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1 Erneuerbare Energien im Fernwärmenetz Hamburg Teil 2: Transformationsstrategie Fernwärme Stand: 22. Dezember 2017 Christian Maaß (Autor) Dr. Matthias Sandrock (Projektleiter) 2 Inhalt 1 Aufgabenstellung............................................................................................................................. 3 2 Rahmenbedingungen der Transformation: Die Wärmeversorgung der Hamburger Gebäude ..... 5 2.1 Der Gebäudebestand .............................................................................................................. 5 2.2 Die Gebäude-Wärmeversorgung............................................................................................. 6 2.3 Das Fernwärmenetz ................................................................................................................ 8 2.4 Die Fernwärme-Erzeugung .................................................................................................... 10 2.5 Schlussfolgerungen................................................................................................................ 11 3 Ziele der Transformationsstrategie ............................................................................................... 12 3.1 Umsetzung des Volksentscheids ........................................................................................... 12 3.2 Klima- und Ressourcenschutz ................................................................................................ 13 3.3 Versorgungssicherheit ........................................................................................................... 14 3.4 Sozialverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Kostensicherheit ............................................. 15 3.5 Investitionssicherheit ............................................................................................................ 15 3.6 Effiziente und flexible Infrastrukturen .................................................................................. 15 3.7 Regionale Wertschöpfung ..................................................................................................... 16 3.8 Angemessene Berücksichtigung von Verbraucherinteressen ............................................... 16 3.9 Bürgerbeteiligung .................................................................................................................. 16 4 Der Weg zur Transformationsstrategie ......................................................................................... 17 5 Arbeitsthesen für die Transformationsstrategie ........................................................................... 20 5.1 Wärmesystem: Ausbau der Fernwärme? .............................................................................. 21 5.2 Erzeugung .............................................................................................................................. 23 5.3 Verteilung .............................................................................................................................. 28 5.4 Speicherung ........................................................................................................................... 30 5.5 Vertrieb.................................................................................................................................. 30 5.6 Kundenseitige Optimierung .................................................................................................. 32 6 Übersichten ................................................................................................................................... 34 7 Literaturverzeichnis ....................................................................................................................... 36 3 1 Aufgabenstellung Im Rahmen der Beauftragung einer Strategie zur Steigerung des Einsatzes Erneuerbarer Energien in der Fernwärme ist das Hamburg Institut neben den Lösungsansätzen zum Ersatz des HKW Wedel auch mit der Erstellung einer langfristigen Transformationsstrategie für die Hamburger Fernwärme beauftragt worden. Fernwärmenetze haben das Potenzial, die Klimaschutzziele im Gebäudesektor besonders kostengünstig zu erreichen, da sie die großtechnische Erschließung von erneuerbaren Energien ermöglichen. Sie sind ein potenzielles Schlüsselelement für eine sozialverträgliche Umsetzung der Energiewende im Wohnungssektor. Derzeit ist die Hamburger Fernwärme jedoch durch fossile Energien geprägt und in dieser Form nicht nachhaltig. Der Senator für Umwelt und Energie hat das Ziel ausgerufen, bis Mitte der 2020er Jahre die Hamburger Fernwärme ohne den besonders klimaschädlichen Brennstoff Kohle betreiben zu können. Neben der Aufgabe, die aktuell im Kohle-Heizkraftwerk Wedel produzierte Wärme klimafreundlich zu ersetzen, gerät damit die noch schwierigere Aufgabe in den Fokus, die Wärme aus dem größten Heizkraftwerk der Stadt in Tiefstack zu ersetzen. Dieses ist für die Produktion von etwa 2/3 der Hamburger Fernwärme verantwortlich. Eine Umstellung der Fernwärmeproduktion von Kohle auf Erdgas bringt zwar kurzfristig erhebliche Minderungen der CO2-Emissionen, bietet jedoch keine dauerhaft tragfähige Perspektive: Die Europäische Union, die Bundesregierung und der Senat verfolgen das Ziel, bis zum Jahr 2050 den Gebäudebestand weitgehend klimaneutral mit Energie zu versorgen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn sowohl in der Fernwärmeversorgung als auch in der dezentralen Gebäudebeheizung nicht nur auf Kohle verzichtet wird, sondern weitestgehend auch auf Erdgas und Erdöl. Die Aufgabe, die Wärmeversorgung innerhalb von rund 30 Jahren grundlegend zu verändern, erfordert einen tiefgreifenden technologischen Wandel des Energiesystems. Ein solcher tiefgreifender Veränderungsprozess kann nur innerhalb eines von der Politik vorgegebenen kohärenten, rechtlich-wirtschaftlichen Rahmens zum Erfolg geführt werden. Die Ausrichtung des Transformationsprozesses für die Fernwärme hängt dabei stark von den Entwicklungen des Energiesystems im Stromsektor sowie bei der Entwicklung des Energiebedarfs im Gebäudesektor ab. Die Transformationsstrategie für die Fernwärme kann daher nicht losgelöst von den Entwicklungen und Zielen in diesen Sektoren entwickelt werden. Der Fernwärme-Transformationsprozess muss daher in eine gesamtstädtische langfristige Strategie für die Wärmeversorgung eingebettet werden, welche wiederum mit den Entwicklungen der Energiewende auf bundesdeutscher und europäischer Ebene rückgekoppelt werden muss. Dabei müssen verschiedene Weichenstellungen vorgenommen werden. Diese betreffen vor allem die zukünftige Rollen der netzgebundenen Wärmeversorgung und der dezentralen Wärmeerzeugung auf Gebäudeebene – aber auch die Rolle der Energieeffizienz. Erst wenn hinreichender Sicherheit abgeschätzt werden kann, in welchen Bereichen der Stadt auch in Zukunft ein hinreichend hoher Wärmebedarf vorhanden sein wird und inwieweit dieser nicht dezentral oder durch Strom gedeckt wird, kann sinnvoll über den Aus- und Umbau der Fernwärme diskutiert werden. Erst nachdem diese grundlegenden Fragen nach der zukünftigen Rolle der Fernwärme in Hamburg geklärt sind, können die sich hieran anschließenden operativen Fragen des technologischen Strukturwandels abschließend beantwortet werden. Hierzu gehören insbesondere die Fragen nach 4 der zukünftigen Erzeugung der erneuerbaren Fernwärme, dem nötigen Umbau der Wärmenetz-Infrastruktur und der kundenseitigen Anlagen.1 Die Beantwortung der Frage nach der grundlegenden Rolle der Fernwärme und der daraus folgenden operativen Fragen kann nicht in diesem Kurzgutachten erfolgen, sondern muss einem umfassenden Klärungsprozess überlassen bleiben. Dieser Klärungsprozess geht weit über rein fachliche Fragen hinaus und erfordert eine Reihe weitgehender politisch-gesellschaftliche Entscheidungen. Wir verstehen die Aufgabe der Entwicklung einer Transformationsstrategie Fernwärme daher auch als Frage nach der Entwicklung eines übergeordneten Klärungsprozesses, der es der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) ermöglicht, die zukünftige Rolle der Fernwärme zu definieren und hierauf aufbauend den notwendigen technisch-ökologischen Strukturwandel in der Hamburger Wärmeversorgung initiieren und steuern zu können. In Vorbereitung eines solchen Klärungsprozesses werden in dieser Kurzstudie Arbeitsthesen aufgestellt, in welche Richtung der Transformationspfad der Hamburger Wärmeversorgung und des Fernwärmesystems aus Sicht des Hamburg Instituts aus heutiger Sicht gesteuert werden sollte. Diese Thesen sind nicht als Vorwegnahme des Klärungsprozesses gedacht, sondern sollen in einem solchen Prozess zur Diskussion gestellt werden. Vor diesem Hintergrund ist das Ziel dieses Papiers, herauszuarbeiten, von welcher die energie- und wohnungswirtschaftliche Ausgangssituation der Transformationsprozess ausgeht (unten 2.), welche Rahmenbedingungen und Leitlinien für den dargelegten gesamtstädtischen planungs- und Klärungsprozess zu beachten sind (3.), wie der Planungsprozess ausgestaltet werden könnte (4.), welche inhaltlichen Arbeitsthesen zur zukünftigen Transformation der Fernwärme aus Sicht der Gutachter dem Planungsprozess zugrunde gelegt werden sollten (5.); die sich hieraus ergebenden Ansätze werden in zwei zusammenfassenden Übersichten dargestellt (6.). 1 Einige der im Auftrag des BUND Hamburg erarbeiteten Aspekte aus den Gutachten von LBD / Hamburg Institut „Rekommunalisierung der Hamburger Fernwärmeversorgung“ (http://www.hamburg-institut.com/images/pdf/studien/BUND%20Fernwaerme%20Hamburg_Endstand.pdf , 2013) sowie „Ökologisch-soziale Wärmepolitik für Hamburg“ (http://www.hamburg-institut.com/images/pdf/studien/150529_oekologisch-soziale_Waerme_BUND_HH.pdf, 2013) werden im Folgenden punktuell aufgegriffen und weiterentwickelt. 5 2 Rahmenbedingungen der Transformation: Die Wärmeversorgung der Hamburger Gebäude 2.1 Der Gebäudebestand Die beheizte Gebäudefläche in Hamburg beträgt insgesamt ca. 125 Mio. m². Davon entfallen etwas mehr als die Hälfte (64 Mio. m²) auf Wohngebäude. Darunter sind 30 Mio. m² große Mehrfamilienhäuser und je etwa 17 Mio. m² kleine Mehrfamilienhäuser und Einfamilienhäuser. Bei den Nicht-Wohngebäuden entfallen 50 Mio. m² auf große Immobilien (> 1.000 m²).2 Im Jahr 2010 bestand ein Gebäudewärmedarf von knapp 15 Mio. MWh/a. Etwa ein Drittel davon entfiel auf große Nichtwohngebäude, jeweils etwa 20% wurden in Einfamilienhäusern und großen Mehrfamilienhäusern benötigt. Gebäudeart Heizwärme- und Warmwasserbedarf 2010 [MWh/a] Einfamilienhaus 3.185.888 Mehrfamilienhaus klein 2.085.352 Mehrfamilienhaus groß 3.210.674 Nichtwohngebäude klein (<500 m²) 221.531 Nichtwohngebäude groß (500 – 1.000 m²) 1.304.608 Nichtwohngebäude groß (>1.000 m²) 4.935.547 Summe 14.916.601 Tabelle 1: Wärmebedarf für Wohn- und Nichtwohngebäude in Hamburg 20103 Der Energiekennwert für Wohngebäude liegt im Durchschnitt bei rund 140 kWh/m2/a, wobei es zwischen den Bezirken erhebliche Unterschiede gibt.4 Ursächlich hierfür sind zwei Faktoren: Je höher der Anteil von Ein- und Zweifamilienhäusern ist, desto höher ist der spezifische Wärmebedarf. Hingegen führt ein hoher Anteil von neuen Gebäuden zu spezifisch niedrigeren Wärmebedarfen. Die bisherige jährliche Sanierungsrate in Hamburg beträgt laut Schätzungen von Ecofys (2010) bei rund 1% Vollsanierungen sowie 0,8% Teilsanierungen p.a.5 Die FHH nennt in der Drucksache 20/11772 eine Sanierungsquote von 1,2 %.6 Der Hamburger Senat strebt für den Gebäudesektor bis zum Jahr 2050 einen jährlichen Endenergiebedarf (Heizung und Warmwasser) bei bestehenden Mehrfamilienhäusern im Bestand von durchschnittlich 40–45 kWh/m² und bei Einfamilienhäusern von 45–55 kWh/m² an.7 Bei Nichtwohngebäuden wird eine Minderung des Wärmebedarfs um 50 Prozent angestrebt. 2 Vgl. Ecofys (2010), S. 33. 3 Nach Ecofys (2010), S. 38. 4 Vgl. Ecofys (2014), S. 19. 5 Vgl. Ecofys (2010), S. 37. 6 kritisch hierzu Rabenstein (2014), S. 18. 7 Hamburger Klimaplan, Bürgerschaftsdrucksache 21/2521, S. 3 und 8. 6 Die somit angestrebte Reduzierung des spezifischen Wärmebeddarfs der Gebäude um etwa 2/3 wird mit dem bestehenden Sanierungstempo drastisch verfehlt werden. Es erscheint zunehmend zweifelhaft, ob die zur Zielerreichung nötige Vervielfachung der Sanierngstiefe und –geschwindigkeit realistisch ist: Bislang sind hierfür weder die erforderlichen politischen Instrumente noch die erforderlichen finanziellen Ressourcen erkennbar. Ohne ein – bislang nicht erkennbares – ganz erhebliches Umsteuern zur Veränderung der Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene läuft der bestehende Entwicklungstrend auf eine quantitativ deutlich signifikante Nichterfüllung der Effizienzziele im Gebäudebereich hinaus. Gleichzeitig wächst der Gebäudebestand durch neue Gebäude, insbesondere zur Bereitstellung der vom Senat angestrebten 10.000 neuen Wohnngen pro Jahr, jedoch auch im Bereich der Nicht-Wohngebäude. Trotz steigender Anforderungen an die Energieeffizienz weisen diese Gebäude nach wie vor einen relevanten Energiebedarf auf, der noch immer überwiegend durch fossile Brennstoffe gedeckt wird. Nicht immer wird auch bei den heute neu gebauten Gebäuden der für 2050 angestrebte niedrige Wärmebedarf gedeckt – eine energetische Sanierung dieser neu gebauten Gebäude innerhalb der nächsten Jahrzehnte ist gleichwohl nicht zu erwarten. 2.2 Die Gebäude--Wärmeversorgung Die Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser bildet mit Abstand den größten Teil des Energiemarktes in Hamburg: 8 Von ca. 48 TWh Endenergie, die im Jahr 2015 in Hamburg verbraucht wurden, entfielen etwa 19,12 TWh (ca. 40%) auf den Wärmebereich. Dabei wurden 12,1 TWh Erdgas, 2,5 TWh Heizöl und 4,3 TWh Fernwärme verbraucht. Etwas weniger als die Hälfte der Gesamtwärmemenge wurde in den Hamburger Haushalten verbraucht. Die Wärmeenergie für Prozesswärme in Betrieben sowie die Versorgung von gewerblich genutzten Gebäuden ist daher ebenso bedeutsam wie die Versorgung von Wohngebäuden. Prozessenergie hat meist jedoch höhere Anforderungen an das Temperaturniveau als mit der regulären Fernwärme über Warmwassernetze bereitgestellt werden kann, so dass dieser Teil gesondert betrachtet werden muss und im Rahmen dieses Kurzgutachtens nicht weiter untersucht werden kann. Für die Haushalte beansprucht Wärme mit über 70% (2011) den mit Abstand größten Teil des Energieverbrauchs.9 Bei der Beheizung und Warmwasser-Bereitstellung für Wohngebäude dominieren fossile Energien: Hier entfielen 5,6 TWh auf Erdgas, 1,6 TWh auf Heizöl und 2,2 TWh auf Fernwärme. Auch in der CO2-Bilanz schlägt sich der Wärmesektor stark nieder: Im Jahr 2015 wurden in Hamburg energiebedingt ca. 17,3 Mio. t CO2 ausgestoßen, etwa ein Drittel entfällt auf den Wärmebereich. Es wurden etwa 2,8 Mio. t CO2 durch den Einsatz von Erdgas emittiert. 1,5 Mio. t entfallen auf die Fernwärme und etwa 0,6 Mio. t auf Heizöl. Im Jahr 2015 war Wärme für mehr als die Hälfte der auf Haushaltsebene entstehenden CO2-Emissionen verantwortlich.10 8 Zum Folgenden: Energiebilanz und CO2-Bilanzen für Hamburg 2015, Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (2017). 9 Vgl. Arrhenius (2010), S. 13ff. 10 Vgl. Energiebilanz und CO2-Bilanzen für Hamburg 2015, Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (2017). 7 Abbildung 1: Anteile der Energieträger an der CO2-Bilanz 2015 von Haushalten, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und übrigen Verbrauchern (ohne Stromverbrauch, ohne Verkehr, ohne Industrie), Daten nach 11 11 Energiebilanz und CO2-Bilanzen für Hamburg 2015, Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (2017). Kohle 0,3% Gase 48,1% Mineralöl 17,1% Fernwärme 34,5% CO2-Bilanz Hamburg 2015 Wärmeanwendungen Haushalte /GHD 8 2.3 Das Fernwärmenetz Die Fernwärmeversorger liefern etwa 25% des Hamburger Wärmebedarfs für Wohn- und Nichtwohngebäude,12 während drei Viertel des Wärmebedarfs über erdgas- und heizölbefeuerte Zentralheizungen gedeckt werden. Im bundesdeutschen Vergleich der Großstädte dürfte dies eine ansehnlicher Marktanteil sein, im Vergleich zu skandinavischen Großstädten ist dieser Wert hingegen niedrig.13 Das von Vattenfall Wärme Hamburg (VWH) betriebene Fernwärmenetz ist mit mehr als 450.000 angeschlossenen Nutzeinheiten das zweitgrößte Fernwärmenetz Deutschlands. Abbildung 2: Fernwärmenetzkarte VWH (Ausschnitt)14 Daneben existieren zahlreiche, teilweise deutlich kleinere Wärmenetze in Hamburg. Einige dieser Wärmenetze gehören ebenfalls der VWH, die nächstgrößeren Wärmenetze im Hamburger Nordosten und Nordwesten gehören zum e.on-Konzern (Hansewerk Natur). Die Transformation dieser Wärmenetze ist jedoch nicht Gegenstand dieses Gutachtens, welches sich vornehmlich auf das VWH-Wärmenetz bezieht. Etwa die Hälfte der von Wärmenetzen erschlossenen Gebäude sind Gewerbegebäude, einschließlich der zahlreichen Gebäude im Eigentum FHH (Schulen, Verwaltungsgebäude, Hochschulen, etc.). Nach der Erfassung der Beheizungsstruktur im Rahmen des Mikrozensus 2011 werden in der FHH 12 Vgl. Arrhenius (2010), S. 71. 13 In dänischen und schwedischen Großstädten liegt der Marktanteil der Fernwärme regelmäßig deutlich über 50%, s. Nachweise zu einzelnen Städten unten. 14 http://www.vattenfall.de/de/file/VWH_Netzkarte_Hamburg_26486980.pdf. 9 insgesamt 258.376 Wohnungen mit Fernwärme beheizt.15 Der von der Vattenfall-Fernwärme versorgte Anteil wird auf etwa 200.000 Wohnungen geschätzt.16 Die Fernwärme-Abnahmestruktur ist von einer hohen Wärmedichte geprägt. Der Leistungswert beträgt 4,0 MW je km Trasse, was der zweithöchste Wert im Bundesländervergleich. ist 17 Betrachtet man den Anteil der Gebäude mit Fernwärmeanschluss, ergeben sich je nach Bezirk unterschiedliche Werte, die in Hamburg-Mitte und Hamburg-Nord Werte über 20% aufweisen.18 Diese Werte geben jedoch keinen Aufschluss über den tatsächlichen Anschlussgrad an das Fernwärmenetz in den vom Wärmenetz erschlossenen Gebieten. Aus einigen Quartierskonzepten kann der Rückschluss gezogen werden, dass es innerhalb der vom Fernwärmenetz erschlossenen Gebiete viele Gebäude noch nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen sind. Nachgewiesen wurde dies insbesondere in den Quartierskonzepten Eimsbüttel19 und Dulsberg20. In Dulsberg beträgt der Anschlussgrad ca. 65%, in Eimsbüttel hingegen sind im Untersuchungsgebiet ganze Straßenzüge nicht von der Fernwärme versorgt. Des Weiteren gibt es dicht besiedelte Stadteile wie Ottensen, die zwar innerhalb des Fernwärmeversorgungsgebiets liegen, jedoch nur ein leistungsarmes Verteilnetz aufweisen und damit quantitativ relevante zusätzliche potenzielle Wärmesenken für die Fernwärme darstellen. Darüber hinaus liegen in den Randbereichen des Fernwärmenetzes zahlreiche wachsende Stadtteile. Dies betrifft sowohl Stadtteile in der Planungsregion Hamburg-Ost („Stromaufwärts an Elbe und Bille“) wie Rothenburgsort, aber auch andere Stadtteile wie z.B. Lokstedt, Langenfelde, Bahrenfeld, Bramfeld und Alsterdorf, die bislang nicht oder nur rudimentär mit Fernwärme versorgt werden. Es bietet sich an, die in diesen Vierteln geplanten größeren Neubauvorhaben mit Fernwärme zu erschließen. Zur Versorgung dieser Gebiete bedürfte es teilweise jedoch erheblicher Investitionen, die nicht nur die Verlegung neuer Verteilnetze, sondern ggf. auch die Verstärkung der bestehenden Transportnetze erfordern. Im Zuge des seit mehreren Jahrzehnten andauernden Ausbaus des Netzgebietes in die nördlichen Stadtteile sind die ursprünglich für geringere Leistungen ausgelegten Wärmetransportleitungen von den Erzeugungsanlagen bereits stark ausgelastet. Um weitere Verbraucher anschließen zu können, wurde bereits in den 1970er Jahren die Heizwassersystemtemperatur auf 136°C im Vorlauf im Winter erhöht.21 Die weitere Ausdehnung und Verdichtung des Fernwärmenetzes kann daher in einigen Stadteilen nur parallel mit einer Verstärkung der Wärmetransportleitungen erfolgen, wie sie seit einigen Jahren in Altona vorgenommen werden. Hervorzuheben ist ebenfalls, dass die Stadtviertel entlang der Fernwärmetransportleistung von Wedel in die innere Stadt bislang kaum von der Fernwärme versorgt werden. Auch wenn die Wärmedichte in diesen Gebieten in der Regel deutlich geringer ist als in den innerstädtischen Siedlungsbereichen und die spezifischen Kosten für den Aufbau einer netzbasierten Wärmeversorgung damit höher sind, ist der Aufbau von Wärmenetzen eine mittel- bis langfristig 15 https://ergebnisse.zensus2011.de. 16 LBD/Hamburg Institut, S. 20. 17 AGFW-Hauptbericht 2010, Frankfurt 2012 18 Vgl. Ecofys (2014), S. 21ff. 19 http://suche.transparenz.hamburg.de/dataset/energetisches-konzept-fuer-das-quartier-eimsbuettel, S. 37 ff., 66 ff. 20 http://www.hamburg.de/contentblob/4497132/e75c35aa48b70e5225e60f51663c46c7/data/dl-energiekonzept-hamburg-dulsberg.pdf 21 Dieter Dommann: Die Fernwärme- und Fernkälteversorgung in der Freien und Hansestadt Hamburg, Hrsg. HEW 1994, S. 21 ff; Bürgerschaftsdrucksache 19/6387 (Parlamentsdatenbank der Hamburgischen Bürgerschaft) 10 denkbare Option. In vielen skandinavischen Großstädten – beispielsweise Kopenhagen,22 Göteborg23 und Stockholm - werden Stadtviertel mit einer ähnlichen Siedlungsstruktur bereits heute zu moderaten Kosten mit Fernwärme versorgt. 2.4 Die Fernwärme--Erzeugung Die Erzeugung der Fernwärme erfolgt in zwei Heizkraftwerken, fünf Heizwerken und acht Blockheizkraftwerken, 24 wobei jedoch 99% der Wärmearbeit von fünf Anlagen erbracht wird. Die Anteile der Erzeugungsanlagen an der Wärmebereitstellung für das innerstädtische Fernwärmenetz zeigt folgendes Bild: Abbildung 3: Anteile der Fernwärmeerzeugung in Hamburg Quelle: LBD/Hamburg Institut, S. 21. Die Bereitstellung der Vattenfall-Fernwärme basiert somit nur auf wenigen zentralen Anlagen an den Standorten Tiefstack, Wedel sowie den Abfallverbrennungsanlagen im Hamburger Osten. Der Brennstoffeinsatz in der Hamburger Fernwärme ist durch den mit rund 68% sehr hohen Anteil an Steinkohle gekennzeichnet. 25 Durch den als biogen klassifizierten Anteil am Siedlungsabfall (MVB) liegt hier der Anteil erneuerbarer Energien bei etwa 8%.26 Aufbauend auf den Empfehlungen des Gutachtens zum Ersatz des Kraftwerks Wedel27 soll zukünftig Fernwärme überwiegend aus regenerativen Energien und industrieller Abwärme auch am Standort Hafen in relevanten Größenordnungen erzeugt und über eine Anschlussleitung unter der Elbe nach 22 In Kopenhagen werden 55% des gesamten Wärmebedarfs über Fernwärme geliefert, http://www.hofor.dk/wp-content/uploads/2016/09/district_heating_in_cph.pdf. Hierunter sind auch zahlreiche Viertel außerhalb des verdichteten innerstädtischen Bereichs und Vororte außerhalb der Stadtgrenzen mit einer moderaten Siedlungsdichte. 23 https://grist.files.wordpress.com/2010/09/gothenburg,_sweden_i-district_energy_climate_award.pdf, S. 11: 60% aller Einwohner werden mit Fernwärme versorgt, darunter 90% aller Mehrfamilien und Gewerbegebäude sowie 20% der Ein- und Zweifamilienhäuser. 24 http://www.vattenfall.de/de/fernwaerme-fuer-berlin-und-hamburg.htm, Abruf am 1.7.2013 25 Vgl. zum Einsparungspotenzial bei einem Brennstoffwechsel von Kohle zu Erdgas Arrhenius Institut, Basisgutachten zum Masterplan Klimaschutz für Hamburg, 2010,. http://www.hamburg.de/contentblob/4312988/d35ac390ff234478e818023286d2a2b4/data/basisgutachten-masterplan-klimaschutz.pdf 26 LBD/Hamburg Institut, Rekommunalisierung der Hamburger Fernwärmeversorgung, Endfassung vom 5. September 2013, S. 36 f.; nicht berücksichtigt ist hierbei die Industriedampfversorgung im Hafen aus der Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm. 27 Hamburg Institut, Erneuerbare Energien im Fernwärmenetz Hamburg, 2016. HKW Wedel 29% MVB/AVG 20% HKW Tiefstack 36% GuD Tiefstack 12% HKW HafenCity 3% Anteile der Fernwärmeerzeugung 11 Norden geleitet werden. Daneben wird der Standort Stellingen mit verschiedenen Abfallverwertungsanlagen zu einem größeren Standort zur Erzeugung von Fernwärme ausgebaut. 2.5 Schlussfolgerungen Der Gebäudebestand weist in Hamburg noch immer einen hohen Wärmebedarf auf. Selbst wenn die Sanierungsrate und –tiefe zukünftig gesteigert werden kann, wird – bereits durch den Zubau von neuen Gebäuden innerhalb des Siedlungsbereichs – auch mittel- und langfristig ein hoher Wärmebedarf verbleiben. Bislang spielen die erneuerbaren Energien sowohl in der dezentralen Wärmeerzeugung als auch im Fernwärmesystem eine nur untergeordnete Rolle. Die energetische Sanierung der Gebäude und die damit verbundene Verringerung des Fernwärmeabsatzes führen zwar strukturell zu einer Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit der Fernwärme, jedoch wird dieser Effekt durch den von der Verbrauchsmenge unabhängigen Grundpreis-Anteil begrenzt. Zudem gibt es innerhalb des Fernwärmeversorgungsgebiets deutliche Potenziale zur Steigerung des Anschlussgrads. Ein Rückgang des spezifischen Wärmebedarfs pro Gebäude kann daher grundsätzlich durch Neuerschließungen und Verdichtung der Fernwärmenetze entgegengewirkt werden. Zur Realisierung einer höheren Anschlussquote sind jedoch erhebliche Investitionen in neue Leitungen sowie teilweise auch für das Bestandsnetz (Transportleitungen) notwendig. In den Randbereichen des heutigen Fernwärmenetzes besteht das Potenzial, wachsende Stadteile mit einer hinreichend hohen Wärmedichte neu mit Fernwärme zu erschließen. Für den Transformationsprozess in Richtung erneuerbarer Energien bedeutet der pro Gebäude sinkende Absatzrückgang sowie die kostenaufwändige Erschließung neuer Stadtteile ein Auslastungs- und Finanzierungsrisiko, welches nur durch eine aktive Steuerung des Transformationsprozesses reduziert werden kann. 12 3 Ziele der Transformationsstrategie Jeder Prozess zur Formulierung einer Strategie zur Transformation der Fernwärme muss sich am Anfang die Frage stellen, was mit dem Prozess bewirkt werden soll. Die Zieldefinition des Transformationsprozesses ist dabei keine einfache Aufgabe: Neben dem primären Ziel einer Umstellung der Fernwärme auf Erneuerbare Energien gilt es eine Reihe weiterer gesellschaftlicher Anforderungen an die zukünftige Wärmeversorgung zu berücksichtigen. Eine große Herausforderung besteht darin, den Transformationsprozess der urbanen Wärmeversorgung zu erneuerbaren Energien in die grundlegenden Ziele einer vorausschauenden kommunalen Wärmepolitik zu integrieren. Dabei müssen verschiedene energiewirtschaftliche und kommunalpolitische Ziele miteinander in Einklang gebracht werden. Die Gewichtung der teils gegenläufigen Interessen ist wiederum dem vorgeschlagenen gesellschaftlich-politischen Klärungsprozess vorbehalten, der im Anschluss näher dargestellt wird. 3.1 Umsetzung des Volksentscheids Die Verfassungsorgane der FHH sind durch den Volksentscheid daran gebunden, „alle erforderlichen und zulässigen Schritte zu unternehmen, um die Hamburger Strom-, Fernwärme- und Gasleitungsnetze 2015 wieder vollständig in die Öffentliche Hand zu übernehmen. Verbindliches Ziel ist eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien.“ Aus dem Auftrag des Volksentscheides folgt, dass die Energie-Infrastrukturen für eine sozial gerechte und klimaverträgliche Energiepolitik genutzt werden sollen. Während das Strom- und Gasnetz bundesrechtlich stark reguliert sind und dies die Handlungsspielräume dieser Netzbetreiber deutlich einschränkt, verfügen die Eigentümer und Betreiber von Wärmenetzen über weitgehende Autonomie in ihren Entscheidungen zum Umbau der Infrastruktur zur Wärmeerzeugung und –verteilung. Hieraus ergeben sich erhebliche Spielräume für die Bewirtschaftung des Netzes im Sinne der Ziele des Volksentscheides. Die mangelnde Sicherheit im Hinblick auf die Rolle der Fernwärme in der zukünftigen Wärmever-sorgung hat erhebliche Auswirkungen auf den Unternehmenswert der VWH als Betreiber der Fernwärme – und damit auf die Umsetzung des Volksentscheides zur Rekommunalisierung des Fernwärmenetzes. Die Ausübung des vertraglich bestehenden Optionsrechts zum Erwerb der verbleibenden 74,9% VWH-Anteile durch die Stadt wird maßgeblich dadurch in Frage gestellt, dass der hierfür vereinbarte Mindestpreis im Rahmen einer Unternehmensbewertung nicht erreicht werden könnte. Eine klare Ausbaustrategie für die Fernwärme hätte erhebliche Auswirkungen auf die Unternehmens-bewertung. Je unklarer ist, ob der Fernwärmeabsatz in Zukunft stagniert, zurückgeht oder steigt, desto schwieriger wird die Bewertung des Unternehmenswertes. Investoren müssen in einer solchen Situation Risiken einkalkulieren, dass bei mangelnder Unterstützung der Stadt der Fernwärmeabsatz infolge zunehmender Sanierung und mangelnder Erschließung neuer Versorgungsgebiete stagniert oder sogar zurückgeht. Dies schlägt sich in der Bewertung des Unternehmenswertes nieder. Der Wert des Fernwärmenetzes liegt somit ganz wesentlich in der Hand der Stadt. Genauso wie der Aufbau des Hamburger Fernwärmenetzes durch die seinerzeitige HEW war nur möglich war aufgrund einer langfristig angelegten und mit hohen Summen finanziell hinterlegten Strategie der FHH und seiner öffentlichen Unternehmen, ist auch der weitere Ausbau dieses Netzes nur mit Unterstützung der Stadt denkbar. 13 3.2 Klima-- und Ressourcenschutz Klima- und Ressourcenschutz ist eine der zentralen Zielsetzungen für eine zukunftsorientierte Energiestrategie. Die Klimaschutzziele sind nur zu erfüllen, wenn die Transformation der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien und eine gleichzeitige deutliche Energieeinsparung gelingt. Dies gilt insbesondere für das Ziel der Bundesregierung und des Senats,28 bis zum Jahr 2050 den dann vorhandenen Gebäudebestand nahezu klimaneutral mit Energie zu versorgen. Dieses Ziel stellt einen ganz zentralen Baustein des Masterplans Klimaschutz der Bundesregierung dar und wird daher als unverrückbare Voraussetzung angenommen. Nach den Szenarien der „Energieeffizienzstrategie Gebäude“29 des BMWi sind zur Erreichung eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestandes auf Bundesebene nicht nur erhebliche zusätzliche Anstrengungen bei der Gebäudesanierung nötig, sondern auch dramatische Steigerungen der Anteile erneuerbarer Energien. Bei einer Halbierung des Energiebedarfs bis 2050 wäre gleichzeitig eine Verfünffachung des EE-Anteils erforderlich (auf ca. 60%). Abbildung 4: Möglicher Zielkorridor aus Energieeinsparung und Umstellung auf erneuerbare Energien im Gebäudesektor30 Ohne eine erhebliche Steigerung der politischen Anstrengungen dürfte jedoch bereits eine Halbierung des Energiebedarfs gegenüber dem heutigen Bedarf kaum zu erreichen sein.31 Nach einer Studie für das seinerzeitige BMVBS zur Erreichung der Klimaschutzziele im Wohngebäudesektor32 könne dies nur gelingen, wenn die Schnelligkeit der energetischen Modernisierung des Gebäudebestandes in etwa verdreifacht wird und gleichzeitig die Qualität der Wärmeschutzmaßnahmen deutlich erhöht wird. Die im Ergänzungsgutachten von Ecofys zum Masterplan Klimaschutz im „Referenzszenario“33 angenommene Halbierung des Energiebedarfs der Wohngebäude in Hamburg bis zum Jahr 2050 (gegenüber 2010) und die hierauf gegründete entsprechende Einschätzung des Senats34 ist vor 28 Hamburger Klimaplan (2015), Bürgerschaftsdrucksache 21/2521, S. 28. 29 BMWi (2014b), S. 10ff. 30 BMWi (2014b), S. 10. 31 Vgl. z.B. Shell BDH (2013), S. 4. 32 Vgl. BMVBS (2013), S. 6. 33 Vgl. Ecofys (2010), S. 37. 34 Vgl. Zwischenbericht Wärmekonzept für Hamburg (2014) , Bügerschaftsdrucksache 20/11772. 14 diesem Hintergrund als optimistisch zu bewerten;35 dies gilt umso mehr für die im Klimaschutzplan von 2015 angestrebte Reduzierung des Heiz- und Warmwasserbedarfs um etwa 2/3 bis 2050. Vor diesem Hintergrund rückt eine Verstärkung der Integration der Erneuerbaren Energien in den Gebäudesektor in den Vordergrund: Andere Szenarien wollen die Klimaschutzziele stärker über eine forcierte Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmesektor erreichen.36 Das Fraunhofer ISE kommt in seinem Szenario für eine 100%ige Versorgung des gesamten Energiesektors aus erneuerbaren Energien zu dem Ergebnis, dass die volkswirtschaftlich kostengünstigste Variante einer erneuerbaren Vollversorgung im Strom- und Wärmesektor bei einer energetischen Gebäudesanierung auf 65% des heutigen Wertes für den Heizenergiebedarf des gesamten Gebäudesektors liegt, d.h. die erforderliche Einsparung über Effizienzmaßnahmen liegt bei 35%.37 Für eine Großstadt wie Hamburg können diese für die gesamte Bundesrepublik ermittelten Werte abweichen, jedoch liegen bislang keine entsprechenden Modellrechnungen für Hamburg vor. Es kann jedoch festgehalten werden, dass es Anhaltspunkte dafür gibt, dass das vom Senat angestrebte Niveau eines Heiz- und Warmwasserbedarfs von 40-45 kWh/m2 für Mehrfamilienhäuser und 45-55 kWh/m2 bis zum Jahr 2050 weder bei Fortschreibung der bisherigen Entwicklung, noch bei einer deutlichen Ausweitung der Sanierungstätigkeit realistisch erscheint, und diese Sanierungsziele im Vergleich zu einer Strategie zur Dekarbonisierung und Ausweitung der Fernwärme möglicherweise nicht kosteneffizient sind. Dieser Befund darf jedoch nicht in einer Weise missverstanden werden, dass damit eine Steigerung der Energieeffizienz der Gebäude obsolet würde. Selbst ein vermindertes Reduzierungsziel für den Heizungs- und Warmwasserbedarf von „nur“ 40% oder 50% wäre lediglich mit einer Steigerung der Sanierungsrate und –tiefe gegenüber dem heutigen Stand erreichbar. 3.3 Versorgungssicherheit Unsere Gesellschaft ist auf ein jederzeit verlässliches Energiesystem angewiesen, die Wärmeversorgung der Gebäude und Betriebe muss jederzeit sichergestellt sein. Für die Versorgungssicherheit ist die derzeit hohe Abhängigkeit vom Import fossiler Energieträger nachteilig. Mit einer langfristigen Umstellung auf heimische erneuerbare Energieträger steigt auch die Versorgungssicherheit. Mit der Umstellung auf Erneuerbare Energieträger ergeben sich jedoch auch Herausforderungen für die Versorgungssicherheit: Die Wärmeversorgung muss auch dann gewährleistet werden, wenn fluktuierende Erneuerbare Energien wetterbedingt nicht erzeugt werden können. Durch den Wegfall von fossilen Energien als leicht und kostengünstig zu bevorratende Energieträge ergeben sich daher erhebliche Herausforderungen für die Speicherung der Energie. 35 Zutreffend Rabenstein 2014, S. 16ff. 36 Für Mehrfamilienhäuser vgl. GdW (2013) in dessen Szenario die Klimaziele stark durch eine Dekarbonisierung der Fernwärme erreicht werden. 37 Vgl. Fraunhofer Institut für solare Energieysteme (ISE) (2012). 15 3.4 Sozialverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Kostensicherheit Energie muss für Verbraucher und Gesellschaft auch langfristig bezahlbar bleiben. Durch den Ausbau erneuerbarer Energien wird die Wärmeversorgung von den volatilen Märkten fossiler Brennstoffe zunehmend entkoppelt. Die Wärmekosten werden dann vor allen durch die – gut kalkulierbaren – Investitionen in die Erzeugungs- und Verteilanlagen bestimmt. Für Investoren ist diese Planungssicherheit ein erheblicher Vorteil. Die sich dadurch ergebenden Kosten werden voraussichtlich jedoch – abhängig vom jeweiligen Preis- und Abgabenniveau fossiler Brennstoffe – höher liegen als die Kosten für die aktuelle, fossile Wärmeversorgung. Der Übergang zu erneuerbaren Energieträgern muss daher auf sozialverträgliche Weise ausgestaltet werden. Die Erreichung der Klimaschutzziele für den Gebäudesektor ist in jedem Fall mit Kosten verbunden. Im Interesse der Gebäudenutzer, welche letztlich für diese Kosten aufkommen müssen, müssen diese Kosten so niedrig wie möglich gehalten werden. Wie bereits oben dargestellt, sind Wärmenetze hierfür potenziell besonders geeignet: Mit Wärmenetzen können große, kostengünstige und klimafreundliche Wärmequellen erschlossen werden, was aufgrund der Skaleneffekte strukturell günstiger ist als die kleinteilige Wärmeerzeugung auf Gebäudeebene. Je höher der Anteil der Erneuerbaren Energien im Wärmenetz ist, desto geringer ist zudem der Druck, den Gebäudebestand sehr schnell und sehr anspruchsvoll energetisch zu sanieren, um die Klimaschutzziele im Gebäudesektor zu erreichen. Auch hierdurch können Kostenvorteile entstehen. Daher gilt es, spezifisch für alle Standorte im Stadtgebiet die jeweils kostengünstigsten Möglichkeiten zur Erreichung eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestandes zu identifizieren und umzusetzen. Speziell für das Hamburger Wärmenetz sollten daher die lokal verfügbaren Ressourcen für kostengünstige Erneuerbarer Wärmeproduktion systematisch erfasst und entwickelt werden. 3.5 Investitionssicherheit Ohne einen möglichst breit akzeptierte städtische Strategie zu den entscheidenden Weichenstellungen, wie zukünftig die Wärmeversorgung Hamburgs umgesetzt wird, kann keine langfristig angelegte Strategie zur Transformation der Fernwärme formuliert werden. Jede Fernwärme-Transformationsstrategie müsste „auf Sicht“ fahren, d.h. es könnten keine langfristig ausgerichteten Investitionen getätigt werden. Das Fernwärmegeschäft ist besonders investitionsintensiv und langfristig angelegt, fehlende Sicherheit in Bezug auf die langfristige Wirtschaftlichkeit der Investitionen in neue Netz- und Erzeugungsinfrastruktur führt zwangsläufig zur Unterlassung solcher Investitionen. Je höher hingegen die Sicherheit für das Fernwärmeunternehmen ist, dass sich Zukunfts-Investitionen in die Fernwärme in den kommenden Jahrzehnten langfristig auszahlen, desto größer ist die Bereitschaft, diese Investitionen zu tätigen. 3.6 Effiziente und flexible Infrastrukturen Vor dem Hintergrund des rasanten Wandels im Energiemarkt ist es wichtig, bei anstehenden Investitionen auf eine hohe Flexibilität für sich verändernde Märkte und neue Technologien zu achten. Die Integration erneuerbarer Energien in das Energiesystem erfordert eine stärkere Verzahnung von Strom- und Wärmemarkt. Wärmenetze bieten hier große Potenziale und weisen zudem eine hohe Flexibilität zur Einbindung künftiger Wärmeerzeugungstechnologien auf. Vor 16 diesem Hintergrund muss die kommunale Wärmepolitik zunehmend auch als planerische Aufgabe interpretiert werden, die Infrastrukturpolitik und Stadtplanung verzahnt und die systematisch (z.B. mit digitalen Wärmebedarfskarten wie in Bielefeld) nach wirtschaftlichen Ausbaumöglichkeiten für Wärmenetze sucht. 3.7 Regionale Wertschöpfung Für die Wärmeversorgung der Stadt werden jedes Jahr hohe Summen für den Import fossiler Energien ausgegeben. Mit dem Transfer dieses Geldes in die Erdöl, Gas und Kohle exportierenden Regionen geht es dem lokalen Wirtschaftskreislauf verloren. Die Nutzung der erneuerbaren Energien im Wärmesektor kann Energieimporte durch handwerkliche Arbeit und Ingenieurverstand vor Ort ersetzen.38 Sie generiert für die Kommunen sowie deren Bürger und Wirtschaft einen nachhaltigen ökonomischen Nutzwert. 3.8 Berücksichtigung von Verbraucherinteressen Ausbau und Weiterentwicklung der leitungsgebundenen Wärmeversorgung benötigt eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz. Denn anders als im Strom- und Gasmarkt können Verbraucher den Lieferanten der Wärme bei der Fernwärme nicht im Wettbewerb frei auswählen. Die marktbeherrschende Stellung der Fernwärmeversorger erfordert einen besonderen Schutz der Verbraucherinteressen. Für Verbraucher sind zudem weder die Preisbildung noch die ökologische Qualität der Fernwärme transparent.39 Eine stark auf den Ausbau des Fernwärmenetzes zielende Wärmestrategie kann daher an Akzeptanzgrenzen stoßen. Dies gilt umso mehr, solange das Fernwärmenetz mehrheitlich nicht in kommunaler Hand ist und die staatlichen Einflussmöglichkeiten zugunsten des Verbraucherschutzes daher begrenzt sind. 3.9 Bürgerbeteiligung Eine gut funktionierende Bürgerbeteiligung ist notwendig, um den um den Umstrukturierungsprozess auf eine gesellschaftlich breite Basis zu stellen. Dabei geht es nicht nur darum, Akzeptanz in der Bevölkerung für neue Infrastrukturprojekte zu erreichen. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich auch finanziell mit konkreten Projekten an der Energiewende. Dabei sollte in Zukunft auch der Wärmesektor für die finanzielle Bürgerbeteiligung – etwa auf der Basis genossenschaftlicher Strukturen - weiter erschlossen werden. 38 S. näher AGFW, Wertschöpfung aus Fernwärme mit KWK, 2016. 39 Vgl. hierzu näher Hamburg Institut, Fernwärme und Verbraucherschutz, 2015. 17 4 Der Weg zur Transformationsstrategie Im Folgenden wird ein Vorschlag für die mögliche Ausgestaltung eines Verfahrens zur Entwicklung einer Fernwärme-Transformationsstrategie entwickelt. Es existiert bislang noch keine übergeordnete Planung, aus der sich die mittel- und langfristige Strategie der FHH für die Entwicklung der Fernwärme ergibt. Der Senat hat im Mai 2014 einen Zwischenbericht40 für ein „Wärmekonzept für Hamburg“ vorgelegt, der im Februar 2015 ergänzt wurde.41 Hierauf gilt es aufzubauen und die erforderliche Definition der zukünftigen Rolle der Fernwärme im Verbund mit anderen Arten der Wärmeversorgung festzulegen, um eine klimafreundliche, möglichst kostengünstige und zukunftssichere Wärmeversorgung der Stadt dauerhaft zu gewährleisten. Bereits in der Einleitung wurde dargelegt, dass eine solche Strategie nicht im Rahmen dieses Kurzgutachtens erarbeitet werden kann, sondern eines strukturierten und wissenschaftlich unterfütterten partizipativen Prozesses bedarf. Das Ziel des hier vorgeschlagenen Prozesses besteht darin, einen möglichst breit in der Stadt verankerten Konsens zur zukünftigen Rolle der Fernwärme herzustellen und auf dieser Basis eine Strategie für den hieraus abzuleitenden Umbau der Fernwärme zu entwickeln. Hierzu bedarf es als erstes einer Verständigung über die zukünftige Rolle des Fernwärmesystems in der Stadt bei der Erreichung eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050: Wo wird die Fernwärme zukünftig gebraucht und sollte ausgebaut werden? Wo wird Fernwärme zukünftig keine Rolle spielen, weil ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand über anspruchsvolle energetische Sanierung und dezentrale Gebäudeheizung erreicht wird? Wo wird Fernwärme in Zukunft mangels erforderlicher Wärmeabnahme nicht zu wirtschaftlich attraktiven Preisen angeboten werden können? Der Prozess zur Beantwortung dieser Fragen sollte auf einen gesellschaftlich möglichst breit getragenen Konsens zielen, da die entsprechenden politischen Maßnahmen nur langfristig wirken und stabile Rahmenbedingungen bedürfen. Vorbild für eine solche konsensuale Ziel- und Strategiefindung zur Energiepolitik ist das Nachbarland Dänemark. Dort ist es üblich, sowohl auf nationaler, wie auch auf kommunaler Ebene einen möglichst breiten Konsens über die Grundlagen der Energiepolitik herzustellen.42 Auch das Berliner Abgeordnetenhaus hat in der vergangenen Legislaturperiode mit einer Enquete-Kommission einen bemerkenswerten Versuch zur Herstellung eines weitgehenden Konsenses über Ziele und langfristige Strategien zur Ausrichtung der Landes-Energiepolitik unternommen.43 Um einen möglichst kostengünstigen Weg zur Einsparung von Treibhausgasen im Wohnungssektor zu finden ist der Blick über das einzelne Gebäude hinaus zu richten. Sofern Lösungen zur netzgebundenen Wärmeversorgung kostengünstiger sind als die Summe aus einzelnen gebäudebezogenen Maßnahmen, sind diese vorzuziehen. 40 Zwischenbericht „Wärmekonzept für Hamburg“ (2014), Bügerschaftsdrucksache 20/11772. 41 Zwischenbericht „Wärmekonzept für Hamburg“ (2015), Bügerschaftsdrucksache 20/14648. 42 Vgl. Danish Ministry of Climate, Energy and Building (2012). 43 Vgl. Abgeordnetenhaus Berlin (2015): Drs. 17/2100. 18 Solche Entscheidungen setzen Planung voraus. Im bisherigen stadtplanerischen Instrumentarium ist eine solche umfassende Fachplanung nicht vorgesehen – mit Ausnahme von Energie-Konzepten bei der Erschließung von neu zu entwickelnden größeren Bau-Gebieten. Die Herausforderung liegt jedoch darin, im gesamten Hamburger Gebäudebestand flächendeckend die jeweils kostenoptimale Lösung zur Erreichung eines langfristig „nahezu klimaneutralen“ Gebäudebestands zu identifizieren. Eine solche Strategie erfordert mehrere Schritte: Der erste Schritt besteht in einer Erfassung des spezifischen Wärmebedarfs der Gebäude sowie die Prognose der erwarteten Entwicklung in den verschiedenen Stadtvierteln. Mit dem Hamburger Wärmekataster44 und dem GEWISS-Projekt hat Hamburg bereits wichtige Schritte eingeleitet.45 Des Weiteren muss auf gesamtstädtischer Ebene erfasst werden, welche Potenziale zur Nutzung von erneuerbaren Energien sowie zur Nutzung von industrieller Abwärme zur Verfügung stehen und welche spezifischen CO2-Vermeidungkosten mit ihrer Erschließung und Integration in das Versorgungssystem verbunden sind. Schließlich muss bewertet werden, mit welchen spezifischen CO2-Vermeidungkosten Energieeffizienzmaßnahmen in den typischen Gebietstypologien verbunden sind. Die jeweiligen Werte sind zueinander ins Verhältnis zu setzen, um die kostenoptimale Strategie zu ermitteln. Hierbei kann es zu relevanten Unterschieden in verschiedenen Stadtvierteln kommen. In den bereits von Wärmenetzen erschlossenen Gebieten kann es beispielsweise am kostengünstigsten sein, auf eine Vollversorgung aus erneuerbarer Fernwärme zu setzen und lediglich moderate Effizienzverbesserungen anzustreben. In locker bebauten Gebieten könnte hingegen eine vornehmlich auf Effizienz zielende Strategie am effizientesten sein. In Dänemark ist die Wärmeplanung seit langem eine gesetzlich verankerte Pflichtaufgabe der Kommunen. Für die vom Wärmenetzen erschlossenen bzw. erschließbaren Stadteile sollte in Hamburg eine solche Planung auf gesamtstädtischer Ebene erfolgen, da die Netzgebiete Bezirksgrenzen überschreiten. Hierauf aufbauend kann dann entschieden werden, welches Sanierungsniveau für die erschlossenen Gebäude angestrebt werden sollte. Für Gebiete, die weder jetzt noch in Zukunft von Wärmenetzen erschlossen werden, kann eine Planung auf bezirklicher Ebene ausreichend und sinnvoll sein. Der oben beschriebene Prozess bedarf einer fachlich fundierten Vorbereitung. Hierfür erscheint es sinnvoll, für Hamburg eine konkrete Modellrechnung vorzunehmen, in der unter Berücksichtigung der hiesigen Bedingungen die jeweiligen Kosten für verschiedene Lösungsansätze zur Schaffung eines langfristig klimaneutralen Gebäudebestandes ermittelt werden. Unter Verwendung realer Daten des Hamburger Gebäudebestands, des Wärmenetzes sowie der Erneuerbare-Energien-Potenziale wird dann analysiert, in welchen Gebieten die Verdichtung bzw. der Ausbau des Wärmenetzes am kosteneffizientesten für die Erreichung der Klimaschutzziele ist. Auf der Grundlage dieser Untersuchungen kann eine integrierte Wärmestrategie im Sinne eines zentralen Gesamtkonzepts für Hamburg diskutiert und entwickelt werden. 44 http://www.hamburg.de/energiewende/waermekataster/ 45 GEWISS-Projekt, https://projektinfos.energiewendebauen.de/projekt/geografisches-waermeinformations-und-simulationssystem/; auf Europäischer Ebene besteht zudem der digitale Wärmeatlas des Projekt Heat Roadmap for Europe, http://www.heatroadmap.eu/peta.php . 19 Zu diesem Diskussionsprozess sollte als Teil eines kulturellen Wandels eingeladen werden, bei dem die Stadt gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft, Versorgern und Verbrauchern eine möglichst breit getragene und somit langfristig verlässliche Strategie für die zukünftige Wärmeversorgung entwickelt. 20 5 Arbeitsthesen für die Transformationsstrategie Im Folgenden werden einige Arbeitsthesen für die Ausgestaltung der Transformationsstrategie zur Diskussion gestellt. Es handelt sich dabei ausdrücklich nicht um den Versuch einer Vorwegnahme der Inhalte der Transformationsstrategie, sondern um vorläufige fachliche Einschätzungen auf der Grundlage von Erfahrungswerten, die näher untersucht und diskutiert werden sollen. Erst auf der Basis weitergehender fachlicher Untersuchungen, insbesondere einer Modellierung des Hamburger Wärmesystems (unter Einbeziehung der regionalen, nationalen und europäischen Energiesystems)46 können belastbare Aussagen getroffen werden, welche sodann die Grundlage für die partizipative Erarbeitung einer Wärmestrategie bilden. Die Arbeitsthesen beziehen sich auf verschiedene Ebenen: Systemebene: Ausbau der Fernwärme? Erzeugung Speicherung Verteil-Infrastruktur Vertrieb Kundenseitige Maßnahmen Neben der grundsätzlichen Fragestellung eines Ausbaus der städtischen Fernwärmeversorgung zulasten dezentraler Versorgungssysteme ist ein technisch-ökologischer Strukturwandel des bestehenden Systems notwendig. Dies betrifft alle Wertschöpfungsstufen von der Erzeugung bis hin zur Optimierung der Abnahmeanlagen bei den Endverbrauchern. Abbildung 5: Technisch-ökologischer Strukturwandel im Fernwärmesystem 46 Vgl. etwa ZSW u.a. (2017): Energie- und Klimaschutzziele 2030 für Baden-Württemberg; s. auch die bereits oben zitierte Modellierung des Fraunhofer ISE für Frankfurt sowie die Modellierungen für dänische Großstädte durch die Universität Aalborg. 21 5.1 Wärmesystem: Ausbau der Fernwärme? Auf der Systemebene ist die allen operativen Überlegungen zur Systemtransformation vorgelagerte Frage zu klären, in wie vielen Bereichen der Stadt in Zukunft die Fernwärmeversorgung die kostenoptimale Option zur Erreichung eines klimaneutralen Gebäudebestandes ist und entsprechend ausgebaut werden sollte. Hierzu werden folgende Thesen formuliert: Auch langfristig wird – zumindest im verdichteten Stadtbereich, in dem bereits Fernwärme liegt - ein hinreichend relevanter Wärmebedarf vorhanden sein. Dieser könnte deutlich über den bisher vom formulierten Zielen des Hamburger Klimaschutzplans für den Gebäudebestand im Jahr 2050 liegen. Dezentral an Gebäuden betriebene (Luft-/Wasser- oder Wasser-/Wasser-)Wärmepumpen auf Basis von Grünstrom in Kombination mit Solarthermie stellen voraussichtlich die wichtigste Alternative zu einer netzgebundenen Wärmeversorgung dar, um einen hohen Anteil Erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung zu erreichen. Demgegenüber werden andere Technologien zur dezentralen Nutzung von Erneuerbaren Energien voraussichtlich nicht in der Breite zum Einsatz kommen. Dies gilt insbesondere für Stromdirektheizungen, 47 die Verbrennung von synthetischem Erdgas48 oder Biogas sowie feste Biomasse in Heizungsanlagen. Problematisch an einer weitgehenden Elektrifizierung der dezentralen Wärmeerzeugung ist die drastisch steigende Stromnachfrage. Es steht in Frage, ob es eine ausreichende Akzeptanz für die erforderliche Vervielfachung der Erzeugungsleistung von Strom aus Windkraftanlagen besteht und ob in absehbarer Zeit hinreichend günstige Strom-Langzeitspeicher verfügbar sind. Demgegenüber steht Wärme lokal in erheblichem Umfang zur Verfügung und kann auch saisonal kostengünstig gespeichert werden. Es muss im Einzelnen näher untersucht werden, in welchem Umfang das notwendige erneuerbare Strompotenzial zur Verfügung steht und der Einsatz dezentraler Wärmepumpen im (nord-)deutschen Energiesystem kosteneffizient ist. Die Kosten für eine dezentrale Nutzung der Erneuerbaren Energien sind strukturell spezifisch höher als bei einer großtechnischen Erzeugung im Multi-Megawatt-Bereich (Abwärme, Tiefe Geothermie, Großwärmepumpen, große Solarthermie). Dem stehen jedoch bei netzgebundener Wärmeversorgung Kosten durch Wärmeverluste bei der Übertragung sowie ggf. Investitionskosten in das Wärmenetz gegenüber. 47 Stromdirektheizungen (Nachtspeicherheizungen) weisen zwar den Vorteil auf, dass sie mit einer vorhandenen Infrastruktur betrieben werden können; sie stellen aufgrund ihrer Ineffizienz im Vergleich zu Wärmepumpen sowie wegen der hohen Kosten für das Energiesystem und für Mieterinnen und Mieter jedoch auch mittelfristig keine geeignete Alternative für eine dezentrale erneuerbare Wärmeversorgung dar, vgl. näher: https://www.oeko.de/oekodoc/1498/2012-067-de.pdf. 48 Diese Variante hätte den Vorteil der Nutzung einer vorhandenen Verteil-, Speicher- und Nutzungsinfrastruktur, allerdings sind wegen Verluste auf der Übertragungskette die spezifischen Kosten hoch. Die Nutzung von synthetischem Erdgas dürfte daher entsprechend vieler Szenarien vor allem in anderen Bereichen des Energiesystems erfolgen, für die bislang kaum erneuerbare Erzeugungsoptionen zur Verfügung stehen (Schwerlastverkehr, Luftfahrt, Schifffahrt, ggf. Erzeugung von Strom in der Spitzenlast). 22 In den bereits heute vom Wärmenetz erschlossenen Gebieten dürften die Skaleneffekte bei zentraler Nutzung der Erneuerbaren Energien die ökonomischen Nachteile der Wärmenetze meist übersteigen. Aus ökonomischer Sicht dürfte eine hohe Verdichtung des bestehenden Fernwärmenetzes sinnvoll sein, sofern das Fernwärmenetz zukünftig mit kohlenstoffarmen Brennstoffen und Erneuerbaren Energien betrieben wird. Insbesondere hoch verdichtete Stadtteile mit einem lockeren Fernwärmenetz wie z.B. Ottensen sind hierfür gut geeignet. In den noch nicht vom Wärmenetz erschlossenen Gebieten muss stadtteilspezifisch analysiert werden, ob eine Ausdehnung des Wärmenetzes aus kommunaler Perspektive sinnvoll und wirtschaftlich ist. Eine Netzerweiterung ist aufgrund der hohen Investitionen in neue Wärmenetze ökonomisch dabei noch anspruchsvoller als die Verdichtung eines vorhandenen Wärmenetzes, wurde jedoch in der Vergangenheit auch in Hamburg und vielen anderen Städten erfolgreich praktiziert. Insbesondere in Skandinavien und Osteuropa werden in den meisten Großstädten anteilig deutlich mehr Gebäude von Fernwärmenetzen versorgt, darunter auch Gebiete mit lockerer Bebauung wie sie in Hamburg z.B. in den Elbvororten anzutreffen ist. Auch die Hamburger Stadtviertel entlang der bestehenden Fernwärmetrasse von Wedel in die Innenstadt sowie die Stadt Wedel und Schenefeld sollten daher als potenzielles Fernwärme-Erweiterungsgebiet überprüft werden. Die Erweiterung und Verdichtung des Fernwärmenetzes ist notwendigerweise ein Prozess, den die jeweilige Kommune steuern muss. Ohne eine aktive Steuerung und Unterstützung durch die Stadt entsteht nicht die erforderliche Investitionssicherheit für langfristige Investitionen in die Netz-Infrastruktur. Die Erarbeitung einer Hamburger Wärmestrategie hat unmittelbare Auswirkungen auf den Ertragswert des Fernwärmenetzes und damit die Umsetzung des Volksentscheides. Entschließt sich die Stadt zu einer konsequenten Ausbaustrategie für die Fernwärme und hinterlegt dies durch entsprechende politische Unterstützungsmaßnahmen, steigt der Wert des Fernwärmeversorgungssystems signifikant. Im Zuge der Erstellung einer Wärme-Transformationsstrategie sollten vom Senat bislang formulierten Ziele für den Bedarf an Energie für Heizung und Warmwasser evaluiert werden. Die bisherigen Ziele erscheinen für solche Siedlungsbereiche angemessen, die auch zukünftig nicht von Wärmenetzen auf Basis erneuerbarer Energien erschlossen werden. Für zukünftig von solchen Wärmenetzen erschlossene Gebiete dürfte es hingegen sinnvoll sein, ein weniger strenges Effizienzziel zu formulieren.49 Eine deutliche Verdichtung und Ausweitung des vorhandenen Wärmenetzes und dessen Umstellung auf erneuerbare Energien bietet voraussichtlich das Potenzial, die Kosten für die Wohnungswirtschaft, die Mieterinnen und Mieter sowie die für die an die Fernwärme 49 Nochmals sei darauf hingewiesen, dass ein Nachlassen der Sanierungsanstrengungen gegenüber dem Status quo nicht sinnvoll wäre; es bleibt vielmehr auch in den zukünftig von einem weitgehend mit erneuerbaren Energien aus einem Wärmenetz versorgten Gebieten eine Steigerung der Anstrengungen im Bereich der Gebäude-Energieeffizienz nötig. 23 angeschlossenen Unternehmen bei der Erreichung der Klimaschutzziele des Senats zu minimieren. 