Sonnenenergie ersetzt Erdgas in der Fernwärme. Mit diesem Konzept setzen die Stadtwerke Greifswald und der Hersteller der Anlage, Ritter XL solar, ein Zeichen, das auch Festrednerin Manuela Schwesig vorbildlich findet. Weitere Informationen rund ums Thema Solarthermie und Wärmenetze: https://www.solare-waermenetze.de/ Folgt uns in den sozialen Netzwerken: LinkedIn: https://www.linkedin.com/showcase/sol... Twitter: https://twitter.com/solnetz

Asma Sohail2023-06-22T14:28:31+02:00Montag, 6. Februar, 2023|

Solarthermische Großanlage in Bernburg

Erfahrungen mit einer Fernwärme-Solaranlage: Die Stadtwerke Bernburg haben zwei Jahre Betriebserfahrungen mit ihrer großen Solarthermie-Anlage. Heiko Zimmermann, Hauptabteilungsleiter Energieerzeugung und Fernwärme der Stadtwerke Bernburg hat das Solarthermie-Projekt von Anfang an begleitet. Im Interview zieht er ein Fazit nach zwei Betriebsjahren. Den dazugehörige Beitrag "Bernburg zapft Sonne" finden Sie in unserer Wissensdatenbank: https://www.solare-waermenetze.de/med... Weitere Informationen rund ums Thema Solarthermie und Wärmenetze: https://www.solare-waermenetze.de/ Folgt uns in den sozialen Netzwerken: LinkedIn: https://www.linkedin.com/showcase/sol... Twitter: https://twitter.com/solnetz

Asma Sohail2023-06-22T10:29:46+02:00Samstag, 4. Februar, 2023|

Bernburg zapft Sonne – Erfahrungen mit einer Fernwärme-Solaranlage

www.solare-wärmenetze.de Infoblatt Nr. 13 ¬ Andreas Höhne sieht alles. Eine impo- sante Wand aus einem Dutzend Bild- schirmen verschafft dem Dispatcher in der Leitwarte der Stadtwerke Bern- burg den Überblick über alle relevanten Betriebsdaten und Vorkommnisse im Wärmenetz der industriell geprägten 33.000-Einwohner-Stadt in Sachsen- Anhalt. Neben technischen Daten zu Verbrauch und Erzeugung laufen bei Höhne und seinen Kollegen auch die Bilder diverser Überwachungskame- ras auf, die auf dem Betriebsgelände verteilt sind. Unter anderem verschaf- fen ihnen die Monitore einen perfekten Überblick über das große Solarkollek- torfeld mit 8603 Quadratmeter Brutto- kollektorfläche. Die Stadtwerke Bern- burg betreiben es seit 2020 direkt neben ihrem traditionsreichen Heizkraftwerk. Doch die Monitore der Kameraüber- wachung sind nur ein Randaspekt von Höhnes Job in der Leitwarte. Wesent- licher sind für ihn die Daten, die er über andere Bildschirme eingespielt bekommt. Messwerte liefern einer- seits unzählige Sensoren, die über die Erzeugungsanlagen und das Fern- wärmenetz verteilt sind. Anderseits laufen in der Leitwarte auch externe Datenströme auf, beispielsweise Wet- terdaten und aktuelle Kurse von der Strombörse. Die Börsenstrompreise spielen für den Job in der Leitwarte mittlerweile sogar eine recht große Rolle. Schließlich geht es darum, die Laufzeiten der Blockheizkraftwerke Die Stadtwerke Bernburg haben zwei Jahre Betriebserfahrungen mit ihrer großen Solarthermieanlage. Sie besteht aus Flachkollektoren mit 8603 m2 Bruttokollektorfläche und einer Nennleistung von 5,55 Mega- watt. In dem Fernwärmenetz mit 30 Kilometer Länge und 315 Anschlüssen stellt die Solaranlage im Sommer tagsüber oft die Gesamtleistung des Netzes. Die Leitwarte Die Bernburger Stadtwerke setzen bei der Steuerung der einzelnen Erzeu- gungseinheiten und Speicher weitge- hend auf menschlichen Sachverstand, nicht auf Algorithmen. Für die Dispatcher in der Leitwarte wie Andreas Höhne ist mit der Solarthermie eine Erzeugungs- einheit hinzugekommen, deren Leistung mit dem Wetter schwankt. Je besser Leistung und Tagesertrag antizipiert werden, desto größer der Nutzen für das Fernwärmenetz. BernBurg zapft Sonne ErfahrungEn mit EinEr fErnwärmE-SolaranlagE Alle Fotos: Guido Bröer Infoblatt Nr. 13 ¬ optimal zu planen und zu steuern. Eine andere wesentliche Datenquelle ist der Wetterdienst. Wieviel Wärme in Bern- burg benötigt wird, das war zwar schon immer eine Frage der Außentempera- turen. Seit aber die Solarthermiean- lage Teil des Netzes ist, hat das Thema Wetter für Höhne und seine Kollegen in der Leitwarte eine ganz neue Bedeu- tung bekommen. Jetzt geht es auch um solche Werte wie Sonnenscheindauer und Strahlungsintensität. Denn „Solar first“ ist jetzt das Leit- motiv für die Fernwärme. Indem sie der Solarthermieanlage Vorrang vor den anderen Erzeugungseinheiten geben, sorgen die Dispatcher dafür, dass mög- lichst viele der Kilowattstunden, die die Sonne kostenlos vom Himmel strahlen lässt, tatsächlich im Netz genutzt wer- den können. Und dabei verlässt sich Andreas Höhne nicht allein auf seine Monitore, sondern er setzt auch auf den gesun- den Menschenverstand: „Klar: Neben der Strombörse gehört der Wetterbe- richt für morgen zu unserem Pflicht- programm. Aber meine Devise heißt: Immer auch aus dem Fenster schauen.“ UmDenken in Der Leitwarte Seit die Solarthermieanlage im Dienst ist, mussten die Techniker in der Leit- warte grundsätzlich umdenken: Früher konnten sie alle Erzeugungseinheiten, die einzelnen BHKW und Heizkessel sowie die Wärmespeicher im zentralen Heizkraftwerk, nach Bedarf per Knopf- druck hoch- oder herunterfahren. Seit zwei Jahren aber haben sie es in Form der Solarwärme mit einem fluktuie- renden Energieträger zu tun. Denn nur was je nach Wetter, Tages- und Jah- reszeit vorn auf die Solarkollektoren Das Schaubild zeigt den Tagesverlauf des Solarthermiesystems im Netz der Stadtwerke Bernburg an einem sonni- gen Sommertag (23. Juni 2022). Es ist gut zu sehen, wie die Solaranlage wäh- rend des gesamten Tages mit fast 100 Grad Celsius in den Vorlauf des Fernwär- menetzes einspeist und wie der Puffer- speicher die Solareinspeisung bis in die späten Abendstunden verlängert. Energieverläufe an einem beispielhaften Sommertag In Bernburg befinden sich die beiden Solarthermiefelder in idealer Nähe zum Heizkraftwerk. Früher wurde auf der Fläche Kohle für die damaligen Kohlekessel gelagert. Seit Umstellung des Kraftwerks auf Gas lag das Gelände brach. www.solare-wärmenetze.deeinstrahlt, kann hinten aus dem Wär- metauscher herauskommen. Um die neue, von schwankender Solarstrahlung abhängige Erzeugungs- einheit optimal in das Netz einzubin- den, haben die Stadtwerke zusammen mit dem Ingenierbüro EEB Enerko einen Katalog von Betriebsfahrweisen erar- beitet (siehe Seite 5). Teils geschieht der Wechsel zwischen den Betriebszu- ständen automatisiert, teils steuern ihn die Mitarbeiter der Leitwarte manuell. GoLDrichtiGe entscheiDUnG „Mittlerweile ist das unseren Leuten aber in Fleisch und Blut übergegan- gen“, sagt Heiko Zimmermann, Haupt- abteilungsleiter Energieerzeugung und Fernwärme bei den Stadtwerken Bern- burg. Er hat Planung, Bau und Betrieb der Solaranlage von Anfang an mitge- staltet und ist absolut überzeugt von dieser Investition (siehe Interview Seite 7): „Die Entscheidung war gold- richtig. Wir würden das jederzeit wie- der genauso machen. Wir sehen hier eine Anlage, die seit zwei Jahren funk- tioniert, und deshalb ist auch die Stim- mung gut.“ Zimmermann sieht in der Solarther- mieanlage auch ein Vorbild für andere Stadtwerke. Aber, so betont er, die Auslegung und die Betriebsweisen der Bernburger Anlage ließen sich nicht ohne weiteres auf beliebige andere Wärmeversorger übertragen: „Es sind immer die individuellen Bedingungen des jeweiligen Netzes gefragt.“ In Bernburg war es seinerzeit die verfügbare Fläche, an der sich die Planung orientierte. Eine ehemalige Lagerfläche für Kohle stand direkt neben dem zentralen Heizkraftwerk zur Verfügung. Sie lag seit langem unge- nutzt, bevor jemand auf die Idee kam, hier eine Solarthermieanlage zu errich- ten. Die Fläche gehörte bereits den Stadtwerken, eine Genehmigung für die Solarthermieanlage zu bekommen, war aufgrund der vorherigen Nutzung kein Problem. soLarLeistUnG: 5,55 mw Der frühere dänische Solarhersteller Arcon-Sunmark, damals Weltmarkt- führer bei großen Solarthermieanla- gen, brachte auf der vorgegebenen Aufstellfläche 632 Kollektoren mit 8603 Quadratmetern Bruttokollektorflä- che unter. Die beiden Kollektorfel- der haben eine solare Nennleistung von 5,55 Megawatt. Der mehr als drei Meter hohe Plattenwärmetauscher kann eine Leistung von 5 MW ans Netz übergeben. Das geht deutlich über die Grundlast von 2 bis 3 MW hinaus, die das Fern- wärmenetz in Bernburg bei niedrigem Bedarf im Sommer braucht. Schon Wärmetauscher extrahoch Größenvergleich: Heiko Zimmermann, selbst 1,85 Meter groß, prä sentiert den mehr als 3 Meter hohen aluminium- verkleideten 5-MW-Plattenwärmetau- scher. Über diesen ist die Solarthermie- anlage mit der Fernwärme gekoppelt. Die große Bauhöhe sorgt für eine gute Temperaturspreizung und somit eine hohe Effizienz der Wärmeübergabe sowie der ganzen Solarthermieanlage. solarkollektoren: 632 Großflächen-Flachkollektoren Arcon Sunmark HT-SolarBoost 35/10 Bruttokollektorfläche: 8603 m 2 Aperturfläche: 7935 m2 Aufstellflächefläche: 16.000 m 2 installierte Leistung: 5550 kWp montage: zumeist Bodenrammung, teils auf Betonfundamenten Ausrichtung und Neigung: Süd, 35 Grad geneigt Wärmeträger: Wasser-Glycol-Gemisch Plattenwärmetauscher: Danfoss Sondex 5 MW netzeinspeisung: Je nach Betriebsbe- dingungen über Vor- oder Rücklauf Prognose Jahresertrag: 2,28 GWh Gemessene Jahreserträge: 2,35 GWh (1. Betriebsjahr) 3,44 GWh (2. Betriebsjahr Jan.