5.2 Erzeugung Ein Fernwärmenetz verfügt als Infrastruktur über die Möglichkeiten, verschiedenartige Wärmeströme aus unterschiedlichen Quellen in das System zu integrieren und zum Verbraucher zu leiten. Neben den heute noch vorherrschenden Wärmeströmen aus fossilen Brennstoffen können auf diese Art kostengünstig und flexibel auch Wärmeströme aus Erneuerbaren Energien integriert werden. Das Wärmenetz ermöglicht auch die Nutzung von Anwendungen mit hohen thermischen Leistungen wie etwa Tiefen-Geothermie oder Industrieabwärme. Abbildung 6: Wärmenetz zur Integration verschiedener Wärmeströme Einige Möglichkeiten zur Integration Erneuerbarer Energien und Industrieabwärme in das Hamburger Fernwärmenetz werden in einem Gutachten50 des Hamburg Instituts dargelegt. Mit der von der BUE befürworteten Realisierung der Elemente Klärwerks- Großwärmepumpe, Aquifer-Saisonalwärmespeicher, Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm, Zentrum für Ressourcen und Energie Stellingen, Industrie-Abwärme Trimet/Arcelor/Aurubis würde ein erster, großer Schritt zur Dekarbonisierung des Fernwärmenetzes vollzogen werden, der auch im internationalen Maßstab neue Impulse für den Fernwärmesektor setzt. Vattenfall hat im Rahmen der Realisierung der „Süd-Lösung“ eine Anbindung des Kohlekraftwerks Moorburg an die geplante Rohrtrasse unter der Elbe ins Spiel gebracht. Bei 50 Hamburg Institut, Erneuerbare Energien im Fernwärmenetz Hamburg, 2016. 24 der Entscheidung hierüber sollte eine umfassende Bewertung der Vor- und Nachteile einer solchen Lösung aus ökologischer, energiewirtschaftlicher und ökonomischer Sicht für die langfristige Wärmestrategie der Stadt erfolgen. Dabei sind – neben dem Vergleich der aktuell kalkulierten Wärmegestehungskosten aus den verschiedenen Erzeugungsanlagen - auch folgende Aspekte zu berücksichtigen: Die Klimafreundlichkeit der Fernwärme hängt in erster Linie von den eingesetzten Brennstoff ab. Fernwärme, die auf Kohle basiert, ist trotz des Einsatzes von Kraft-Wärme-Kopplung nach der amtlichen, vom Bund und den Ländern verwendeten Bilanzierungsmethode klimaschädlicher als eine dezentrale Gasheizung. Bei Verwendung von anderen Bilanzierungsmethoden – die insbesondere von Seiten der Fernwärmeversorger verwendet werden - werden jedoch hiervon abweichende Ergebnisse erzielt. Die aktuell wichtigste Maßnahme zur Dekarbonisierung der Hamburger Fernwärmeerzeugung ist der Ersatz des Brennstoffs Kohle durch Erdgas und Erneuerbare Energien. Im Ergebnis kann die Klimabelastung je kWh Wärme mit der Substitution von Kohle durch Erdgas etwa halbiert werden, mit Erneuerbaren Energien ist eine noch stärkere Reduzierung möglich. Auch hier hängt die genaue Beurteilung jedoch von der Wahl der Bilanzierungsmethode ab. Bei der Kalkulation der notwendigen Erzeugungskapazitäten im Fernwärmesystem sollte geprüft werden, inwieweit zukünftig unter Nutzung moderner IT und Steuerungstechnik auf (spezifisch besonders teure) Spitzenlast-Kapazitäten durch kundenseitige Maßnahmen verzichtet werden kann. Hierbei rückt die Fähigkeit der Gebäude zur Speicherung von Wärme in den Fokus: Durch eine zentrale Steuerung der gebäudeseitigen Einstellungen zur Wärmeabnahme in der Nacht und am Morgen können morgendliche Lastspitzen vermieden werden. Eine weitgehende Abhängigkeit der Fernwärmeproduktion von Kohlekraftwerken ist für die Versorgungs- und Kostensicherheit nicht unproblematisch: Die Wirtschaftlichkeit von Kohlekraftwerken hängt maßgeblich von den Rahmenbedingungen auf den Märkten für Strom und Treibhausgasemissionen ab. Einnahmen aus der Fernwärmeproduktion sind demgegen-über untergeordnet. Die Preisentwicklung auf beiden Märkten ist maßgeblich politisch bestimmt und nur schwer prognostizierbar. Sofern etwa aufgrund steigender CO2-Preise und dauerhaft niedriger Strompreise der Betrieb von Kohlekraftwerken unwirtschaftlich wird, steht auch die Produktion von Fernwärme in diesen Kraftwerken in Frage. Besondere Relevanz hat dabei die im Februar 2018 von der EU beschlossene Reform des Emissionshandels.51 Auf Seiten der an der Reform beteiligten EU-Parlamentarier wird von einem Anstieg des Zertifikatepreises auf 35 Euro/t in den 2020ern ausgegangen.52 Tritt dies so ein, ist Fernwärme aus Kohlekraftwerken mit sehr hohen Kosten verbunden. Bei einem derartigen CO2-Preisniveau kommen (unter der Annahme stabiler Brennstoffpreise) selbst 51 https://www.euractiv.de/section/energie-und-umwelt/news/reform-des-eu-emissionssystems-nimmt-letzte-huerde/ 52 https://www.wiwo.de/technologie/green/analysten-erwarten-preisanstieg-eu-parlament-stimmt-fuer-reform-des-co2-emissionshandels/20932952.html Andere Einschätzungen sind etwas zurückhaltender, gehen aber ebenfalls von einem deutlichen Anstieg der Zertifikatepreise aus http://www.fr.de/wirtschaft/emissionshandel-preis-fuer-co2-ausstoss-wird-steigen-a-1384084. 25 moderne Kohlekraftwerke aufgrund zu hoher variabler Kosten in der Merit Order nur noch selten auf dem Strommarkt zum Einsatz.53 Um überhaupt noch Fernwärme liefern zu können, müssten die Fernwärmekunden an den Kraftwerksbetreiber die Differenz zu den nicht auskömmlichen Einnahmen aus dem Stromverkauf bezahlen. (Da dies zu exzessiv hohen Wärmepreisen führen würde, ist in der Praxis eher damit zu rechnen, dass die Fernwärme über einen neu zu installierenden Gaskessel am Kraftwerksstandort produziert würde.) Auch die von der Großen Koalition geplante Verdoppelung des Anteils Erneuerbarer Energien am deutschen Strommix auf 65% bis zum Jahr 2030 wird notwendigerweise zu deutlich geringeren Einsatzzeiten des Kraftwerks Moorburg führen. Die hierfür erforderlichen Kapazitäten an Wind- und Photovoltaikanlagen werden aufgrund ihres Einspeisevorrangs in wind- oder sonnenreichen Jahreszeiten fossile Kraftwerke fast vollständig vom Strommarkt verdrängen. Fossile Kraftwerke kommen dann nur noch zu den Zeiten zum Einsatz, wenn die Wind- und Solaranlagen keinen oder wenig Strom liefern. Beide politisch beschlossenen Entwicklungen zusammen (1. weniger Einsatzstunden fossiler Kraftwerke durch höheren EE-Anteil, 2. Verschiebung der Merit Order innerhalb der fossilen Kraftwerke zulasten von Steinkohlekraftwerken) führen zu einem hohen Liefer- und Kostenrisiko bei einer Einspeisung von Fernwärme aus dem Kraftwerk Moorburg. Über diese Risiken hinaus, wirkt sich ein Ansteigen des CO2-Preises aufgrund der von VWH verwendeten Preisgleitklausel unmittelbar preissteigernd auch auf den Endkunden-Fernwärmepreis aus.54 Hierbei gelangen zwingend die oben genannten amtlichen Bilanzierungsmethoden zum Einsatz, d.h. die CO2-Fracht wird zu einem Großteil der Wärmeproduktion angelastet. Die hieraus resultierenden Kostenrisiken für die privaten und gewerblichen Fernwärmenutzer sollten quantifiziert werden, jedoch dürften die unmittelbaren Auswirkungen überschaubar bleiben und sind gegenüber den zuvor beschriebenen generellen Liefer- und Kostenrisiken nachrangig. Noch deutlichere ökonomische Nachteile für Mieterinnen und Mieter sowie gewerbliche Fernwärmekunden könnten sich aufgrund absehbarer Entwicklungen beim Primärenergiefaktor ergeben. Der in der EnEV regulierte Primärenergiefaktor determiniert maßgeblich, wie hoch die Wärmeschutzanforderungen beim Neubau und bei der grundlegenden Sanierung von Gebäuden sind. Ein niedriger Primärenergiefaktor entlastet die Fernwärmenutzer, ein hoher Primärenergiefaktor führt zu höheren Wärmeschutz-anforderungen. Sofern im relevanten Umfang Kohle für die Fernwärme zum Einsatz kommt, kann dies mittelbar Folgekosten auf Seiten der Wohnungswirtschaft und damit für die Mieterinnen und Mieter induzieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die aktuelle Gleichstellung der Brennstoffe Erdgas, Kohle und Erdöl trotz der gravierenden Unterschiede im Hinblick auf die CO2-Emissionen bereits lange umstritten ist und voraussichtlich nicht auf Dauer Bestand haben wird. Die höheren Treibhausgasemissionen von Fernwärme aus Kohle-KWK werden sich daher voraussichtlich in einem höheren Primärenergiefaktor niederschlagen. Diese Kostenrisiken für die Wohnungswirtschaft und die Fernwärmenutzer sollten in verschiedenen Szenarien untersucht und quantifiziert werden. 53 Vgl. hierzu näher Hecking/Cam/Schönfisch/Schulte, Aktuelle Entwicklungen auf den Kohle- und Gasmärkten und ihre Rückwirkungen auf die Merit Order, energiewirtschaftliche tagesfragen 6/2017, S. 34ff. 54 Vgl. hierzu näher Hamburg Institut, Fernwärme und Verbraucher
Rahmenbedingungen Thüringen Open preview
1 SolnetBW – Solare Wärmenetze Baden-Württemberg Vorhaben BWE 13027 im Baden-Württemberg Programm BWPLUS Politische Handlungsempfehlungen zur Förderung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg Ansprechpartner: Dr. Matthias Sandrock, Christian Maaß HIR Hamburg Institut Research gGmbH Paul-Nevermann-Platz 5 21129 Hamburg sandrock@hamburg-institut.com 2 Mit ihrem Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) verfolgt die Landesregierung Baden-Württembergs ehrgeizige Ziele: Bis 2050 will das Land gegenüber 2010 50% des Energieverbrauchs einsparen, 80% der Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen und die energiebedingten Treibhausgasemissionen um 90% senken. Das IEKK räumt dabei der Solarthermie und speziell den solaren Wärmenetzen einen hohen Stellenwert ein. Der Einsatz der Solarthermie verringert dabei gleichzeitig die Abhängigkeit von Kohle, Öl- und Erdgasimporten und schafft durch verminderten Brennstoffeinsatz eine langfristige Kostenstabilität, die für Verbraucher und Kommunen besonders wichtig ist. Für eine kostengünstige Integration der Solarthermie in den Wärmemarkt sind Wärmenetze besonders geeignet. So können großflächige solarthermische Anlagen in Verbindung mit Wärmenetzen wesentlich kostengünstiger Wärme bereitstellen als dezentrale Einzellösungen auf Ebene der Gebäude. Mit Hilfe großer zentraler Wärmespeicher im Fernwärmesystem kann die Solarwärme auch über längere Zeiträume gespeichert werden und es können hohe solare Deckungsraten am Wärmebedarf erzielt werden. Das Beispiel Dänemark zeigt, welche Potenziale solare Wärmenetze für die künftige Energieversorgung bieten. Dort kommen solarthermische Anlagen im Megawatt-Bereich vielerorts bereits zum Einsatz und liefern zu wettbewerbsfähigen Kosten erneuerbare und emissionsfreie Wärme für die kommunale Versorgung. Die erforderlichen großen Kollektorfelder werden hier auf Freiflächen installiert. Das SolnetBW1-Verbundvorhaben zielt auf eine umfassende Marktbereitung für solare Wärmenetze in Baden-Württemberg ab. Die im Vorhaben erarbeitete Studie Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg - Grundlagen | Potenziale | Strategien beleuchtet die Möglichkeiten und Erfordernisse einer vermehrten Nutzung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg. Neben einer umfassenden Projektstudie wurden u.a. zwei praxisnahe Leitfäden im Rahmen des Projekts zum Thema Solare Wärmenetze in Baden-Württemberg veröffentlicht. Im Ergebnis lassen sich folgende wesentliche Schlussfolgerungen aus dem Projekt ziehen: Für die Umsetzung der Energiewende, die langfristige Kostenstabilität und die Verbesserung der Versorgungssicherheit ist die Solarthermie ein unverzichtbarer Baustein in der künftigen Energieversorgung. Die solare Nah- und Fernwärme ist heute technisch ausgereift und am Markt verfügbar. Es gibt zahlreiche technische Integrationsmöglichkeiten für die großflächige Solarthermie in Wärmenetze. Technische Hemmnisse für eine Realisierung bestehen nur in wenigen Fällen. Ökonomisch konkurrenzfähige Wärmegestehungskosten gegenüber fossiler Wärmeerzeugung können insbesondere bei großen Anlagen (> 1 MWth), Freilandaufstellung und solaren Deckungsanteilen bis etwa 20% erreicht werden. Der bestehende Rechtsrahmen ist bisher kein wesentlicher Treiber für die Marktausweitung solarer Wärmenetze. Anreize zur Investition bestehen jedoch durch eine attraktive öffentliche Förderung. Es sind noch auf verschiedenen Ebenen Anstrengungen erforderlich, um der solaren Nah- und Fernwärme in Baden-Württemberg zum Marktdurchbruch zu verhelfen. 1 SolnetBW ist ein Verbundvorhaben zum Thema solare Wärmenetze, das im Rahmen des Förderprogramms BWPLUS mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft durch den beim Karlsruher Institut für Technologie eingerichteten Projektträger gefördert wird. http://solar-district-heating.eu/bw/Startseite.aspx 3 Im Folgenden werden einige politische Handlungsempfehlungen formuliert, die aus Sicht des Projektkonsortiums geeignet sind, die Marktausweitung solarer Wärmenetze maßgeblich zu befördern. 1. Landesweite Informations- und Beratungsaktivitäten Die Verstärkung der Informations- und Beratungsaktivitäten ist eine wichtige Grundlage, um Investitionen in die solare Nah- und Fernwärme zu ermöglichen. Trotz des derzeit rasanten Marktwachstums dieser Technologie in Dänemark sind die Möglichkeiten der netzgebundenen Solarthermie in Deutschland oft noch unbekannt. Ziel der Informations- und Beratungsaktivitäten sollte es sein, bei den potenziellen Akteuren ein nachhaltiges Interesse zu wecken und die künftigen Marktchancen zu vermitteln. Die Voraussetzungen für eine wachsende Bedeutung der solaren Nah- und Fernwärme sind dabei gegeben. Es setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass ein langfristig klimaneutraler Gebäudebestand durch energetische Sanierung der Gebäude allein nicht erreicht werden kann, sondern zunehmend erneuerbare Energien in die Wärmeversorgung integriert werden müssen. Auch die derzeit sehr große Abhängigkeit von den Energieimporten fossiler Energieträger in der Wärmeversorgung ist ein starker Treiber für neue Versorgungsstrategien auf Basis erneuerbarer Energien. Hier bietet die netzgebundene Solarthermie eine ökologisch und ökonomisch vorteilhafte Option. Derzeit überwiegt jedoch noch bei vielen Akteuren die Unkenntnis oder Skepsis über die technischen und ökonomischen Vorteile der solaren Nah- und Fernwärme. Gerade Akteure mit einer gewissen Offenheit für neue Technologien haben jedoch in der Vergangenheit oft Erfahrungen mit der Solarthermie gesammelt, die heute noch deren Bewertung prägen und für eine Hinwendung zu solarer Nah- und Fernwärme sogar hinderlich sein können. Dies betrifft sowohl Anlagen im privaten Bereich, als auch die Installation von Solarthermieanlagen durch Wärmeversorgungsunternehmen. Diese meist kleinen Anlagen weisen gegenüber großen netzgebundenen Anlagen bis zu 5-fach höhere Wärmegestehungskosten auf. Eine wesentliche Kernbotschaft in den Informations- und Beratungsaktivitäten sollte also darin bestehen, dass mit der solaren Nah- und Fernwärme eine effiziente technische Nutzung der Sonnenenergie möglich ist, die mit den bisherigen Kleinanlagen nicht vergleichbar ist. Auch die für Verbraucher und Unternehmen mit der Nutzung der Solarthermie verbundene langfristige Kostenstabilität sollte eine wichtige Kernbotschaft sein. Im Rahmen der Anbahnung möglicher Projekte hat sich zudem gezeigt, dass zur Planung und Genehmigung solarer Wärmenetze sowie auch in Bezug auf die Förderung und Finanzierung derartiger Anlagen Informationsbedarf bei den Akteuren vor Ort besteht. Auch die Schulung von technischen Planern könnte die Marktausweitung befördern. Die im Land bereits vorhandenen Beratungs- und Förderstrukturen sollten dabei berücksichtigt und verstetigt werden. Die in diesem Jahr neu in Kraft gesetzte Förderung von Wärmenetzen sowie der regionalen Projektanbahnung und das Kompetenzzentrum Wärmenetze bei der KEA sind dafür sehr gute Anknüpfungspunkte. 4 2. Standortscreening für konkrete Projekte Für die Markteinführung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg ist es erforderlich, konkrete Projekte zu realisieren, die die technische Machbarkeit und ökonomische Umsetzbarkeit dieser Technologie belegen. Grundsätzlich kommen zur Realisierung von Anlagen sowohl neu zu errichtende Wärmenetze in Betracht, wie auch die Integration der Solarthermie in ein bestehendes Wärmenetz. Beide Anwendungsfälle sollten parallel verfolgt werden. Neue Wärmenetze kommen derzeit vor allem in eher ländlichen oder kleineren Gemeinden zur Anwendung und werden oft durch die Bürger vor Ort vorangetrieben. Wirtschaftlich vorteilhaft für die Umsetzung dieser Anlagen in eher ländlichen Strukturen sind die grundsätzlich bessere Verfügbarkeit von Freiflächen zur Aufstellung eines Kollektorfeldes, die eher niedrigen Grundstückskosten, sowie die spezifisch deutlich geringeren Rohrnetzverlegekosten gegenüber einem städtischen Umfeld. Zudem kann die Planung der Netzinfrastruktur von Beginn an auf den zu deckenden Bedarf optimal angepasst und für die Integration der Solarthermie optimiert werden. Auch bei der Umsetzung von städtischen Quartierskonzepten kommt grundsätzlich die Neu-errichtung eines Wärmenetzes in Betracht, wenngleich hier die Investitionskosten insbesondere durch den Tiefbau höher sind. Gegenüber der Neu-Errichtung von Wärmenetzen ist die Integration der Solarthermie in bestehende Wärmenetze in Bezug auf die Standortfaktoren und die Ansprache möglicher Akteure recht unterschiedlich. In diesen Fällen sind die Wärmenetzinfrastruktur, die Erzeugungsanlagen und die Wärmeabnehmer bereits vorhanden. Notwendige Investitionen beziehen sich somit nur auf die Erweiterung des Erzeugungsportfolios durch die Solarthermie und die technische Einbindung in das bestehende System. Eine aufwändige Gewinnung der Wärmekunden ist damit nicht notwendig. Vorteilhaft für die Planung der Solaranlage bei bestehenden Netzen ist zudem die Kenntnis des realen sommerlichen Lastverlaufs an Wärme. So kann die Anlage dem tatsächlichen Bedarf optimal angepasst werden. Besonders geeignet erscheint die Integration der Solarthermie in Netze, deren sommerliche Wärmeerzeugung auf biogenen Festbrennstoffen oder Gas- bzw. Ölkesseln ohne Kraft-Wärme-Kopplung basiert. Allerdings werden auch bestehende KWK-Anlagen vor dem Hintergrund der stark gefallenen Erlöse des KWK-Stroms insbesondere im Sommer zunehmend außer Betrieb genommen, sodass die Solarwärme hier als eine mögliche Erzeugungsoption in Frage kommt. Um die möglichen Standorte in Baden-Württemberg zu ermitteln, die für die Errichtung eines Wärmenetzes mit einem größeren Anteil Solarthermie an der Energieerzeugung besonderes gute Voraussetzungen aufweisen, sollen die Standorte nach topografischen, technischen, ökonomischen und politischen Kriterien ausgewertet werden. Nach der Recherche der erforderlichen Informationen sollen mögliche Standorte nach den obigen Kriterien bewertet werden. Ziel ist es, mögliche Standorte mit besonders erfolgversprechenden Rahmenbedingungen aufzufinden und potenzielle Initiatoren vor Ort durch Kommunikationsmaßnahmen zu adressieren. 5 3. Flächenbereitstellung und Flächenplanung Eine große Herausforderung liegt im Flächenbedarf der großen Solarthermieanlagen – gerade weil sie in der Nähe zu den Wärmesenken, also den Verbrauchern installiert werden müssen. Anders als Strom kann Wärme nicht über weite Strecken transportiert werden, da die Energieverluste und die spezifischen Kosten deutlich höher liegen. Insbesondere in den urbanen Siedlungsgebieten ist die Nutzungskonkurrenz bei vorhandenen Freiflächen groß. Flächen werden für den Wohnungsbau, Gewerbeansiedlungen oder die Landwirtschaft benötigt. Auch für den Landschafts- und Naturschutz müssen entsprechende Flächen vorgehalten werden. Die Bereitstellung von Freiflächen für solarthermische Anlagen ist vor dem Hintergrund der dargestellten Flächenkonkurrenzen eine anspruchsvolle planerische Aufgabe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Energiegewinnung grundsätzlich Raumbedarf beansprucht. Dies wird bei der Ablösung der heutigen Energieversorgungsstruktur mit dem Import von Öl, Gas und Kohle durch die Versorgung auf Basis erneuerbarer Energiequellen ein zunehmend wichtigeres Kriterium werden. Gegenüber der heute vorherrschenden Wärmegewinnung durch Biomasse hat die Solarthermie hierbei eine deutlich höhere Flächeneffizienz in der Landnutzung und auch die Biodiversität auf der Fläche kann bei einem entsprechenden Nutzungskonzept vorteilhaft beeinflusst werden. Die Montage der Kollektoren auf Dachflächen stellt ökonomisch nur bedingt eine Alternative dar, da die Kosten für die Installation auf Dächern deutlich höher sind als die für große Freiflächenanlagen. Somit weist auch die produzierte Wärme höhere Kosten auf und die Wettbewerbsfähigkeit zu fossiler Wärmeerzeugung ist oft nicht gegeben. Daher gilt es bei der Umsetzung von Projekten, geeignete Flächen auch für die Solarthermie zu identifizieren, Flächenkonkurrenzen abzuwägen und Synergien z.B. mit dem Naturschutz und der Landwirtschaft herauszuarbeiten. Die Erarbeitung eines integrierten ökologischen Nutzungskonzepts (wie im Projekt Crailsheim) bei der Inanspruchnahme von Flächen kann die Akzeptanz vor Ort deutlich erhöhen. Eine öffentliche Unterstützung solcher Konzepte wäre hilfreich. Um eine geregelte Steuerung und Sicherung geeigneter Flächen für die Wärmeerzeugung zu gewährleisten, sollten die Instrumente des Landesplanungsrechts genutzt und ggfls. weiter entwickelt werden. Geeignete Möglichkeiten der raumplanerischen Behandlung von Gebieten für die Freiflächen-Solarthermie sind unter Beteiligung der relevanten Interessensgruppen zu entwickeln und zu prüfen. Durch eine entsprechende landesgesetzliche Kompetenzzuweisung sollten den zuständigen Planungsträgern die erforderlichen Mittel für eine vorausschauende Flächenplanung an die Hand gegeben werden. Daneben sollte eine Klärung auf Bundesebene herbeigeführt werden, ob solarthermische Freiflächenanlagen im Gegensatz zu Photovoltaikanlagen im Außenbereich auch wegen der erforderlichen Nähe zum Verbraucher nach § 35 BauGB privilegiert sind. 6 4. Kommunale Wärmeplanung Perspektivisch wäre zudem die Einführung verbindlicher Instrumente der kommunalen Wärmeplanung sinnvoll und könnte den Ausbau der Wärmenetzinfrastruktur im Land befördern. Dieser würde mittelbar auch die grundlegenden Entwicklungschancen für die solare Nah- und Fernwärme verbessern. Trotz der bestehenden Investitionsförderung für Wärmenetze findet ein Ausbau der Fernwärme-versorgung in Baden-Württemberg (wie auch in den anderen Bundesländern) nur in sehr eingeschränktem Maß statt. Zwar haben die Verbesserungen zur Wärmenetzförderung im KWKG und in den Förderprogrammen der KfW zu einer gewissen Marktbelebung geführt, jedoch steht hier die Verdichtung der bestehenden Netze im Mittelpunkt, nur selten die Erschließung neuer Gebiete durch Wärmenetze. Um die Fernwärme dort auszubauen, wo es volkswirtschaftlich, sozial und ökologisch sinnvoll ist, ist wäre? eine strategische Planung erforderlich. Ziel eines solchen Planungsprozesses ist die Identifizierung und die Umsetzung der lokal jeweils günstigsten Strategie für die langfristige Wärmeversorgung der Kommune. Der Ausbau von Wärmenetzen ist dabei eine Schlüsselstrategie, mit der eine kostengünstige Integration erneuerbaren Energien ermöglicht werden kann. Diese planerische Aufgabe muss eng verzahnt werden mit der Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäude sowie der Stadtplanung insgesamt und kann nur auf örtlicher Ebene bewältigt werden. Eine langfristig orientierte kommunale Wärmeplanung kann dabei eine wertvolle Grundlage für den Ausbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung liefern und ermöglicht weitreichende Möglichkeiten, Maßnahmen und Interessen zu koordinieren, sowie Wärmeerzeugung und Bedarfe konzeptionell abzustimmen. Auch Konzepte zur Quartierssanierung können dabei hilfreich sein. Ein wesentliches Hemmnis beim Ausbau der Wärme-Infrastruktur sind zudem die hohen Investitionskosten im Vergleich zu dezentralen Erzeugungstechnologien. Diese Investitionen müssen über einen längeren Zeitraum durch die Wärmeerlöse refinanziert werden. Mit der Erstellung von kommunalen oder regionalen Wärmeplänen auch für den Gebäudebestand könnten Instrumente geschaffen werden, die eine hinreichende Investitionssicherheit nach sich ziehen. Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von lokalen Wärmekonzepten ist eine valide Datengrundlage. Um die Kommunen in die Lage zu versetzen, die in ihrem Gebiet anfallenden Wärmebedarfe und –quellen systematisch und qualifiziert zu erfassen, sowie Prognosen für die Bedarfsentwicklung zu erarbeiten, sollten die Versorgungsunternehmen verpflichtet werden, die hierfür erforderlichen Daten bereit zu stellen. Darüber hinaus sollten den Kommunen praxisorientierte Planungswerkzeuge für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt werden. 7 5. Verbesserung des Rechts- und Förderrahmens für solare Wärmenetze Um die Markteinführung der solaren Wärmenetze einzuleiten, wäre es sinnvoll, auch den rechtlichen Rahmen weiter zu entwickeln. Ziel sollte es sein, sowohl den Ausbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung insgesamt zu befördern als auch den Anteil der Solarthermie bei der Wärmebereitstellung zu erhöhen. Derzeit existiert bei den vorhandenen energiewirtschaftlich-ordnungsrechtlichen Regelungsinstrumenten kein wirksamer Treiber, der die Integration der Solarthermie in die leitungsgebundene Wärmeversorgung fördert. Um den Regulierungsrahmen im Hinblick auf eine verstärkte Nutzung solarer Wärme zu optimieren, sollten auch die Veränderung und Ergänzung verschiedener bestehender Regularien in Betracht gezogen werden. Schließlich ist es auch erforderlich, bei einem angestrebten Ausbau der Fernwärmeversorgung die Akzeptanz der Verbraucher zu erreichen und die Wettbewerbsfähigkeit der Fernwärme gegenüber der dezentralen Objektversorgung nicht zu beeinträchtigen. In Bezug auf die Markentwicklung solarer Wärmenetze sind auf der Ebene des bundespolitischen Rahmens insbesondere das KWKG und darüber hinaus die Fortentwicklung des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes relevant. Hierbei ist zu beachten, dass die meisten dieser gesetzlichen Regelungen das Bundesrecht betreffen (z.B. EnEV, EEWärmeG, KWKG) und vom Land Baden-Württemberg nur mittelbar - etwa durch Initiativen im Bundesrat und seinen Ausschüssen - zu beeinflussen sind. Einige Punkte können jedoch auch vom Land selbst im Rahmen der eigenen Gesetzgebungs-kompetenz z.B. bei der Novellierung des EWärmeG Baden-Württemberg oder im Rahmen einer erweiterten Kompetenzzuweisung des Landes für die Kommunen im Planungsrecht umgesetzt werden. Bisher steht der Ausbau der Fernwärme-Infrastruktur in Deutschland, der gute Voraussetzungen für die kostengünstige Integration Erneuerbarer Energien bieten würde, nicht im Fokus der bundesdeutschen Wärmepolitik und erfährt nur wenig Unterstützung. Im Gegensatz dazu wurde im Nachbarland Dänemark auf der Grundlage einer langfristig orientierten nationalen Wärmestrategie die Fernwärme sehr weitreichend ausgebaut und kann dort vorteilhaft eingesetzt werden. Der in den letzten Jahren zu verzeichnende sehr starke Marktzuwachs der solaren Fernwärme in Dänemark ist zu großen Teilen auch auf den dort vorliegenden staatlichen Regulierungsrahmen und die darauf fußenden strukturellen Rahmenbedingungen zurück zu führen. Mit Blick auf die positiven dänischen Erfahrungen sollten auch die energiepolitischen Möglichkeiten der Besteuerung von Brennstoffen zur Lenkung von Investitionen näher geprüft werden. Gerade bei den derzeit niedrigen Brennstoffpreisen bei Erdgas und Heizöl ist die Umsteuerung auf Erneuerbare Energien eine große Herausforderung. Eine Verschiebung des Kostengefüges zulasten fossiler Brennstoffe würde sowohl den Umstieg auf Erneuerbare Energien als auch Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz deutlich befördern. Die möglichen Maßnahmen sollten im Rahmen einer breit angelegten ökologischen Steuerreform mit dem Ziel einer für die Bürger aufkommensneutralen Finanzierung weiter entwickelt werden. Auch die Investitionsförderung für solare Wärmenetze sollte im Hinblick auf eine rasche Markterschließung weiter optimiert werden. Das neue Wärmenetz-Förderprogramm des Landes Baden-Württemberg ist dabei sehr zu begrüßen. Im Hinblick auf hohe solare Deckungsraten sollte die Bundesförderung für Wärmespeicher verbessert werden. Während Wärmespeicher im Zusammenhang mit (auch fossilen) KWK-Anlagen nach dem KWKG mit bis zu 10 Mio. Euro gefördert werden, beträgt die maximale Förderhöhe bei Wärmespeichern, die mit Erneuerbaren Energien gespeist werden nur 1 Mio. Euro (KfW-Programm 271). Gerade bei solaren Wärmenetzen mit hohen Deckungsraten und in Kombination mit Technologien zur Strom-Wärme-Sektorkopplung sind jedoch großvolumige Wärmespeicher mit entsprechend hohen Investitionen notwendig.
Förder- und Finanzierungsleitfaden für Freiflächen- Solarthermie-Anlagen mit Wärmespeicher und Anbindung an Wärmenetze in Baden-Württemberg Diese Ausarbeitung wurde im Rahmen des Vorhabens SolnetBW erstellt. SolnetBW ist ein Verbundvorhaben zum Thema solare Wärmenetze, das im Rahmen des Förderpro-gramms BWPLUS mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft durch den beim Karlsruher Institut für Technologie eingerichteten Projektträger gefördert wird. Förderkennzeichen: BWE13030 Förderzeitraum: 01.11.2013 – 30.04.2016 Gefördert durch: PROJEKTKOORDINATOR: Solites – Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme PROJEKTPARTNER: AGFW | Projektgesellschaft für Rationalisierung, Information und Standardisierung mbH Hamburg Institut Research gemeinnützige GmbH (HIR) Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH (KEA) (im Unterauftrag von Solites) HAFTUNGSAUSSCHLUSS: Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den Autoren. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die Autoren übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Juni 2016 Inhalt A. Warum dieser Leitfaden? ...................................................................................................1 B. Für wen ist dieser Leitfaden? .............................................................................................3 C. Wie rechnen sich Freiflächen-Solarthermie-Anlagen? .........................................................4 D. Wie werden große Solarthermie-Anlagen finanziert? ....................................................... 10 D.1 Eigenkapital .................................................................................................................... 10 D.2 Finanzielle Bürgerbeteiligung ......................................................................................... 10 E. Fördermittel des Landes und Bundes optimal nutzen! ...................................................... 12 E.1 Wer wird gefördert? ....................................................................................................... 13 E.2 Was genau wird beim Land und beim Bund gefördert und was nicht? ......................... 14 E.3 Was sind zuwendungsfähige Investitionskosten? .......................................................... 16 E.4 Wie viele Zuschüsse werden wofür gewährt? ................................................................ 17 E.5 Welche Regeln und Beschränkungen gibt es bei der Förderung? ................................. 19 E.6 Ablaufschema einer typischen Förderung der KfW ....................................................... 20 F. Zwei Rechenbeispiele ...................................................................................................... 22 G. Wo finden Sie weitere Informationen? ............................................................................. 26 H. Wo können Sie sich in Baden-Württemberg persönlich beraten lassen? ............................ 29 1 A. Warum dieser Leitfaden? Das Land Baden-Württemberg verfolgt bei der Energiewende ehrgeizige Ziele: Bis 2050 will das Land gegenüber 2010 50% des Energieverbrauchs einsparen, 80% der Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen und die energiebedingten Treibhausgasemissionen um 90% senken. Dabei ist auch weiter-hin eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung zu gewährleisten. Das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) in Baden-Württemberg liefert dazu die konkreten Strategien und Maßnahmen für die kommenden Jahre. Die Energiewende wird nicht ohne eine Wärmewende erfolgreich zu leisten sein, denn in Baden-Württemberg wird annähernd so viel Energie für die Wärmebereitstellung verbraucht wie für Kraft-stoff und Strom zusammen. Am gesamten Endenergieverbrauch hat der Wärmesektor einen Anteil von 47%. Daher stecken in der Erhöhung der erneuerbaren Energien und des Ausbaus von Wärmenetzen in der Wärmegewinnung und -versorgung ein enormes Potenzial die Klimaziele zu erreichen. Insbesondere Wärmenetze bieten eine Verteilstruktur, die flexibel an zukünftige Erzeugungstechnologien anpassbar ist und insbesondere erneuerbare Wärme – wie Solarthermie, Erdwärme oder industrielle Abwärme – in Quartiere, Gemeinden und urbane Zentren bringen kann. In zahlreichen Kommunen in Baden-Württemberg sind Wärmenetze bereits vorhanden. Gerade im sonnenreichen Baden-Württemberg bietet die Solarenergie zur Wärmegewinnung (Solarthermie) große Potenziale. Jahr für Jahr werden mehr als 1.000 kWh kostenlose Sonnenenergie auf einen Quadratmeter Fläche eingestrahlt, davon über 70% im Sommerhalbjahr. Der mit Solar-anlagen erzielbare Wärmeertrag ist pro Quadratmeter etwa 40-50 Mal höher als beim Anbau von Biomasse. Die Solarthermie ist technisch ausgereift, robust und langlebig. Um den Wärmebedarf zukünftig auf Basis erneuerbarer Energien zu decken, ist die Solarenergie unverzichtbar. Die Vorteile liegen auf der Hand: Solarenergie ist frei von Risiken und Schadstoffen, unterliegt keinen Preiserhöhungen und stärkt über den Anlagenbau und -betrieb das lokale Handwerk und die regionale Wertschöpfung. Die Landesregierung will den Anteil der Solarthermie an der Wärmeerzeugung deutlich steigern: Bis 2020 soll ihr Beitrag von heute 1,2 auf 3,1 TWh jährlich steigen. Bis zum Jahr 2050 sollen mit 14 TWh rund 30% des dann noch benötigten Wärmebedarfs solar gedeckt werden. Dazu sind die Einsatzbereiche der Solarthermie auf Dach- und Freiflächen auszuweiten und diese verstärkt zur Beheizung von Gebäuden sowie in gewerblichen Produktionsprozessen zu nutzen. Eine für Baden-Württemberg aussichtsreiche und kostengünstige Option stellen solarthermische Großanlagen auf Freiflächen in Verbindung mit Wärmenetzen dar. 2 Bereits heute ist Baden-Württemberg in Deutschlands Vorreiter beim Einsatz dieser Technologie. Auf internationaler Ebene ist es Dänemark, wo vielerorts solche Anlagen bereits zum Einsatz kommen und erneuerbare und emissionsfreie Wärme für die kommunale Versorgung zu konkurrenzfähigen Kosten liefern. Sowohl der Betrieb von Wärmenetzen als auch die Wärmeerzeugung eignen sich hervorragend für eine finanzielle Bürgerbeteiligung. Die zahlreichen erfolgreichen Beispiele in Deutschland und Baden-Württemberg ermutigen zum Ausbau der großflächigen Solarthermie. Die Vorteile bei der Integration der Solarthermie in Nah- und Fernwärmesysteme liegen insbeson-dere bei der langfristigen Planungssicherheit bezüglich der Wärmegestehungskosten, die Nutzung erneuerbarer und emissionsfreier Wärme, das damit verbundene positive Image und die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung und auch durch den einfachen technischen Betrieb solcher Anlagen. Dieser Förder- und Finanzierungsleitfaden dient der Marktentwicklung für solare Wärmenetze in Baden-Württemberg. Er liefert Anhaltspunkte zu Investitions- und Betriebskosten, Förderung und Finanzierung und soll anhand von Beispielrechnungen ermutigen, Projektideen erfolgreich voranzubringen. 3 B. Für wen ist dieser Leitfaden? Für Akteure aus Kommunen, Stadtwerken, Energie-Genossenschaften, Industrie-betriebe und sonstige Fernwärmeversorger Für die Initiierung, Finanzierung und den Betrieb eignen sich unterschiedliche Betreibermodelle. Meist ergeben sich aus der Entstehungsgeschichte und Initiative für eine große Solarthermie-Anlage individuelle Modelle. Neben den klassischen Fällen, in denen ein Wärmeversorger oder eine Energiegenossenschaft in solare Nah- oder Fernwärme investiert und anschließend Kunden mit solarer Wärme beliefert, kom-men grundsätzlich auch Lösungen in Betracht, in denen Wärmenetzbetreiber und Investor der Solaranlage nicht identisch sind. Für die Fernwärmeversorger ist die Übernahme von Wärmemengen aus Anlagen, die von Dritten betrieben werden, grundsätzlich eine seit vielen Jahren geübte Praxis. Die Einspeise- und Vergütungsbedingungen sind jedoch nicht gesetzlich geregelt, sondern werden zwischen den Geschäftspartnern zivilrechtlich vereinbart. Für den Fall, dass der Wärmeversorger nicht selbst in die Solarthermie-Anlage investieren will oder kann, könnte dies ein dritter Investor tun und die Wärme anschließend als Contractor verkaufen. Solche Modelle wurden in Österreich und Schweden bereits mehrfach umgesetzt. Dabei sind spezialisierte Solar-Unternehmen, wie auch die Wohnungswirtschaft oder die öffentliche Hand Eigentümer der Solaranlagen. Der Contractor finanziert und errichtet die Anlage auf eigenes unternehmerisches Risiko, jedoch auf Grundlage eines langfristigen Wärmeliefervertrags mit dem Wärmenetzbetreiber. Eine finanzielle Bürgerbeteiligung an der Investition ist möglich und kann zudem die Akzeptanz vor Ort erhöhen, auch reine Energiegenossenschaften können als Wärmelieferer auftreten. Für die Wärmenetzbetreiber ergeben sich mit diesem Geschäftsmodell einige Vorteile. Es muss kein Kapital für die Investition aufgebracht werden und das technische Risiko liegt beim Contractor. Da die solaren Wärmebezugskosten nicht von Brennstoffkosten abhängig sind, bietet dieses Modell auch für den Wärmenetzbetreiber langfristige Kostensicherheit. 4 C. Wie rechnen sich Freiflächen-Solarthermie-Anlagen? Investitionen in erneuerbare Energien-Anlagen und Speicher bzw. in Wärmenetze sind grundsätzlich kapitalintensive Projekte. Betrachtet man aber die Kosten für Brennstoff, Wartung- und Betrieb, so zeigen sich deutliche Kostenvorteile und Planungssicherheiten gegenüber fossil betriebenen Anlagen. Die Kostenstruktur einer großflächigen Solaranlage unterscheidet sich grundlegend von herkömmlichen Heizanlagen: Bei einem Öl- oder Gaskessel sind die Kapitalkosten in die Anlage verhältnismäßig gering. Jedoch muss im Betrieb ein Vielfaches der Anfangsinvestition für den Kauf von Brennstoffen aufgewendet werden. Im Fall der solaren Wärmeerzeugung fallen die wesentlichen Kosten bei der Anschaffung an; hingegen sind die operativen Kosten in der Betriebsphase sehr gering. Brennstoffe werden nicht benötigt. Ziel eines Finanzierungskonzeptes ist eine langfristige Kostensicherheit, die zu stabilen Preisen für die Wärmekunden führen. Da Solarthermie keinen Rohstoffpreisen unterliegen, schaffen Sie eine ein bisher im Wärmebereich nicht bekannte Stabilität des Wirtschaftsplans. Die wesentlichen Kosten-Komponenten einer Investition in Solarthermie: Kollektoren (Flach- oder Vakuumröhrenkollektoren) Anlagentechnik Mess-, Steuerungs- und Regeltechnik (MSR) Übergabestation zum Netz Wärmespeicher Planung und Genehmigung Die operativen Kosten bestehen im Wesentlichen aus: Versicherung Abrechnung und sonstige Verwaltung Laufende technische Wartung Pflege des Geländes Vorteile entstehen bei der Integration der Solarthermie in Nah- und Fernwärmesysteme insbesondere durch die langfristige Planungssicherheit bezüglich der Wärmegestehungskosten, die Nutzung erneuerbarer und emissionsfreier Wärme, das damit verbundene positive Image und die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung und auch durch den einfachen technischen Betrieb solcher Anlagen. Im Rahmen des SolnetBW-Forschungsvorhabens wurden für verschiedene solarthermische Großanlagen vereinfachte Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen vorgenommen. 1 1 SolnetBW Grundlagen: http://solar-district-heating.eu/Portals/21/150701_SolnetBW_web.pdf 5 Hier die Beispielkalkulation für eine dezentral in ein städtisches Fernwärmesystem eingebundene solarthermische Großanlage: Kollektorfeld HT-Flachkollektoren (10.000 m²) 2.214.000 € Gebäude 111.000 € Anlagen- und MSR-Technik 222.000 € Planung 127.000 € Investition ohne Förderung 2.674.000 € Förderung (KfW-Bank) 1.070.000 € Investition mit Förderung 1.604.000 € Jährliche Kapitalkosten (Verzinsung 4%, 25 Jahre) 173.000 €/a Instandhaltung und Betrieb 33.000 €/a Summe Jahreskosten 206.000 €/a Wärmegestehungskosten ohne Förderung 51 €/MWh Wärmegestehungskosten mit Förderung (Jahresproduktion 4.040 MWh/a) 33 €/MWh Das Kollektorfeld dominiert mit über 80% die Investition. Nicht einbezogen in die obige Betrachtung sind Aufwendungen für das Grundstück, mögliche Umzäunungen, die Anbindungsleitung an das Wärmenetz und Wärmespeicher. Wärmegestehungskosten zwischen 30 – 50 Euro/MWh sind möglich Mit Anlagen dieser Größenordnung können bereits heute in Deutschland Wärmegestehungskosten von rund 5 Cent je KWh (netto, ohne Förderung) erzielt werden. Unter guten Voraussetzungen sind noch geringere Werte möglich. Die wesentlichen Voraussetzungen für günstige Wärmegestehungskosten sind: Eine ausreichende Anlagengröße (>1.000 m² Kollektorfläche) Einfache Anlagentechnik (z.B. Freilandaufstellung) Solare Deckungsanteile an der Gesamt-Wärmeerzeugung bis 20% (d.h. Auslegung an der sommerlichen Wärmelast) Möglichst niedrige Temperaturen im nachgelagerten Wärmenetz. Durch Inanspruchnahme attraktiver Förderprogramme für die Investition können die Wärmegestehungskosten nochmals deutlich auf Werte von unter 3 Cent je kWh verringert werden. Damit ist die Solarwärme bereits heute gegenüber fossil betriebenen Anlagen wirtschaftlich im Vorteil. 6 Anlagentypen, System- und Wärmegestehungskosten Im Rahmen der Arbeit des SolnetBW-Projektes wurden sieben Typologien für den Einsatz großer Solarthermie definiert. Sie machen deutlich, unter welchen Rahmenbedingungen sich große Solar-thermie besonders lohnt. 2 Typ Wärmeabgabe ges. Netz (GWh/a) Einbindung Solaranlage (-) Leistung Solaranlage (MWth) Solarer Deckungsanteil (%) 1 Solare Wärmenetze zur Quartiersversorgung 0,5 – 10 zentral 0,2 – 2 10 – 20% der Wärme-netzeinspeisung 2 Solare Wärmenetze mit Langzeitwärmespeicher für Wohngebiete und Quartiere 2 – 10 zentral 2 – 20 20 – 50% der Wärme-netzeinspeisung 3 Dezentral eingebun-dene Solaranlagen in Quartieren 20 – 5.000 dezentral 0,2 – 2 bis zu 100% des Quar-tierswärmebedarfs (< 10% der Wärme-netzeinspeisung) 4 Solare Wärmenetze für Dörfer und kleinere Städte 2 – 100 zentral 0,5 – 50 10 – 20% der Wärme-netzeinspeisung 5 Solare Fernwärme-systeme mit Strom-Wärme-Kopplung 2 – 100 zentral 0,5 – 50 10 – 50% der Wärme-netzeinspeisung 6 Dezentral in städtische Fernwärme eingebun-dene Solaranlagen 20 – 5.000 dezentral 0,5 – 10 bis zu 10% der Wärme-netzeinspeisung 7 Zentral in städtische Fernwärme eingebun-dene Solaranlagen 20 – 5.000 zentral 0,5 – 50 bis zu 20% der Wärme-netzeinspeisung Definition der Randbedingungen 2 Quelle: http://solar-district-heating.eu/Portals/21/150701_SolnetBW_web.pdf 7 Systemkosten und Wärmegestehungskosten ohne bzw. mit Förderung Es ist deutlich erkennbar, dass für die Anlagentypen 3 (dezentral eingebundene Solaranlagen in Quartieren), 6 (dezentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Groß-anlagen) und 7 (zentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Groß-anlagen) die Wärmegestehungskosten am niedrigsten sind. Die Wärmegestehungskoten liegen bei den genannten Systemen ohne Förderung im Mittel bei etwa 50 Euro/MWh. FAZIT Je nach Anwendungsfall und Rahmenbedingungen, Größe der Anlage und solarem Deckungsgrad können ohne Förderung Wärmegestehungskosten im Bereich von 50 Euro/MWh erreicht werden. Mit Inanspruchnahme von derzeit angebotener Förderung sind Wärmegestehungskosten von unter 30 Euro/MWh möglich. 02550751001251501752000100200300400500600700800Gestehungskosten Solarwärme [€/MWh](ohne Förderung / mit Förderung)Systemkosten ohne Förderung [€/m²Flachkollektor]Kostenbasis 2013WärmeabgabeNetzges.: Einbindung Solaranlage: Leistung Solaranlage: Solarer Deckungsanteil: Typ 1 Quartier 0,5 - 10 GWh/a zentral 0,2 - 2 MWth 10 - 20 % Typ 2 Quartier Wärmespeicher 2 - 10 GWh/a zentral 2 - 20 MWth 20 - 50 % Typ 3 Quartier 20 - 5000 GWh/a dezentral 0,2 - 2 MWth < 10 % Typ 4 ‘Energiedorf‘ 2 - 100 GWh/a zentral 0,5 - 50 MWth 10 - 20 % Typ 5 ‘Energiedorf‘ StromWärmeKoppl. 2 - 100 GWh/a zentral 0,5 - 50 MWth 10 - 50 % Typ 6 Städtische Fernwärme 20 - 5000 GWh/a dezentral 0,5 - 10 MWth < 10 % Typ 7 Städtische Fernwärme 20 - 5000 GWh/a zentral 0,5 - 50 MWth < 20 % 8 Betriebskosten niedrig Die Kapitalkosten stellen einen wesentlichen Anteil der Gesamtkosten dar. Hingegen spielen die Betriebskosten eine eher untergeordnete Rolle. Müssen jedoch berücksichtigt werden. Auf Basis der Untersuchungen zu den laufenden Kosten lassen sich Richtwerte für die jährliche Instandsetzung und die Wartungskosten ermitteln. Übersicht der Randbedingungen für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung: 3 Nutzungsdauer (in Jahren) Jährliche Instandhaltungskosten (in % der Inv.-Kosten) Jährliche Wartungskosten (in % der Inv.-Kosten) Vakuumröhrenkollektoren 25I 0,50%III 0,50%III Flachkollektoren 25I 0,50%III 0,50%III WärmespeicherII 40 1,00% 0,25% SolarnetzIII 40 1,00% 0,00% AnlagentechnikIII 15 1,50% 0,75% GebäudeIII 50 1,00% 1,00% MSR-TechnikIII 20 1,50% 1,00% Die niedrigen Betriebs- und der Wegfall der Brennstoffkosten bedeuten: langfristige Kalkulierbar-keit, Planungssicherheit und Stabilität der Wärmegestehungskosten. Kapitalkosten hoch Die hohen Kapitalkosten schaffen eine besondere Situation bei der Bereitstellung des aufzubringen-den Eigen- und Fremdkapitals, da ihr Bedarf vergleichsweise hoch ist. Entsprechend sind die Tilgungszeiten länger oder die Tilgungsraten und die Zinslast höher. Der Zinssatz für die interne Kalkulation hat einen starken Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit. Grundsätzlich muss jede Anlage individuell kalkuliert werden und die entsprechenden Kreditverträge je nach Anlage verhandelt werden. Besonders hervorzuheben ist der Umstand, dass große Solarthermie-Anlagen zu 100% für die Darle-hen der KfW zulässig sind. Das heißt, dass Eigenkapital nur noch für Kosten des Grundstückes und anderer Nebenkosten nachgewiesen werden muss. 3 Quelle: http://solar-district-heating.eu/Portals/21/150701_SolnetBW_web.pdf 9 Für eine erste Einschätzung der Wirtschaftlichkeit bei anzunehmender Dimensionierung steht ein hilfreiches, kostenloses Instrument unter: http://www.sdh-online.solites.de/ zur Verfügung. Foto: Ritter XL Solar GmbH – Juni 2016 Bau Deutschlands größter Anlage in Senftenberg mit 8.300 m2 Kollektorfläche 10 D. Wie werden große Solarthermie-Anlagen finanziert? Foto: Dr. Matthias Sandrock – Freiflächen-Solarthermie-Anlage Snedstedt, Dänemark D.1 Eigenkapital Derzeit lassen sich große Solarthermie-Anlagen zu nahezu 100% mit Fremdkapital über das Förder-programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanzieren. Daneben werden attraktive Tilgungszuschüsse von der KfW angeboten. Andererseits kann es auch im Interesse des Investors bzw. Initiators sein, den Anteil an Eigenkapital zu erhöhen, um durch entsprechend niedrigerem Fremdkapitalbedarf die Zinslast zu senken und die Anlage möglichst frühzeitig frei von Darlehen zu bekommen. D.2 Finanzielle Bürgerbeteiligung Die kapitalmäßige Beteiligung der Wärmekunden oder auch Dritter (Privatpersonen) spielt bei Wärmenetzen und Solarthermie eine attraktive Rolle. Viele Bürger sehen in den herkömmlichen Sparmöglichkeiten bei Banken keine Perspektive und suchen sowohl aus finanziellen Erwägungen, aber auch aus ethischen und ökologischen Erwägungen heraus nach Alternativen. 11 Werden die Kunden an den Gewinnen beteiligt, schafft dies großes Vertrauen und Akzeptanz, da möglicher Profit an die Kunden zurückfließt und somit die Furcht vor überhöhten Wärmepreisen nahezu ausgeschlossen werden kann. Für eine finanzielle Bürgerbeteiligung spricht auch der Umstand, dass die Renditeerwartung von Privatpersonen in der Regel niedriger liegt als bei gewerblichen bzw. institutionellen Investoren. Als Erfahrungswert aus Bürgerenergieprojekten im Strombereich kann von einer einstelligen Renditeerwartung ausgegangen werden, die derzeit für viele Anleger zwischen 3% und 5% attraktiv erscheint. Im Fall von Genossenschaften ist eine Auszahlung von Überschüssen dem Beschluss der Genossenschaftsmitglieder vorbehalten. Aufgrund der für das Geschäftsmodell der Solarthermie-Anlage anzunehmenden sehr geringen Eigenkapitalbedarfs, eigen sich Genossenschaften zur Gewinnung der notwendigen Mittel recht gut. Mitglieder können die zukünftigen Wärmekunden werden. In der konkreten Ausgestaltung einer Teilhabe an den wirtschaftlichen Vorteilen einer Anlage oder eines Wärmenetzes sind weitere Modelle möglich, wie z.B. die Beteiligung an Pachteinnahmen, die Gewährung eines „Anwohner-Bonus“ oder ähnlichem sowie die Direktvermarktung von Strom und Wärme zu Sonderkonditionen. Foto: Ritter XL Solar GmbH – 2013 Bioenergiedorf Büsingen 12 E. Fördermittel des Landes und Bundes optimal nutzen! Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) bietet über das Marktanreizprogramm (MAP) zur Förderung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt eine Regelförderung an. Diese kann über das KfW-Programm „Erneuerbare Energien Premium 271“ abgerufen werden. Es bietet zinsgünstige Darlehen und Tilgungszuschüsse. Über die Kommunalrichtlinie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit werden Klimaschutzteilkonzepte mit Schwerpunkt auf integrierter Wärmenutzung und auf Erneuerbare Energien gefördert. Der Bund fördert die Erstellung von Wärmeplänen im Regelfall als Zuwendung durch einen nicht rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von bis zu 50% der zuwendungsfähigen Ausgaben und Baden-Württemberg unterstützt mit bis zu 20% zusätzlich. Pro Region in Baden-Württemberg wird jeweils eine Beratungs- und Netzwerkinitiative gefördert, die das Thema energieeffiziente Wärmenetze in der jeweiligen Region proaktiv aufgreift, Kommunen und die Öffentlichkeit über das Thema informiert sowie konkrete fachlich-konzeptionelle Vorschläge zur Umsetzung von lokalen Wärmenetzen in Kommunen macht. Die Förderung erfolgt in Form eines Zuschusses in Höhe von bis zu 90% der förderfähigen Kosten und maximal bis zu 90.000 Euro über eine Projektlaufzeit von drei Jahren. Ein neues Programm „Investitionsförderung zur Errichtung oder Erweiterung von energieeffizien-ten Wärmenetzen“ in Baden-Württemberg schafft seit Ende Februar 2016 Anreize, effiziente und verlustarme Wärmenetze für den Einsatz aller erneuerbaren Energien sowie Abwärme aus Industrie und hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zu errichten. Gefördert werden über Zuschüsse Investitionen in Wärmenetze, die besondere Effizienzkriterien erfüllen, die über die Vorgaben des Marktanreizprogramms (MAP) des Bundes und des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) hinausgehen. Als Zusatzanforderungen werden ein erhöhter Einsatz von erneuerbaren Energien, Abwärme oder hocheffizienter KWK und eine Begrenzung des Wärmeverlusts vorausgesetzt. Beim Land Baden-Württemberg können für Pilotprojekte weiterhin über das Ministerium für Um-welt, Klima und Energiewirtschaft im Rahmen des Programms „Demonstrationsvorhaben der rationellen Energieverwendung und Nutzung erneuerbarer Energien“ Mittel in Form von nicht-rückzahlbaren Zuschüssen für die Wärmeversorgung in Gemeinden, Städten sowie Orts- oder Stadtteilen überwiegend auf der Basis von erneuerbaren Energien oder Abwärme beantragt werden. Informationen zu Forschungsförderung durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirt-schaft des Landes und des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für spezielle Pilotvorhaben können dort angefragt werden. 13 E.1 Wer wird gefördert? KfW-Programm „Erneuerbare Energien Premium 271“: Natürliche Personen, die die erzeugte Wärme und/oder den erzeugten Strom ausschließlich für den privaten Eigenbedarf nutzen (keine Vermietung und keine Landwirtschaft), Gemeinnützige Antragsteller und Genossenschaften, Freiberuflich Tätige, Landwirte, Unternehmen, Kommunen, kommunale Gebietskörperschaften und Gemeindeverbände (zum Beispiel kommu-nale Zweckverbände), die wie kommunale Gebietskörperschaften behandelt werden können. Der Antragsteller ist entweder Eigentümer, Pächter oder Mieter des Grundstücks, Grundstückteils, Gebäudes oder Gebäudeteils, auf dem die geförderte Investitionsmaßnahme durchgeführt wird, oder ein von diesen beauftragtes Energiedienstleistungsunternehmen (Contractor). Pächter, Mieter oder Contractoren benötigen die schriftliche Erlaubnis des Eigentümers des Anwesens, die Anlage errichten und betreiben zu dürfen. Investoren sind nur antragsberechtigt, wenn sie auch gleichzeitig die Betreiber der Anlagen sind. Trifft dies nicht zu, kann eine Förderung nur erfolgen, wenn Investor und Betreiber für das Darlehen gesamtschuldnerisch haften. Im Fall der Errichtung einer förderwürdigen Anlage im Rahmen eines Contractingvertrags ist der Contractor nur antragsberechtigt, wenn er versichert, dass er den Contracting-Nehmer darauf hingewiesen hat, dass er die Förderung im Rahmen dieses KfW-Programms in Anspruch nehmen will. Baden-Württemberg – Programm „Investitionsförderung zur Errichtung oder Erweiterung von energieeffizienten Wärmenetzen“: Gefördert werden Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft sowie sonstige natürliche und juristi-sche Personen des privaten Rechts. Ebenso Städte, Gemeinden, Landkreise, Gemeindeverbände, Zweckverbände, sonstige Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie Eigengesellschaften kommunaler Gebietskörperschaften. 14 E.2 Was genau wird beim Land und beim Bund gefördert und was nicht? KfW-Programm „Erneuerbare Energien Premium 271“: Solarkollektoranlagen Als Innovationsförderung werden die Errichtung und Erweiterung von großen Solarkollektoranlagen mit mehr als 40 m² Bruttokollektorfläche gefördert zur: überwiegender Bereitstellung von Wärme für ein Wärmenetz, Warmwasserbereitung, Raumheizung oder zur kombinierten Warmwasserbereitung und Raumheizung von: Wohngebäuden mit 3 und mehr Wohneinheiten, oder Nichtwohngebäuden mit mindestens 500 m² Nutzfläche. Diese Mindestgröße kann bei Gemein-schaftseinrichtungen zur sanitären Versorgung (z.B. auf Campingplätzen) oder Beherbergungs-betrieben mit mindestens 6 Zimmern unterschritten werden. Bereitstellung von Prozesswärme, Bereitstellung von solarer Kälteerzeugung. Große Wärmespeicher Als Innovationsförderung werden die Errichtung und/oder die Erweiterung von Wärmespeichern mit mehr als 10 m³ gefördert, sofern sie überwiegend aus erneuerbaren Energien gespeist werden und die im Antrag auf Tilgungszuschuss aufgeführten Qualitätskriterien einhalten. Wärmespeicher, die nach dem Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWKG) gefördert werden können sowie Wärmespeicher für Ein- und Zweifamilienhäuser sind nicht förderfähig. Nicht förderfähig sind ebenfalls: Eigenbauanlagen, Prototypen, gebrauchte Anlagen und Energieerzeugungsanlagen, die eine Vergütung nach dem Gesetz für den Ausbau Erneuerbarer Ener-gien (EEG) oder nach dem Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWKG) erhalten können. Wärmenetze, die aus erneuerbaren Energien gespeist werden Gefördert wird die Errichtung und die Erweiterung eines Wärmenetzes (inklusive der Errichtung der Hausübergabestationen), sofern: das Wärmenetz im Mittel über das gesamte Netz einen Mindestwärmeabsatz von 500 kWh pro Jahr und Meter Trasse hat. die verteilte Wärme zu bestimmten Mindestanteilen (20-50%) aus solaren Wärmequellen stammt 4 Auch der biogene Anteil von Siedlungsabfällen gilt als erneuerbare Energie im Sinne dieser Regelung (Wärmenutzung aus der Abfallverbrennung). 4 Mehr Informationen finden Sie auf dem Merkblatt der KfW: https://www.kfw.de/Download-Center/Förderprogramme-(Inlandsförderung)/PDF-Dokumente/6000002410-Merkblatt-271-281-272-282.pdf 15 Nicht gefördert werden: Wärmenetze, wenn sie nach dem Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWKG) gefördert werden können. Baden-Württemberg: Programm „Investitionsförderung zur Errichtung oder Erweiterung von energieeffizienten Wärmenetzen“ 5 Gefördert werden die Errichtung oder die Erweiterung von Wärmenetzen und gegebenenfalls einschließlich der integrierten Anlagen zur Wärmeerzeugung aus regenerativen Energien, aus KWK-Anlagen und industrieller beziehungsweise gewerblicher Abwärme, die folgende Kriterien kumulativ erfüllen: Die Wärme muss zu mindestens 80% ̶ aus erneuerbaren Energien, ̶ aus effizienten Wärmepumpen, ̶ aus hocheffizienten KWK-Anlagen, ̶ aus Anlagen zur Nutzung industrieller oder gewerblicher Abwärme oder ̶ aus Kombinationen der genannten Quellen stammen, die Wärmeverluste der Wärmeverteilung dürfen 20% der ins Wärmenetz eingespeisten Wärme nicht überschreiten und an das Wärmenetz müssen zudem mindestens zehn Gebäude angeschlossen sein. Programm „Demonstrationsvorhaben der rationellen Energieverwendung und Nutzung erneuerbarer Energien“ 6 Gefördert werden Investitionen für nicht am Markt eingeführte Techniken, deren Entwicklungsphase abgeschlossen ist und die für den vorgesehenen Einsatzbereich, in der vorgesehenen Größen-ordnung oder hinsichtlich der vorgesehenen Kombination bekannter Komponenten erstmalig zur Anwendung kommen. Schwerpunkte bilden der Einsatz von erneuerbaren Energien und Maßnahmen für die effiziente Energienutzung. 