-Okt.) spezifische Jahreserträge: 410 kWh/kWp (Prognose) 423 kWh/kWp 1. Betriebsjahr 620 kWh/kWp 2. Betriebsjahr (bis Okt) techniSche Daten Infoblatt Nr. 13 ¬ deshalb wurde ein Pufferspeicher mit 150 Kubikmetern Fassungsvermögen gebaut. „Größer ging es nicht“, sagt Zimmermann. Will heißen: Bei einem Volumen von 150 Kubikmetern setzen die Transportmöglichkeiten die Grenze für einen vormontierten Tank. Hät- ten die Planer und Planerinnen mehr Speichervolumen gewollt, so hätte man zwei Speicher benötigt. Oder man hätte den Behälter vor Ort zusammen- schweißen müssen, wie es bei größe- ren Fernwärmespeichern durchaus üblich ist. Mit Hilfe des Solarspeichers kön- nen die Dispatcher in der Leitwarte die solare Energieernte des Tages zum Verbrauch am Abend verschie- ben (Grafik Seite 2). Zum anderen puf- fert der Speicher die Schwankungen des Solarangebots ab und sorgt dafür, dass der Wechsel von Sonnenschein und Wolken mit den daraus folgenden Lastschwankungen das Netz und die Flexibilität der anderen Erzeuger nicht überfordert. Insbesondere am Morgen, wenn die Solarthermieanlage bei noch schwacher Einstrahlung anfährt, hilft der Speicher, einen unerwünschten Taktbetrieb der BHKW zu vermeiden. soLarthermie erste GeiGe Im Konzert der verschiedenen Erzeu- gungseinheiten spielt die Solarther- mieanlage nun gewissermaßen die erste Geige. Obwohl sie nur etwa 5 Prozent des Jahresenergiebedarfs des Netzes beiträgt, haben sich die ande- ren Elemente des „Orchesters“ an ihr zu orientieren. Neben der Solarthermie konzertieren fünf Blockheizkraftwerke mit jeweils 2 MW thermischer Leistung; eines davon ist ein Biomethan-BHKW. 632 Großflächen-Flachkollektoren bilden die Wärmequelle der Solarthermieanlage. Die Montagesysteme sind größtenteils in den Boden gerammt. Eine Flächenversiegelung findet somit quasi nicht statt Kollektoren in Reih und Glied Weil die Solarthermieanlage zeitweise mehr Leistung bringt, als das Fernwär- menetz insgesamt benötigt, aber auch um Leistungsschwankungen der sola- ren Erzeugung auszugleichen, ist auf der Sekundärseite des Solarwärmetau- schers ein 150 m3 großer Pufferspeicher zwischengeschaltet. Er dient auch dazu, die Energie der Sonne vom Tag in den Abend hinein zu verschieben. Die Leit- warte achtet darauf, dass dieser Spei- cher stets zum kommenden Morgen wie- der leer ist. In den meisten Betriebsmodi spielt er ein Rolle. Der Solar-Pufferspeicher spielt eine zentrale Rolle www.solare-wärmenetze.deFür die Solarthermieanlage haben die Stadtwerke Bern- burg zusammen mit dem pla- nenden Ingenieurbüro und dem Anlagenhersteller einen Kata- log verschiedener Betriebs- modi entwickelt. Eine Auswahl: Vorwärmen des Solarsystems Die erste Zeit, nachdem die Startbe- dingungen erreicht sind, verstreicht mit dem Vorwärmen des Systems. Das Medium wird auf der Primärseite umge- wälzt. Nach einer bestimmten Zeit, je nach Sonneneinstrahlung, ist der Primärkreislauf auf eine Temperatur erwärmt, die am Eingang zur Primärseite des Tauschers z.B. 79 °C beträgt (Soll- wert veränderbar). Die Betriebsbedin- gungen für die Sekundärseite sind jetzt erfüllt und die Anlage startet dann im Modus Rücklauftemperaturanhebung. Rücklauftemperaturanhebung Die Solarstation heizt die Rücklauftem- peratur des Netzes auf. Wenn die Son- neneinstrahlung gering ist, die Tempe- ratur jedoch beispielsweise über 79 °C liegt, wird die Rücklauftemperatur vor den BHKWs mit der Sonnenwärme auf maximal 70 °C erhöht. Dieser Betriebs- modus ist nur verfügbar, wenn der Wär- meverbrauch der Stadt höher ist als die aus der Sonneneinstrahlung berechnete Sonnenenergie. Das System schaltet automatisch auf die Funktion „Vorwär- men für Hochtemperatur-Betrieb (HT)“ um, wenn die Rücklauftemperatur über 70 ° C steigt oder wenn die Solarleis- tung höher ist als die Leistung des Fern- wärme-Rücklaufs. Dabei sind die Soll- Temperaturwerte veränderbar. Vorwärmen zum HT-Betrieb Um dem Speicher die geforderte Soll- vorlauftemperatur des Fernwärme- werks zuzuführen, wird die Solarstation vor dem Laden des Speichers im Hoch- temperatur-Betrieb vorgewärmt. Wenn die Sonneneinstrahlung hoch genug ist, zirkuliert die Primärpumpe das Medium nur durch die Sonnenkollektoren bis die aktuelle Sollvorlauftemperatur, bei- spielsweise 88 ° C, erreicht ist. Hochtemperatur (HT) – solo Nachdem die Primärseite auf eine bestimmte Temperatur aufgeheizt wur- de, kann die Solarstation mit dem Laden des Speichers mit der Sollvorlauftempe- ratur des Fernwärmewerks beginnen. Die Entladungseinheit vom Speicher zum Netz ist dann nicht in Betrieb. Hochtemperatur – Parallel Ähnlich wie im vorherigen Modus liefert die Solarstation auf Sollvorlauftempera- tur des Heizwerks Energie an den Spei- cher. Gleichzeitig liefert die Speicher- Entladestation Wasser mit der gleichen Temperatur des Heizwerks ans Netz. Speicherentladung Wenn die Solarstation keine Wärme erzeugt, kann die Entladestation dem Netz Medium mit Sollvorlauftemperatur des Fernwärmewerks zuführen. Frostschutz Kollektorfeld Auf der Primärseite der Solarwärme- anlage zirkuliert eine Propylenglykol- Mischung. Die Mischung sorgt für eine Frostsicherung bis -14 °C. Dies ist ein Kompromiss zwischen Frosteigenschaf- ten und thermischen Eigenschaften. Ein zusätzliches Frostsicherungsprogramm startet bei noch tieferen Temperaturen. Die Frostsicherungsfunktion ist in zwei Betriebsarten möglich: a) Frostsicherung ohne Wärmezufuhr von der Sekundärseite: Dabei wird das Medium über ein Bypassventil am Wär- metauscher vorbei durch das Kollektor- feld gepumpt. Aufgrund der unterirdisch verlegten Rohre lässt sich so die Wärme des Erdreichs nutzen b) Frostsicherung mit Wärmezufuhr von der Sekundärseite: In der zweiten Stufe können bei Extremfrost geringe Energie- mengen aus der Sekundärseite über den Wärmetauscher ins Kollektorfeld und den Speicher geleitet werden. Nachtkühlung Falls in extremen Schönwetterperioden mehr Solarenergie geerntet wird als das Netz insgesamt benötigt, kann die Leit- warte nachts die Restwärme aus dem Solarspeicher über das Kollektorfeld an die Umgebung abgeben, um eine Über- hitzung am Folgetag zu vermeiden. Automatischer Siedeschutz Um zu hohe Temperaturen in den Solar- kollektoren und auf der Sekundärseite des Tauschers zu verhindern, gibt es auf Primär- und Sekundärseite eine Siede- sicherungsfunktion. Die Drehzahl der Pumpen wird bei drohender Überhit- zung zunächst bis zum Maximum hoch- gefahren. Kann die Solarwärmeanlage die Wärme immer noch nicht komplett abführen, unterbrechen ein Failsafe- Ventil und ein Siedethermostat bei 120° C die Zufuhr zur Solarwärme- und der Hy- draulikeinheit und das Kollektorfeld ent- leert sich in einen Glycol-Speichertank. BetrieBSmoDi Der Solarthermieanlage Hydraulikschema am Beispiel HT-Betrieb: So sieht es aus, wenn die Solarther- mieanlage im Hochtemperaturbetrieb Wärme an den Vorlauf des Fernwärmenet- zes liefert. (Grafik: Arcon-Sunmark) Infoblatt Nr. 13 ¬ Ferner sind drei Spitzenlast-Kessel mit jeweils 7,5 MW Teil des Heizkraft- werks. Die Kessel könnten neben Gas zur Not auch mit Heizöl gefeuert wer- den. Der Öltank fasst allerdings nur 180 Kubikmeter, was im Winter gerade ein- mal für 2 Tage reichen würde, schätzt Zimmermann. Die Dirigenten, alias Dispatcher, haben zwar ihre Notenblätter in Form der definierten Betriebsfahrweisen, aber sie interpretieren diese doch individuell anhand ihrer langjährigen Erfahrung. Zimmermann legt als Chef der Erzeugungssparte Wert darauf, dass das Fernwärmenetz in Bern- burg – gerade was Wetter und Strom- preis betrifft – nicht von Algorithmen gesteuert wird, sondern von mitden- kenden Menschen. JahrespLan übererfüLLt 2,28 Gigawattstunden (GWh) sollte die Solarthermieanlage laut Ertragsprog- nose des Herstellers pro Jahr bringen. Im ersten vollständigen Betriebsjahr 2021 hat die Anlage ihr Soll bereits leicht übertroffen und erreichte 2,35 GWh. Für das noch nicht abgeschlossene Jahr 2022 zeigt der Zähler aber bereits im Oktober 3,44 GWh. Der Rekordwert sei einerseits dem sehr sonnigen Som- mer zuzuschreiben, erläutert Zimmer- mann. Zum anderen sei dies allerdings auch der Erfolg einer neuen Regelstra- tegie: Habe man die Anlage früher das ganze Jahr auf einem Temperatursoll- wert von 95 Grad arbeiten lassen, so lasse man sie inzwischen während der kühleren neun Monate, in denen auch die fossilen Erzeuger in Betrieb sind, nur noch maximal 90 Grad produzieren. Die Solarenergie wird dem Vorlauf der Fernwärme im zentralen Heizhaus bei- gemischt. Durch die Absenkung um 5 Grad arbeite die Solarthermie sehr viel effizienter. 