5 https://um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/beratung-und-foerderung/foerdermoeglichkeiten/energieeffiziente-waermenetze letzter Zugriff: 03.03.2016 6 https://um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/beratung-und-foerderung/foerdermoeglichkeiten/demonstrationsvorhaben letzter Zugriff: 03.03.2016 16 E.3 Was sind zuwendungsfähige Investitionskosten? KfW-Programm „Erneuerbare Energien Premium 271“ bis zu 100% der förderfähigen Nettoinvestitionskosten 7 Große Solarkollektoranlagen mit mehr als 40 m2 Bruttokollektorfläche: förderfähig sind allein durch die Realisierung der Solaranlage verursachte Kosten Kollektorfläche mit den dazugehörigen Komponenten (Kollektoren, Unterbau Kollektoren, Pum-pen usw.), Anbindung, Solarspeicher und zusätzliche Wärmetauscher, Regelung, Mess-einrichtungen, anteilige Planungskosten Große, neu zu errichtende Wärmespeicher zur Speicherung von Wärme aus erneuerbaren Energien von mehr als 10 m3 Wärmespeicher und/oder Erweiterung einschließlich Verteilung, Armaturen und Pumpen, antei-lige Planungskosten Verteilnetze und deren Erzeugungsanlagen, die mit Wärme aus Erneuerbaren Energien ge-speist werden (Wärmenetze). Hier gilt eine Besonderheit! In einem ersten Schritt werden die Investitionskosten der Gesamtmaßnahme (einschließlich An-lage zur Wärmeerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien) ermittelt. Als Vergleichsinvestition wird eine entsprechende Wärmeversorgung auf Basis von konventionellen Heizungen herangezogen. Zusätzlich ist zur Ermittlung der Beihilfeobergrenze zu den Investitionskosten in das Verteilnetz auch der erwartete Betriebsgewinn aus der Investition für den Abschreibungszeitraum der Investition anzurechnen. Im Programm „Investitionsförderung zur Errichtung oder Erweiterung von energieeffizienten Wärmenetzen“ in Baden-Württemberg wird unterschieden zwischen zum einen der Investitionen in integrierte Wärmeerzeugungsanlagen. Da sind die Investitionsmehrkosten förderfähig. Und zum anderen der Investitionen in das Verteilnetz. Dort sind die Investitionskosten förderfähig, jedoch darf der Förderbetrag für das Verteilnetz nicht höher sein als die Differenz zwischen den förderfähigen Kosten und dem Betriebsgewinn. 7 Siehe Checkliste KfW 600 000 0218 https://www.kfw.de/Download-Center/F%C3%B6rderprogramme-(Inlandsf%C3%B6rderung)/PDF-Dokumente/6000000218-Checkliste-Investitionsmehrkosten-271-281-272-282.pdf 17 E.4 Wie viele Zuschüsse werden wofür gewährt? KfW-Programm „Erneuerbare Energien Premium 271“ Gefördert wird die Umsetzung folgender Maßnahmen:8 Große Solarwärmeanlagen ab 40 m² Bruttokollektorfläche, die ihre Wärme überwiegend einem Wärmenetz zuführen, werden über ein KfW-Darlehen mit einem Tilgungszuschuss von gefördert. Der Kredithöchstbetrag beträgt in der Regel maximal 10 Mio. Euro pro Vorhaben. Die Förderung von Solarkollektoranlagen kann alternativ über zwei Fördersystematiken beantragt werden. Größenabhängige Förderung von Solarkollektoranlagen: Bis zu 30% der förderfähigen Nettoinvestitionskosten für folgende Nutzungsarten: Warmwasserbereitung, Raumheizung, solare Kälteerzeugung und Zuführung in ein Wärmenetz, Bis zu 40% der förderfähigen Nettoinvestitionskosten Einspeisung des überwiegenden Teils der Wärme in ein Wärmenetz mit mindestens vier Abnehmern, Bis zu 50% der förderfähigen Nettoinvestitionskosten zur überwiegenden solaren Prozesswärmebereitstellung. Ertragsabhängige Förderung von Solarkollektoranlagen: Hierbei wird gefördert nach dem errechneten Ertrag auf Basis des sogenannten Solar-Keymark (Qualitätslabel für solarthermische Produkte). Das Zertifizierungsprogramm basiert auf einer Typ-prüfung der Produkte und einer Fertigungskontrolle. Der ausgewiesene jährliche Kollektorwär-meertrag wird mit der Anzahl der installierten Solarthermie-Module 9 und 0,45 Euro multipliziert. Das klingt komplizierter als es ist. Auch stehen übersichtliche webtools 10 zur Berechnung zur Verfügung. Bei sehr effizienten Hochleistungskollektoren kann diese Methode zu erheblich höheren Fördersummen führen. Für Wärmespeicher mit einem Speichervolumen über 10 m³ beträgt der Tilgungszuschuss 250 Euro je m³ sofern sie überwiegend aus erneuerbaren Energien gespeist werden. Dabei ist die Förderung auf 30% der für den Wärmespeicher nachgewiesenen Nettoinvestitionskosten beschränkt. Der maximale Tilgungszuschuss je Wärmespeicher beträgt 1 Mio. Euro. Wärmenetze, die überwiegend Wärme für den Gebäudebestand bereitstellen, werden mit einem Tilgungszuschuss von 60 Euro je errichtetem Meter Trassenlänge gefördert. Dabei muss die verteilte Wärme zu gewissen Anteilen aus erneuerbaren Energien gewonnen werden und der Mindestwärmeabsatz 500 kWh pro Trassenmeter und Jahr betragen. Der Förderhöchstbetrag beträgt 1 Mio. Euro. 8 KfW 271: KfW-Programm – Erneuerbare Energien Premium 271, Kreditanstalt für Wiederaufbau, www.kfw.de, letzter Zugriff: 12.01.2016 9 Die Kollektorzertifikate können Sie im Internet unter http://www.solarkeymark.dk/CollectorCertificates abrufen. Der maßgebliche Wert für Deutschland ist dann im Regelfall der auf der Seite 2 zu findende Wert „annual collector output“ in kWh je Modul am Standort Würzburg bei einer Temperaturdifferenz von 50 K. 10 http://ritter-xl-solar.com/vertrieb/foerderrechner/ letzter Zugriff: 03.03.2016 18 Zusätzlich zu den vorhandenen Förderungen gibt es seit dem 01. Januar 2016 bei der KfW mit dem „Anreizprogramm Energieeffizienz APEE“ wesentlich höhere Zuschüsse bei Einbau einer Solarther-mie-Anlage mit Heizungsunterstützung und Optimierung des Heizungssystems. Für den Austausch besonders ineffizienter Heizungsanlagen stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie um 20% erhöhte Tilgungszuschüsse zur Verfügung. 11 Baden-Württemberg „Investitionsförderung zur Errichtung oder Erweiterung von energieeffizienten Wärmenetzen“ (Stand: 04.02.2016) 12 Bei einer Förderung sind maximal bis zu 20% der Kosten als Basisförderung förderfähig, höchstens jedoch insgesamt 200.000 Euro. Die Basisförderung kann auf insgesamt bis zu 400.000 Euro (unter Einbehalt der maximal 20%) pro Investitionsvorhaben für die nachstehenden Maßnahmen durch kumulierbare Boni erhöht werden: Bonus für Einsatz von Solarthermie: bis zu 50.000 Euro, wenn die vorgesehene installierte solarthermische Leistung einen Solarertrag von mehr als 10% der erforderlichen Gesamt-wärmemenge ermöglicht, Bonus für Abwärmenutzung: bis zu 50.000 Euro bei Nutzung von Abwärme aus Industrie oder Gewerbe, wenn die vorgesehene installierte Leistung einen Ertrag aus Abwärme von mehr als 20% der erforderlichen Gesamtwärmemenge ermöglicht, Bonus für große Wärmespeicher: bis zu 50.000 Euro für Wärmespeicher mit einem Speichervolumen von mindestens 500 m³ Wasser beziehungsweise Wasseräquivalent bei Latentwärmespeichern und sonstigen Speichern, Bonus für Absenkung der Rücklauftemperaturen: bis zu 50.000 Euro für Maßnahmen (primär- oder sekundärseitig), die im Jahresdurchschnitt Rücklauftemperaturen kleiner 45 °C ermöglichen. Der gesamte Zuschuss wird unter Umständen durch die Beihilfe-Limits der Allgemeinen Gruppen-freistellungsverordnung (AGVO) begrenzt. Abhängig von der Art und Größe des Unternehmens liegt die zulässige Beihilfeintensität zwischen 45 und 65%. Dabei wird die Gesamtförderintensität betrachtet – d.h. Sie können die genannten Programme bis zu dieser Obergrenze kombinieren sprich kumulieren. Es gilt immer: Bundesmittel VOR Landesmittel. 11 http://www.foerderdatenbank.de/Foerder-DB/Navigation/Foerderrecherche/suche.html?get=views;document&doc=12832&typ=RL letzter Zugriff: 03.03.2016 12 https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/5_Energie/Energieeffizienz/F%C3%B6rderm%C3%B6glichkeiten/VwV_energieeffiziente_Waermenetze.pdf letzter Zugriff: 03.03.2016 19 E.5 Welche Regeln und Beschränkungen gibt es bei der Förderung? Die AGVO (Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung) ist eine wichtige EU-Verordnung zur Festlegung von Förderhöchstgrenzen um eine Marktverzerrung innerhalb der EU zu vermeiden. Die Beachtung dieser Vorgaben erachten wir für zwingend. Für große Solarthermie-Anlagen, Speicher und Wärmenetzen gelten die Artikel 41 (Investitionsbeihilfen zur Förderung erneuerbarer Energien) und 46 (Investitionsbeihilfen für energieeffiziente Fernwärme und Fernkälte). Für Großunternehmen liegt die Förderhöchstgrenze bei 45% der förderfähigen Nettoinvestitionskosten. Für mittlere Unternehmen (< 250 Mitarbeiter, < 50 Mio. Euro Um-satz) bei 55% und für Kleinunternehmen (< 50 Mitarbeiter, < 10 Mio. Euro Umsatz) bei 65%. 13 Nach AGVO gilt auch: Wenn die Beihilfe im Rahmen einer Ausschreibung anhand eindeutiger, transparenter und diskriminierungsfreier Kriterien gewährt wird, kann die Beihilfeintensität bis zu 100% der beihilfefähigen Kosten betragen. Da die AGVO nur für am Markt wirtschaftlich Tätige gilt, können kommunale Eigenbetriebe davon ausgenommen sein und würden damit keiner Beihilfegrenze unterliegen. Kumulation – Können Sie verschiedene Fördermittel kombinieren? In der Regel ist es möglich, für ein Vorhaben Fördermittel aus verschiedenen Förderprogram-men in Anspruch zu nehmen. Im Falle einer Kumulierung von Beihilfen darf jedoch die nach den einschlägigen Leitlinien der Europäischen Kommission zulässige Beihilfenintensität nicht überschritten werden. In der Regel sind die Bundesmittel VOR Landesmitteln zu nutzen. Für die Einstufung bei der Kreditgewährung sind sogenannte Bonitätsklassen wichtig, d.h. für wie solvent hält die Hausbank den Antragsteller. Dabei gilt ganz klar: je besser die wirtschaftli-chen Verhältnisse Ihres Unternehmens und je werthaltiger die gestellten Sicherheiten, desto niedriger ist der Zinssatz. Dabei lagen die Zinssätze bei KfW Programm 271 im Januar 2016 zwischen 1,00% bis 8,15% auch je nach Laufzeit des Kredits. D.h. es kann schon sehr entscheidend sein, was für ein Unternehmen oder ob eine Kommune direkt das Projekt realisiert. Wer Förderdarlehen in Anspruch nehmen möchte, muss Sicherheiten bereitstellen. Zu einer banküblichen Besicherung zählen beispielsweise: Grundschulden, Sicherungsübereig-nung oder Bürgschaften. Form und Umfang der banküblichen Sicherheiten werden im Rahmen der Kreditverhandlungen zwischen Ihnen, als Kreditnehmer und Ihrer Hausbank vereinbart. Sollte ein Unternehmen nicht in ausreichendem Umfang über Sicherheiten für die aufzunehmenden Kredite verfügen, können zusätzlich öffentliche Haftungsfreistellungen oder Bürgschaften beantragt werden. 13 Die EU definiert kleine und mittlere Unternehmen (KMU) folgendermaßen: Mittlere Unternehmen: weniger als 250 Mitarbeiter und Umsatz bis 50 Mio. Euro oder Bilanzsumme bis 43 Mio. Euro Kleine Unternehmen: weniger als 50 Beschäftigte, Umsatz bis 10 Mio. Euro oder Bilanzsumme bis 10 Mio. Euro Kleinstunternehmen: weniger als 10 Mitarbeiter, Umsatz oder Bilanzsumme bis 2 Mio. Euro Verbundenheitskriterium: Für alle KMU gilt zudem, dass sie nicht zu 25% oder mehr des Kapitals oder der Stimmanteile im Besitz von einem oder mehreren Unternehmen gemeinsam stehen dürfen, welche die Definition der KMU nicht erfüllen. 20 E.6 Ablaufschema einer typischen Förderung der KfW IDEE Sie haben eine Projektidee und die Projektpartner beisammen und eine Vor-stellung der Kosten. GESPRÄCH Besprechen Sie Ihr Vorhaben frühzeitig mit Ihrer Hausbank, der L-Bank in Baden-Württemberg oder mit der KfW um evtl. bei Ihrer Projektidee nachzusteuern. ANTRAG Beantragen Sie den Kredit der KfW bei Ihrer Hausbank VOR dem Maßnahmen-beginn. Ihre Hausbank füllt den Kreditantrag mit Ihnen aus und reicht ihn mit den erforderlichen Anlagen bei der KfW ein. Sie prüft auch die Tilgungszuschuss-Optionen und die Einhaltung der Beihilfegrenzen für Ihr Unternehmen. In Ausnahmefällen kann unter bestimmten Voraussetzungen ein sog. vorzeitiger Maßnahmenbeginn erteilt werden, wenn Sie möglichst schnell mit der Umsetzung beginnen wollen. PRÜFUNG Die KfW prüft Ihren Antrag und teilt die Entscheidung Ihrer Hausbank mit. Man rechnet mit ca. 5 Wochen Bearbeitungszeit. VERTRAG Ihre Hausbank informiert Sie über das Ergebnis der Kreditprüfung und schließt den Kreditvertrag über die Darlehnssumme mit Ihnen ab. UMSETZUNG Ist der Kreditvertrag abgeschlossen, können Sie mit Ihrem Vorhaben beginnen. Ansprechpartner für alle Fragen zu Ihrem Kredit ist Ihre Hausbank. ABRUF Abruf des Kredits erfolgt zu 100% des zugesagten Betrages. Der Abruf kann in einer Summe oder in Teilbeträgen innerhalb von 12 Monaten erfolgen. Die Laufzeit des Kredits beginnt. FERTIG Die Baumaßnahme ist abgeschlossen. NACHWEIS Sie legen den Verwendungsnachweis bei Ihrer Hausbank vor, die diesen bei der KfW einreicht. Grundsätzlich müssen Sie dies unverzüglich nach Abschluss des geförderten Vorhabens tun, spätestens aber 9 Monate nach der Auszahlung der Darlehnsmittel. ZUSCHUSS Die KfW prüft dann die Auszahlung der Tilgungszuschüsse: Voraussetzung für die Verrechnung des Tilgungszuschusses ist der Nachweis der ordnungsgemäßen Ver-wendung der Mittel. Nach Prüfung und Anerkennung des Verwendungsnachweises wird der Tilgungszuschuss dem Darlehen als Sondertilgung gutgeschrieben. Laufzeit des Kredits: 5-20 Jahre 21 Bei der Beantragung zinsverbilligter Darlehen ist immer das „Hausbank-Prinzip“ zu beachten. Unternehmen können Förderanträge nicht direkt z.B. bei der der KfW stellen, sondern müssen Förderanträge über eine Bank, im besten Fall der Hausbank einreichen. Diese prüft die Anträge, analysiert das Projekt, prüft die Bonität Ihres Unternehmens und die Sicherheiten des Antragstellers und leitet den Antrag weiter. Kommunen hingegen können den Kreditantrag direkt bei der KfW beantragen und abrufen. Anträge für Mittel aus dem Programm in Baden-Württemberg „Demonstrationsvorhaben der rationellen Energieverwendung und Nutzung erneuerbarer Energien“ sind an das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft zu richten. Anträge für Mittel aus dem Programm in Baden-Württemberg „Investitionsförderung zur Errichtung oder Erweiterung von energieeffizienten Wärmenetzen“ können zu vier Terminen pro Jahr gestellt werden. Die Termine zur Einreichung von Anträgen werden auf der Homepage des Umweltministeriums und auf der Homepage des beauftragten Projektträgers Karlsruher Institut für Technologie (KIT)14 unter http://www.ptka.kit.edu/bwp/index.php rechtzeitig bekannt gemacht. Eine Kontaktaufnahme mit dem Projektträger Karlsruhe vor Antragstellung wird empfohlen. FAZIT Prüfen Sie ob die ertragsabhängige Förderung der Kollektoren nicht eine höhere Fördersumme ergibt! Klären Sie, welche Beihilfegrenzen für Ihr Unternehmen und Ihr Projekt gelten – daraus ergibt sich die maximale Höhe der Förderung bzw. des Tilgungszuschuss, den erhalten können! Besprechen Sie mit Ihrer Hausbank Ihre Bonitätsklasse. Danach bemisst sich die Zinshöhe bei der KfW. 14 Formblätter für die Antragstellung können auf der Internetseite des Projektträgers abgerufen oder unter bwp@ptka.kit.edu angefordert werden. 22 F. Zwei Rechenbeispiele Beispiel 1: Stadtwerk, kein KMU Investor Stadtwerk, kein KMU Grunddaten Kollektorfeld m² 10.000 Grundstück m² 28.000 Speicher m³ 2.000 Anbindeleitung Wärmenetz m 100 Mittlere Netztemperatur °C 60 Energieertrag Solare Einstrahlung kWh/m² 930 Spezifischer Ertrag kWh/m² 405 Thermische Leistung kW 7.000 Jahresertrag MWh/a 4.050 Investitionen spezifisch gesamt Kollektorfeld € 221 € 2.214.000 € Anlagentechnik, Wärmetauscher € 7% 154.980 € MSR-Technik € 3% 66.420 € Speicher € 225 € 450.000 € Anbindungsleitung Netz € 800 € 80.000 € Gebäude, Umzäunung € 5% 111.000 € Grundstück € - € - € Planung, Genehmigung € 5% 127.000 € Gesamt-Investition € 3.203.400 € Förderung nur KfW-Förderung KfW-Förderung Solar % 40% 1.024.960 € KfW-Förderung Peripherie % 30% 159.000 € KfW-Förderung gesamt 1.183.960 € Landesförderung BaWü 2016 % 0% - € Beihilfegrenze AGVO % 45% 1.441.530 € Gesamtförderung € 1.183.960 € 23 Kapitalkosten Investition abz. Förderung € 2.019.440 € Eigenkapital % 0% - € Kapitalbedarf € 2.019.440 € Laufzeit Finanzierung a 25 Kreditzins % 2,00% Jährliche Kapitalkosten € 101.408 € Betriebskosten Wartung/Instandhaltung Kollektorfeld 1,00% 22.140 € Wartung/Instandhaltung Anlagentechnik 2,25% 3.487 € Wartung/Instandhaltung MSR-Technik 2,50% 1.661 € Wartung/Instandhaltung Speicher 1,25% 5.625 € Wartung/Instandhaltung Solarnetz 1,00% 800 € Wartung/Instandhaltung Gebäude 2,00% 2.220 € Betriebsmittel, Stromkosten 3.500 € Gesamt 39.433 € Wärmegestehungskosten mit KfW Förderung ct/kWh 3,48 Wärmegestehungskosten mit KfW ertragsabhängigen Förderung ct/kWh 3,16 Wärmegestehungskosten mit KfW und Landes-Förderung ct/kWh 3,16 Wärmegestehungskosten mit KfW ertragsabhängigen und Landes-Förderung ct/kWh 3,16 Wärmegestehungskosten OHNE Förderung ct/kWh 4,95 Bei der Investition eines Stadtwerks in eine große Solarthermie-Anlage mit Speicher können unter Gewährung der KfW-Förderung Wärmegestehungskosten von unter 3,5 Cent/kWh erreicht werden. Mit einer ertragsabhängigen Förderung der KfW können sich (je nach eingesetztem Kollektor oder bei Kumulation mit der Landesförderung) die Kosten sogar auf unter 3,2 Cent/kWh reduzieren. 15 15 Annahmen für den Kollektor: Arcon Kollektor HAT HeatStore 35/10; Kollektormodulfläche 12,6 m2; 794 Module; Ertrag Keymark 50o = 8302 kWh/Modul 24 Beispiel 2: KMU, z.B. Bürgergenossenschaft Investor KMU, z.B. Genossenschaft Grunddaten Kollektorfeld m² 10.000 Grundstück m² 28.000 Speicher m³ 2.000 Anbindeleitung Wärmenetz m 100 Mittlere Netztemperatur °C 60 Energieertrag Solare Einstrahlung kWh/m² 930 Spezifischer Ertrag kWh/m² 405 Thermische Leistung kW 7.000 Jahresertrag MWh/a 4.050 Investitionen spezifisch gesamt Kollektorfeld € 221 € 2.214.000 € Anlagentechnik, Wärmetauscher € 7% 154.980 € MSR-Technik € 3% 66.420 € Speicher € 225 € 450.000 € Anbindungsleitung Netz € 800 € 80.000 € Gebäude, Umzäunung € 5% 111.000 € Grundstück € - € - € Planung, Genehmigung € 5% 127.000 € Gesamt-Investition € 3.203.400 € Förderung nur KfW-Förderung KfW-Förderung Solar % 40% 1.024.960 € KfW-Förderung Peripherie % 30% 159.000 € KfW-Förderung gesamt 1.183.960 € Landesförderung BaWü 2016 % 0% - € Beihilfegrenze AGVO % 65% 2.082.210 € Gesamtförderung € 1.183.960 € 25 Kapitalkosten Investition abz. Förderung € 2.019.440 € Eigenkapital % 0% - € Kapitalbedarf € 2.019.440 € Laufzeit Finanzierung a 25 Kreditzins % 3,00% Jährliche Kapitalkosten € 112.594 € Betriebskosten Wartung/Instandhaltung Kollektorfeld 1,00% 22.140 € Wartung/Instandhaltung Anlagentechnik 2,25% 3.487 € Wartung/Instandhaltung MSR-Technik 2,50% 1.661 € Wartung/Instandhaltung Speicher 1,25% 5.625 € Wartung/Instandhaltung Solarnetz 1,00% 800 € Wartung/Instandhaltung Gebäude 2,00% 2.220 € Betriebsmittel, Stromkosten 3.500 € Gesamt 39.433 € Wärmegestehungskosten mit KfW Förderung ct/kWh 3,75 Wärmegestehungskosten mit KfW ertragsabhängigen Förderung ct/kWh 2,52 Wärmegestehungskosten mit KfW und Landes-Förderung ct/kWh 3,34 Wärmegestehungskosten mit KfW ertragsabhängigen und Landes-Förderung ct/kWh 2,52 Wärmegestehungskosten OHNE Förderung ct/kWh 5,38 Bei der Investition eines KMUs, z.B. einer Genossenschaft, in eine große Solarthermie-Anlage mit Speicher können unter Nutzung der KfW-Förderung die Wärmegestehungskosten auf ca. 3,8 Cent/kWh reduziert werden (rund 5,4 Cent/kWh ohne Förderung). Mit einer ertragsabhängigen Förderung der KfW reduzieren sich nochmals aufgrund der höheren Beihilfegrenzen auf ca. 2,5 Cent/kWh. 26 G. Wo finden Sie weitere Informationen? Zum Thema Wärmewende in Baden-Württemberg: https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/2_Presse_und_Service/Publikationen/Klima/20140715_IEKK.pdf Die Landesregierung Baden-Württemberg hat in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt, die Energie- und Klimapolitik neu auszurichten. Zentrales Element ist das Klimaschutzgesetz, das am 31. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) liefert die konkreten Strategien und Maßnahmen. Zum Thema Solare Nah- und Fernwärme: http://www.sdh-online.solites.de/ Ein ONLINE Rechner für eine einfache erste Dimensionierung sowie Ertrags- und Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Zum Thema Förderung: Bundesmittel KfW: https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/Energie-Umwelt/Finanzierungsangebote/Erneuerbare-Energien-Premium-(271-281)/#4 Landesmittel Baden-Württemberg: https://um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/beratung-und-foerderung/foerdermoeglichkeiten/energieeffiziente-waermenetze/ https://um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/beratung-und-foerderung/foerdermoeglichkeiten/demonstrationsvorhaben/ https://www.l-bank.de/lbank/inhalt/nav/foerderungen-und-finanzierungen/energieeffizienz-und-umweltschutz/privatpersonen.xml?ceid=125068&uebersicht2=true http://www.kea-bw.de/unser-angebot/angebot-fuer-unternehmen/foerderprogramme/klimaschutz-plus/ Förderdatenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (Auflistung der aktuellen Förderaufrufe sowie weitere allgemeine Informationen): www.foerderdatenbank.de 27 http://ritter-xl-solar.com/vertrieb/foerderrechner/: Förderrechner und Analysewerkzeug: rechnet und vergleicht Fördervarianten (BAFA-Förderung, ertragsabhängige BAFA-Förderung, KfW-Förderung und ertragsabhängige KfW-Förderung), die zwi-schen 40 und 100 m² Kollektorfläche alternativ zur Wahl stehen und bietet ergänzend die Möglichkeit, diesen Fördervergleich auf unterschiedliche Kollektoren auszudehnen. Neben der Fördersumme wird immer auch die Wirtschaftlichkeit ausgewiesen (Eigenkosten, Solargewinn, Solarenergiepreis, Amortisationszeit). Zum Projekt Solnet BW: http://solar-district-heating.eu/bw/Startseite.aspx Foto: Arcon-Sunmark – Solarthermische Großanlage in Ulsted, Dänemark 28 Foto: Bruno Lorinser – Solarthermie-Anlage in Crailsheim 29 H. Wo können Sie sich in Baden-Württemberg persönlich beraten lassen? Projektträger Karlsruhe – Baden-Württemberg Programme (PTKA-BWP) Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Telefon: 0721 608 25191 E-Mail: bwp@ptka.kit.edu Internet: http://www.ptka.kit.edu/bwp/index.php Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Bruno.Lorinser@um.bwl.de Telefon: 0711 126-1227 L-Bank Hotline Energiesparen energiesparen@l-bank.de Telefon: 0711 122-2288* Fax: 0711 122-2674 * Servicezeiten: Montag bis Donnerstag 8.30 bis 16.30 Uhr, Freitag 8.30 bis 16.00 Uhr Klimaschutz-Plus Fördertelefon: L-Bank: 0721 150-1600 KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH Kompetenzzentrum Wärmenetze helmut.boehnisch@kea-bw.de Telefon: 0721 98471-13 KfW Telefon 0800 539 9001 (kostenfreie Servicenummer)* * Servicezeiten: Montag bis Freitag: 08.00-18.00 Uhr AUTOREN DIESES LEITFADENS RA Christian Maaß Dr. Matthias Sandrock KONTAKT HIR Hamburg Institut Research gGmbH Paul-Nevermann-Platz 5 22765 Hamburg Tel.: +49 (40) 39 10 69 89-0 info@hamburg-institut.com www.hamburg-institut.com
SolnetBW SOLARE WÄRMENETZE FÜR BADEN-WÜRTTEMBERG www.solnetbw.de WÄRMENETZE UND SOLARTHERMIE – WICHTIGE BAUSTEINE FÜR DIE WÄRMEWENDE Solarthermische Großanlagen stellen in Verbindung mit Wärmenetzen für Baden-Württemberg eine aussichtsreiche Option dar. Hier ist bereits viel Pionierarbeit geleistet worden: Vier von elf bundesdeutschen Pilotanlagen zur solaren Nahwärmeversorgung mit saisonalem Wärmespeicher wurden in Baden-Württemberg errichtet – jeweils mit Unterstützung des Landes und des Bundes. Institute, Unternehmen und Betreiber aus Baden-Württemberg sind führende Know-how-Träger auf diesem Gebiet. Dies sind beste Voraussetzungen, um solare Wärmenetze jetzt in der Breite einzuführen. Denn die Technik ist mit den Erfahrungen aus 30 Jahren Entwicklung und Betrieb ausgereift. Und Solarthermie ist heute - nicht zuletzt dank der entsprechenden Förderung - eine wirtschaftliche Option. Für die Energiewende in Deutschland wird diese Option immer wichtiger werden - gerade auch in Baden-Württemberg. Denn das Land verfolgt bei der Energiewende ehrgeizige Ziele: Bis zum Jahr 2050 will es gegenüber 2010 50 % des Energieverbrauchs einsparen, 80 % der Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen und die energiebedingten Treibhausgasemissionen um 90 % senken. Dabei ist auch weiterhin eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung zu gewährleisten. Energiewende heißt auch - und vor allem - Wärmewende. In Baden-Württemberg wird annähernd so viel Energie für die Wärmebereitstellung verbraucht wie für Kraftstoff und Strom zusammen. In der richtigen Wärmeerzeugung und -versorgung steckt also ein enormes Potenzial. Das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) liefert konkrete Strategien und Maßnahmen für die Energiewende in Baden-Württemberg: Energieeffi ziente Wärmenetze spielen hierbei eine tragende Rolle. In zahlreichen Kommunen in Baden-Württemberg sind solche Wärmenetze bereits vorhanden. Sie sind fl exibel an zukünftige Erzeugungstechnologien anpassbar. Erneuerbare Wärme – wie Solarthermie, Erdwärme oder industrielle Abwärme – kann über sie in Quartieren, Gemeinden und urbane Zentren genutzt werden. Die Zeit ist reif für mehr solare Wärmenetze! 2 Das Vorhaben SolnetBW – Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg Das Verbundvorhaben SolnetBW wird im Rahmen des Programms BWPLUS durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft gefördert. Ziel des Vorhabens ist die Marktbereitung und eine erhöhte Ausbaudynamik bei solaren Wärmenetzen in Baden-Württemberg. Um dieses zu erreichen, werden die bestehenden rechtlichen, politischen sowie technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen analysiert und darauf aufbauend Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Die Partner des Projekts SolnetBW stellen Informations- und Beratungsangebote für Kommunen, Wärmeversorger, Energiegenossenschaften und lokale Energieinitiativen zur Verfügung. Weitere Informationen zu SolnetBW fi nden Sie auf der Rückseite dieser Broschüre und unter www.solnetbw.de. SolnetBW 3 www.solnetbw.de Ausgereift und marktverfügbar – Know-how und Technologie aus Baden- Württemberg | Hierzu auf Seite 8 und 9 Bei Forschung, Entwicklung und Markt vorne dabei Technologieoffen und zukunftsfähig – Solare Wärmenetze für Dörfer, Quartiere und Städte | Hierzu auf Seite 10 und 11 Solarthermie in Wärmenetze integriert Lokale Wertschöpfung – Die Sonne schickt keine Rechnung und der Gewinn bleibt vor Ort | Hierzu auf Seite 12 bis 15 Projekte in Büsingen, Crailsheim, Wels und Braedstrup Kostenstabil – Die Wärmegestehungskosten sind konkurrenzfähig, stabil und ab dem ersten Betriebstag für die nächsten 25 Jahre bekannt | Hierzu auf Seite 16 und 17 Große Solarthermie rechnet sich Überall verfügbar - Solarenergie ist unbegrenzt und praktisch überall in Europa nutzbar | Hierzu auf Seite 18 und 19 Planung und Genehmigung – Flächenfi ndung im Fokus Emissionsfrei – Null Emissionen und 100 % erneuerbare Energien ergeben Nachhaltigkeit in der Wärmeversorgung | Hierzu auf Seite 6 und 7 Landesziel Sonnenenergie- Dörfer VORTEILE SOLARER WÄRMENETZE 4 SOLARTHERMIE GROß GEDACHT Solarthermische Großanlagen, die in Nah- oder Fernwärmenetze eingebunden sind, tragen zur zentralen Wärmeversorgung von Quartieren, Dörfern oder Städten bei. Je nach Größe des gesamten Systems wird häufi g zwischen solarer Nahwärme und solarer Fernwärme unterschieden. Die erforderlichen großen Kollektorfelder werden auf Freifl ächen installiert oder in Gebäudedächer integriert. Es kommen dabei Hochtemperatur-Flachkollektoren oder Vakuumröhrenkollektoren zum Einsatz. Dänemark ist Vorreiter bei dieser Technik. Dort kommen solche Anlagen mit einer Leistung bis zu 100 Megawatt und Kollektorfl ächen von jeweils 10.000, 50.000 und sogar über 100.000 Quadratmetern bereits vielerorts zum Einsatz und liefern emissionsfreie Wärme für die kommunale Versorgung zu konkurrenzfähigen Kosten. Auch in Deutschland und anderen Ländern entstehen derzeit neue Anlagen. Solare Wärmenetze für Energiedörfer Büsingen, Deutschland Solare Fernwärmesysteme mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung Gram, Dänemark 5 www.solnetbw.de LANDESZIEL SONNEN-ENERGIE-DÖRFER Das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) der Landesregierung Baden-Württemberg räumt der Solarthermie und speziell den solaren Wärmenetzen einen hohen Stellenwert ein. Auch im aktuellen Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung sind diese ein Thema. Dort ist neben der Unterstützung der großen Solarthermie auch das Ziel genannt, im Land ‘Sonnenenergie-Dörfer‘ zu fördern. Im Rahmen des Förderprogramms ‘Energieeffi ziente Wärmenetze‘ unterstützt das Land nicht nur kommunale Wärmekonzepte und regionale Beratungsinitiativen im Bereich energieeffi zienter Wärmenetze. Auch konkrete Investitionsprojekte werden ergänzend zur Bundesförderung vom Land bezuschusst. Informationen zum Förderprogramm unter www.um.baden-wuerttemberg.de. Weitere Beratung bietet hierzu das Landeskompetenzzentrum Wärmenetze unter www.energiekompetenz-bw.de/waermenetze. 6 Große Potenziale für Wärmenetze und Solarthermie in Baden-Württemberg Das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung der Universität Stuttgart (IER) sieht trotz des zurückgehenden Energiebedarfs im Gebäudebestand Wachstumspotenziale für die netzgebundene Wärmeversorgung in Baden-Württemberg. Prognostiziert wird, dass die Fernwärme im Jahr 2050 ca. 10 Terawattstunden pro Jahr zur Wärmeversorgung in Baden- Württemberg beiträgt, was einem Anteil von ca. 18 % am Wärmebedarf der Haushalte und des Sektors Gewerbe, Handel und Dienstleistungen entsprechen würde. Die Solarthermie hat hierbei laut Szenarien-Berechnungen das Potenzial zwischen 9 % und 25 % zur Fernwärmeversorgung beizutragen. Insgesamt wäre hierfür eine Kollektorfl äche von 3,5 Mio. m² bis 10,9 Mio. m² Flachkollektoren bzw. 2,1 Mio. m² bis 6,1 Mio. m² Vakuumröhrenkollektoren erforderlich. Es ergäben sich durchschnittliche Anlagengrößen zwischen 6.000 m² und 18.600 m² mit Flachkollektoren bzw. zwischen 4.300 m² und 12.800 m² bei der Verwendung von Vakuumröhrenkollektoren. 6.027 10.044 6.303 3.486 0 5 10 15 20 25 0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 30.000 35.000 40.000 15 % Deckungsbeitrag 25 % Deckungsbeitrag 25 % bis 10.000 EW 15 % ab 10.000 EW Solarer Beitrag abhängig von Wärmeeinspeisung Anteil Solarwärme an der Fernwärmeversorgung [%] Fernwärmeabgabe an Endkunden [TJ] Fernwärmeabgabe an Endkunden Solarthermie FW Anteil Solar 7 www.solnetbw.de In Deutschland wurden bisher 24 solarthermische Großanlagen in Verbindung mit Wärmenetzen installiert. Rund zwei Drittel der gesamten Kollektorfl äche von 35.600 m² bzw. einer installierten thermischen Leistung von 25 Megawatt entfallen auf Baden-Württemberg. Bereits seit dem Jahr 1995 wurden vier von bundesweit elf Pilotanlagen zur solaren Nahwärmeversorgung mit saisonalem Wärmespeicher in Baden-Württemberg errichtet. Deutschlands bislang größte Solarthermieanlage mit einer Kollektorfl äche von 7.300 m² bzw. einer thermischen Nennleistung zur Wärmeerzeugung von 5,1 Megawatt wird in Crailsheim von den örtlichen Stadtwerken betrieben. Derzeit werden bundesweit neue Anlagen durch Stadtwerke, Energie-Kontraktoren und Bürgerenergiegenossenschaften realisiert. Aktuelle Planungen weisen darauf hin, dass sich der Bestand innerhalb der nächsten Jahre verdoppeln wird. Langjähriges Know-how und Technologie aus Baden-Württemberg können zum Erfolg dieses Marktaufschwungs beitragen. BEI FORSCHUNG, ENTWICKLUNG UND MARKT VORNE DABEI 8 Crailsheim 7.300 m² Neckarsulm 5.670 m² Friedrichshafen 4.050 m² Hamburg Bramfeld 1.400 m ² München 2.900 m² Augsburg 2.000 m² Stuttgart Burgholzhof 1.635 m² Eggenstein 1.600 m² Hannover Kronsberg 1.350 m² Hamburg Wilhelmsburg 1.348 m² Esslingen 1.330 m² Büsingen 1.090 m² Stuttgart Brenzstraße 1.000 m² Rostock Brinckmanshöhe 1.000 m² Jena-Pößneck 99 m² Hamburg Harburg 477 m² Rosenheim 493 m² Neuerkirch-Külz 1.400 m² Senftenberg 8.300 m² Düsseldorf 200 m² Freiburg-Gutleutmatten 2.000 m² Hamburg Mümmelmannsberg 2.000 m² Chemnitz 2.200 m² in Vorbereitung 9 Anlagen mit 35.900 m² Hennigsdorf Cohn'sches Viertel 854 m² in Betrieb derzeit insgesamt ca. 35.600 m² Quelle: Solites, Stand: Mai 2016 in Planung/Realisierung derzeit insgesamt ca. 16.100 m² in Vorbereitung derzeit insgesamt ca. 35.900 m² 9 www.solnetbw.de QUARTIER ENERGIEKOMMUNE STADT NETZGRÖßE SOLARTHERMIE IN WÄRMENETZE INTEGRIERT Wärmenetze sind ein wichtiger Pfad der Wärmewende. Sie dienen als Plattform für erneuerbare Energien und Effi zienztechnologien. So können neben der Solarthermie beispielsweise auch Biomasse und Geothermie eingebunden werden, genauso wie KWK-Anlagen, Industrieabwärme und Power-to-Heat aus erneuerbaren Energien. Große Wärmespeicher schaffen Flexibilität und Möglichkeiten zur Sektorkopplung. In das Wärmenetz eingebundene Solarthermieanlagen können dabei im Freiland aufgestellt oder in Gebäude integriert werden. Über die Jahre sind verschiedene Konzepte solarer Nah- und Fernwärmesysteme entstanden. Sie unterscheiden sich zum einen in der Größe des Wärmenetzes, in welches die solare Wärme eingespeist wird, zum anderen in Leistung und Auslegung der thermischen Solaranlage. Das dritte wesentliche Charakteristikum ist die Art der Einbindung der thermischen Solaranlage in das Wärmenetz: zentral oder dezentral. Größe des Wärmenetzes Die Bandbreite reicht hier von Nahwärmesystemen zur Versorgung mehrerer Gebäude über Systeme zur Versorgung von Neubaugebieten oder Bioenergiedörfern bis hin zur Einbindung in große städtische Fernwärmenetze. 10 Größe und Auslegung der thermischen Solaranlage Die Auslegung der Solaranlage richtet sich im Wesentlichen nach dem angestrebten solaren Deckungsanteil am jährlichen Gesamtwärmebedarf. So kann eine Solaranlage zur Vorwärmung mit einem Deckungsanteil von etwa 5 % genutzt werden. Eine Volldeckung durch die Solaranlage in den Sommermonaten wird typischerweise bei jährlichen Deckungsanteilen zwischen 10 und 20 % erreicht. Hohe Deckungsanteile von 20 bis über 50 % sind in Kombination mit Langzeitwärmespeichern möglich. Größe und Auslegung Die thermische Solaranlage wird zentral am Standort des Heiz(kraft)werks eingebunden, oftmals in Kombination mit einem großen saisonalen Wärmespeicher. Bei weiter entfernten Kollektorfeldern kann die Solarwärme über ein Solarnetz zur Heizzentrale gebracht werden, damit dort wiederum eine zentrale Einbindung in das Wärmenetz erfolgen kann. Diese Art der Einbindung ist weit verbreitet. Die thermische Solaranlage wird dezentral an einem geeigneten Ort in das Fernwärmenetz eingebunden. Die Solaranlage gibt ihre Wärme direkt an das Netz ab. Dies ist technisch anspruchsvoll und geschieht mit Hilfe einer Übergabestation. Dabei erfolgt die Einbindung in der Regel vom Rücklauf in den Vorlauf des Wärmenetzes unter Überwindung eines teilweise erheblichen Druckunterschiedes. Heizzentrale Wärmenetz Heizzentrale Wärmenetz Solare Einstrahlung Wärmebedarf ca. 50% ca. 10 - 20 % ca. 5 % Vorwärmung sommerliche Volldeckung mit saisonalem Wärmespeicher Wärme / Einstrahlung JAN FEB MÄRZ APR MAIJ UNI JULI AUG SEPT OKT NOV DEZ % 11 www.solnetbw.de Anlagensteckbriefe In unseren Anlagensteckbriefen fi nden Sie weitere interessante Hintergrundinformationen zu den hier vorgestellten und weiteren Projekten im In- und Ausland. Die Steckbriefe stehen unter www.solnetbw.de als Download zur Verfügung. ENERGIEKOMMUNE SOLARE WÄRMENETZE FÜR DÖRFER UND KLEINSTÄDTE ln Dänemark, Schweden, Österreich und Deutschland sind Fernwärmesysteme für die Wärmeversorgung kleiner Städte und Gemeinden in ländlichen Gebieten verbreitet. Ein wirtschaftlich interessantes Konzept für die Versorgung lokaler Netze mit erneuerbarer Wärme ist die Kombination von großfl ächigen Solaranlagen mit Biomasse-Heizwerken. Energiedorf Büsingen – Solarthermie im Sommer, Biomasse im Winter Energiedorf-Konzepte wie in Büsingen am Hochrhein zielen auf die grundlegende Umstellung der Wärmeversorgung einer ganzen Ortschaft auf regenerative Energien ab. Das Projekt in Büsingen wurde durch den regionalen Energieversorger Solarcomplex AG realisiert. Es umfasst ein neu verlegtes Wärmenetz samt Heizwerk mit Erzeugungsanlagen. In Büsingen liefern großfl ächige Vakuumröhrenkollektoren mit einer Fläche von 1.090 m² die gesamte Wärme, die im Sommer im Wärmenetz benötigt wird. Dadurch wird ein unwirtschaftlicher Teillastbetrieb der Biomasseheizkessel vermieden. Das im Jahr 2013 in Betrieb genommene Wärmenetz versorgt über 100 Gebäude mit Wärme aus regenerativen Energiequellen. Dieses Konzept ist zukunftweisend und auf neu entstehende Bioenergiedörfer übertragbar. 12 SOLARE NAHWÄRME ZUR QUARTIERSVERSORGUNG Nahwärmenetze sind eine nachhaltige Option für die Wärmeversorgung von Stadtgebieten, sowohl bei Neubau- als auch bei Sanierungsgebieten. Je nach Gebäudeart und Ausstattung können solche Netze mit niedrigen Temperaturen betrieben werden, was der Einbindung von Solarthermie entgegenkommt. Solare Nahwärme Crailsheim – Deutschlands größte Solarthermieanlage Ausgangspunkt war die Festlegung eines ehemaligen US-amerikanischen Militärgeländes als Sanierungsfl äche durch die Stadt Crailsheim. Ein Teil dieser Fläche wurde zum Wohn- und Mischgebiet ‘Hirtenwiesen II‘ entwickelt. Neben einem Gymnasium und einer Sporthalle sind dort auch Einfamilien- und Reihenhäuser gebaut worden. Zudem sind bestehende Kasernengebäude saniert und zu Mehrfamilienhäusern umgebaut worden. Sämtliche Gebäude werden über ein Nahwärmenetz der Stadtwerke Crailsheim mit Wärme zur Heizung und Trinkwarmwasserbereitung versorgt. In das Nahwärmenetz ist eine Kollektorfl äche von insgesamt 7.300 m² eingebunden. Ein Teil der Kollektoren ist in die Dachfl ächen der Gebäude integriert. Weitere Kollektoren sind auf einem Lärmschutzwall installiert. Diese sind mit einem 480 m³ großen Pufferspeicher und einem saisonalen Erdsonden-Wärmespeicher verbunden, der ein Volumen von 37.500 m³ hat. Im Sommer erwirtschaften die Kollektoren einen Überschuss an solarer Wärme. Dieser wird im Erdsonden- Wärmespeicher für die Nutzung im Herbst und Winter zwischengespeichert. Dadurch wird ein solarer Deckungsanteil von ca. 50 % am jährlichen Gesamtwärmebedarf erreicht. Weitere Informationen zur Anlage in Crailsheim, insbesondere zum integrierten ökologischen Konzept auf Seite 19. QUARTIER 13 www.solnetbw.de STADT SOLARE FERNWÄRME FÜR STÄDTE Große Fernwärmesysteme in Stadtgebieten werden meist mit Wärme aus großen Heizkraftwerken, Heizwerken oder industrieller Abwärme betrieben. Als Brennstoffe werden zumeist Erdgas, Kohle, Abfall oder Biomasse verwendet. Die dezentrale Einbindung großfl ächiger Solaranlagen ist eine Möglichkeit, den Anteil erneuerbarer Energiequellen in solchen Systemen zu erhöhen. Messecenter Wels in Österreich – Solaranlage zur Unterstützung der Fernwärme Die Stadt Wels hat sich zum Ziel gesetzt, möglichst unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden. So müssen beispielsweise alle städtischen Neubauten in Passivhausbauweise errichtet werden. Auch die neue Messehalle in Wels wurde in Passivhausbauweise gebaut. Zudem wurde eine große solarthermische Anlage auf dem Dach des Messecenters Wels bereits in der Planungsphase des Gebäudes vorgesehen. Im Mai 2011 ging dann die Solaranlage mit einer Größe von ca. 3.400 m² bzw. 2,4 Megawatt thermischer Leistung in Betrieb. Die Anlage ist dezentral in das Fernwärmenetz der Stadt Wels eingebunden. Dieses hat einen jährlichen Wärmebedarf von ungefähr 173 GWh, der im Wesentlichen durch ein Fernheizkraftwerk (Erdgas) und eine KWK-basierte Müllverbrennungsanlage gedeckt wird. Durch die Einbindung der Solaranlage kann bei geringen Lasten im Sommer der Solaranteil zeitweise über 50 % betragen und entsprechend viel konventionelle Fernwärmeerzeugung eingespart werden. 14 DER BLICK ÜBER DIE GRENZE: DÄNISCHE „SMART DISTRICT HEATING“–ANLAGEN In Wärmenetzen können solarthermische Großanlagen mit weiteren Technologien zur Stromund Wärmeerzeugung sowie mit großen Wärmespeichern kombiniert werden. In Dänemark sind mehrere solcher ‘Smart District Heating‘-Anlagen in Betrieb. Zentrales Element dieser Systeme ist ein großer Wärmespeicher, der von verschiedenen Erzeugern genutzt wird und der zur Flexibilisierung des Gesamtsystems beiträgt. So wird der Speicher bei guten Stromerlösen zur Optimierung des KWK-Betriebs genutzt. Bei niedrigen oder negativen Stromerlösen speisen Wärmepumpen oder Elektrodenkessel als Power-to-heat-Anwendungen Wärme in den Wärmespeicher ein. Solare Fernwärme Braedstrup – Solarthermie in Kombination mit KWK Eine dieser ‘Smart District Heating‘-Anlagen befi ndet sich im dänischen Braedstrup. Die Solaranlage wurde dort im Jahr 2007 installiert. Damals wurde erstmals eine wärmenetz-gebundene Solaranlage mit einer KWK-Anlage kombiniert. 2012 wurde das erfolgreiche Konzept um einen saisonalen Wärmespeicher und zusätzliche Kollektorfl ächen erweitert. Kollektorfläche Multifunktions- Wärmespeicher Wärmepumpe oder Elektrodenkessel KWK Pufferpeicher Verbraucher Strom Wärme 15 www.solnetbw.de SDH-Online-Rechner Erste überschlägige Anlagendimensionierungen für Ihre solare Nah- und Fernwärmeanlage können Sie selbst durchführen, indem Sie den kostenfreien SDH-Online- Rechner nutzen. Damit erhalten Sie ganz einfach erste Abschätzungen zu Ertrag und Wirtschaftlichkeit Ihrer Anlage. Das Online-Tool ist sehr nutzerfreundlich und basiert dennoch auf den Ergebnissen vieler dynamischer Simulationen. Weitere Informationen unter www.sdh-online.solites.de GROßE SOLARTHERMIE RECHNET SICH Die Wärmegestehungskosten bei Solarthermieanlagen hängen von zahlreichen Faktoren ab. Generell können bei größeren Anlagen Kosten für die Erzeugung der Wärme von 50 Euro pro Megawattstunde (€/MWh) erreicht werden, also 5 Cent pro Kilowattstunde. Hinzu kommt noch eine attraktive Förderung durch den Bund und das Land Baden-Württemberg, so dass Kosten um 30 €/MWh möglich sind. Die wesentlichen Voraussetzungen für günstige Wärmegestehungskosten sind eine ausreichende Anlagengröße (>1 MWth), eine einfache Anlagentechnik (z.B. Freilandaufstellung), moderate solare Deckungsanteile an der Gesamtwärmeerzeugung (< 20 %) sowie geeignete Netztemperaturen. Investitionen in thermische Solaranlagen sind wie Investitionen in Wärmespeicher und Wärmenetze kapitalintensive Projekte. Werden jedoch auch Faktoren wie Brennstoffkosten, Wartung und Betrieb betrachtet, zeigen sich deutliche Kostenvorteile und zugleich eine hohe Planungssicherheit gegenüber konventionellen, fossil betriebenen Anlagen. Da keine Brennstoffkosten anfallen, sind die solaren Wärmegestehungskosten stabil und ab dem ersten Betriebstag für die nächsten 25 Jahre bekannt. 16 ATTRAKTIVE FÖRDERUNG VON BUND UND LAND Derzeit gibt es verschiedene Programme zur fi nanziellen Förderung von solaren Nah- und Fernwärmesystemen in Deutschland und in Baden-Württemberg. Förderung durch den Bund von bis zu 65 % der Investitionskosten möglich Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) bietet über das KfW-Programm Erneuerbare Energien Premium 271 eine Regelförderung an. Dabei werden Solarwärmeanlagen, die ihre Wärme überwiegend einem Wärmenetz zuführen, über ein Darlehen mit einem Tilgungszuschuss von bis zu 40 % der Investitionskosten gefördert. Alternativ kann die Förderung ertragsabhängig bemessen werden, was zumeist fi nanziell noch attraktiver ist. Diese Variante bietet einen Tilgungszuschuss von 45 Cent pro Kilowattstunde eines zertifi zierten Kollektorjahresertrages. So können Förderquoten zwischen 45 und 65 % der Investitionskosten erreicht werden (Stand: Juni 2016)! Weitere Informationen unter www.kfw.de. Förderung durch das Land Baden-Württemberg Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg unterstützt über das Programm ‘Energieeffi ziente Wärmenetze‘ die Errichtung oder Erweiterung von energieeffi zienten Wärmenetzen. Die Förderung erfolgt in Form eines Zuschusses von bis zu 20 % der förderfähigen Kosten und maximal bis zu 200.000 Euro. Über zusätzliche Boni, z.B. durch den Einsatz von Solarthermie, kann der Höchstbetrag auf maximal bis zu 400.000 Euro der förderfähigen Kosten pro Investitionsvorhaben erhöht werden (Stand: Juni 2016). Landes- und Bundesförderung sind kumulierbar. Weitere Informationen unter www.um.baden-wuerttemberg.de. Förder- und Finanzierungsleitfaden Der ‘Förder- und Finanzierungsleitfaden für Freifl ächen-Solarthermieanlagen mit Wärmespeicher und Anbindung an Wärmenetze in Baden-Württemberg‘ gibt Ihnen erste Anhaltspunkte zu Investitions- und Betriebskosten sowie Förderung und Finanzierung. Ergänzend ermutigen Sie Beispielrechnungen Ihre Projektidee für eine wirtschaftliche und sozial gerechte Energieversorgung der Zukunft voranzubringen. Der Leitfaden steht unter www.solnetbw.de als Download zur Verfügung oder kann in gedruckter Form angefordert werden. 17 www.solnetbw.de Planungs- und Genehmigungsleitfaden Der ‘Planungs- und Genehmigungsleitfaden für Freifl ächen-Solarthermie in Baden- Württemberg‘ gibt zahlreiche Hinweise zu Planungs-, Bau- und Umweltrecht. Er unterstützt insbesondere Projektentwickler, Kommunen und Genehmigungsbehörden bei Projekten mit großen Freifl ächen-Solarthermieanlagen. Der Leitfaden steht unter www.solnetbw.de als Download zur Verfügung oder kann in gedruckter Form angefordert werden. PLANUNG UND GENEHMIGUNG – FLÄCHENFINDUNG IM FOKUS Ein Vorteil der Solarthermie ist, dass ihre Nutzung in Deutschland überall möglich ist. Es müssen jedoch geeignete und günstige Flächen möglichst in Orts- oder Heizwerksnähe gefunden werden. Freifl ächen-Anlagen führen dabei meist zu günstigeren Wärmegestehungskosten als Kollektorfl ächen auf oder an Gebäuden. Eine systematische Flächensuche und -entwicklung spielt daher eine Schlüsselrolle für die solare Nah- und Fernwärme. Folgende Schritte haben sich bewährt: Ein systematisches Flächenscreening anhand energiewirtschaftlicher, politischer sowie rechtlicher Kriterien bereits zu Projektbeginn Eine frühzeitige Beteiligung von Behörden, Bürgern und Akteuren Die Entwicklung eines ökologischen Nutzungskonzepts für die Flächen, auf denen die Solarkollektoren errichtet werden Perspektivisch ist die Einführung verbindlicher Instrumente, wie das der kommunalen Wärmeplanung sinnvoll. Dabei sollte die Wärmeplanung Flächenerfordernisse für erneuerbare Energien berücksichtigen. Auf freiwilliger Basis kann und sollte dieses Instrument von den Kommunen bereits heute genutzt werden, um die Weichen in Richtung einer wirtschaftlichen und klimaverträglichen Wärmeversorgung zu stellen. 18 INTEGRIERTES ÖKOLOGISCHES KONZEPT: BEISPIEL CRAILSHEIM Bei der solaren Nahwärme in Crailsheim wurde der überwiegende Teil der Kollektoren auf der Südfl anke eines 15 Meter hohen Lärmschutzwalls errichtet. Das durch die Nahwärme versorgte Wohngebiet ‘Hirtenwiesen II‘ wird durch diesen Wall vor Lärmimmissionen des angrenzenden Gewerbegebiets geschützt. Ein wesentliches Element des Crailsheimer Projekts war das integrierte ökologische Konzept für den Lärmschutzwall. Es umfasste: Aufstellung eines Leit- und Zielartenkonzeptes für Flora und Fauna Kompetente Planung und Umsetzung mit Fachbauleitung Pfl egekonzept mit Monitoring Öffentlichkeitsarbeit Eigentümerstrukturen und Bürgerbeteiligung Der Aus- und Umbau von Wärmenetzen zur Nutzung erneuerbarer Energien erfordert auch einen veränderten Rahmen für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Dabei geht es nicht nur darum, Akzeptanz in der Bevölkerung für neue Infrastrukturprojekte zu erreichen. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich auch fi nanziell an Projekten der Energiewende. Finanzielle Bürgerbeteiligung kann beispielsweise eine Rolle spielen bei der Bereitstellung des Eigenkapitals für solare Wärmenetze. Der Erfolg der dänischen Fernwärmepolitik wird auch darauf zurückgeführt, dass die Bürgerinnen und Bürger über Genossenschaften zumeist unmittelbar als Miteigentümer und ‘Mitsprecher‘ an den Versorgungsunternehmen beteiligt sind. 19 www.solnetbw.de SolnetBW ist ein Verbundvorhaben zum Thema solare Wärmenetze, das im Rahmen des Förderprogramms BWPLUS mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft durch den beim Karlsruher Institut für Technologie eingerichteten Projektträger gefördert wird (Förderkennzeichen BWE13027). Gefördert durch Bildquellen Solites, Stadtwerke Crailsheim (Cover), Bruno Lorinser (Seite 4-5,18-19), Solarcomplex AG (Seite 5, 12), Gram Fjernvarme (Seite 5), Arcon-Sunmark (Seite 6-7), RitterXL Solar (Seite 14, 16-17) Haftungsausschluss Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Version Juni 2016 Editoren Dipl.-Ing. Oliver Miedaner, Dipl.-Ing. Thomas Pauschinger, Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme Meitnerstr. 8, 70563 Stuttgart, www.solites.de SolnetBW www.solnetbw.de
www.solar-district-heating.eu/de SOLARE FERNWÄRME – ERNEUERBAR UND EMISSIONSFREI Gefördert durch: Vorteile von Solarthermie sind: Emissionsfrei Null Emissionen und 100 % erneuerbare Energie ergeben maximale Nachhaltigkeit in der Wärmeversorgung. Überall verfügbar Solarenergie ist unbegrenzt und praktisch überall in Europa nutzbar. Kostenstabil Die Wärmegestehungskosten sind stabil und ab dem ersten Betriebstag für die nächsten 25 Jahre bekannt. Solare Fernwärme Sowohl Fernwärme als auch Solarthermie spielen eine wichtige Rolle bei der Energiewende im Wärmebereich. Wärmenetze sind eine Schlüsseltechnologie zur Steigerung der Energieeffizienz in Städten und Quartieren. Sie sind eine wichtige Plattform, um den Anteil erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung zu erhöhen. Solare Nahwärme für Quartiere Nahwärmenetze sind eine aussichtsreiche Option für die Wärmeversorgung von Stadtgebieten, sowohl bei Neubau- als auch bei Sanierungsgebieten. Je nach Gebäudeart und Ausstattung können solche Netze mit niedrigen Temperaturen betrieben werden, was der Einbindung von Solarthermie dienlich ist. Der solare Anteil solcher Systeme beträgt bis zu 20 %. Durch die Einbindung von Saisonalspeichern kann sich der solare Anteil an der Gesamtwärmeversorgung bis auf 50 % erhöhen. Dieses 2013 erschlossene Wohngebiet wird zentral über ein Nahwärmesystem mit einem Biomasseheizwerk und 680 m² dachintegrierten Kollektoren versorgt. Alle Gebäude wurden nach hohen Energiestandards gebaut und haben einen sehr niedrigen spezifischen Wärmebedarf. Dennoch ist die zentrale Wärmeversorgung eine erfolgreiche Lösung und ermöglicht eine effiziente Nutzung von erneuerbare Energien. Vallda Heberg, Schweden Solare Wärmenetze für Energiedörfer Nahwärmesysteme für die Wärmeversorgung kleinerer Städte und Gemeinden in ländlichen Gebieten ermöglichen eine grundlegende Umstellung der Wärmeversorgung einer ganzen Ortschaft auf regenerative Energien. Ein wirtschaftlich interessantes Konzept für Wärmenetze in solchen Energiedörfern ist die Kombination aus großflächigen Solaranlagen und Biomasseheizwerken. Bei solchen Projekten ist die Einbindung der Bürger ein entscheidender Erfolgsfaktor. In Büsingen liefern großflächige Vakuumröhrenkollektoren mit einer Fläche von 1 090 m² die gesamte Wärme, die im Sommer im Wärmenetz benötigt wird, wodurch ein unwirtschaftlicher Teillastbetrieb der Biomasseheizkessel vermieden wird. Durch das im Jahr 2013 in Betrieb genommenen Wärmenetz werden über 100 Gebäude mit Wärme aus regenerativen Energiequellen versorgt. Dieses vorbildliche Konzept ist zukunftsweisend und auf neu entstehende Energiedörfer übertragbar. Büsingen, Deutschland In Graz speisen über 13 000 m² Kollektoren an drei Standorten direkt in das städtische Fernwärmenetz ein. Weitere 3 000 m² Kollektoren sind über Subnetze eingebunden. Die Kollektorfelder wurden entweder auf Gebäudedächern, auf Infrastrukturflächen oder als Freilandanlagen in und um die Stadt realisiert. Die Solarwärme reduziert den Anteil der Fernwärme aus Gaskesseln. Die Stadt Graz hat ambitionierte Pläne, den solaren Anteil der städtischen Fernwärmeversorgung auf circa 20 % zu steigern. Solare Fernwärme für Städte Große Fernwärmesysteme in Stadtgebieten werden meist mit Wärme aus großen Heizkraftwerken, Heizwerken oder industrieller Abwärme betrieben. Als Brennstoffe finden oft Erdgas, Kohle, Abfall oder Biomasse Verwendung. Die dezentrale Einbindung großflächiger Solaranlagen ist eine Möglichkeit, den Anteil erneuerbarer Energiequellen in solchen Systemen zu erhöhen. Graz, Österreich www.solar-district-heating.eu/de Die Erzeugungsanlagen des Fernwärmesystems von Gram kombinieren 44 800 m² Kollektoren, eine Wärmepumpe, ein Erdgas-BHKW, einen Elektrodenkessel und mehrere Heizkessel auf Basis fossiler Brennstoffe. Ein Erbecken-Wärmespeicher mit einem Volumen von 122 000 m³ ermöglicht den flexiblen Betrieb dieser Erzeuger. Diese Anlage wird seit 2015 betrieben, nachdem die existierende Kollektorfläche erweitert und mit dem Wärmespeicher ergänzt wurde. Solare Fernwärmesysteme mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung – "Smart District Heating" In solaren Fernwärmesystemen können die solarthermischen Großanlagen auch mit weiteren Technologien zur Strom- und Wärmeerzeugung sowie mit großen Wärmespeichern kombiniert werden. In Dänemark sind mehrere solche "Smart District Heating"-Anlagen in Betrieb. Zentrales Element solcher Systeme ist ein großvolumiger Wärmespeicher, der von den verschiedenen angeschlossenen Erzeugern genutzt wird und insbesondere in Bezug auf fluktuierende Stromerlöse zur Flexibilisierung des Gesamtsystems beiträgt. So wird der Speicher bei guten Stromerlösen zur Optimierung des KWK-Betriebs genutzt. Bei niedrigen oder negativen Stromerlösen speisen Wärmepumpen oder Elektrodenkessel als Power-to-heat-Anwendungen Wärme in den Wärmespeicher ein. Gram, Dänemark Markt Ende 2015 waren in Europa 252 Anlagen mit über 350 kWth Nennleistung in Betrieb. Die Technologie boomt in Dänemark und ein dynamisches Wachstum wird in anderen europäischen Ländern wie Schweden, Deutschland und Österreich beobachtet. Die europaweit installierte Leistung beträgt 550 MWth, bei einem jährlichen Zubau von derzeit über 30%. In den letzten Jahren schlossen sich weitere Länder dem Trend an und es entwickeln sich neue Märkte zum Beispiel in Italien und Frankreich. 5 11 SDHp2m…Verbindung von Politik und Markt Im Rahmen des Horizon 2020-Vorhabens SDHp2m arbeiten Landesbehörden und Experten zusammen, um regulatorische und marktunterstützende Maßnahmen für erneuerbare Wärmenetze zu entwickeln und zu implementieren. Im Vorhaben kooperieren 15 Partner aus 9 europäischen Regionen und 7 Ländern mit dem Ziel eine spürbare Marktentwicklung einzuleiten. Die regionalen Projektumsetzungen dienen als Blaupause zur Entwicklung von ähnlichen Initiativen für solare Wärmenetze in anderen Regionen in Deutschland und Europa. Für weitere Informationen besuchen Sie unser Internetportal oder nehmen Sie einfach direkt Kontakt mit uns auf. 2 Partner 15 Projektlaufzeit 01/2016 - 12/2018 3 Fokus-Regionen Steiermark (AT) Thüringen (DE) Auvergne-Rhône- Alpes (FR) 6 Nachfolger-Regionen Varna (BG) Veneto (IT) Valle d’Aosta (IT) Västra Götaland (SE) Mazowsze (PL) Hamburg (DE) 1 13 1 2 15 9 28 1 1 1 5 3 14 25 23 79 8 1 1 252 solarthermische Großanlagen zur Erzeugung von Wärme und Kälte mit über 500 m2 Kollektorfläche / 350 kWth Nennleistung. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf und profitieren Sie von einem starken internationalen Netzwerk. Auf unserem Internetportal finden Sie interessante Dokumente und Werkzeuge sowie aktuelle Neuigkeiten. Mit langjähriger Erfahrung stehen wir Ihnen gerne unterstützend zur Verfügung! Impressum Herausgeber: Solites – Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme, Meitnerstr. 8, 70563 Stuttgart, Deutschland, info@solites.de, www.solites.de, mit Unterstützung der SDH-Projektpartner Bildquellen: Solites, Ritter XL Solar, Jan-Olof Dalenbäck, SOLID, Gram Fjernwärme, Guido Bröer (Solarthemen) Förderung: Dieses Projekt wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union gefördert (Förderkennzeichen 691624) Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. www.solar-district-heating.eu/de Deutsche Projektpartner: www.solar-district-heating.eu