95 Grad muss die Anlage nun nur noch in den Sommermonaten liefern, wenn sie über weite Strecken der einzige Erzeuger im Netz ist. ZentraLe einspeisUnG Durch die Lage des Kollektorfeldes unmittelbar neben dem zentralen Heiz- werk kann die Leitzentrale die Solar- Während das Kollektor- feld intern unterirdisch ver rohrt ist, sind Vor- und Rücklauf zwischen dem Wärmetauscher dem Speicher oberirdisch ver- legt. Die Rohre sind nach dem Stand der Technik mit Mineralwolle gedämmt und außen mit Aluminium kaschiert. Die flexiblen, edelstahl- ummantelten, gebogenen Ver bindungs schläuche zwischen den Kollektoren sind seit Jahrzehnten ein leicht erkennbares Mar- kenzeichen des einstigen dänischen Marktführers Arcon-Sunmark. Falls sich in der Solar- thermieanlage im Stag- nationsfall Dampf bildet, wird die Wasser-Glykol- Mischung verdrängt. Die- ser Behälter würde die Flüssigkeit dann aufneh- men. Der Stagnationsfall ist aber in der Bernbur- ger Anlage bislang in zwei Betriebsjahren nie eingetreten. Die Pumpengruppe hinter dem Wärmetauscher bil- det eine kompakte Einheit. Alle Elemente der Wärme- übergabestation finden Platz in einem Gebäude, in dem früher die Verdichter- einheit für einen Gasspei- cher untergebracht war. Im Gegensatz zu den Fern- wärmepumpen ist die Solarkreispumpe nicht redundant vorhanden. Sollte sie mal ausfallen, wäre die Solaranlage bis zur Reparatur oder Beschaffung einer Ersatz- pumpe lahm gelegt. Aber es entstünde dadurch kein Versorgungsausfall im Bernburger Netz. www.solare-wärmenetze.deHeiko Zimmermann, Haupt- abteilungsleiter Energieer- zeugung und Fernwärme der Stadtwerke Bernburg hat das Solarthermieprojekt von Anfang an begleitet. Im Inter- view zieht er ein Fazit nach zwei Betriebsjahren. Wie beurteilen Sie die Entscheidung für diese Solarthermieanlagen nach zwei Jahren Betriebserfahrung? Wir beurteilen die damalige Entschei- dung im Nachhinein durchweg als sehr positiv - auch ohne dass wir große Vor- erfahrungen hatten. Die Zusammenar- beit mit der errichtenden Firma Arcon- Sunmark und dem Planungsbüro Enerko waren sehr hilfestellend. Wir hatten umfassende optimale technische Erläu- terungen, die dazu geführt haben, dass wir die Anlage so betreiben können, wie es von Anfang an gedacht war. Hatten Sie in den zwei Jahren Ausfall- zeiten? Die Anlage hat zu 100 Prozent funktio- niert; sie ist nie ausgefallen. Denn die Abstimmung der technischen Eigen- schaften ist optimal gelaufen. Mit dem nachgeschalteten Fernwärmenetz haben wir stets eine Abnahme für die Wärme, Auch dank der Speicher können wir die Anlage stets so betreiben, dass wir keine Ausfallzeiten haben. Die Son- nenbedingungen in Bernburg sind gut. Sie sorgen dafür, dass wir gute Erträge haben und damit fossile Energien erset- zen können. Was leistet die Anlage an einem sonni- gen Tag wie heute? An einem so schönen Sommertag kön- nen wir mit einem Gesamtertrag von 30.000 Kilowattstunden rechnen. Das ist etwa 75 Prozent der sommerlichen Fern- wärmeabnahme des nachgelagerten Netzes. Wir haben auch in Sommer noch eine relativ hohe Abnahme durch einige Altenheime und ein Krankenhaus. In den Sonnenstunden deckt die Solaranlage den Bedarf dann komplett. Die Lücke, um das Netz 24 Stunden in Betrieb zu halten, übernehmen unsere BHKW. Welchen Deckungsanteil bringt die Solarthermie anteilig übers Jahr? Wir haben drei Fernwärmenetze in Bernburg. Im großen Netz, in das die Solarthermieanlage einspeist, erreicht sie einen solaren Deckungsanteil von etwa 5 Prozent – etwa 2,4 Millionen Kilowattstunden. Wie gehen Ihre Kollegen mit einer Anlage um, die je nach Wetterlage mal Energie liefert und mal nicht? Zunächst haben wir einige Aufklärungs - arbeit leisten müssen mit den Kollegen in der Leitstelle, um in den Alltag der Bedienung zu kommen. Es hat natürlich eine Weile gebraucht, bis die Kollegen im Tagesgeschäft eine 100-prozentige Sicherheit mit der Anlage entwickelt haben. Aber das ging doch ziemlich schnell. Die Kollegen haben ja mit Fern- wärme über 20 Jahre Erfahrung und sie haben sich der Herausforderung gestellt. Deshalb konnten sie schnell mit den neuen Gegebenheiten umgehen. Wie ist der Energiemix übers Jahr? Wir haben etwa 75 Prozent BHKW- Anteil. In den Wintermonaten, wenn wir eine höhere Vorlauftemperatur und mehr Leistung brauchen, kommen 20 Prozent über Spitzenlastkessel hinzu. Und 5 Prozent übernimmt die Solarther- mieanlage - vor allem im Sommer. Was ist das Interesse der Stadtwerke? Unser Anspruch war schon immer Fern- wärmenetze so effizient und ökologisch wie möglich zu betreiben. Damit war die Solarthermieanlage für uns ein wich- tiger Meilenstein, den wir frühzeitig erreichen wollten, ohne damals viele Erfahrungen mit anderen Stadtwerken teilen zu können. Wir sind mehr oder weniger durch die Aufklärungsarbeit der dänischen Herstellerfirma zu dem Thema gekommen. Wir wussten durch eine Tochterfirma unserer Stadtwerke, die Photovoltaikanlagen betreibt, dass Bernburg einen sehr guten Standort für die Sonnenenergienutzung hat. Des- halb war die Grundsatzentscheidung für diese Solarthermieanlage sehr schnell getroffen. 2018 haben wir uns erstmalig damit befasst, 2019 konnten wir mit dem Bau beginnen und Mitte 2020 haben wir die Anlage in Betrieb genommen. Sie lie- fert genau das, was uns im Vorfeld ver- sprochen wurde. Was hören Sie von Ihren Kunden zu dem Thema? Die Kunden haben es sehr positiv auf- genommen. Gerade im Neukundenbe- reich ist es wichtig, dass die Fernwärme einen Beitrag dazu leistet, die Auflagen des Gebäudeenergiegesetzes zu erfül- len. Darum ist es für uns wichtig, in die Erneuerbaren Energien zu gehen, was wir hier mit einer großen Freiflächen- solarthermieanlage im ersten Schritt gemacht haben. Damit ist für uns der Weg offen, die Fernwärme noch ökolo- gischer und wirtschaftlicher zu machen und damit die Kunden in der Fernwärme zu halten. • Das Interview mit Heiko Zimmermann können Sie hier auch als Video schauen. interview: heiko zimmermann Infoblatt Nr. 13 ¬ impressUm Das Infoblatt Solare Wärmenetze ist eine Initiative im Rahmen vom Projekt SolnetPlus – Solare Wärmenetze als eine Lösung für den kommunalen Klimaschutz. Mehr unter: www.solare-wärmenetze.de Herausgeber: Solites Steinbeis Innovation gGmbh Text und Fotos: Guido Bröer, Solarthemen Veröffentlichung: Oktober 2022 | ISSN (Print) 2750-753X | ISSN (Online) 2750-7548 Die Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt beim Autor und der Herausgeberin. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch Autor und Herausgeberin übernehmen Verantwor- tung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. ¬ unterstützt durch die Industrieinitiative Solare Wärmenetze der Solarthermieanbieter (IniSW) partner energie über den Solarspeicher direkt in den zentralen Verteiler einspeisen, an den auch die weiteren vier jeweils 100 m3 großen Pufferspeicher für die KWK-Anlagen angeschlossen sind. Das eröffnet der Leitzentrale viele Möglichkeiten. Im Winter, wenn die Sonneneinstrahlung geringer ist, kann die Solarwärme auch in den Rück- lauf der BHKW fließen. Damit können die Kollektoren auch in der dunkleren Jahreszeit noch effizient arbeiten und einen signifikanten Beitrag zur Wärme- versorgung leisten. Rücklaufeinspei- sung ist eine der Betriebsweisen, wel- che die Anlage aber auch im Sommer jeden Morgen durchläuft, bevor ihre Energieerzeugung für den Hochtempe- raturbetrieb ausreicht. Unsicherheit war Gestern Bevor sie sich Gedanken über solche Feinjustierungen im System machen konnten, mussten die Expert:innen der Stadtwerke Bernburg zunächst für sich selbst einige grundlegende Fragen zur neuen Technologie klären, das gibt Heiko Zimmermann offen zu: „Es waren vor allem die technischen Aspekte, bei denen wir eine gewisse Unsicherheit spürten. Vor allem die Frage, ob die Anlage die erforderlichen Temperatur- niveaus wirklich konstant liefern kann, hat uns beschäftigt.“ Nach zwei Jahren Betriebserfah- rung hat er längst einen grünen Haken an das Thema gemacht. Jetzt geht es für den Hauptabteilungsleiter der Bernburger Fernwärme schon um die nächsten Investitionsvorhaben. primärenerGiefaktor Aktuell können die Stadtwerke Bern- burg dank ihres hohen KWK-Anteils, eines Biomethan-BHKWs und der Solarthermieanlage Fernwärme mit einem Primärenergiefaktor von 0,27 an ihre Kunden liefern. Der Regene- rativanteil beträgt dabei 26 Prozent. Für Heiko Zimmermann ist das Ende der Fahnenstange damit noch nicht erreicht. Im Gegenteil nennt er die Solarthermieanlage einen „ersten Schritt“. Den jedenfalls würde er jeder- zeit wieder so gehen. Wo früher Kohle lagerte, haben die Stadtwerke Bernburg jetzt eine Blüh- wiese zwischen den Kollektoren einge- sät. Das Gras wird nur zweimal im Jahr gemäht, um der Natur eine möglichst ungestörte Entfaltung zu ermöglichen. Natur zwischen den Kollektoren