SolnetBW Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg Grundlagen | Potenziale | Strategien SolnetBW ist ein Verbundvorhaben zum Thema solare Wärmenetze, das im Rahmen des Förderprogramms BWPLUS mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft durch den beim Karlsruher Institut für Technologie eingerichteten Projektträger gefördert wird. Förderkennzeichen: BWE13030 Förderzeitraum: 01.11.2013 – 30.04.2016 Gefördert durch: Projektkoordinator: Solites - Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme Projektpartner: AGFW | Projektgesellschaft für Rationalisierung, Information und Standardisierung mbH Hamburg Institut Research gemeinnützige GmbH (HIR) Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH (KEA) [im Unterauftrag von Solites] Haftungsausschluss: Die alleinige Verantwortung für den Inhalt dieser Publikation liegt bei den AutorInnen. Sie gibt nicht unbedingt die Meinung der Fördermittelgeber wieder. Weder die Fördermittelgeber noch die AutorInnen übernehmen Verantwortung für jegliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen. Juni 2015 SolnetBW Vorwort Das Land Baden-Württemberg verfolgt bei der Energiewende ehrgeizige Ziele: Bis 2050 wollen wir gegenüber 2010 50 % des Energieverbrauchs einsparen, 80 % der Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen und die energiebedingten Treibhausgasemissionen um 90 % senken. Dabei ist auch weiterhin eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung zu gewährleisten. Die Energiewende wird dabei nicht ohne eine Wärmewende zu leisten sein, denn in Baden- Württemberg wird annähernd so viel Energie für die Wärmebereitstellung verbraucht wie für Kraftstoff und Strom zusammen. Am gesamten Endenergieverbrauch hat der Wärmesektor einen Anteil von 47 %. Daher steckt in der richtigen Wärmegewinnung und -versorgung ein enormes Potenzial. Insbesondere Wärmenetze bieten eine Verteilstruktur, die flexibel an zukünftige Erzeugungstechnologien anpassbar ist und auch erneuerbare Wärme – wie Solarthermie, Erdwärme oder industrielle Abwärme – in Quartiere, Gemeinden und urbane Zentren bringen kann. In zahlreichen Kommunen in Baden-Württemberg sind Wärmenetze bereits vorhanden. Wo immer auf Grund der Bebauungsstruktur eine ausreichende Wärmeabnahme vorliegt, sollte die Errichtung von Wärmenetzen geprüft werden. Eine für Baden-Württemberg aussichtsreiche Option stellen solarthermische Großanlagen in Verbindung mit Wärmenetzen dar. Dänemark ist Vorreiter bei dieser Technik. Dort kommen solche Anlagen bereits vielerorts zum Einsatz und liefern erneuerbare und emissionsfreie Wärme für die kommunale Versorgung zu konkurrenzfähigen Kosten. Ebenso wegweisend ist in Dänemark die Teilhabe der Bürger an der örtlichen Wärmeversorgung. Aber auch in Baden-Württemberg wurde hier schon Vorbildliches geleistet: Vier von elf bundesdeutschen Pilotanlagen zur solaren Nahwärmeversorgung mit saisonalem Wärmespeicher wurden in Baden-Württemberg mit Unterstützung des Landes und des Bundes errichtet. Institute und Akteure aus Baden-Württemberg sind führende Know-how-Träger auf diesem Gebiet. Dies sind beste Voraussetzungen, um solare Wärmenetze auch hier in der Breite einzuführen und zur Spitze aufzuschließen. Die vorliegende Studie wurde im Rahmen des vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft geförderten Projekts SolnetBW erarbeitet. Die Studie präsentiert die vielfältigen Möglichkeiten zur Integration der Solarthermie in Nah- und Fernwärmesysteme. Sie liefert Grundlagen, zeigt Potenziale und Handlungsstrategien auf und bietet hiermit allen beteiligten Akteuren bei der Entwicklung neuer Projekte und Aktivitäten Unterstützung. Franz Untersteller MdL Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg 1 Inhaltsverzeichnis 1 Kurzfassung ........................................................................................................................ 3 2 Einführung........................................................................................................................... 6 3 Analyse der Ausgangssituation ........................................................................................... 9 3.1 Stand der Technik und der Markteinführung ........................................................................ 9 3.2 Integrationsoptionen für Solarthermie in der Fernwärmeversorgung ................................. 13 3.2.1 Typen von Solarthermieanlagen in Fernwärmesystemen .................................................. 15 3.2.2 Technische Eignung von Fernwärmesystemen für die Einbindung solarthermischer Großanlagen als Erzeugungstechnologie .......................................................................... 29 3.3 Wirtschaftlichkeit der Solarthermie in der Fernwärmeversorgung ...................................... 34 3.3.1 Kostenannahmen .............................................................................................................. 34 3.3.2 Fördermöglichkeiten .......................................................................................................... 35 3.3.3 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ........................................................................................... 36 3.3.4 Beispielrechnung............................................................................................................... 37 3.3.5 Überblick Wärmegestehungskosten für Solarthermieanlagen in Fernwärmesystemen ...... 37 3.4 Rechtliche Rahmenbedingungen ...................................................................................... 40 3.4.1 Der europäische Rechtsrahmen ........................................................................................ 40 3.4.2 Der nationale Rechtsrahmen ............................................................................................. 43 3.4.3 Regelungsrahmen auf Landesebene ................................................................................ 53 3.4.4 Kommunale Planungsinstrumente ..................................................................................... 56 3.4.5 Eigentümerstrukturen und Bürgerbeteiligung .................................................................... 62 3.4.6 Zusammenfassung ............................................................................................................ 69 4 Wärmebedarf und Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg .................................... 71 4.1 Einflussfaktoren auf den Wärmebedarf und die Fernwärmeversorgung ............................ 71 4.1.1 Gemeinden in Baden-Württemberg ................................................................................... 71 4.1.2 Bevölkerung und Beschäftigte in Baden-Württemberg ...................................................... 72 4.1.3 Gebäudebestand und Gebäudeentwicklung ...................................................................... 74 4.2 Analyse und Entwicklung des Wärmebedarfs der Haushalte und des Sektor Gewerbe Handel Dienstleistung in Baden-Württemberg ................................................................... 80 4.2.1 Wärmebedarf – IST-Zustand ............................................................................................. 80 4.2.2 Entwicklung des Wärmebedarfs ........................................................................................ 81 4.3 Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg – IST-Zustand .......................................... 84 4.4 Potenziale der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg .......................................... 86 4.5 Potenziale der Solarthermie in der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg ........... 91 4.6 Zusammenfassung Wärmebedarfsentwicklung, Fernwärmepotenziale und technische Potenziale der Integration der Solarthermie ...................................................................... 96 2 5 Konkrete Fallstudien zur Nahwärmeversorgung ................................................................ 97 5.1 Einbindung solarthermischer Großanlagen – Beispiel Neuhengstett ................................. 97 5.1.1 Beschreibung des Versorgungsgebiets ............................................................................. 97 5.1.2 Entwurf des Nahwärmenetzes......................................................................................... 100 5.1.3 Anlagentechnik und Auslegung ....................................................................................... 102 5.1.4 Wirtschaftlichkeitsrechnung ............................................................................................. 106 5.1.5 Zwischenfazit .................................................................................................................. 117 5.2 Einbindung Solarthermischer Großanlagen – Beispiel Scharenstetten ............................ 118 5.2.1 Ausgangssituation ........................................................................................................... 118 5.2.2 Entwurf des Nahwärmenetzes......................................................................................... 120 5.2.3 Auslegung ....................................................................................................................... 122 5.2.4 Wirtschaftlichkeitsrechnung ............................................................................................. 124 5.2.5 Zwischenfazit .................................................................................................................. 131 5.3 Wärmekosten in Abhängigkeit zunehmender Wärmedämmung ...................................... 132 5.4 Langfristiger Einfluss der Wärmedämmung ..................................................................... 134 5.4.1 Szenario 2050 – Beispiel Scharenstetten ........................................................................ 134 5.4.2 Einfluss der Wärmedämmung auf die Netzauslegung ..................................................... 138 5.5 Schlussfolgerungen aus den Fallstudien ......................................................................... 142 5.6 Bestehende Biomasse-Heizwerke in Baden-Württemberg .............................................. 144 6 Strategieentwicklung ....................................................................................................... 146 6.1 Entwicklungsansätze zur Markteinführung solarer Wärmenetze ...................................... 146 6.1.1 Durchführung landesweiter Informations- und Beratungsaktivitäten zu solaren Wärmenetzen .................................................................................................................. 147 6.1.2 Anbahnung konkreter Projekte für neue Wärmenetze mit Anteil Solarthermie ................. 147 6.1.3 Anbahnung konkreter Projekte zur Integration von Solarthermie in bestehende Wärmenetze .................................................................................................................... 149 6.1.4 Abbau von Hemmnissen durch Stärkung der Bürgerbeteiligung ...................................... 149 6.1.5 Entwicklung von Geschäftsmodellen für solare Wärmelieferung ..................................... 150 6.1.6 Verbesserung des Rechts- und Förderrahmens für solare Wärmenetze ......................... 151 6.2 Ausbau und Optimierung der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg .................. 151 Anhang Anlagensteckbriefe .......................................................................................................... 153 Quellenverzeichnis ....................................................................................................................... 178 Abbildungsverzeichnis .................................................................................................................. 182 Tabellenverzeichnis ...................................................................................................................... 185 3 1 Kurzfassung Vor dem Hintergrund des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts (IEKK) der Landesregierung Baden-Württemberg beleuchtet diese Studie die Möglichkeiten und Erfordernisse einer vermehrten Nutzung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg. Hierzu werden die bestehenden technischen und wirtschaftlichen sowie rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen analysiert, Potenziale ermittelt und darauf basierend konkrete Strategien und Handlungsempfehlungen für eine verstärkte Ausbaudynamik und Markteinführung dieser Technologie aufgezeigt. Solare Wärmenetze beruhen auf dem Einsatz solarthermischer Großanlagen, die in Nah- oder Fernwärmenetze eingebunden sind und auf diese Weise zur zentralen Wärmeversorgung von Quartieren, Wohngebieten, Dörfern oder Städten beitragen. Je nach Einbindung werden sie daher auch als solare Nahwärme oder solare Fernwärme bezeichnet. Die erforderlichen großen Kollektorfelder werden auf Freiflächen installiert oder in Gebäudedachflächen integriert. Es kommen dabei meist Flachkollektoren oder Vakuumröhrenkollektoren zum Einsatz. Zahlreiche Großanlagen im Leistungsbereich bis maximal 50 MWth, werden inzwischen vor allem in den Ländern Dänemark, Schweden, Österreich aber auch in Deutschland und in Baden-Württemberg in Wärmenetzen betrieben. In diesen Ländern wurden aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen, verschiedene Typen und Varianten solarer Nah- und Fernwärmesysteme realisiert. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale sind: die Art der Einbindung der thermischen Solaranlage (z.B. eine zentrale Einbindung am Heizwerk oder eine dezentrale Einbindung an einem beliebigen Ort im Fernwärmenetz) die Größe des Wärmenetzes, in welches die Solarthermieanlage eingebunden ist. Die Bandbreite reicht hier von Nahwärmesystemen zur Versorgung von Neubaugebieten und Quartieren (Beispiele Stuttgart Burgholzhof, 1.700 m² Kollektorfläche und Crailsheim, 7.300 m² Kollektorfläche) über Systeme zur Versorgung von Energiedörfern (Beispiel Büsingen, 1.090 m² Kollektorfläche) bis hin zur Einbindung in große städtische Fernwärmesysteme (Beispiel Wels in Österreich, 3.400 m² Kollektorfläche). Die Vielfalt dieser Anlagentypen ist bei der Technologiebewertung und bei der Entwicklung von Maßnahmen zu berücksichtigen, da sich die spezifischen Randbedingungen und auch die beteiligten Akteure deutlich unterscheiden. Die Wirtschaftlichkeit von solarthermischen Großanlagen hängt ebenso vom Anlagentyp ab. Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung erfolgt in der Regel anhand der Wärmegestehungskosten. Bei den untersuchten Anlagentypen wurden in günstigen Fällen Wärmegestehungskosten ohne Förderung bis minimal 50 €/MWh sowie mit öffentlicher Förderung bis minimal 30 €/MWh ermittelt, womit die Solarthermie in zahlreichen Anwendungen eine wirtschaftlich konkurrenzfähige Erzeugungsoption ist. Die wesentlichen Voraussetzungen für günstige Wärmegestehungskosten sind eine ausreichende Anlagengröße (> 1 MWth), eine einfache Anlagentechnik (z.B. Freilandaufstellung), solare Deckungsanteile an der Gesamt-Wärmeerzeugung bis 20 % sowie niedrige Netztemperaturen. Einen wesentlichen Anteil der Wärmegestehungskosten stellen bei Solarthermieanlagen die Kapitalkosten dar, wohingegen die Betriebskosten eine untergeordnete Rolle spielen. Dies führt zu einer langfristigen Kalkulierbarkeit, Planungssicherheit und Stabilität der Wärmegestehungskosten. Praktische Beispielrechnungen, bei denen solarthermische Großanlagen 4 in zwei bereits durchgeführte Machbarkeitsstudien zu Wärmenetzen integriert wurden, zeigen exemplarisch, dass die Solarthermie kostenneutral mit Biomasse-Heizwerken kombiniert werden kann und dies sich langfristig positiv auf die Endkundenwärmepreise auswirken kann. Der rechtlich-politische Rahmen für solare Nah- und Fernwärme umfasst einerseits den Rechtsrahmen für die klassische leitungsgebundene Wärmeversorgung sowie andererseits die Errichtung von solarthermischen Großanlagen. Die Analyse fokussiert insbesondere auf die Fragestellung, welche Instrumente die Nutzung der Solarthermie in bestehenden und neuen Wärmenetzen fördern könnten. Die Studie zeigt jedoch, dass beim derzeit bestehenden Rechtsrahmen (EnEV, EEWärmeG, KWKG und EWärmeG Baden-Württemberg) kein wirksamer Treiber die Integration erneuerbarer Wärme wie z.B. der Solarthermie in die leitungsgebundene Wärmeversorgung effektiv fördert. Lediglich die Investitionsförderung durch die Förderprogramme des Bundes und des Landes Baden-Württemberg sind als Treiber zu nennen. Um die Markteinführung der solaren Nah- und Fernwärme einzuleiten, wäre es daher sinnvoll, auch den rechtlichen Rahmen weiterzuentwickeln. Kernelemente sind hier, die Effizienztechnologie KWK und die Wärmebereitstellung aus erneuerbaren Energien möglichst harmonisch in ein Gesamtsystem zu integrieren (in dem die Vorzüge beider Technologien zur Geltung kommen) sowie mittelfristig steigende Anteile erneuerbarer Wärme auch im Fernwärmebereich zu ermöglichen. Auch auf der Ebene der Landespolitik und des kommunalen Planungsrechts kann der Rechtsrahmen weiterentwickelt und optimiert werden, um vor Ort die Umsetzung von Projekten zu fördern. Dies betrifft z.B. die Stärkung der Handlungsoptionen der Kommunen im Bauplanungsrecht durch eine entsprechende landesrechtliche Kompetenzzuweisung und eine stärkere Berücksichtigung der solaren Nah- und Fernwärme im EWärmeG Baden-Württemberg. Darüber hinaus sollte auch ein veränderter Rahmen für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger entwickelt werden. Dabei geht es nicht nur darum, Akzeptanz in der Bevölkerung für neue Infrastrukturprojekte zu erreichen. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich auch finanziell mit konkreten Projekten an der Energiewende. Auch aus rein wirtschaftlichen Gründen kann die Mobilisierung privaten Kapitals vorteilhaft sein. Ausgehend von bestehenden Analysen der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg wurde unter Berücksichtigung der hierbei ermittelten Netzdaten eine Potenzialanalyse der Solarthermie in der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg durchgeführt. Es wurden vier unterschiedliche Szenarien untersucht. Neben dem solaren Deckungsbeitrag wurden auch die Potenziale für solare Deckungsbeiträge in Abhängigkeit der Gemeindegröße bzw. der gesamten Wärmenetzeinspeisung eines Fernwärmesystems ermittelt. Entsprechend den angenommenen Szenarien könnten zwischen 3,5 PJ und 10 PJ der Fernwärmenetzeinspeisung in Baden-Württemberg (entsprechend 8,7 % bis 25 %) durch Solarthermie gedeckt werden. Insgesamt wäre hierfür eine Kollektorfläche von 3,5 Mio. m² bis 10,9 Mio. m² Flachkollektoren bzw. 2,1 Mio. m² bis 6,1 Mio. m² Vakuumröhrenkollektoren erforderlich. Es würden sich durchschnittliche Anlagengrößen zwischen 6.000 m² und 18.600 m² bei Flachkollektoren bzw. zwischen 4.300 m² und 12.800 m² bei der Verwendung von Vakuumröhrenkollektoren ergeben. Bei der weiterführenden Marktbearbeitung sollte auf Anlagentypen fokussiert werden, die sowohl eine gute Wirtschaftlichkeit als auch ein hohes Umsetzungspotenzial aufweisen. Vorrangig sind dies: 5 Großflächige Freilandanlagen mit einer thermischen Leistung über 1 MW und solaren Deckungsanteilen von 10 – 20 % in neu entstehenden, kleineren Wärmenetzen, wie sie in den letzten Jahren vielfach in sogenannten ‚Energiedörfern‘ realisiert wurden. Großflächige Solarthermieanlagen mit einer thermischen Leistung über 1 MW und solaren Deckungsanteilen bis 15 % in Bestandsnetzen (auch in größeren städtischen Fernwärmenetzen). Die Umsetzbarkeit hängt hier im Wesentlichen von einer stimmigen Integration des Wärmeerzeugers Solarthermie in das Gesamtsystem ab, die zu einer Steigerung der Gesamteffizienz führt. Darüber hinaus bestehen günstige Umsetzungsmöglichkeiten im Bereich von Quartiers- und Siedlungskonzepten sowie bei Projekten der Wohnungswirtschaft. Vorteile entstehen bei der Integration der Solarthermie in Nah- und Fernwärmesysteme insbesondere durch die langfristige Planungssicherheit bezüglich der Wärmegestehungskosten, die Nutzung erneuerbarer und emissionsfreier Wärme, das damit verbundene positive Image und die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung sowie durch den einfachen technischen Betrieb solcher Anlagen. Hemmende Faktoren sind oft fehlende Kenntnisse bzw. mangelndes Vertrauen in Bezug auf die solare Wärmeerzeugung seitens der Wärmeversorger sowie die Verfügbarkeit geeigneter Flächen. Technische Hemmnisse für eine Realisierung bestehen nur in wenigen Fällen. Auf der Basis der oben beschriebenen Ergebnisse werden die Entwicklung und Umsetzung folgender Handlungsansätze und Aktionen empfohlen, die unmittelbar auf die Markteinführung solarer Nah- und Fernwärme und die Umsetzung konkreter Projekte in Baden-Württemberg zielen: Projektanbahnung neuer Wärmenetze mit einem Anteil solarthermischer Erzeugung Projektanbahnung für die Integration von Solarthermie in bestehende Wärmenetze Informations- und Beratungsaktivitäten Stärkung der Bürgerbeteiligung Entwicklung von Geschäftsmodellen für solare Wärmelieferung Verbesserung des Rechts- und Förderrahmens für solare Nah- und Fernwärme Darüber hinaus ist die Entwicklung und Umsetzung übergeordneter Ansätze erforderlich, die einen zukunftsorientierten Ausbau und die Optimierung der leitungsgebundenen Wärmeversorgung insgesamt zum Ziel haben. Der Ausbau der Fernwärmeinfrastruktur in Baden-Württemberg, verbunden mit einer technisch-ökologischen Optimierung und der Berücksichtigung sozioökonomischer und verbraucherorientierter Aspekte, würde mittelbar auch die grundlegenden Entwicklungschancen für die solare Nah- und Fernwärme verbessern. 6 2 Einführung Der Umbau der Energieversorgung mit dem Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien deutlich zu erhöhen und sie in wenigen Jahrzehnten zur tragenden Säule des Energiesystems zu machen, erfolgt bislang mit einem starken Fokus auf die Stromversorgung, während der Wärmesektor in vielen Belangen zurückbleibt. Dies wird der hohen Bedeutung der Wärmeversorgung für die Energieversorgung und den Klimaschutz in keiner Weise gerecht. Mehr als die Hälfte des Endenergiebedarfs in Deutschland wird in Form von Wärme benötigt. Auch bei der mit großer Vehemenz geführten Debatte um die Kosten der Energiewende liegt der Fokus bisher vor allem auf den gestiegenen Strompreisen. Verdrängt wird dabei, dass die Kosten eines Haushaltes für Raumwärme und Warmwasser im Durchschnitt etwa doppelt so hoch sind wie die Stromkosten. Auch ist die Preissteigerung in den letzten zwanzig Jahren bei den Wärmekosten deutlich höher gewesen als bei den Stromkosten. Die soziale Bedeutung der Wärmeversorgung wird damit für die Haushalte, die Wirtschaft und für die Kommunen zunehmend wichtiger. Ohne eine ambitionierte Wärmewende kann somit die Energiewende nicht erfolgreich sein. Dies erfordert die Erschließung der Potenziale bei der Energieeffizienz und gleichzeitig die langfristige Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energieträger. Neben dem Klimaschutz und der Kostenstabilität trägt dies auch maßgeblich zur Versorgungssicherheit bei, denn der Einsatz erneuerbarer Energien vermindert die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten. Anders als bei der Strom- und Gasversorgung sind in der Wärmeversorgung die Erzeugung, die Verteilung und der Verbrauch lokal bzw. regional verortet. Somit ist die Wärmeversorgung vor allem eine lokale Aufgabe und auch im Verantwortungsbereich der Kommunen angesiedelt. Sie stehen vor der großen Herausforderung – im Einklang mit den nationalen und europäischen Klimaschutzzielen – die lokale Wärmeversorgung langfristig klimaneutral zu gestalten. Die bisherigen Strategien in Deutschland setzen dabei vor allem auf eine kontinuierliche Reduzierung des Energiebedarfs der bestehenden Gebäude. Es ist jedoch erkennbar, dass die bisherigen Sanierungsraten des Gebäudebestandes bei weitem nicht ausreichen, um die ambitionierten Klimaschutzziele im Wärmesektor erreichen zu können. Es ergibt sich die Aufgabe auch für die kommunale Wärmepolitik, ein volkswirtschaftliches Optimum zwischen Gebäudeeffizienz und dem Einsatz erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung zu finden. Im Vergleich zum Stromsektor ist jedoch die Integration erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung weit weniger fortgeschritten. Der Anteil erneuerbarer Energien liegt derzeit bei etwa 11 % und ist damit nur etwa halb so groß wie im Strombereich. Neben dem geringen Anteil erneuerbarer Energien am Wärmemarkt ist auch die Art der Energieträger problematisch. Mehr als 90 % der erneuerbaren Wärme basiert auf Biomasse. Die Hälfte davon wird in Kleinanlagen (z.B. Kaminöfen) mit geringen Wirkungsgraden und hohen Schadgasemissionen verbrannt. Weiter kann die Biomasse auf lange Sicht aufgrund von Nutzungskonkurrenzen nur einen begrenzten Beitrag leisten. Die tiefe Geothermie ist nur an geeigneten Standorten nutzbar. Aus diesen Gründen räumt das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) der Landesregierung Baden-Württemberg der Solarthermie und speziell den solaren Wärmenetzen einen hohen Stellenwert ein: Die Solarthermie weist eine hohe Verfügbarkeit auf und die Verteilung über Wärmenetze an die Verbraucher ist in vielen Fällen, z.B. aus Gründen der Effizienz oder der Kostendegression, vorteilhaft gegenüber einer Wandlung in einer Vielzahl von Einzelanlagen. 7 Generell hat sich die Solarthermie in Deutschland als Technologie zur Warmwasserbereitung und Unterstützung der Raumheizung in Wohngebäuden mit großer Verbreitung bewährt. Thermische Sonnenkollektoren und die zugehörigen Systemlösungen haben einen hohen technischen Standard erreicht, die den Einsatz der Solarthermie auch in kälterem Klima und für höhere Anwendungstemperaturen bis 120 °C ermöglicht. In Deutschland sind thermische Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 12,3 GWth entsprechend einer Gesamtkollektorfläche von 17,5 Mio. m² installiert. In Baden-Württemberg liegt die Nutzung der Solarthermie dabei rund 50 % über dem Bundesdurchschnitt. Über 90 % dieser Anlagen sind jedoch auch hier Kleinanlagen (< 20 m²) im Ein- und Zweifamilienhausbereich. Abbildung 1: Solarthermische Großanlage in Ulsted, Dänemark (Quelle: Arcon) Zur kostengünstigen und großtechnischen Integration der Solarthermie bietet sich die Nutzung von Wärmenetz-Infrastrukturen in besonderem Maß an. Solare Wärmenetze, oftmals auch als solare Nahwärme oder solare Fernwärme bezeichnet, beruhen auf dem Einsatz solarthermischer Großanlagen, die in Wärmenetze eingebunden sind und auf diese Weise zur Versorgung von Quartieren, Wohngebieten, Dörfern oder Städten beitragen. Die erforderlichen großen Kollektorfelder werden hierbei auf Freiflächen installiert oder in Gebäudedachflächen integriert. Es kommen dabei beide Kollektorarten, Flachkollektoren und Vakuumröhrenkollektoren, zum Einsatz und die Kollektorfeldgrößen reichen von ca. 500 m² bis zu 50.000 m² bei den derzeit größten auf internationaler Ebene realisierten Anlagen. Solarthermische Großanlagen decken meist 10 – 20 % des Gesamtwärmebedarfs des Versorgungsgebiets. In Kombination mit großvolumigen Langzeit- Wärmespeichern wurden bereits Anlagen mit einem solaren Deckungsanteil von 50 % realisiert. Zahlreiche großflächige Solarthermieanlagen im Leistungsbereich bis 50 MWth werden inzwischen vor allem im Nachbarland Dänemark, aber auch in Deutschland und in Baden-Württemberg in Wärmenetzen betrieben. Sie erzeugen Wärme zu wettbewerbsfähigen Gestehungskosten von unter 50 Euro je MWh und somit wesentlich kostengünstiger, als dies mit dezentralen Lösungen in Gebäuden möglich ist. Das Ziel des vorliegenden Berichts ist die Beschreibung der Marktsituation sowie der Potenziale und möglichen Entwicklungsstrategien für solare Wärmenetze in Baden-Württemberg. Hierzu werden die bestehenden rechtlichen, politischen sowie technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen analysiert und darauf aufbauend Empfehlungen zur Verbesserung der 8 genannten Rahmenbedingungen ausgearbeitet sowie konkrete Vorschläge für rechtliche Vereinfachungen, Geschäftsmodelle und genossenschaftliche Organisationsformen entwickelt. Hierzu erfolgt in Kapitel 3 eine Analyse der Ausgangssituation für solare Wärmenetze in Baden- Württemberg. Diese umfasst den Stand der Technik und der Markteinführung, eine Beschreibung der Integrationsoptionen und der Wirtschaftlichkeit für Solarthermie in der Fernwärmeversorgung sowie eine Untersuchung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung. Darauf aufbauend erfolgt in Kapitel 4 eine Potenzialermittlung. Hierzu werden die Gemeindegrößen und -klassen in Baden-Württemberg analysiert und der bestehende Wärmebedarf beurteilt. Über die Entwicklung des Gebäudebestands werden anschließend die Potenziale der Fernwärmeversorgung in Baden-Württemberg diskutiert und die Potenziale der Solarthermie in der Fernwärmeversorgung abgeschätzt. Das Kapitel schließt mit einer Prognose der zukünftigen Entwicklung des Wärmebedarfs. In Kapitel 5 werden anhand konkreter Fallstudien zur Nahwärmeversorgung Berechnungen für die Integration von solarthermischen Großanlagen einschließlich einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt. Im Anschluss werden in Kapitel 6 basierend auf den Grundlagen und Analysen der vorangegangen Kapitel Handlungsempfehlungen für eine weitere Markteinführung ausgesprochen. Abschließend finden sich im Anhang Anlagensteckbriefe zu in Deutschland und Europa bereits umgesetzten Anlagenbeispielen. Das Vorhaben SolnetBW – Solare Wärmenetze Baden-Württemberg Das Verbundvorhaben SolnetBW wird im Rahmen des Förderprogramms BWPLUS durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft gefördert. Vor dem Hintergrund des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts der Landesregierung setzt sich SolnetBW eine Marktbereitung und erhöhte Ausbaudynamik bei solaren Wärmenetzen in Baden-Württemberg zum Ziel. Um dies zu erreichen, werden im Rahmen des Vorhabens die bestehenden rechtlichen, politischen sowie technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen analysiert und darauf aufbauend Empfehlungen zur Verbesserung der genannten Rahmenbedingungen ausgearbeitet und konkrete Vorschläge für rechtliche Vereinfachungen, Geschäftsmodelle und genossenschaftliche Organisationsformen entwickelt. Dieses erweiterte Wissen zu solaren Wärmenetzen soll dann an kommunale Entscheidungsträger, Marktakteure und Bürger herangetragen werden. Die Einbeziehung bürgerschaftlichen Engagements ist erforderlich, um den Umstrukturierungsprozess auf eine gesellschaftlich breite Basis zu stellen. Neben der erhöhten Akzeptanz von Infrastrukturinvestitionen kann über geeignete Modelle der Bürgerbeteiligung auch privates Kapital zur Umsetzung mobilisiert werden. Bürgerinformation und Bürgerbeteiligungsmodelle werden daher als wichtiges Element zur Technologieverbreitung angesehen. Die Partner des Vorhabens adressieren daher mit Veranstaltungen aber auch mit konkreten Informations- und Beratungsangeboten direkt die Kommunen, Wärmeversorger, Energiegenossenschaften und lokale Energieinitiativen, welche Interesse an der Realisierung von Projekten haben. 9 3 Analyse der Ausgangssituation Die Analyse der Ausgangssituation für solare Wärmenetze in Baden-Württemberg umfasst die Beschreibung des Stands der Technik und der Markteinführung. Darauf aufbauend werden die unterschiedlichen Integrationsoptionen für Solarthermie in der Fernwärmeversorgung erläutert. Diese unterscheiden sich nach der Art der Einbindung, Größe des Wärmenetzes und Größe der Solaranlage. Vervollständigt wird die Betrachtung durch die Analyse der Wirtschaftlichkeit der Solarthermie in der Fernwärmeversorgung. Den Abschluss des Kapitels bildet die Beschreibung der relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung. 3.1 Stand der Technik und der Markteinführung Solarthermische Großanlagen mit einer Einbindung in Fernwärmenetze wurden erstmals in den späten 1970er-Jahren errichtet. Erste Demonstrationsprojekte wurden in Schweden, den Niederlanden und Dänemark realisiert. Mitte der 1990er Jahre folgten Projekte in Deutschland und Österreich. Bis heute wurden europaweit ca. 216 Anlagen mit einer Nennleistung über 350 kWth und ca. 82 Anlagen mit einer Nennleistung über 1 MWth realisiert (vgl. Abbildung 2). Die insgesamt europaweit installierte Leistung an solarthermischen Großanlagen beträgt derzeit 433 MWth. Der Zubau im Jahr 2013 betrug 31,6 %. Obwohl gerade bei solarthermischen Großanlagen konkurrenzfähige Wärmekosten von unter 50 €/MWh erzielt werden, ist deren Verbreitung noch relativ gering. Abbildung 2: Solare Fernwärme – Marktstatus Europa, Mai 2014 (Quelle: CIT Energy Management AB, Solites)1 1 Dalenbäck: Market for Solar District Heating, CIT Energy Management AB, Göteborg, SE, www.solar-district-heating.eu, August 2012 10 Ein Blick über die Grenzen zeigt das Potenzial der Technologie: Dänemark schreibt derzeit eine Erfolgsgeschichte in Bezug auf solare Fernwärme. In den Jahren 2010 bis Mitte 2014 wurden 35 Anlagen mit einer Gesamtnennleistung von 264 MWth errichtet. Die meisten dieser Anlagen werden in Kombination mit KWK betrieben und wurden ohne Förderung realisiert. Insgesamt sind in Dänemark 328 MWth an Großanlagen installiert; Anlagen mit weiteren 250 MWth sind in Planung. So wird demnächst im dänischen Vojens mit dem Bau der dann weltweit größten thermischen Solaranlage begonnen, die eine Kollektorfläche von 52.491 m² bzw. eine Leistung von 36,7 MWth haben wird. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Entwicklung in Dänemark sind flexible Gesamtsysteme zur Strom- und Wärmeerzeugung, mit denen die lokalen, meist genossenschaftlich organisierten Energieversorger an einem sich stark wandelnden Stromhandelsmarkt teilnehmen. Ein Beispiel hierfür ist das neue Demonstrationsprojekt Sunstore 4 auf der Insel Aero in Dänemark (vgl. Abbildung 3)2. Der dänische Verband strebt bis 2030 eine Kollektorfläche von 8 Mio. m² in Fernwärmesystemen an. Abbildung 3: Gesamtsystem zur Strom- und Wärmeerzeugung in Marstal auf der dänischen Insel Aero (Quelle: Marstal Fjernvarme) In Deutschland wurden zwischen 1995 und 2009 elf Großanlagen als Pilotprojekte zur solaren Nahwärmeversorgung mit saisonalem Wärmespeicher realisiert. Ziel war die Demonstration und Weiterentwicklung dieses Wärmeversorgungskonzepts meist für Wohngebiete und mit einem hohen solaren Deckungsanteil von 30 bis 50 % am jährlichen Gesamtwärmebedarf für Trinkwassererwärmung und Raumheizung (vgl. F&E-Programme Solarthermie-2000 und Solarthermie2000plus)34. 2 Pauschinger, Schmidt: Sunstore 4 - Solar unterstützte Kraft-Wärme-Kopplung mit saisonalem Wärmespeicher, EuroHeat&Power, Mai 2013 3 Solarthermie2000: Langzeitverhalten von thermischen Solaranlagen im bundeseigenen Bereich, Solarthermie2000 Teilprogramm 1, www.solarthermie2000.de 4 Solarthermie2000plus: Solarthermische Pilot- sowie Forschungs- und Demonstrationsanlagen zur Teildeckung des Wärmebedarfs unterschiedlicher Verbraucher im Niedertemperaturbereich, www.solarthermie2000plus.de 11 Vier dieser elf Pilotanlagen wurden in Baden-Württemberg errichtet. Deutschlands größte Solarthermieanlage mit einer Kollektorfläche von 7.200 m² bzw. einer Nennleistung zur Wärmeerzeugung von 5,1 MWth wird in Crailsheim von den örtlichen Stadtwerken betrieben. Eine wesentliche Komponente dieser Programme war die Entwicklung von großen oder saisonalen Wärmespeichern (> 1.000 m³). Hierbei sind vier Speichertechnologien entstanden, die jeweils in mindestens einer Pilotanlage umgesetzt und betrieben wurden. Die Wärmespeicher sind hierbei als erdvergrabene saisonale Wärmespeicher in solar unterstützte Nahwärmeversorgungen größerer Gebäudekomplexe oder ganzer Siedlungen integriert. In neueren Projekten, wie z.B. in Hamburg5 werden große Wärmespeicher vermehrt auch zur Optimierung des KWK-Betriebs von Wärmenetzen eingesetzt, um sowohl Schwankungen in der Wärmeleistungsanforderung auszugleichen, als auch die Strom- und Wärmebereitstellung zu entkoppeln. Gleichzeitig bieten die Wärmeversorger E.ON Hanse Wärme GmbH und Hamburg Energie GmbH in Hamburg ein Modell zur dezentralen Einbindung solarer Wärme in ihre Fernwärmenetze an. Ein wichtiger Schritt in Richtung einer breiteren Umsetzung der Technologie im Bereich der Energiedörfer wurde im Jahr 2013 in Büsingen im Süden Baden-Württembergs umgesetzt. Der regionale Energieversorger Solarcomplex AG realisierte dort Deutschlands erste große solarthermische Freilandanlage mit einer Kollektorfläche von 1.090 m², die in Kombination mit einem Biomasse-Heizwerk und einem neu verlegten Wärmenetz die lokale Wärmeversorgung darstellt (vgl. Abbildung 4). Weitere Anlagen sind in Planung und folgen in den kommenden Jahren. Abbildung 4: Heizwerk des Bioenergiedorfs Büsingen mit 1.090 m² Vakuumröhrenkollektoren und einem Biomassekessel (Quelle: Ritter XL Solar GmbH) In Schweden werden derzeit Erfahrungen mit dezentraler Wärmerückspeisung von größeren bei Endkunden installierten Solaranlagen in Fernwärmenetze gesammelt. Weiter wurden in Österreich vier solarthermische Großanlagen in der Stadt Graz und eine Anlage in der Stadt Wels realisiert, die ihre Wärme dezentral in das städtische Fernwärmenetz einbinden. Im Rahmen des Vorhabens SDHplus werden die Aktivitäten zur Marktbereitung auf zwölf europäische Länder ausgeweitet. Bemerkenswerte Entwicklungen in ‚Einsteiger-Ländern‘ sind die Realisierung erster netzgekoppelter Großanlagen in Norwegen (9 MWth) und in Frankreich (350 kWth) sowie eine in Realisierung befindliche Anlage in Italien (700 kWth). 5 Schmidt, Mangold: Der Multifunktions-Wärmespeicher in Hamburg-Bramfeld – innovative Erweiterung der ältesten deutschen Solarsiedlung, OTTI - 20. Symposium Thermische Solarenergie, Bad Staffelstein, 2010 12 Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass für solare Fernwärmesysteme insbesondere für folgende Situationen oder Ansätze gute Marktchancen bestehen: die Ergänzung reiner Heizwerke mit Solarthermie die Kombination mit KWK-Anlagen, bei denen aufgrund höherer Anteile von Strom aus Windenergie und Photovoltaik im Netz andere Fahrweisen erforderlich werden die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Vermarktungsansätze für Fernwärme in Kombination mit Solarwärme Nachfolgend werden diese Ansätze detailliert erläutert. 13 3.2 Integrationsoptionen für Solarthermie in der Fernwärmeversorgung Im folgenden Kapitel werden aufbauend auf dem Stand der Technik und der Markteinführung die Integrationsoptionen für die Solarthermie in der Fernwärmeversorgung erläutert. In den unterschiedlichen Ländern wurden dabei aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen, verschiedene Konzepte solarer Nah- und Fernwärmesysteme verfolgt. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale sind: die Art der Einbindung der thermischen Solaranlage (zentrale vs. dezentrale Einbindung). die Größe des Wärmenetzes, in welches solare Wärme eingespeist wird. Die Bandbreite reicht hier von Nahwärmesystemen zur Versorgung mehrerer Gebäude (Beispiel Stuttgart Burgholzhof, 1.700 m² Kollektorfläche) über Systeme zur Versorgung von Neubaugebieten (Beispiel Crailsheim, 7.300 m² Kollektorfläche) oder Bioenergiedörfern (Beispiel Büsingen, 1.090 m² Kollektorfläche) bis hin zur Einbindung in große städtische Fernwärmesysteme (Beispiel Wels in Österreich, 3.400 m² Kollektorfläche). die Größe und Auslegung der thermischen Solaranlage. Diese spiegeln sich im erzielten solaren Deckungsanteil am Gesamtwärmebedarf wider. So kann eine Solaranlage zur Vorwärmung mit Deckungsanteilen von etwa 5 % genutzt werden. Eine Volldeckung durch die Solaranlage in den Sommermonaten wird typischerweise bei Deckungsanteilen zwischen 10 und 20 % erreicht. Hohe Deckungsanteile von 20 bis über 50 % sind in Kombination mit Langzeitwärmespeichern möglich. Die unterschiedliche Art der Einbindung, d.h. einerseits die zentrale Einbindung und andererseits die dezentrale Einbindung, wird im Folgenden anhand zweier Grafiken genauer erläutert (vgl. Abbildung 5 und Abbildung 6)6. 6 Pauschinger et. al: SDH-Guidelines, www.solar-district-heating.eu, Juni 2012, letzter Zugriff: 23.10.2014 14 Zentrale Einbindung Die thermische Solaranlage wird zentral am Standort des Heizwerks oder Heizkraftwerks eingebunden, oftmals in Kombination mit einem großen saisonalen Wärmespeicher. Bei weiter entfernten, z.B. gebäudeintegrierten Kollektorfeldern, kann die Solarwärme über ein Solarnetz zur Heizzentrale gebracht werden, damit dort ebenfalls eine zentrale Einbindung in das Wärmenetz erfolgen kann. Die meisten solarthermischen Großanlagen wurden bisher aufgrund der einfacheren technischen Handhabung zentral in ein Wärmenetz eingebunden. Abbildung 5: Zentrale Einbindung in Nah- und Fernwärmenetze (Quelle: Solites) Dezentrale Einbindung Die thermische Solaranlage wird dezentral an einem geeigneten Ort in das Fernwärmenetz eingebunden. Die Solaranlage verfügt dabei oftmals über keinen eigenen Wärmespeicher und gibt ihre Wärme direkt an das Netz ab. Dies ist möglich wenn entweder an der Einbindungsstelle stets eine ausreichende Wärmelast vorliegt oder eine Speicherung über das Wärmenetz erfolgen kann (z.B. durch an anderer Stelle im Wärmenetz angeschlossene Speicherkapazitäten oder eine Temperaturerhöhung des Wärmenetzes). Abbildung 6: Dezentrale Einbindung in Nah- und Fernwärmenetze (Quelle: Solites) 15 3.2.1 Typen von Solarthermieanlagen in Fernwärmesystemen Im Folgenden werden verschiedene Typen von Solarthermieanlagen in Fernwärmesystemen beschrieben, die sich bezüglich der Art und Größe der Solarthermieanlage, der Größe des Fernwärmesystems und somit auch hinsichtlich organisatorischer Aspekte unterscheiden. Insgesamt werden hierbei sieben Anlagentypen differenziert: Typ 1: Solare Wärmenetze zur Quartiersversorgung Typ 2: Solare Wärmenetze mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere Typ 3: Dezentral eingebundene Solaranlagen in Quartieren Typ 4: Solare Wärmenetze für Dörfer und kleinere Städte Typ 5: Solare Fernwärmesysteme mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung „Smart District Heating“ Typ 6: Dezentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Großanlagen Typ 7: Zentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Großanlagen In aufsteigender Reihenfolge nimmt tendenziell die Größe des Wärmenetzes zu, beginnend mit Lösungen für Quartiere und Wohngebiete, oft auch als Nahwärmesysteme bezeichnet, bis hin zu Einbindungen in große städtische Fernwärmeversorgungen. Die verschiedenen Anlagentypen werden in den nachfolgenden Kapiteln näher beschrieben. 16 Typ 1: Solare Wärmenetze zur Quartiersversorgung Sowohl bei der Sanierung als auch beim Neubau urbaner Quartiere oder Wohnsiedlungen bieten sich lokale Wärmenetze, oftmals als Nahwärmesysteme bezeichnet, als eine Option zur Wärmeversorgung an (vgl. Abbildung 7). Aufgrund der lokalen Begrenzung und je nach Gebäudetyp und Haustechnik können solche Wärmenetze mit niedrigen oder mittleren Netztemperaturen betrieben werden, wodurch sie sich für die Einbindung einer thermischen Solaranlage besonders eignen. Der jährliche solare Deckungsanteil am Gesamtwärmebedarf beträgt bei den realisierten Projekten bis zu 20 % und wird durch die Einbindung eines Kurzzeitspeichers in der Heizzentrale erreicht. Der Hauptteil des Wärmebedarfs wird meistens über Heizkessel oder einen Anschluss an ein größeres Wärmenetz an der Heizzentrale bereitgestellt. Abbildung 7: Dachintegrierte Solarkollektoren auf Mehrfamilienhäusern (linkes Bild, Quelle: Solites); Solare Nahwärme Stuttgart Burgholzhof (rechtes Bild, Quelle: EnBW Energie Baden-Württemberg AG) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen zur Quartiersversorgung aufgelistet. Tabelle 1: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen zur Quartiersversorgung Wärmeabgabe gesamtes Netz 0,5 – 10 GWh/a Einbindung der Solaranlage zentral Nennleistung der Solaranlage 0,2 – 2 MWth Solarer Deckungsanteil 10 – 20 % der Wärmenetzeinspeisung Technik Aufgrund der beschränkten Flächenverfügbarkeit in Quartieren, werden die Kollektorflächen oftmals in die Dächer umliegender Gebäude integriert. Seitens der Anbieter stehen hierfür geeignete Systemlösungen mit Großflächenkollektoren zur Verfügung (z.B. Solarroof). Bei zahlreichen Projekten hat es sich als wirtschaftlich erwiesen, die Wärme von den verteilten Kollektorfeldern zur Heizzentrale zurückzuführen und dort zentral über einen Pufferspeicher einzubinden. Dieser ermöglicht eine bedarfsgerechte Bereitstellung der erzeugten Solarwärme. Durch größere Kollektorflächen und tageweise Speicherung der Solarwärme werden solare Deckungsanteile am Gesamtwärmebedarf von bis zu 20 % erreicht. Der Hauptteil des Wärmebedarfs wird meistens über Heizkessel oder einen Anschluss an ein größeres Wärmenetz an der Heizzentrale bereitgestellt. 17 Organisatorisches Bei der Realisierung einer solar unterstützen Nahwärmeversorgung ist die frühzeitige Zusammenarbeit von Anlagenplanern, Anlagenbetreibern, Bauherren und Architekten von entscheidender Bedeutung. Dabei muss eine exakte Abstimmung von Wärmenetz, Solarkollektoren und der entsprechenden Wärmenachfrage erfolgen. Nahwärmenetze werden in der Regel von Kontraktoren oder Stadtwerken betrieben. Daher kommt der Kommune bei der Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für solche Projekte eine wichtige Rolle zu. Diese hat durchaus Möglichkeiten, insbesondere die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Darauf wird in Kapitel 3.4 (Rechtliche Rahmenbedingungen) genauer eingegangen. Wirtschaftlichkeit Bei der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (siehe Kapitel 3.3) ergaben sich für diesen Anlagentyp solare Wärmegestehungskosten im Bereich von 55 bis 106 €/MWh (netto ohne Förderung) bzw. von 37 bis 73 €/MWh (netto mit Förderung). Ein entscheidender Faktor für die Wirtschaftlichkeit derartiger Anlagen sind die Mehrkosten für die Realisierung der verteilten Kollektorfelder auf den Gebäuden, insbesondere für die Dachintegration und die Wärmerückführung zur Heizzentrale. Durch eine kostengünstige Ausführung der Kollektorfelder in unmittelbarer Nähe der Heizzentrale können die Wärmegestehungskosten deutlich reduziert werden. Günstigere Wärmegestehungskosten können auch bei eher moderaten solaren Deckungsanteilen am Gesamtwärmebedarf durch die damit verbundenen hohen spezifischen Solarerträge erzielt werden. Besonderheiten Bei Neubausiedlungen ist, infolge steigender Anforderungen an die Gebäudehülle durch die EnEV, genau und individuell zu prüfen, ob ein Wärmenetz aufgrund des geringeren verbleibenden Wärmebedarfs rentabel realisierbar ist. Falls dies der Fall ist, profitiert davon insbesondere die Solaranlage, da die niedrigen Rücklauftemperaturen im Wärmenetz entscheidend für möglichst hohe Solarerträge sind. Bei dem heutzutage wesentlicher häufiger auftretenden Fall eines Sanierungsgebiets, ist die Wärmebedarfsdichte im Vergleich zur Neubausiedlung in der Regel höher, was der Wirtschaftlichkeit von Wärmenetzlösungen zuträglich ist. Die im Wärmenetz vorherrschenden höheren Temperaturen stellen zudem kein Hindernis für die Einbindung von Solarthermie dar, da mit heutigen Solarkollektoren ein entsprechendes Temperaturniveau erreicht werden kann. Ausgewählte Anlagenbeispiele Im Anhang wird exemplarisch die solare Nahwärme Stuttgart Burgholzhof vorgestellt. Weitere Anlagen befinden sich auch im europäischen Ausland, wie z.B. in Schweden (Vallda Heberg)7. Weiterführende Informationen Weiterführende Informationen finden sich in [Milles 2005]8 sowie in [Solarthermie2000]9. 7 Dalenbäck: Vallda Heberg – Initial experiences, SDH conference, Hamburg, 3rd June 2014 8 Milles: Solare Nahwärme in neuen Wohnsiedlungen, BINE Projektinfo 01/2005 9 Solarthermie2000: Langzeitverhalten von thermischen Solaranlagen im bundeseigenen Bereich, Solarthermie2000 Teilprogramm 1, www.solarthermie2000.de 18 Typ 2: Solare Wärmenetze mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere Bei Wohngebieten und Quartieren kann der im vorangegangen Abschnitt beschriebe Anlagentyp durch einen Langzeitwärmespeicher ergänzt werden, so dass höhere solare Deckungsanteile von bis zu 50 % erzielt werden. Der Wärmespeicher dient dabei zur saisonalen Speicherung der Solarwärme vom Sommer bis in die Heizperiode. In Deutschland wurden seit 1996 insgesamt elf solarthermische Großanlagen mit saisonaler Wärmespeicherung realisiert. Vier dieser elf Pilotanlagen wurden in Baden-Württemberg (Friedrichshafen, Neckarsulm, Crailsheim (vgl. Abbildung 8) und Eggenstein-Leopoldshafen) errichtet. Abbildung 8: Solare Nahwärme Hirtenwiesen in Crailsheim, Deutschlands größte Solarthermieanlage mit einer Kollektorfläche von 7.300 m² (Nennleistung zur Wärmeerzeugung: 5,1 MWth) (Quelle: Solites) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere aufgelistet. Tabelle 2: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere Wärmeabgabe gesamtes Netz 2 – 10 GWh/a Einbindung der Solaranlage zentral Nennleistung der Solaranlage 2 – 20 MWth Solarer Deckungsanteil 20 – 50 % der Wärmenetzeinspeisung Technik Das zentrale Element eines solchen Systems bildet der Langzeitwärmespeicher, der einen Großteil der in den Sommermonaten erzeugten Solarwärme aufnimmt und bis in die Heizperiode speichert. Nur über eine derartige saisonale Wärmespeicherung lassen sich solare Deckungsanteile am Gesamtwärmebedarf von 50 % und mehr erreichen. In Deutschland wird die Entwicklung saisonaler Wärmespeicher seit Mitte der 90er Jahre gefördert. Im Rahmen von Forschungsvorhaben wurden vier Speichertechnologien entwickelt (Behälter-, Erdbecken-, Erdsonden- und Aquifer19 Wärmespeicher), die jeweils in mindestens einer Pilotanlage praktisch demonstriert und betrieben wurden. Saisonale Wärmespeicher sind erst ab einer Größe von ca. 1.000 m³ technisch und wirtschaftlich machbar und erfordern daher eine Mindestgröße des Nahwärmesystems. Organisatorisches Derart komplexe Systeme werden in der Regel von Stadtwerken oder größeren Unternehmen der Versorgungswirtschaft realisiert und betrieben. Damit solche umfassenden Systeme erfolgreich umgesetzt werden können, muss die Systemplanung mit der Entwicklung des Gebiets und der Bauplanung einhergehen, insbesondere wenn es sich um mehrphasige Bauvorhaben handelt. Wirtschaftlichkeit Bei der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (siehe Kapitel 3.3) ergaben sich für diesen Anlagentyp solare Wärmegestehungskosten im Bereich von 73 bis 154 €/MWh (netto ohne Förderung) bzw. von 48 bis 102 €/MWh (netto mit Förderung). Im Vergleich zu Anlagentyp 1 ergeben sich höhere Wärmegestehungskosten. Dies liegt daran, dass bei diesen Systemen auch sehr hohe solare Deckungsanteile am Gesamtwärmebedarf von 50 % erreicht werden können und für die damit verbundene saisonale Wärmespeicherung großvolumige Wärmespeicher benötigt werden, deren Investitionskosten vollständig der solaren Wärmeerzeugung zugeordnet werden. Besonderheiten Das Ziel derzeitiger Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu saisonalen Wärmespeichern ist, die Technologien bis zum Jahr 2020 zur Marktbereitschaft zu führen. Eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von solaren Nahwärmesystemen mit Langzeitwärmespeicher kann durch eine Mehrfachnutzung des Wärmespeichers mit sogenannten Multifunktions- Wärmespeichern erreicht werden. Diese werden auch für die Speicherung industrieller Abwärme, KWK-Optimierung und Power-to-heat-Anwendungen verwendet. Ausgewählte Anlagenbeispiele Im Anhang wird exemplarisch die solare Nahwärme Hirtenwiesen in Crailsheim vorgestellt. Weitere Anlagen in Baden-Württemberg befinden sich in Neckarsulm, Friedrichshafen und Eggenstein- Leopoldshafen. Weiterführende Informationen Weiterführende Informationen finden sich in [Schneider 2013]10, [Mangold et al. 2012]11 sowie in [Saisonalspeicher.de]12. 10 Schneider: Sonnenenergie in der Erde speichern, BINE Projektinfo 01/2013 11 Mangold et al.: Forschungsbericht zum BMU-Vorhaben "Technisch-wirtschaftliche Analyse und Weiterentwicklung der solaren Langzeit-Wärmespeicherung" (Dez. 2007 bis Feb. 2011), Solites, 2012 12 Saisonalspeicher.de: Wissensportal für saisonale Wärmespeicherung, www.saisonalspeicher.de, letzter Zugriff: 24.10.2014 20 Typ 3: Dezentral eingebundene Solaranlagen für Quartiere Bei mit Fernwärme versorgten Quartieren kann eine thermische Solaranlage auch dezentral in das Wärmenetz eingebunden werden. Dadurch haben beispielsweise Wohnungsgesellschaften die Möglichkeit, eine etwas größer dimensionierte Solaranlage zu installieren, deren Wärmeerzeugung über dem Wärmebedarf des Quartiers liegt, da die erzeugte Solarwärme vollständig an das Fernwärmenetz abgegeben wird (vgl. Abbildung 9). Bei Wärmebedarf wird über eine Standardübergabestation Wärme aus dem Fernwärmenetz bezogen. Auf diese Weise wird das Wärmenetz als Speicher genutzt. Ein hausinterner Pufferspeicher entfällt, sodass solche Anlagen einfach und kostengünstig realisiert werden können. Abbildung 9: Dezentral eingebundene Solaranlage in Gardsten (SE) (linkes Bild); Übergabestation zur Wärmeabgabe an das Netz des Herstellers Armatec (rechtes Bild, Quelle: Armatec/Solites) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von dezentral eingebundenen Solaranlagen in Quartieren aufgelistet. Tabelle 3: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von dezentral eingebundenen Solaranlagen in Quartieren Wärmeabgabe gesamtes Netz 20 – 5.000 GWh/a Einbindung der Solaranlage dezentral Nennleistung der Solaranlage 0,2 – 2 MWth Solarer Deckungsanteil bis zu 100 % des Wärmebedarfs des Quartiers, geringe Anteile an der gesamten Wärmenetzeinspeisung Technik Die Solarkollektoren geben über eine Übergabestation zur Wärmeabgabe (siehe Abbildung 9, rechtes Bild) die erzeugte Wärme an den netzseitigen Vorlauf der Hausanschlussleitung ab. Übersteigt die Wärmeerzeugung den momentanen Eigenverbrauch des Gebäudes, wird die Solarwärme dem Fernwärmenetz zugeführt. Andernfalls wird die Solarwärme über eine Standardübergabestation zum Wärmebezug an das Gebäude geliefert. Somit wird bei diesem System kein zusätzlicher Pufferspeicher benötigt. Jedoch muss die Leistung der thermischen Solaranlage im Verhältnis zur Größe des Wärmenetzes klein sein. Diese Systeme eignen sich insbesondere für Wärmenetze oder Wärmenetzbereiche, die im Sommer auf niedrigeren Temperaturen, z.B. zwischen 60°C und 80°C, betrieben werden. 21 Organisatorisches Bei diesem Modell befinden sich die Solaranlagen meist im Eigentum von Wohnungsgesellschaften. Der Betrieb erfolgt ebenfalls durch diese oder durch lokale Versorger. Aktuelle Auswertungen haben ergeben, dass beim professionellen Betrieb durch Unternehmen der Versorgungswirtschaft wesentlich bessere Betriebsergebnisse erzielt werden. Eine Abrechnung erfolgt zwischen den Wohnungsgesellschaften und dem Wärmenetzbetreiber. Dabei wird die vom Wärmemengenzähler erfasste solare zugeführte Wärme, ähnlich wie bei der PV-Stromeinspeisung, vergütet. Der Wärmebezug erfolgt hingegen über Standardverträge. Generell hat sich gezeigt, dass die Standardisierung und getrennte Behandlung von Abgabe und Bezug hinsichtlich Kosten und Abwicklung am günstigsten sind. Wirtschaftlichkeit Bei der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (siehe Kapitel 3.3) ergaben sich für diesen Anlagentyp solare Wärmegestehungskosten im Bereich von 55 bis 74 €/MWh (netto ohne Förderung) bzw. von 36 bis 48 €/MWh (netto mit Förderung). Die relativ geringeren Wärmegestehungskosten resultieren daher, dass die Solaranlage meistens einfach und kostengünstig realisiert werden kann, da kein zusätzlicher Pufferspeicher installiert werden muss und die spezifischen Solarerträge je nach Temperaturniveau im Wärmenetz sehr hoch sein können. Besonderheiten In Schweden wurde dieser Anlagentyp bereits mehrfach realisiert. Insbesondere Wohnungsgesellschaften äußerten dort den Wunsch, thermische Solaranlagen auf ihren Gebäuden zu installieren. Daher wurde ein Geschäftsmodell entwickelt, welches das Einbringen von Solarwärme in das Fernwärmenetz ermöglicht. Vom Systemkomponentenhersteller Armatec wurde für diese Art der Systemeinbindung eine vorgefertigte Übergabestation zur Abgabe der Solarwärme an das Wärmenetz entwickelt. Der Wärmebezug für das Gebäude erfolgt über eine separate Standardübergabestation. Ausgewählte Anlagenbeispiele Im Anhang wird exemplarisch die dezentrale Einbindung Gardsten in Göteborg (SE) vorgestellt. Weitere Anlagen befinden sich in Malmö (SE) (Propellern 2 und Augustenborg), Skive (DK) (Hoeslev School) und in Hillerod (DK) (Elmegarden). Weiterführende Informationen Weiterführende Informationen finden sich in [Dalenbäck 2010]13, [Dalenbäck 2012a]14, [Dalenbäck 2012b]15 sowie in [Schlegel 2014]16. 13 Dalenbäck: Success factors in Solar District Heating, www.solar-district-heating.eu, CIT Energy Management AB, Göteborg, SE, Dezember 2010 14 Dalenbäck: Boundary conditions and market obstacles for Solar District Heating, www.solar-district-heating.eu, CIT Energy Management AB, Göteborg, SE, Juli 2012 15 Dalenbäck: Market for Solar District Heating, www.solar-district-heating.eu, CIT Energy Management AB, Göteborg, SE, August 2012 16 Schlegel: Technisch-ökonomische Analyse und Bewertung von Anlagen zur dezentralen Einspeisung von Solarwärme in Fernwärmenetze, Masterarbeit, Solites / Universität Stuttgart, März 2014 22 Typ 4: Solare Wärmenetze für Dörfer und kleinere Städte In Deutschland, Österreich, Dänemark und Schweden werden Wärmenetze vielfach zur Wärmeversorgung von Dörfern und kleineren Städten im ländlichen Raum genutzt. Einen besonderen Fall stellen in Deutschland Bioenergiedörfer dar, die ihren Strom- und Wärmebedarf aus heimischen Rohstoffen und erneuerbaren Energiequellen decken, bisher meist in Verbindungen mit Biogasanlagen. Eine alternative Erzeugungsvariante stellt die Kombination aus einer solarthermischen Großanlage in Verbindung mit einem Biomassekessel dar. Die Solarthermieanlage deckt hierbei die Last in den Sommermonaten ab, so dass der ungünstige Teillastbetrieb des Biomassekessels (abnehmende Wirkungsgrade und steigende Emissionen) vermieden werden kann (vgl. Abbildung 10). Abbildung 10: Heizwerk des Bioenergiedorfs Büsingen mit einem Biomassekessel und 1.090 m² Vakuumröhrenkollektoren (Quelle: Ritter XL Solar GmbH) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen für Dörfer und kleinere Städte aufgelistet. Tabelle 4: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Wärmenetzen für Dörfer und kleinere Städte Wärmeabgabe gesamtes Netz 2 – 100 GWh/a Einbindung der Solaranlage zentral Nennleistung der Solaranlage 0,5 – 50 MWth Solarer Deckungsanteil 10 – 20 % der Wärmenetzeinspeisung, Volldeckung in den Sommermonaten Technik Im ländlichen Raum können die Kollektorflächen der thermischen Solaranlage oft auf Freiflächen in Nähe der Heizzentrale installiert werden, was zu sehr günstigen spezifischen Anlagenkosten führt. Zur Dimensionierung der Solaranlage wird die maximale Sommerlast im Wärmenetz angesetzt, welche sich aus dem sommerlichen Wärmebedarf (meist zur Trinkwassererwärmung) und den Wärmeverlusten des Netzes zusammensetzt. In der Regel ergeben sich solare Deckungsanteile von 10 bis 20 % des Gesamtwärmebedarfs. 23 Organisatorisches Derartige Anlagen werden oftmals durch die Initiative von engagierten Bürgern vor Ort auf den Weg gebracht. Die Realisierung und der Betrieb erfolgt dann entweder durch eine eigens gegründete Genossenschaft oder durch einen lokalen Versorger. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Umsetzung stellt die Einbindung und konkrete Beteiligung der Bürger dar. Durch eine gemeinschaftliche Durchführung erhöht sich bei den Anwohnern in der Regel auch die Akzeptanz und die Bereitschaft sich an das Wärmenetz anzuschließen. Bei der Umsetzung durch eine Genossenschaft stellt insbesondere die dauerhaft geforderte Professionalität bei der Realisierung, dem Betrieb und der Kundenbetreuung eine Herausforderung dar. Weitere Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung ist die Zusammenarbeit mit einem kompetenten Planer im Bereich Wärmenetze und erneuerbare Energien. Wirtschaftlichkeit Bei der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (siehe Kapitel 3.3) ergaben sich für diesen Analgentyp solare Wärmegestehungskosten im Bereich von 55 bis 99 €/MWh (netto ohne Förderung) bzw. von 36 bis 66 €/MWh (netto mit Förderung). Durch den Anspruch einer Energiegenossenschaft, eine langfristig preisstabile und auf erneuerbaren Energien basierende Wärmeversorgung sicherzustellen, die nicht auf Profitmaximierung abzielt, sind meist moderate Wärmepreise realisierbar. Im spezifischen Fall einer thermischen Solaranlage kommt dazu, dass diese in den Sommermonaten vorrangig die Energieversorgung übernimmt und in der Übergangszeit den Biomasseheizkessel unterstützt. Auf diese Weise werden die Betriebskosten des Biomasseheizkessels gesenkt und dessen Lebensdauer deutlich verlängert, da der Kessel nicht durchgehend in Betrieb ist. Günstige Wärmegestehungskosten sind jedoch erst für größere Solaranlagen größer 1 MWth und solare Deckungsanteile bis 20 % möglich. Die langfristige Stabilität der Wärmegestehungskosten von Solaranlagen ermöglicht es, einen Teil der Wärmegestehungskosten der Fernwärmeversorgung zu fixieren. Besonderheiten Die geringen Wärmedichten im ländlichen Raum stellen besondere Herausforderungen bezüglich einer kostengünstigen Realisierung des Gesamtsystems und insbesondere des Wärmenetzes dar. Ausgewählte Anlagenbeispiele Im Anhang wird exemplarisch das Bioenergiedorf Büsingen vorgestellt. Weitere Anlagen befinden sich in Dänemark (z.B. Rise, Aero) und Österreich (z.B. Nahwärme Eibiswald). 24 Typ 5: Solare Fernwärmesysteme mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung „Smart District Heating“ Eine Weiterentwicklung des vorherigen Typs stellen solare Fernwärmesysteme dar, bei denen solarthermische Großanlagen mit weiteren Technologien zur Strom- und Wärmeerzeugung sowie mit großen Wärmespeichern kombiniert werden. Die Funktionsweise der dabei entstehenden ganzheitlichen Energieversorgungssysteme wurde durch drei Pilotanlagen in Dänemark demonstriert und dort mit dem Begriff „Smart District Heating“ bezeichnet (vgl. Abbildung 11). Abbildung 11: 18.000 m² Kollektorfläche des Systems in Braedstrup (DK) (Quelle: Solites, Braedstrup Fjernvarme) In der folgenden Tabelle werden typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Fernwärmesystemen mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung aufgelistet. Tabelle 5: Typische Kenngrößen und Eigenschaften bei der Realisierung von solaren Fernwärmesystemen mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung „Smart District Heating“ Wärmeabgabe gesamtes Netz 2 – 100 GWh/a Einbindung der Solaranlage zentral Nennleistung der Solaranlage 0,5 – 50 MWth Solarer Deckungsanteil 10 – 50 % der Wärmenetzeinspeisung, Volldeckung in den Sommermonaten Technik Zentrales Element solcher Systeme ist ein großvolumiger Wärmespeicher, d
Solare Nah- und Fernwärmeversorgung in Europa - Erfahrungsbericht aus der Erstellung der Fallstudien Open preview