Anna Laura Ulrichs2024-04-01T15:18:55+02:00Samstag, 1. Oktober, 2022|

Solarwärmenetze aus Behördensicht

10 Wärmenetze elix Landsberg, Berater beim Hamburg-Institut hat in den ver- gangenen Wochen viel mit Bau- ämtern, unteren Naturschutzbehörden und Stadtwerken gesprochen. Mit Hilfe qualitativer Interviews versucht der Wissen schaft ler ein Bild der aktuellen Genehmigungspraxis für große Solar- thermieanlagen zu zeichnen. Die Studie des Hamburg-Instituts soll Aufschluss darüber geben, wo es bei den Geneh- migungsprozessen für große Solarther- mieanlagen in Deutschland noch hakt, was gut läuft und wie es noch besser laufen könnte. Finanziert wird die Studie aus Mitteln des Bundesumwelt- ministeriums im Projekt SolnetPlus. Noch sind die Befragungen nicht abgeschlossen. Doch erste Trends lie - ßen sich schon erkennen, verriet Lands- berg der Energiekommune: „Meist geht es in der einen oder anderen Weise um das Thema Fläche.“ Denn große Solar- thermieanlagen für die Fernwärme wer- den heute zumeist auf Freiflächen reali- siert und benötigen Platz. Im Gegensatz zu Photovoltaikprojektierern sind Fern- wärmebetreiber bei der Standortsuche für Solarkollektoren allerdings deutlich weniger flexibel. Die Anlagen können nicht allzu weit von den Wärmenetzen und den Verbrauchern entfernt gebaut werden. Andernfalls würde der Lei- tungsbau die Kosten steigern und der Netzverlust die Effizienz senken. Nach Landsbergs Erkenntnissen lief es in den bisherigen Projekten meist so, dass für ein bestimmtes Solarprojekt eine Fläche gesucht wurde. Ist ein po- tenzielles Gelände gefunden, dann lan- det der Fall bei den kommunalen Ge- nehmigungsbehörden. Zwischen Pro- jektierer und Behörde ist zu klären, ob, wie und unter welchen Auflagen eine Freiflächen-Solarthermieanlage an die- sem Standort genehmigt werden kann. Zumeist geschehe dies im Rahmen ei - nes vorhabenbezogenen Bebauungs- plans, weiß Landsberg zu berichten. Es seien aber auch Anlagen auf bereits be- stehenden Bebauungsplänen geneh - migt worden. Ferner seien im Außenbe- reich einige Anlagen auf Basis der Privi- legierung für Versorgungsinfrastruktur nach § 35 des Baugesetzbuches reali- siert worden. Welche Gutachten sind nötig? Egal auf welcher dieser Grundlagen der Genehmigungsprozess laufe, stets sei es für die zuständigen Unteren Bau- und Naturschutzbehörden ein Sprung ins kalte Wasser. „Da schwingt immer eine gewisse Unsicherheit mit, weil die Behörde es zum ersten Mal macht“, sagt Landsberg. „Es fängt damit an, welche Gutachten überhaupt einzuholen sind. Wir sind bei unseren Befragungen auf Blendgutachten gestoßen, auf Versicke- rungsgutachten, auf Umweltgutachten zu Natur- und Artenschutz, sogar auf Verkehrsgutachten wegen des Liefer- verkehrs für die ergänzende Hack- schnitzelfeuerung.“ Für diese Gutach - ten gebe es wegen der individuellen Er- fordernisse vor Ort keine Standards, so Landsberg: „Hilfreich wäre aber aus Sicht der Behörden, wenn es ein Muster gäbe, welche Gutachten nicht für jedes Projekt individuell erstellt werden müs- sen.“ Für die Mitarbeiter:innen der Äm- ter ergäben sich weitere Unsicherhei - ten, „welche Träger öffentlicher Belan- ge überhaupt zu beteiligen sind und welches Maß an Aus gleichsmaß nah - men unter welcher Art der Flächenge- staltung zu fordern ist.“ Mitunter sei es in den vom Hamburg-Institut unter - such ten Projek ten möglich gewesen, die Kollektorfel der so naturverträglich zu gestalten, dass sich kein weiterer Ausgleichsbe darf ergeben habe. Teils hätten die Anlagenbetreiber die Ämter überzeugen können, dass sie intensiv genutztes Ackerland in eine extensive Beweidung überführten. Es fehle aber eine klare Richtschnur für solche Behör- denentscheidungen, sagt Landsberg. Zwar komme es vor Ort immer auf den Einzelfall an, und deshalb sei die kommunale Planungshoheit so wichtig, betont Landsberg. Und dennoch wünschten sich viele der Befragten kla- rere Regeln und Vorgaben für den Ge- nehmigungsprozess: „Zum Beispiel wäre eine Vorgabe der Länder sinnvoll, wie Ausgleichsmaßnahmen zu quantifi- zieren sind oder welche Auflagen für die Nutzung der Flächen zwischen den Kollektorreihen sowie für deren Abstän- 4/2022Energiekommune Solarwärmenetze aus Behördensicht Wenige Kommunen haben bislang Fernwärme-Solarthermieanlagen im Stadtgebiet. Auf welche Hürden sind sie in den Genehmigungsverfahren gestoßen, wie sind sie zum Ziel gekommen und was können andere daraus lernen? Das ist Thema einer Befragung. F Foto: Guido Bröer de oder Bauhöhen gelten sollten.“ Solche Vorgaben seien größtenteils Ländersache, erklärt Landsberg. Ein Beispiel: In Schleswig-Holstein wurde für Solarparks die Vorgabe ge- macht, auf die Abstände zwischen Boden und Unterkante der Module Acht zu geben. Umweltverbände fordern hier sogar die Festsetzung einer Min- desthöhe, um Schafen zu ermöglichen darunter hindurch zu schlüpfe., In NRW hingegen bestand eine Genehmigungs- behörde aus optischen Gründen auf einer Maximalhöhe der Kollektor-Ober- kante von 2 Metern über Grund. Einen konkreten Tipp hat Felix Lands berg in dieser Situation für alle Fernwärmebetreiber und -Planungsbü- ros, die mit der Idee einer solaren Frei- flächenanlage schwanger gehen: „Spre- chen Sie sehr frühzeitig mit der Umwelt- behörde beziehungsweise der Unteren Naturschutzbehörde. Wenn man früh in den Dialog geht, kann man spätere Pro- bleme vermeiden.“ Öffentlichkeit einbinden Das gelte im Prinzip auch für die Beteili- gung der Öffentlichkeit, meint Lands - berg. Immerhin laufe diese bei Projek - ten zur Fernwärmeversorgung meist besser als mitunter bei großen Photo- voltaikparks, wo sich schon allein des - halb Widerstand rege, weil ein externer Investor eine Kommune mehr oder we- niger mit seinen Plänen überraschte. Der lei sei von Solarthermieprojekten bislang kaum bekannt, so Landsberg: „Solare Wärmenetze entstehen meist aus der Mitte der kommunalen Gesell- schaft. Der vorgelagerte Planungspro - zess findet vor Ort statt. Die Betreiber sind oft in der Kommune ansässig. Und auch die Nutznießer, die Wärmeabneh- mer, leben in der Gemeinde. Idealerwei- se gibt es sogar eine finanzielle Beteili- gung der Bürgerinnen und Bürger an den Anlagen. Sei es, dass diese genos- senschaftlich organisiert sind oder dass der finanzielle Nutzen über den Quer- verbund eines Stadt werks der Allge- meinheit zugute kommt.“ Wenn alles gut läuft, dann gibt es mit der Flächenfindung und Genehmi- gung für eine große Solarthermieanlage keine besonderen Probleme. Dennoch sind die Wissenschaftler:innen des Hamburg-Instituts mittlerweile zu der Überzeugung gekommen, dass der Pro- zess der Flächensuche insge samt vom Kopf auf die Füße gestellt werden muss, um bei der Energiewende mit der nöti- gen Geschwindigkeit voranzukommen. Landsberg: „Unser Credo lautet ,von der Fläche zum Projekt, nicht vom Projekt zur Fläche.‘“ Will heißen: Kommunen werden im Zuge der Energiewende so viele Flächen für die Energieernte aus- weisen müssen, dass ein systematisches Flächenscreening für die verschiedenen regenerativen Energien das Gebot der Stunde ist. Landsberg sagt: „Die meisten Kommunen müssen erstmal die Grund- lagen legen für den erforderlichen Ab- wä gungs prozess. Sie müssen sich fra - gen: Wieviel Energie können und müs- sen wir auf unserem Stadt- oder Gemeindegebiet erzeugen. Dafür be - darf es einer interkommunalen struktu- rierten Flächenanalyse.“ Mit diesem Begriff beschreibt Landsberg ein Vorgehen, das eigentlich sogar über die neuesten Vorgaben einer kommunalen Wärmeplanung hinaus- geht, wie sie in Baden-Würtemberg vor- exerziert wird und laut Ankündigung der Bundesregierung demnächst auch bundesweit Pflichtaufgabe werden soll: „Wärmeplanung ist sehr gut und wich- tig. Aber dabei ist auch die Sektoren- kopplung, also die Verknüpfung mit dem Strombereich zu bedenken. Es muss ein generelles Umdenken stattfin- den, wie Stadtgesellschaften mit Flä- chen umgehen.“ Guido Bröer Wärmenetze Felix Landsberg hat Genehmigungsbe- hör den und Projektierer zu Erfahrungen mit großen Solarthermieanlagen befragt. Foto: Hamburg-Institut

Maren2024-05-31T16:04:26+02:00Freitag, 1. April, 2022|
Nach oben